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Schwartau und Zentis - Bundeskartellamt

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BUNDESKARTELLAMT 53113 Bonn<br />

2. BESCHLUSSABTEILUNG Kaiser-Friedrich-Straße 16<br />

B2 – 15840 – U – 93/02<br />

BESCHLUSS<br />

In dem Verwaltungsverfahren<br />

Telefon: (0228) 9499-529<br />

Zentrale: (0228) 9499-0<br />

Telefax: (0228) 9499-166<br />

FÜR DIE<br />

VERÖFFENTLICHUNG BESTIMMT<br />

FUSIONSVERFAHREN<br />

VERFÜGUNG GEMÄSS § 40 ABS. 2<br />

GWB<br />

1. <strong>Schwartau</strong> Food Ingredients GmbH Verfahrensbevollmächtigter zu 1.:<br />

Ballinstraße 12 Dr. Burkhard Richter<br />

12359 Berlin Freshfields Bruckhaus Deringer<br />

Freiligrathstraße 1<br />

2. Franz <strong>Zentis</strong> GmbH & Co 40479 Düsseldorf<br />

Jülicher Straße 177<br />

52070 Aachen<br />

- Beteiligte -<br />

wegen Prüfung eines Zusammenschlussvorhabens nach § 36 GWB hat die 2.<br />

Beschlussabteilung des B<strong>und</strong>eskartellamtes am 14. Februar 2003 beschlossen:<br />

1. Der mit Schreiben vom 21.10.2002 angemeldete Zusammenschluss wird nicht<br />

untersagt.<br />

2. Die Gebühr für die Anmeldung wird auf [ ] € festgesetzt <strong>und</strong> den Beteiligten<br />

zu 1. <strong>und</strong> 2. auferlegt.


2<br />

Gründe<br />

1. Mit Schreiben ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 21.10.2002 hat die Schwar-<br />

tau Food Ingredients GmbH (<strong>Schwartau</strong>) im Einverständnis mit der Franz <strong>Zentis</strong><br />

GmbH & Co. (<strong>Zentis</strong>) das Vorhaben angemeldet, entweder direkt oder über ihre<br />

Tochtergesellschaft Moll Marzipan GmbH, Berlin, zusammen mit <strong>Zentis</strong> ein Ge-<br />

meinschaftsunternehmen zu gründen, dessen Anteile zu je 50 % von den Müttern<br />

gehalten werden sollen. Nach Prüfung der Anmeldung hat das B<strong>und</strong>eskartellamt<br />

festgestellt, dass das angemeldete Vorhaben in den Geltungsbereich des Geset-<br />

zes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) fällt. Am 20.11.2002 hat der Ver-<br />

fahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 1. die Mitteilung erhalten, dass das Bun-<br />

deskartellamt in die Prüfung des Zusammenschlusses (Hauptprüfverfahren) ein-<br />

getreten ist.<br />

I. Die beteiligten Unternehmen<br />

2. <strong>Schwartau</strong> ist ein Konzernunternehmen der <strong>Schwartau</strong>er Werke GmbH & Co.,<br />

Bad <strong>Schwartau</strong>. Anteilseigner ist die AOH Nahrungsmittel GmbH & Co. KG Dr. A-<br />

rend Oetker. Die Konzerngesellschaften der <strong>Schwartau</strong>er Werke GmbH & Co.<br />

sind insbesondere auf dem Gebiet der Herstellung <strong>und</strong> des Vertriebs von Konfitü-<br />

ren, Nuss-Nougat-Cremes, Müsli-Riegeln <strong>und</strong> Produkten für den Backbedarf tätig.<br />

Im Geschäftsjahr 2001 erzielte AOH weltweit einen Umsatz in Höhe von [ ] Mio. €,<br />

davon [ ] Mio. € in der Europäischen Union <strong>und</strong> [ ] Mio. € in Deutschland. Schwar-<br />

tau hat 2001 von Rösch & Moll GmbH & Co., Berlin, den Geschäftsbereich Marzi-<br />

pan- <strong>und</strong> Persipanrohmassenherstellung sowie Mandel- <strong>und</strong> Haselnusskernpräpa-<br />

rate übernommen. <strong>Schwartau</strong> betreibt das Geschäft mit Marzipan <strong>und</strong> Persipan<br />

seither über die Moll Marzipan GmbH in Berlin. Die Produktionsanlagen in Bad<br />

<strong>Schwartau</strong> sind Ende 2001 stillgelegt <strong>und</strong> verschrottet worden.<br />

3. <strong>Zentis</strong> ist auf dem Gebiet der Produktion <strong>und</strong> des Vertriebs von süßen Brotaufstri-<br />

chen, Frucht- <strong>und</strong> anderen Füllungen für die weiterverarbeitende Industrie <strong>und</strong> Bä-<br />

ckereien sowie im Bereich Backzutaten tätig. <strong>Zentis</strong> erzielte im Geschäftsjahr<br />

2001 weltweit <strong>und</strong> in der EU [ ] Mio. € Umsatzerlöse, davon ca. [ ] Mio. € in<br />

Deutschland.


3<br />

4. <strong>Schwartau</strong> <strong>und</strong> <strong>Zentis</strong> beabsichtigen, in dem Gemeinschaftsunternehmen, das<br />

hierfür einen Teil des Werksgeländes von <strong>Zentis</strong> in Aachen anmieten wird, die<br />

Marzipanrohmassen-Produktion der Mütter zusammenzuführen. Daneben wird die<br />

bisherige Persipanrohmassenherstellung <strong>Schwartau</strong>s auf das Gemeinschaftsun-<br />

ternehmen verlagert. Hierzu werden zwei moderne Produktionsanlagen (Baujahr<br />

1995/96) von <strong>Zentis</strong> beigesteuert, zwei Maschinen werden aus dem Bestand der<br />

von <strong>Schwartau</strong> im letzten Jahr übernommenen Rösch & Moll GmbH & Co. aus<br />

Berlin nach Aachen transferiert. Das Gemeinschaftsunternehmen wird aus-<br />

schließlich seine Mütter <strong>Zentis</strong> <strong>und</strong> <strong>Schwartau</strong> mit Marzipanrohmasse, angewirk-<br />

tem Marzipan, Persipanrohmasse <strong>und</strong> angewirktem Persipan beliefern.<br />

II. Zusammenschluss<br />

5. Auf das Zusammenschlussvorhaben finden die Fusionskontrollvorschriften des<br />

GWB Anwendung. Das Vorhaben verwirklicht den Zusammenschlusstatbestand<br />

des § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB, da <strong>Schwartau</strong> <strong>und</strong> <strong>Zentis</strong> beabsichtigen, die gemein-<br />

same Kontrolle an dem zu gründenden Gemeinschaftsunternehmen zu erwerben.<br />

Ebenfalls verwirklicht wird der Zusammenschlusstatbestand des § 37 Abs. 1 Nr. 3<br />

Satz 1 Buchst. a) GWB, weil beide Beteiligte 50 % der Anteile erwerben werden.<br />

Hinsichtlich der Märkte, auf denen das Gemeinschaftsunternehmen tätig sein wird,<br />

gelten die Beteiligten gem. § 37 Abs. 1 Nr. 3 Satz 3 GWB als zusammenge-<br />

schlossen.<br />

III. Anwendungsbereich des GWB<br />

6. Die Vorschriften über die Zusammenschlusskontrolle gem. §§ 35 ff. GWB finden<br />

Anwendung. Unter Berücksichtigung von § 38 Abs. 5 GWB liegen der gemeinsa-<br />

me weltweite Umsatz sowie die Inlandsumsätze der beteiligten Unternehmen über<br />

den Schwellenwerten des § 35 Abs. 1 Ziff. 1, 2 GWB. Die Schwellenwerte von Art.<br />

1 Abs. 2, 3 der europäischen Fusionskontrollverordnung werden nicht erreicht.<br />

IV. Wettbewerbliche Beurteilung<br />

7. Das angemeldete Zusammenschlussvorhaben erfüllt nicht die<br />

Untersagungsvoraussetzungen des § 36 Abs. 1 GWB, da nicht zu erwarten ist,<br />

dass es durch den Zusammenschluss auf dem betroffenen Markt zur Entstehung<br />

oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung kommt. Diese Beurteilung


4<br />

einer marktbeherrschenden Stellung kommt. Diese Beurteilung beruht auf den<br />

Ermittlungen der Beschlussabteilung bei allen maßgeblichen in- <strong>und</strong> ausländi-<br />

schen Wettbewerbern, einer Befragung von Nachfragern sowie den Erkenntnissen<br />

aus dem Fusionskontrollverfahren <strong>Schwartau</strong>/Rösch & Moll (B 2 – 75/01).<br />

1. Relevante Märkte<br />

8. Das Zusammenschlussvorhaben betrifft die b<strong>und</strong>esweiten Märkte für Marzipan-<br />

rohmasse, angewirktes Marzipan, Persipanrohmasse <strong>und</strong> angewirktes Persipan.<br />

a) Sachliche Marktabgrenzung<br />

9. Die sachliche Marktabgrenzung richtet sich nach dem Bedarfsmarktkonzept. Da-<br />

nach sind die sachlichen Märkte nach der funktionellen Austauschbarkeit der Pro-<br />

dukte aus der Sicht des Abnehmers voneinander abzugrenzen. Zu einem sachlich<br />

relevanten Markt gehören alle Waren, die wegen gleicher Eigenschaften <strong>und</strong> Ver-<br />

wendungszwecke geeignet sind, einen bestimmten Bedarf des Verbrauchers trotz<br />

Unterschieden im Einzelnen auf zumutbare, gleichwertige Weise zu befriedigen,<br />

auch wenn sie sich in Einzelheiten wie Konstruktion, Qualität, Preis <strong>und</strong> ähnlichem<br />

unterscheiden 1 .<br />

10. Marzipanrohmasse wird durch die Verarbeitung von süßen Mandeln mit Zucker<br />

hergestellt. Zunächst werden die gereinigten Mandeln gebrüht, die dadurch gelo-<br />

ckerte Haut mittels Gummiwalzen abgezogen <strong>und</strong> die enthäuteten Mandeln in<br />

Mühlen oder mit Hilfe von Walzen sehr fein zerkleinert. Anschließend wird dem<br />

Mandelbrei max. 35% Puderzucker beigemischt <strong>und</strong> die Mischung bei Temperatu-<br />

ren von ca. 105 Grad Celsius „abgeröstet“. Aus der so entstandenen Marzipan-<br />

rohmasse kann man angewirktes Marzipan gewinnen, indem man in einem zwei-<br />

ten Arbeitsschritt weiteren Puderzucker in die Rohmasse einmischt.<br />

11. Bei Persipan handelt es sich um ein Produkt, das bis zu einem gewissen Grad<br />

Marzipan im Geschmack ähnelt, aber nicht aus Mandeln, sondern aus geschälten<br />

<strong>und</strong> entbitterten Aprikosen- <strong>und</strong> Pfirsichkernen, die wiederum mit Zucker verarbei-<br />

tet werden, gewonnen wird.<br />

1 KG WuW / E OLG 3759, 3760 „Pillsbury – Sonnen-Bassermann“; weitere Nachw. bei Möschel, in:<br />

Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), 3. Aufl. 2001, § 19 GWB, Rdnr. 24.


5<br />

12. Marzipan- <strong>und</strong> Persipanrohmasse sind aufgr<strong>und</strong> ihrer unterschiedlichen Rohstoff-<br />

basis nicht miteinander austauschbar <strong>und</strong> müssen daher getrennten sachlich re-<br />

levanten Märkten zugeordnet werden. Für die Produktion von Marzipanprodukten<br />

kommt ein Austausch der eingesetzten Marzipanrohmasse durch Persipanroh-<br />

masse aus geschmacklichen, aber auch aus deklarationsrechtlichen Gründen<br />

nicht oder nur in Randbereichen in Betracht:<br />

13. Zwar ist Persipan im Geschmack dem Marzipan nicht ganz unähnlich. Nur Marzi-<br />

pan aber besitzt einen unverfälschten Mandelgeschmack, der dem Persipan, das<br />

nicht aus Mandeln gewonnen wird, nicht zu eigen ist. Aber auch bei Produkten, bei<br />

denen Marzipan nur als Zutat verwendet wird – wie etwa bei Lebkuchen oder Ge-<br />

bäck –, kommt nach Ansicht von Nachfragern ein Austausch der Marzipanroh-<br />

masse durch Persipanrohmasse gr<strong>und</strong>sätzlich nicht in Betracht. Ursächlich hier-<br />

für ist vor allem der geschmackliche Unterschied zwischen auf Mandeln basieren-<br />

dem Marzipan <strong>und</strong> auf Aprikosenkernen basierendem Persipan. Soll das Produkt<br />

einen unverfälschten Mandelgeschmack haben, muss Marzipanrohmasse verar-<br />

beitet werden.<br />

14. Hinzu kommt, dass Marzipan vom Verbraucher als qualitativ höherwertiger ange-<br />

sehen wird als Persipan. Möchte jemand Marzipan konsumieren, greift er daher<br />

bewusst zu einem Produkt, das Marzipan enthält, nicht aber zu einem, das Persi-<br />

pan enthält. Diese Präferenz der Verbraucher wollen die Hersteller von Marzipan-<br />

endprodukten bedienen <strong>und</strong> können daher nicht auf die Verarbeitung von Persipan-<br />

rohmasse an Stelle von Marzipanrohmasse ausweichen. Nur unter Qualitätsab-<br />

strichen kann als Zutat verwendete Marzipanrohmasse durch Persipanrohmasse<br />

ersetzt werden. So wird etwa bei Stollen oftmals das teurere Marzipan durch das<br />

billigere Persipan ersetzt, um Kosten zu sparen. In den letzten Monaten wurden<br />

umgekehrt aufgr<strong>und</strong> von Lieferengpässen <strong>und</strong> gestiegener Rohstoffpreise bei Ap-<br />

rikosenkernen Produkte, die traditionell aus Persipan hergestellt werden (z.B. Do-<br />

minosteine, Stollen) aus Kostengründen zum Teil mit Marzipan hergestellt. Diese<br />

Überlappung der Verwendung von Marzipan <strong>und</strong> Persipan in Randbereichen stellt<br />

die Annahme getrennter sachlich relevanter Märkte aber nicht in Frage.<br />

15. Ob in einem bestimmten Produkt Marzipan oder aber Persipan verarbeitet wurde,<br />

können die Konsumenten auch eindeutig erkennen. Gibt der Hersteller in der Pro-<br />

duktdeklaration an, dass das Produkt Marzipan enthält, dann muss dieses Produkt<br />

auch tatsächlich Marzipan enthalten. Dies ergibt sich aus § 17 Abs. 1 Nr. 5 des


6<br />

Lebensmittel- <strong>und</strong> Bedarfsgegenständegesetz (LBMG) i.V.m. den Leitsätzen für<br />

Ölsamen <strong>und</strong> daraus hergestellten Massen <strong>und</strong> Süßwaren. Nach § 17 Abs. 1 Nr. 5<br />

LBMG dürfen Lebensmittel nicht unter irreführender Bezeichnung in den Verkehr<br />

gebracht werden. Die Leitsätze für Ölsamen <strong>und</strong> daraus hergestellte Massen <strong>und</strong><br />

Süßwaren 2 , die zur Auslegung der allgemeinen Begriffe von § 17 Abs. 1 Nr. 5<br />

LBMG heranzuziehen sind 3 , definieren unter Abschnitt C. b) 1 <strong>und</strong> 2 im einzelnen,<br />

was unter Marzipan <strong>und</strong> Persipan zu verstehen ist. Wird daher entgegen der De-<br />

klaration Persipan statt Marzipan oder umgekehrt verwendet, liegt ein Verstoß ge-<br />

gen § 17 Abs. 1 Nr. 5 LBMG vor. Hersteller von Marzipanendprodukten müssten<br />

daher ihre Verpackungsdeklarationen entsprechend ändern, wenn sie die bei der<br />

Produktion eingesetzte Marzipanrohmasse durch Persipanrohmasse ersetzen<br />

würden.<br />

16. Auch soweit das in einem Produkt enthaltene Marzipan vom Hersteller bisher nicht<br />

deklariert wurde, kann er nicht auf die Verwendung von Persipanrohmasse an<br />

Stelle von Marzipanrohmasse umsteigen, ohne dies gegenüber den Verbrauchern<br />

kenntlich zu machen. Denn nach Ziffer 9 der Leitsätze für Feine Backwaren 4 muss<br />

die Verwendung von Persipan kenntlich gemacht werden, wenn die Verwendung<br />

von Marzipan üblich oder die verwendete Masse als Belag oder Füllung in der an-<br />

gebotenen Form sichtbar oder nach Aussehen, Geruch oder Geschmack mit Mar-<br />

zipan verwechselbar ist. Unterlässt er dies, liegt wiederum ein Verstoß gegen § 17<br />

Abs. 1 Nr. 5 LBMG vor. In der Regel muss also ein Hersteller den Einsatz von Per-<br />

sipan an Stelle von Marzipan deklarieren, auch wenn er zuvor das in dem entspre-<br />

chenden Produkt enthaltene Marzipan nicht gesondert ausgewiesen hat. Ist es<br />

demnach für die Verbraucher ersichtlich, wenn ein Produkt Persipan statt Marzi-<br />

pan enthält, <strong>und</strong> wird zugleich Marzipan allgemein für höherwertiger als Persipan<br />

gehalten, muss jeder Hersteller, der in seinen Produkten Persipan an Stelle von<br />

Marzipan verarbeitet, befürchten, dass die Verbraucher die entsprechenden Pro-<br />

dukte nicht mehr nachfragen, unabhängig davon, ob im Einzelfall ein gravierender<br />

geschmacklicher Unterschied tatsächlich festzustellen ist. Auch vor diesem dekla-<br />

rationsrechtlichen Hintergr<strong>und</strong> sind Marzipanrohmasse <strong>und</strong> Persipanrohmasse<br />

nicht funktionell gleichwertig.<br />

2 Abgedruckt bei Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht (Stand 2001), unter C 355e.<br />

3 Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht (Stand 2001), C 355e, Rdnr. 2.<br />

4 Abgedruckt bei Zipfel/Rathke, a.a.O., unter C 308.


7<br />

17. Ferner bilden Marzipanrohmasse <strong>und</strong> angewirktes Marzipan nach Auffassung der<br />

Beschlussabteilung mangels funktioneller Austauschbarkeit eigene sachlich rele-<br />

vante Teilmärkte. Die Rohmasse ist das Vorprodukt zum angewirkten Marzipan.<br />

Während die Rohmasse nur 35% Zucker enthalten darf 5 , wird angewirktes Marzi-<br />

pan durch Hinzufügen <strong>und</strong> Einarbeiten von weiterem Puderzucker zur Rohmasse<br />

gewonnen. Dabei entscheidet der eingearbeitete Zuckeranteil über die Hochwertig-<br />

keit des Marzipans. Je mehr Zucker das Marzipan enthält, desto niedriger ist die<br />

Marzipanqualität. Enthält das angewirkte Marzipan mindestens 70% Rohmasse,<br />

dann darf es als „Edelmarzipan“ bezeichnet werden 6 . Im Rahmen des Anwir-<br />

kungsprozesses mit Zucker können der Marzipanrohmasse aber auch noch weite-<br />

re geschmacksgebende Zutaten hinzugefügt werden 7 . Für das Anwirken der<br />

Rohmasse benötigt man einen Kneter, mit dessen Hilfe Rohmasse <strong>und</strong> Zucker<br />

miteinander verrührt werden <strong>und</strong> der je nach Verarbeitungskapazität zwischen<br />

knapp 50.000 € <strong>und</strong> 250.000 € kostet. Nur das Anwirken kleiner Mengen von Roh-<br />

masse kann manuell erfolgen.<br />

18. Zahlreiche Marzipanabnehmer, die für die Produktion ihrer Waren angewirktes<br />

Marzipan benötigen, verfügen nicht über einen solchen Kneter, sondern beziehen<br />

das angewirkte Marzipan direkt beim Rohmassenhersteller, der das Anwirken der<br />

Rohmasse nach den genauen rezeptürlichen Vorgaben <strong>und</strong> Produktspezifikatio-<br />

nen des Abnehmers für diese übernimmt. Mangels eigener technischer Vorrich-<br />

tungen für das Anwirken können solche Abnehmer nicht auf den Kauf von Marzi-<br />

panrohmasse ausweichen. Kleinere, handwerkliche Backbetriebe wiederum, die –<br />

soweit sie überhaupt angewirktes Marzipan <strong>und</strong> nicht unmittelbar die Rohmasse<br />

verarbeiten – das Anwirken der Rohmasse wegen der geringen Mengen auch ma-<br />

nuell vornehmen könnten, beziehen lieber fertig angewirktes Marzipan, um sich ei-<br />

nen arbeitsintensiven Verarbeitungsschritt zu ersparen.<br />

19. Auf der anderen Seite wird von vielen Nachfragern die Marzipanrohmasse gar<br />

nicht mit Zucker angewirkt, sondern direkt verarbeitet. Dies gilt etwa für die Produ-<br />

zenten hochwertiger Marzipanpralinen, für welche die Rohmasse aus Qualitäts-<br />

gründen nicht mit Zucker gestreckt werden darf, oder aber für Lebkuchenprodu-<br />

5<br />

Abschnitt B 1 der Leitsätze für Ölsamen <strong>und</strong> daraus hergestellte Massen <strong>und</strong> Süßwaren (abgedruckt<br />

bei Zipfel/Rathke, a.a.O., unter C 355e).<br />

6<br />

Ziffer 8.2 der Richtlinien für Zuckerware des B<strong>und</strong>esverbandes der Deutschen Süßwarenindustrie<br />

e.V. (abgedruckt bei Zipfel/Rathke, a.a.O., unter C 355c).<br />

7<br />

Vgl. Ziffer 8.1 der Richtlinien für Zuckerware des B<strong>und</strong>esverbandes der Deutschen Süßwarenindust-<br />

rie.


8<br />

zenten, welche die Marzipanrohmasse direkt mit dem Lebkuchenteig verrühren.<br />

Auch für diese Abnehmer sind angewirktes Marzipan <strong>und</strong> Marzipanrohmasse kei-<br />

ne Bezugsalternativen.<br />

20. Schließlich gibt es Nachfrager, die aufgr<strong>und</strong> einer bestimmten Qualitätsphilosophie<br />

das Anwirken der Marzipanrohmasse selbst <strong>und</strong> nach eigenen Rezepturen vor-<br />

nehmen möchten <strong>und</strong> deswegen auf die Belieferung mit Marzipanrohmasse an-<br />

gewiesen sind, ohne dass die Rohmasse durch bereits angewirktes Marzipan er-<br />

setzt werden könnte.<br />

21. Dass die Rohmassenhersteller ihre Produktion ohne größeren Aufwand von Mar-<br />

zipanrohmasse auf angewirktes Marzipan <strong>und</strong> umgekehrt umstellen können, ist in<br />

der wettbewerblichen Beurteilung besonders zu berücksichtigen.<br />

22. Schließlich ist für Marzipan <strong>und</strong> Persipan zwischen dem Vertrieb an industrielle<br />

Abnehmer <strong>und</strong> dem Vertrieb an das Bäckerei- <strong>und</strong> Konditoreihandwerk zu unter-<br />

scheiden. Im Falle deutlicher Unterschiede der wettbewerblichen Verhältnisse<br />

zwischen verschiedenen Abnehmerkreisen sind jeweils eigenständige sachlich re-<br />

levante Teilmärkte anzunehmen 8 . Nach den Erkenntnissen der Beschlussabtei-<br />

lung im Zusammenschlussverfahren <strong>Schwartau</strong>/Rösch & Moll unterscheiden sich<br />

die Belieferung der weiterverarbeitenden Industrie auf der einen Seite <strong>und</strong> die Be-<br />

lieferung des Bäckereihandwerks auf der anderen Seite hinsichtlich Service, Ver-<br />

tragsgestaltung <strong>und</strong> Vertriebslogistik deutlich. Während das Bäckereihandwerk<br />

überwiegend mit Standardprodukten beliefert wird, werden von den Rohmassen-<br />

herstellern für die Mehrzahl der industriellen Abnehmer Sonderrezepturen entwi-<br />

ckelt. Diese Sonderrezepturen basieren dabei in der Regel auf den genauen Vor-<br />

gaben der Industriek<strong>und</strong>en, zum Teil werden von diesen sogar die für die Sonder-<br />

rezeptur erforderlichen Rohstoffe zur Verfügung gestellt. Industrielle Abnehmer<br />

schließen zudem mit den Rohmassenherstellern längerfristige Kontrakte über ein<br />

Jahr, in denen große Abrufmengen vereinbart werden. Die Fertigung erfolgt bei den<br />

Rohmassenproduzenten dementsprechend auftragsbezogen. Demgegenüber<br />

werden im Handwerksbereich mit dem Fachgroßhandel nur kurzfristige Verträge<br />

geschlossen, die nur Auslieferungen in kleineren Mengen vorsehen, die von den<br />

Rohmassenherstellen regelmäßig aus Lagerbeständen bedient werden. Ferner er-<br />

folgt die Belieferung <strong>und</strong> die Betreuung industrieller K<strong>und</strong>en im Direktvertrieb, wäh-<br />

rend das Bäckerei- <strong>und</strong> Konditoreihandwerk über den Fachgroßhandel beliefert


9<br />

oder direkt vor Ort durch eigene Handelsvertreter betreut wird. Im übrigen lässt<br />

sich für die Mehrheit der Hersteller, die sowohl Industrie als auch Handwerk belie-<br />

fern, feststellen, dass das Preisniveau im industriellen Bereich niedriger als im<br />

Handwerksbereich ist.<br />

23. Bei Marzipan <strong>und</strong> Persipan bilden deshalb der Vertrieb an die weiterverarbeitende<br />

Industrie <strong>und</strong> der Vertrieb an das Bäckerei- <strong>und</strong> Konditoreihandwerk jeweils sach-<br />

lich unterschiedliche Märkte.<br />

24. Daneben ist ein gesonderter Markt für Rohmarzipan in Kleinpackungen abzugren-<br />

zen. Dieses Marzipan ist für Endverbraucher bestimmt <strong>und</strong> wird mit speziellen<br />

Verpackungsmaschinen konfektioniert (in der Regel 125 g-Packungen) <strong>und</strong> über<br />

Groß- <strong>und</strong> Einzelhandel vertrieben. Angesichts fehlender Austauschbarkeit des an<br />

industrielle Weiterverarbeiter in Großgebinden gelieferten Rohmarzipans <strong>und</strong> der<br />

gänzlich unterschiedlichen Vertriebswege ist von einem gesonderten sachlich re-<br />

levanten Markt auszugehen.<br />

b) Räumliche Marktabgrenzung<br />

25. Räumlich relevanter Markt ist das Gebiet der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland. Unter<br />

wirtschaftlichen Gesichtspunkten ist der Markt größer. Normativ aber ist das Bun-<br />

deskartellamt auf die Prüfung der wettbewerblichen Auswirkungen des Zusam-<br />

menschlusses im Geltungsbereich des GWB beschränkt 9 . Die Wettbewerbsein-<br />

flüsse aus dem Ausland sind daher erst im Rahmen der Gesamtbetrachtung gem.<br />

§ 36 Abs. 1 GWB zu berücksichtigen.<br />

c) Bagatellmärkte<br />

26. Nach § 35 Abs. 2 Nr. 2 GWB unterliegt ein Zusammenschluss nicht der Zusam-<br />

menschlusskontrolle, soweit ein Markt betroffen ist, auf dem seit mindestens fünf<br />

Jahren Waren oder gewerbliche Leistungen angeboten werden <strong>und</strong> auf dem im<br />

letzten Kalenderjahr weniger als fünfzehn Millionen € umgesetzt wurden. Die Märk-<br />

te für angewirktes Marzipan, Persipanrohmasse <strong>und</strong> angewirktes Persipan für die<br />

industrielle Weiterverarbeitung sowie der gesamte Handwerksmarkt für Marzipan<br />

<strong>und</strong> Persipan erreichten nach den Ermittlungen im Verfahren <strong>Schwartau</strong>/Rösch &<br />

8 KG WuW / E OLG 1745, 1749 „Sachs“; KG WuW / E OLG 4167, 4168 „Kampffmeyer-Plange“.<br />

9 BGH WuW / E 3026, 3029 f. „Backofenmarkt“.


10<br />

Moll 2000 die Umsatzschwelle des § 35 Abs. 2 Nr. 2 GWB nicht. Angesichts eines<br />

seit Jahren stagnierenden bis leicht rückläufigen Marktes war auch für 2001 davon<br />

auszugehen, dass der Schwellenwert auf diesen Märkten nicht erreicht wird. Nach<br />

den Ermittlungen im vorliegenden Verfahren erreicht auch der Markt für Rohmarzi-<br />

pan in Kleinpackungen im Jahr 2001 nicht die Umsatzschwelle des § 35 Abs. 2 Nr.<br />

2 GWB.<br />

27. Wie bereits im Zusammenschlussverfahren <strong>Schwartau</strong>/Rösch & Moll erörtert,<br />

geht die Beschlussabteilung weiterhin davon aus, dass die Bagatellmarktklausel<br />

bei den vom angemeldeten Zusammenschluss betroffenen Märkten Anwendung<br />

findet.<br />

28. Nach der Rechtsprechung des BGH ist die Bagatellmarktklausel nach ihrem Sinn<br />

<strong>und</strong> Zweck, nur gesamtwirtschaftlich unbedeutende Märkte von der Zusammen-<br />

schlusskontrolle auszunehmen 10 , zumindest dann nicht anwendbar, wenn sich<br />

der Zusammenschluss auf mehrere kleine lokale Märkte auswirkt, die durch eine<br />

flächendeckende Organisationsstruktur der beteiligten Unternehmen abgedeckt<br />

werden <strong>und</strong> denen in der Summe eine gesamtwirtschaftliche Bedeutung zu-<br />

kommt 11 . Diese einschränkende Auslegung von § 35 Abs. 2 Nr. 2 GWB ist nicht<br />

auf benachbarte räumliche Märkte beschränkt. Nach ihrem Sinn <strong>und</strong> Zweck ist die<br />

Bagatellmarktklausel ebensowenig auf sachlich eng verwandte Märkte anzuwen-<br />

den, wenn sich auf diesen Märkten Nachfrager <strong>und</strong> Wettbewerber einer einheitli-<br />

chen Unternehmenspolitik der am Zusammenschlussvorhaben Beteiligten gegen-<br />

über sehen, die Wettbewerbsbedingungen auf den betroffenen Märkten nicht von-<br />

einander unabhängig betrachtet werden können <strong>und</strong> die Märkte zusammenge-<br />

nommen gesamtwirtschaftliche Bedeutung erlangen 12 . Eine Gesamtbetrachtung<br />

ist insbesondere dann geboten, wenn die benachbarten Märkte durch eine mode-<br />

rate Angebotsumstellungsflexibilität geprägt sind, die den Markt bestimmenden<br />

Anbieter <strong>und</strong> Nachfrager im wesentlichen identisch sind <strong>und</strong> die Produkte über<br />

dieselben Vertriebswege abgesetzt <strong>und</strong> einheitlich vermarktet werden 13 .<br />

29. Für die hier betroffenen benachbarten Märkte sind diese Kriterien aber nicht erfüllt.<br />

Hinsichtlich der an die Industrie vertriebenen Marzipanrohmasse <strong>und</strong> dem ange-<br />

10<br />

Vgl. Begründung der BReg. zu § 24 Abs. 8 S. 1 Nr. 3 GWB a.F., BT-Drucks. VI/2520, S. 32.<br />

11<br />

BGH WuW / E 3037, 3042 „Raiffeisen“.<br />

12<br />

BKartA WuW / DE-V 203, 205 „Krautkrämer/Nutronik“; Mestmäcker/Veelken, in: Immenga/Mestmäcker<br />

(Hrsg.), 3. Aufl. 2001, § 35 GWB, Rdnr. 37.<br />

13<br />

BKartA WuW / DE-V 203, 205 „Krautkrämer/Nutronik“.


11<br />

wirkten Marzipan besteht zwar aus Sicht der Anbieter eine Angebotsumstellungs-<br />

flexibilität. Auch sind die Vertriebsschienen identisch. Die beiden Märkte sind aber<br />

durch unterschiedliche Nachfrager geprägt. Aus den im Rahmen der sachlichen<br />

Marktabgrenzung genannten Gründen beziehen Weiterverarbeiter von Marzipan<br />

entweder Marzipanrohmasse oder aber bereits angewirktes Marzipan. Nur in Aus-<br />

nahmefällen werden von ein <strong>und</strong> demselben Nachfrager beide Produkte, dann a-<br />

ber für unterschiedliche Verwendungen, bezogen. Aus der Sicht der Rohmassen-<br />

hersteller bestehen für Marzipanrohmasse <strong>und</strong> angewirktes Marzipan also durch-<br />

aus unterschiedliche Zielgruppen. Dasselbe gilt für den Markt für Persipanrohmas-<br />

se. Zwar gibt es einige Nachfrager, die für die Herstellung ihrer Produkte sowohl<br />

Marzipanrohmasse als auch Persipanrohmasse beziehen, ohne dass die beiden<br />

Rohmassen dabei für diese Nachfrager austauschbar wären. Viele, den Marzi-<br />

panmarkt bestimmende Nachfrager beziehen aber ausschließlich Marzipanroh-<br />

masse, so dass die Märkte für Marzipan <strong>und</strong> Persipan nicht durch eine einheitliche<br />

Abnehmerstruktur gekennzeichnet sind. Zudem bestehen zwischen den beiden<br />

Märkten deutliche Unterschiede hinsichtlich der Rohstoffbeschaffung, so dass<br />

auch insofern nicht von einheitlichen Wettbewerbsbedingungen ausgegangen<br />

werden kann. Beim Absatz an die weiterverarbeitende Industrie auf der einen Seite<br />

<strong>und</strong> demjenigen an das Handwerk auf der anderen Seite schließlich sind nicht nur<br />

die Nachfrager unterschiedlich. Einheitliche Wettbewerbsbedingungen sind auch<br />

aufgr<strong>und</strong> der unterschiedlichen Vertriebsschienen zu verneinen. Nach alledem<br />

bleibt es bei der Anwendung von § 35 Abs. 2 Nr. 2 GWB auf die Märkte für ange-<br />

wirktes Marzipan <strong>und</strong> Persipanrohmasse für industrielle Abnehmer sowie auf die<br />

Märkte für Marzipanrohmasse, angewirktes Marzipan <strong>und</strong> Persipanrohmasse für<br />

das Bäckereihandwerk.<br />

30. Wettbewerblich zu beurteilen sind demnach nur die Auswirkungen des Zusam-<br />

menschlussvorhabens auf den Markt für Marzipanrohmasse für industrielle Ab-<br />

nehmer.<br />

2. Markt für Marzipanrohmasse für industrielle Weiterverarbeiter<br />

a) Marktstruktur<br />

31. Auf dem deutschen Markt für Marzipanrohmasse für industrielle Weiterverarbeiter<br />

sind neben <strong>Schwartau</strong> <strong>und</strong> <strong>Zentis</strong> vier weitere inländische Wettbewerber tätig.


12<br />

Diese Unternehmen sind im Verhältnis zu <strong>Schwartau</strong> <strong>und</strong> <strong>Zentis</strong> mittelständische<br />

Unternehmen. Daneben stellen zwei weitere Unternehmen Marzipanrohmasse her<br />

(Barry Callebaut/Stollwerck <strong>und</strong> Niederegger). Beide Unternehmen produzieren je-<br />

doch ausschließlich für die eigene Weiterverarbeitung. Aus dem Ausland wird<br />

Marzipanrohmasse zum einen von dem dänischen Unternehmen Odense nach<br />

Deutschland importiert, zum anderen von dem italienischen Hersteller Prochin-<br />

dustria. Um auch die möglichen aber nicht zu ermittelnden Importmengen spani-<br />

scher Mandelpräparatehersteller (auf die schriftlichen <strong>und</strong> telefonischen Anfragen<br />

wurde nicht geantwortet) zu berücksichtigen, wurde ein Sicherheitszuschlag von 5<br />

% auf das ermittelte Marktvolumen hinzugerechnet. Dieser Sicherheitszuschlag ist<br />

angesichts der bisher nur sehr untergeordneten Rolle, die diese ausländischen<br />

Unternehmen nach Auskunft der Wettbewerber der Zusammenschlussbeteiligten<br />

auf dem deutschen Markt spielen, auch hinreichend bemessen.<br />

32. Für die Ermittlung der von den im Inland tätigen Rohmassenherstellern gehaltenen<br />

Marktanteile wurde der jeweilige mengenmäßige Absatz zugr<strong>und</strong>e gelegt. Die Hö-<br />

he der erzielten wertmäßigen Umsätze hängt entscheidend von den jeweiligen<br />

Rohstoffpreisen für Mandeln ab. Diese aber unterliegen starken, sehr kurzfristigen<br />

Schwankungen, so dass der wertmäßige Umsatz kein verlässlicher Indikator für<br />

die tatsächliche Marktstellung eines Herstellers ist. Die Marktanteilsverteilung für<br />

das Jahr 2001 stellt sich nach alledem wie folgt dar:<br />

Marktanteil<br />

<strong>Schwartau</strong> 25 – 30 %<br />

<strong>Zentis</strong> 5 – 10 %<br />

Lemke 20 – 25 %<br />

Prochindustria (I) 15 – 20 %<br />

Kondima 10 – 15 %<br />

Lubeca 10 – 15 %<br />

Odense (DK) < 5 %<br />

Kessco < 5 %<br />

Sicherheitszuschlag 5 %<br />

Gesamt 100,00%<br />

Das ermittelte Marktvolumen liegt in vergleichbarer Höhe wie das durchschnittliche<br />

Marktvolumen der letzten fünf Jahre.


13<br />

Die Marktanteilsverteilung für 2002 stellt sich folgendermaßen dar:<br />

Marktanteil<br />

<strong>Schwartau</strong> 20 – 25 %<br />

<strong>Zentis</strong> < 5 %<br />

Lemke 20 – 25 %<br />

Prochindustria 15 – 20 %<br />

Kondima 10 – 15 %<br />

Lubeca 10 – 15 %<br />

Odense < 5 %<br />

Kessco < 5 %<br />

Insula < 5 %<br />

Sicherheitszuschlag 5 %<br />

Gesamt 100,00%<br />

33. Bei einer marktübergreifenden Zusammenschau – einerseits des Markts für Marzi-<br />

panrohmasse <strong>und</strong> andererseits des Markts für angewirktes Marzipan –ergibt sich<br />

kein wesentlich anderes Marktbild für 2001:


14<br />

Marktanteil<br />

<strong>Schwartau</strong> 20 – 25 %<br />

<strong>Zentis</strong> 5 –10 %<br />

Lemke 15 – 20 %<br />

Kondima 15 – 20 %<br />

Lubeca 15 – 20 %<br />

Prochindustria 10 – 15 %<br />

Odense < 5 %<br />

Kessco < 5 %<br />

Insula < 5 %<br />

Sicherheitszuschlag 5 %<br />

Gesamt 100,00%<br />

2002 stellten sich die Marktverhältnisse wie folgt dar:<br />

Marktanteil<br />

<strong>Schwartau</strong> 15 – 20 %<br />

<strong>Zentis</strong> 5 – 10 %<br />

Kondima 20 – 25 %<br />

Lemke 15 – 20 %<br />

Lubeca 15 – 20 %<br />

Prochindustria 10 – 15 %<br />

Odense < 5 %<br />

Kessco < 5 %<br />

Insula < 5 %<br />

Sicherheitszuschlag 5 %<br />

Gesamt 100,00%<br />

b) Zur Frage der Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung<br />

34. <strong>Schwartau</strong> <strong>und</strong> <strong>Zentis</strong> erreichen 2001 einen gemeinsamen Marktanteil von von [30<br />

– 35] %. 2002 sind ihnen [25 – 30] % zuzurechnen. Nächster Wettbewerber ist<br />

das Unternehmen Lemke, das seinem Marktanteil in den letzten zwei Jahren deut-<br />

lich auf über [20 – 25 %] erhöhen konnte. Der Importeur Prochindustria aus Italien<br />

folgt mit [15 – 20 %] Marktanteil in 2002. Vierter im Markt ist der deutsche Wettbe-<br />

werber Kondima dessen Marktanteil in 2002 auf fast [10 - 15 %] angestiegen ist.<br />

Das Unternehmen Lübecker Marzipan hält einen Marktanteil von knapp über [10 –


15<br />

15 %]. Bei marktübergreifender Zusammenschau der Märkte für Marzipanrohmas-<br />

se <strong>und</strong> angewirktes Marzipan, sind die Marktanteile der Beteiligten noch niedriger.<br />

35. Die Marktanteile der Zusammenschlussbeteiligten der Jahre 2001 <strong>und</strong> 2002 erfül-<br />

len nicht die Marktbeherrschungsvermutung des § 19 Abs. 3 Satz 1 GWB. Aller-<br />

dings verzeichneten <strong>Schwartau</strong> <strong>und</strong> <strong>Zentis</strong> noch im Jahr 2000 einen zusammen-<br />

gerechneten Marktanteil von über 50 %. Produzierte <strong>Schwartau</strong> 2000 alleine noch [<br />

] t Rohmarzipan (für industrielle Weiterverarbeitung) <strong>und</strong> zusammen mit Rösch &<br />

Moll [ ] t, so stellt sich das Produktionsvolumen für 2001 nur noch mit [ ] t dar<br />

(2002: [ ] t). Dies bedeutet eine Verringerung der mengenmäßigen Umsätze allein<br />

von 2000 bis 2001 um [über 30] %. <strong>Schwartau</strong> erklärt das Abschmelzen der Pro-<br />

duktionszahlen mit dem schlechten Zustand der in Bad <strong>Schwartau</strong> befindlichen<br />

Produktionsanlagen, deren Weiterbetrieb ohne Sanierungs- <strong>und</strong> Modernisie-<br />

rungsmaßnahmen kaufmännisch nicht vertretbar gewesen sei, dies insbesondere<br />

im Hinblick auf die unternehmerische Entscheidung, durch eine Fusion mit Rösch<br />

& Moll deren Überkapazitäten zu übernehmen. Eine Bestätigung hat diese Erklä-<br />

rung durch Aussagen von Wettbewerbern erfahren, nach denen <strong>Schwartau</strong> im<br />

Jahr 2001 Qualitätsprobleme gehabt habe. Darüberhinaus hat <strong>Schwartau</strong> mit der<br />

Stilllegung der veralteten Produktionsanlagen in Bad <strong>Schwartau</strong> Ende 2001 seine<br />

Produktionskapazität auch in technischer Sicht verringert. Dies hat für die Be-<br />

schlussabteilung nachvollziehbar zu einer weiteren Abschmelzung des Marktan-<br />

teils im Jahr 2002 geführt. Die Verringerung des Produktionsvolumens von <strong>Zentis</strong><br />

beruht auf der bereits im Verfahren <strong>Schwartau</strong>/Rösch & Moll mitgeteilten strategi-<br />

schen Entscheidung, Marzipanrohmasse nur noch für den Eigenbedarf (captive<br />

use) herzustellen. Das Argument ist glaubhaft, weil für <strong>Zentis</strong> durch eigene Wei-<br />

terverarbeitung eine höhere Wertschöpfung erzielbar ist.<br />

36. Für <strong>Schwartau</strong> (<strong>und</strong> <strong>Zentis</strong> 14 ) könnte jedoch ein Anreiz bestehen, ihre im Verhält-<br />

nis zu den Wettbewerbern überlegene Finanzkraft auf dem Markt für Marzipan-<br />

rohmasse zur (Wieder-)Erlangung einer marktbeherrschenden Stellung einzuset-<br />

zen. Hiervon ist aus folgenden Gründen nicht auszugehen. Voraussetzung für die<br />

Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung wäre, dass <strong>Schwartau</strong> eine er-<br />

höhte Nachfrage auf sich zöge. Nach den Erkenntnissen der Beschlussabteilung<br />

ist für die Nachfrager von Marzipanrohmasse nach der Qualität der Rohmasse de-<br />

ren Preis der entscheidende Wettbewerbsparameter. Da alle Wettbewerber ein


16<br />

hohes Qualitätsniveau erreicht haben, wurde der Wettbewerb in den letzten Jah-<br />

ren vor allem über den Preis ausgetragen, was zu stetig sinkenden Preisen führte.<br />

Auch für die Zukunft ist zu erwarten, dass der Wettbewerb in erster Linie über den<br />

Preis ausgetragen wird, da Qualitätsverbesserungen oder Innovationen auf dem<br />

Markt für Marzipanrohmasse nicht zu erwarten sind. Demzufolge könnte Schwar-<br />

tau seine überlegene Finanzkraft gegenüber den Wettbewerbern über die Preisbil-<br />

dung einsetzen, um seine Produktion auszuweiten. Eine Ausweitung der Produkti-<br />

on <strong>Schwartau</strong>s zum Zwecke des Preiswettbewerbs ist jedoch notwendigerweise<br />

an die vorhandenen Maschinenkapazitäten geb<strong>und</strong>en. Die Anlage von Moll Marzi-<br />

pan in Berlin produziert derzeit im täglichen Dreischicht-Betrieb mehr als doppelt<br />

so viel Rohmarzipan wie vor der Fusion mit <strong>Schwartau</strong>. Eine weitere Ausdehnung<br />

der Produktion der zwei Maschinen von Moll in Berlin auf das alte Niveau von<br />

<strong>Schwartau</strong> ist aus technischen Gründen nur begrenzt möglich. Denkbar wäre eine<br />

Steigerung um maximal ¼ , indem eine weitere vierte Schicht – am Wochenende<br />

bzw. überlappend – eingeführt würde. Hiergegen spricht aus betriebswirtschaftli-<br />

chen Gründen – angesichts niedriger Umsatzrenditen im Rohmassengeschäft –<br />

der höhere Kostenaufwand (erhöhte Personalkosten). Zudem ist kaum davon aus-<br />

zugehen, dass die recht geringen zusätzlichen Produktionskapazitäten infolge von<br />

Sonderschichten einen entscheidenden Einfluss auf den Markt haben.<br />

37. Bei <strong>Zentis</strong> steht die Produktion von Rohmarzipan für die eigene Weiterverarbeitung<br />

im Vordergr<strong>und</strong>. Seit 1996 hat die Produktion von Rohmarzipan für die eigene Wei-<br />

terverarbeitung von [ ] t auf derzeit [ ] t (2001) zugenommen. Durch die zuneh-<br />

mende Eigenproduktion sind die vorhandenen Kapazitäten mittlerweile mit 15<br />

Schichten (= Drei-Schicht-Betrieb) gut ausgelastet. Die bisherige Produktion für<br />

industrielle Weiterverarbeiter – die zur besseren Auslastung der Produktionsanla-<br />

gen vorgenommen wurde – soll daher auslaufen. Eine Beibehaltung von Drittbelie-<br />

ferungen würde daher zunehmend zu Sonderschichten (z.B. an Wochenenden)<br />

führen. Eine weitere Drittbelieferung ist nach Ansicht von <strong>Zentis</strong> aus diesem Gr<strong>und</strong><br />

kaufmännisch nicht sinnvoll. Diese Auffassung ist angesichts niedriger Umsatz-<br />

renditen im Rohmassengeschäft ebenso wie bei <strong>Schwartau</strong> glaubhaft.<br />

38. Eine maßgebliche Erhöhung der Produktion unter Einsatz der Finanzkraft von<br />

<strong>Schwartau</strong> <strong>und</strong> <strong>Zentis</strong> wäre nur durch den zusätzlichen Erwerb von Produktions-<br />

anlagen denkbar. Dies erscheint angesichts eines stagnierenden Markts <strong>und</strong> ge-<br />

14 Für <strong>Zentis</strong> gilt diese Überlegung nur hypothetisch, falls die Unternehmensentscheidung, nur noch


17<br />

ringer Umsatzrenditen aus kaufmännischer Sicht nicht sinnvoll. Mit Verlagerung<br />

der beiden Produktionsanlagen von Moll Marzipan (Berlin) nach Aachen ist die<br />

Produktionsstätte nach den Angaben der Beteiligten nunmehr räumlich vollständig<br />

ausgelastet. Eine am Markt spürbare weitere Erhöhung der Produktionskapazität<br />

wäre <strong>Schwartau</strong> <strong>und</strong> <strong>Zentis</strong> nur durch erhebliche Investitionen in neue Produkti-<br />

onsanlagen <strong>und</strong> eine daran geb<strong>und</strong>ene entsprechende räumliche Erweiterung der<br />

Produktionsstätte möglich. Die hierfür aufzuwendenden Kosten stünden in keinem<br />

annehmbaren Verhältnis zu dem mit einer Ausweitung des Absatzes durch<br />

Kampfpreise zu erzielenden Gewinn.<br />

39. Gegen einen entscheidenden wettbewerblichen Vorstoß der Beteiligten spricht<br />

auch die Tatsache, dass alle deutschen Mitbewerber insofern über einen wettbe-<br />

werblichen Vorteil verfügen, als ihre Anlagen in der Regel mit lediglich 60 bis 70 %<br />

ausgelastet sind. Damit besteht für sie die Möglichkeit, entsprechend günstig zu-<br />

sätzliche Mengen zu produzieren. Auch aus diesem Gr<strong>und</strong> ist die Entstehung ei-<br />

ner marktbeherrschenden Stellung von <strong>Schwartau</strong> <strong>und</strong> <strong>Zentis</strong> nicht zu erwarten.<br />

40. Auch auf dem Beschaffungsmarkt für Mandeln wachsen <strong>Schwartau</strong> <strong>und</strong> <strong>Zentis</strong><br />

durch den Zusammenschluss keine entscheidenden Vorteile zu. Bei der Nachfra-<br />

ge großer Mengen sind nach den Erkenntnissen der Beschlussabteilung im Ver-<br />

fahren <strong>Schwartau</strong>/Rösch & Moll auf dem Mandelmarkt in der Regel keine ins Ge-<br />

wicht fallenden Preisnachlässe auszuhandeln. Die Abgabepreise für Mandeln un-<br />

terliegen aufgr<strong>und</strong> der Ernteabhängigkeit einer großen Schwankungsbreite. Nur bei<br />

sehr guten Mandelernten besteht die Möglichkeit, dass Großabnehmern günstigere<br />

Abnahmepreise angeboten werden. Im Falle durchschnittlicher oder schlechter<br />

Ernten dagegen schnellt der Mandelpreis innerhalb kürzester Zeit in die Höhe,<br />

wenn größere Mengen am Markt nachgefragt werden. Auch ein Großabnehmer<br />

von Mandeln wird daher in der Regel keine Gesamtorder platzieren, sondern seine<br />

Abrufmengen aufsplitten, um den Mandelpreis nicht in die Höhe zu treiben. Außer-<br />

dem kann ein Großabnehmer durch das Aufteilen seiner Order auf fallende Markt-<br />

preise spekulieren. Das Gemeinschaftsunternehmen hätte nur dann gegenüber<br />

seinen Wettbewerbern einen erheblichen Vorteil, wenn diese ihre Abrufmengen<br />

nicht auf verschiedene Zeitpunkte verteilen, sondern aufgr<strong>und</strong> ihres geringeren<br />

Bedarfs nur ein- oder zweimal Mandeln pro Saison ordern könnten, ohne günstige-<br />

re Mandelpreise abwarten zu können. Bedenkt man, dass Marzipanrohmasse zu<br />

für captive use zu produzieren, rückgängig gemacht würde.


18<br />

50% aus Mandeln besteht, haben die vier größten Wettbewerber von <strong>Schwartau</strong><br />

alle einen jährlichen Mandelbedarf von mehr als 400 t. Da Mandeln üblicherweise<br />

in 20-Tonnen-Containern verschifft werden, haben mithin alle diese Wettbewerber<br />

die Möglichkeit, ihre Abrufmengen aufzuteilen <strong>und</strong> die benötigten Mandeln zu un-<br />

terschiedlichen Zeitpunkten zu ordern, um auf diese Weise auf einen fallenden<br />

Mandelpreis zu spekulieren. In dieser Hinsicht haben <strong>Schwartau</strong> <strong>und</strong> <strong>Zentis</strong> folglich<br />

gegenüber ihren Wettbewerbern keinen ersichtlichen Vorteil am Beschaffungs-<br />

markt.<br />

41. Ferner besteht weiterhin potenzieller Wettbewerb. Zu nennen ist hierbei die Firma<br />

Barry Callebaut/Stollwerck. Stollwerck produziert für den Eigenbedarf Marzipan-<br />

rohmasse in erheblicher Menge (über [ ] t) <strong>und</strong> besitzt damit das für den Roh-<br />

massenmarkt nötige Know-how. Auch bestehen hinreichend große Produktions-<br />

kapazitäten, um auch kurzfristig Dritte mit mehreren h<strong>und</strong>ert Tonnen Marzipan-<br />

rohmasse beliefern zu können (Auslastung der Anlage [ ] %). Stollwerck verfügt –<br />

insbesondere nach der Übernahme durch Barry Callebaut – überdies über die nö-<br />

tigen finanziellen Ressourcen, um bei Bedarf die Produktionskapazitäten für Mar-<br />

zipanrohmasse auch noch auszubauen. Daneben ist als potenzieller Wettbewer-<br />

ber auch das Unternehmen Niederegger zu nennen. Weil Niederegger auf dem<br />

nachgelagerten Markt tätig ist, wird aus Wettbewerbsgründen von der Belieferung<br />

Dritter mit Rohmarzipan abgesehen. Das entsprechende Know-how <strong>und</strong> die tech-<br />

nischen Möglichkeiten für eine weitere Auslastung der Maschinen mit der Produkti-<br />

on von Rohmassen ist jedoch vorhanden.<br />

42. Allgemein bestehen keine besonders hohen Marktzutrittschranken. Gesetzliche<br />

Marktzutrittschranken existieren nicht. Auch die strukturellen Marktzutrittsschran-<br />

ken sind nicht sonderlich ausgeprägt. Benötigt wird allein Kapital, um sich Fach-<br />

personal <strong>und</strong> die frei verfügbare Produktionstechnik für Marzipanrohmasse zu ver-<br />

schaffen. Dass insbesondere ein "räumlicher" Marktzutritt möglich ist, zeigt das<br />

Beispiel des mittlerweile in Oberitalien ansässigen Unternehmens Prochindustria.<br />

Prochindustria, das erst seit 1996 auf dem deutschen Markt tätig ist, konnte sich<br />

innerhalb von sechs Jahren einen bedeutenden Marktanteil trotz Preisdrucks bei<br />

einem insgesamt stagnierenden Markt erarbeiten. Potenzieller Wettbewerb geht<br />

daneben auch von spanischen Mandelpräparateherstellern aus. Bis vor ca. 10<br />

Jahren noch wurde beispielsweise der deutsche Markt für Mandelpräparate <strong>und</strong><br />

Haselnusskernpräparate von deutschen Wettbewerbern wie Lemke, Rösch & Moll


19<br />

<strong>und</strong> Lubeca dominiert. Seither spielen spanische Hersteller für Mandelpräparate<br />

<strong>und</strong> türkische Hersteller für Haselnusskernpräparate eine immer wichtigere Rolle<br />

<strong>und</strong> setzen die deutschen Wettbewerber unter erheblichen Druck. Eine ähnliche<br />

Entwicklung ist auf dem Markt für Marzipan zu erwarten. Die spanischen Hersteller<br />

von Mandelpräparaten könnten jederzeit neben der Produktion von Mandelpräpara-<br />

ten zusätzlich eine Marzipanproduktion aufbauen. Da sie die Mandeln selbst an-<br />

bauen, hätten spanische Hersteller gegenüber ihren deutschen Wettbewerbern vor<br />

allem den Vorteil der vertikalen Integration. Auch die durch den nötigen Transport<br />

nach Deutschland entstehenden Kosten entfalten keine unüberwindliche Barriere,<br />

wie am Beispiel Prochindustria, aber auch an der beschriebenen Entwicklung auf<br />

dem Markt für Mandelpräparate deutlich wird. Zwar hat sich der Markteintritt spani-<br />

scher Mandelproduzenten bisher noch nicht bestätigt, jedoch dürfte dies an den<br />

zur Zeit niedrigen Preisen für Rohmarzipan liegen, die einen Markteintritt derzeit<br />

nicht attraktiv erscheinen lassen.<br />

43. Zusammen mit Prochindustria <strong>und</strong> Lemke überschreiten die Marktanteile des Ge-<br />

meinschaftsunternehmens auch den Schwellenwert der Oligopolvermutung des<br />

§ 19 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 GWB. Nach den Erkenntnissen der Beschlussabteilung<br />

herrscht jedoch zwischen allen Rohmassenherstellern <strong>und</strong> damit auch zwischen<br />

dem Gemeinschaftsunternehmen, Prochindustria <strong>und</strong> Lemke lebhafter Wettbe-<br />

werb. Es steht auch nicht zu erwarten, dass dieser Binnenwettbewerb nach der<br />

Gründung des Gemeinschaftsunternehmens von <strong>Schwartau</strong> <strong>und</strong> <strong>Zentis</strong> erlahmt.<br />

Dies gilt insbesondere mit Blick auf Prochindustria. Obwohl Prochindustria erst<br />

seit sechs Jahren auf dem deutschen Markt tätig ist, vermochte es das Unterneh-<br />

men, sich durch eine aggressive Preispolitik einen bedeutenden Marktanteil im<br />

deutschen Markt für Marzipanrohmasse zu sichern. Es sind keine Anhaltspunkte<br />

dafür ersichtlich, dass Prochindustria nach Gründung des Gemeinschaftsunter-<br />

nehmens von <strong>Schwartau</strong> <strong>und</strong> <strong>Zentis</strong> seine auf scharfen Wettbewerb ausgerichtete<br />

Strategie ändern wird. Vielmehr ist der Firmensitz von Sizilien nach Udine in Nord-<br />

italien verlagert worden, um den deutschen Markt noch besser beliefern <strong>und</strong> be-<br />

dienen zu können. Es ist daher davon auszugehen, dass der Wettbewerb zwi-<br />

schen dem Gemeinschaftsunternehmen <strong>und</strong> Prochindustria eher noch an Intensi-<br />

tät zunimmt.<br />

44. Die Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung auf dem<br />

Markt für Marzipanrohmasse für industrielle Abnehmer ist nach alledem durch den


20<br />

Zusammenschluss nicht zu erwarten.<br />

V. Zusammenfassung<br />

45. Aus den vorgenannten Gründen hat die Beschlussabteilung entschieden, das an-<br />

gemeldete Zusammenschlussvorhaben nicht zu untersagen. Diese Verfügung er-<br />

geht nach § 40 Abs. 2 Satz 1 GWB.<br />

VI. § 1 GWB<br />

46. Ein Verstoß der Beteiligten gegen § 1 GWB in Zusammenhang mit der Tätigkeit<br />

des Gemeinschaftsunternehmens ist nicht ersichtlich.<br />

47. Die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens kann wegen der Auswirkungen<br />

auf das Wettbewerbsverhalten der Mutterunternehmen unter das Kartellverbot<br />

gem. § 1 GWB fallen, wenn das Gemeinschaftsunternehmen geeignet ist, eine<br />

Verhaltenskoordination der Mütter im Wettbewerb zu bewirken. Dies kommt u.a.<br />

dann in Betracht, wenn ein Gemeinschaftsunternehmen lediglich die Herstellung<br />

eines Vorprodukts ausschließlich für seine Muttergesellschaften übernimmt <strong>und</strong><br />

damit nur Hilfsinstrument für deren unternehmerische Tätigkeit ist (sog. kooperati-<br />

ves Gemeinschaftsunternehmen).<br />

48. Indes ist vorliegend von einer gegen das Kartellverbot verstoßenden Koordinierung<br />

des Verhaltens von <strong>Schwartau</strong> <strong>und</strong> <strong>Zentis</strong> auf den von dem Zusammenschluss<br />

betroffenen sowie nachgelagerten Märkten nicht auszugehen. Dies ergibt sich<br />

daraus, dass beide Mütter künftig weder auf den Märkten für den Vertrieb von<br />

Rohmassen noch auf nachgelagerten Märkten miteinander in Wettbewerb stehen<br />

werden. Denn <strong>Zentis</strong> wird sich aufgr<strong>und</strong> einer strategischen Unternehmensent-<br />

scheidung aus dem Vertrieb von Rohmassen zurückziehen <strong>und</strong> das Vorprodukt<br />

Rohmasse nur noch für die eigene Weiterverarbeitung (captive use) beziehen. Es<br />

fehlt somit an einem im Sinne des § 1 GWB beschränkbaren Wettbewerbsver-<br />

hältnis. Gleiches gilt für die nachgelagerten Märkte, auf denen <strong>Zentis</strong> als Hersteller<br />

von Marzipanendprodukten tätig ist. Weil <strong>Schwartau</strong> Rohmassen nur als Vorpro-<br />

dukt vertreibt, besteht auch hier zu <strong>Zentis</strong> kein beschränkbares Wettbewerbsver-<br />

hältnis. Die Beschlussabteilung behält sich indes vor, die Tätigkeit des Gemein-<br />

schaftunternehmens im Falle einer Fortführung der Tätigkeit von <strong>Zentis</strong> beim Ver-<br />

trieb von Rohmassen unter dem Gesichtspunkt des § 1 GWB aufzugreifen.


21<br />

49. Ein wettbewerbsbeschränkender Gruppeneffekt auf anderen vom Zusammen-<br />

schluss nicht betroffenen Märkten (Marmelade, Brotaufstriche, sonstige Backzuta-<br />

ten), auf denen sowohl <strong>Schwartau</strong> als auch <strong>Zentis</strong> als Wettbewerber tätig sind, ist<br />

nicht erkennbar. Diese Geschäftsfelder haben keine Berührungspunkte mit der<br />

Rohmassenproduktion im geplanten Gemeinschaftsunternehmen. Es ist davon<br />

auszugehen, dass die gemeinsame Produktion von Rohmasse, die im übrigen nur<br />

einen sehr geringen Anteil am geschäftlichen Volumen beider Beteiligten hat (Ver-<br />

hältnis von ca. 1/100), keine Rückwirkungen auf deren übrige Geschäftsfelder hat.<br />

Die Beschlussabteilung behält sich auch hier vor, bei Hinweisen auf eine Koordi-<br />

nierung des Verhaltens der Muttergesellschaften ein Verfahren unter dem Ge-<br />

sichtspunkt des § 1 GWB einzuleiten.<br />

VII. Gebühren<br />

VIII. Rechtsmittelbelehrung<br />

Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde zulässig. Sie ist schriftlich binnen einer<br />

mit Zustellung des Beschlusses beginnenden Frist von einem Monat beim B<strong>und</strong>eskar-<br />

tellamt, Kaiser-Friedrich-Straße 16, 53113 Bonn, einzureichen. Es genügt jedoch,<br />

wenn sie innerhalb dieser Frist bei dem Beschwerdegericht, dem Oberlandesgericht<br />

Düsseldorf, eingeht.<br />

Die Beschwerde ist zu begründen. Die Frist für die Beschwerdebegründung beträgt<br />

einen Monat. Sie beginnt mit der Einlegung der Beschwerde <strong>und</strong> kann auf Antrag vom<br />

Vorsitzenden des Beschwerdegerichts verlängert werden. Die Beschwerdebegrün-<br />

dung muss die Erklärung enthalten, inwieweit der Beschluss angefochten <strong>und</strong> seine<br />

Abänderung oder Aufhebung beantragt wird, <strong>und</strong> die Tatsachen <strong>und</strong> Beweismittel an-<br />

geben, auf die sich die Beschwerde stützt.<br />

Beschwerdeschrift <strong>und</strong> Beschwerdebegründung müssen durch einen bei einem deut-<br />

schen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.


22<br />

Reh Wendelmuth Brauer

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