unterwegs in sachen angst auf der strasse lange ... - PIGmagazin
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34 // UND JETZT SPORT!<br />
Armer Mesut Özil! Da ist <strong>der</strong> Bursche nach<br />
se<strong>in</strong>em Treffer beim 3:0 gegen die Türkei<br />
nicht nur <strong>der</strong> Buhmann bei den ehemaligen<br />
Landsleuten, son<strong>der</strong>n muss nach<br />
dem Spiel <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kab<strong>in</strong>e auch noch spärlich bekleidet<br />
e<strong>in</strong>en Besuch <strong>der</strong> Bundeskanzler<strong>in</strong> über sich ergehen<br />
lassen. Ehrlich, <strong>der</strong> neue Spielmacher von Real<br />
Madrid tat mir <strong>in</strong> dem Moment unheimlich leid. Im<br />
Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> passt die Stippvisite von Angela Merkel<br />
aber nahtlos <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Reihe vieler Versuche ehemaliger<br />
und aktueller Politiker, die ihren immer unfähigeren<br />
Berufsstand im Glanze des Sports sonnen wollen.<br />
Dass nun auch Bundes-Angie diesen Weg e<strong>in</strong>geschlagen<br />
hat, zeigt nur, wie hilflos ihr Kab<strong>in</strong>ett <strong>der</strong>zeit<br />
arbeitet. In <strong>der</strong> plötzlich <strong>auf</strong>gekommenen Debatte,<br />
die e<strong>in</strong>e stotternde Witzfigur mit unglaublich lächerlichen<br />
Gen-Aussagen losgetreten hat, schlägt die Bundesregierung<br />
<strong>auf</strong> e<strong>in</strong>mal Brücken, und bedient sich<br />
e<strong>in</strong>es ihrer e<strong>in</strong>gebürgerten „Helden“. Der soll fortan<br />
mithelfen, den im Morast fest steckenden Integrationskarren<br />
wie<strong>der</strong> flott zu machen.<br />
Versteht mich nicht falsch, ich f<strong>in</strong>de es ke<strong>in</strong>esfalls verwerflich,<br />
dass Sportler politisch Stellung beziehen, im<br />
Gegenteil. Aber wenn, dann sollen die Athleten das<br />
aus freien Stücken machen. Sobald die Initiative aber<br />
von <strong>der</strong> Politik ausgeht, ist etwas faul. Das lehrt uns<br />
die Geschichte mit h<strong>auf</strong>enweise Negativbeispielen.<br />
Ob das die Nazis im Dritten Reich mit Max Schmel<strong>in</strong>g<br />
versucht haben, den sie nach verlorenem WM-Kampf<br />
gegen Joe Louis fallen ließen wie e<strong>in</strong>e heiße Kartoffel.<br />
Das rechte spanische Franco-Regime mit se<strong>in</strong>er<br />
Sympathie für Real Madrid und vielen verschobenen<br />
Spielen. O<strong>der</strong> Italiens faschistischer Diktator Benito<br />
Mussol<strong>in</strong>i, <strong>der</strong> frühzeitig die Strahlkraft des Fußballs<br />
<strong>auf</strong> se<strong>in</strong>e „Calcio“-liebenden Landsleute erkannte und<br />
die WM 1934 so <strong>lange</strong> manipulierte, bis das Wunschergebnis<br />
e<strong>in</strong>trat. Wie er das schaffte? Mussol<strong>in</strong>i ließ<br />
das Gerücht verbreiten, bei Misserfolg würden die<br />
Spieler h<strong>in</strong>gerichtet werden. Auch die Schiedsrichter<br />
wurden e<strong>in</strong>geschüchtert – mit Erfolg. Italiens erster<br />
WM-Titel war unter Dach und Fach. Und st<strong>in</strong>kt bis<br />
heute nach!<br />
Der Vergleich mit Merkels Besuch <strong>in</strong> <strong>der</strong> deutschen<br />
Mesut, bitte helfen!<br />
Politik und Sport – zwei historisch eng mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> verbundene Arme unserer Gesellschaft.<br />
Oft stärker verknüpft als es se<strong>in</strong> sollte. Die Debatte, die Thilo Sarraz<strong>in</strong> neulich losgetreten hat,<br />
lässt die Politiker wie<strong>der</strong> zappeln und nach sportlichen Helfern Ausschau halten. Unser Kolumnist<br />
schaut e<strong>in</strong> wenig zurück <strong>in</strong> die Geschichte und hat etwas Mitleid mit Mesut Özil.<br />
Text dr. l. E<strong>der</strong><br />
Kab<strong>in</strong>e h<strong>in</strong>kt zugegebenermaßen, das Proze<strong>der</strong>e hat<br />
sich aber über all die Jahre nicht arg geän<strong>der</strong>t. Kaum<br />
bef<strong>in</strong>det sich e<strong>in</strong> Sportler o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e ganze Mannschaft<br />
<strong>auf</strong> dem Weg nach oben, s<strong>in</strong>d schon die ersten Trittbrettfahrer<br />
aus <strong>der</strong> großen Politik am Horizont zu erkennen.<br />
Und dann wird <strong>der</strong> Sportler auch noch für<br />
teils obskure Projekte e<strong>in</strong>geplant und soll die Arbeit<br />
<strong>der</strong> Politiker übernehmen, damit diese die nächste<br />
Diätenerhöhung <strong>in</strong> Angriff nehmen können. E<strong>in</strong><br />
durch und durch schäbiges Vorgehen.<br />
Zeigt e<strong>in</strong> Sportler jedoch freiwilliges Interesse an <strong>der</strong><br />
Politik, wird er umgehend dar<strong>auf</strong> h<strong>in</strong>gewiesen, sich<br />
doch bitte tunlichst über se<strong>in</strong>en eigenen Beruf Gedanken<br />
zu machen. Umso bemerkenswerter ist es, wenn<br />
sie sich dann nicht <strong>der</strong> Obrigkeit beugen. Beispiele<br />
dafür gibt es viele. Jahrhun<strong>der</strong>tsportler Muhammad<br />
Ali zum Beispiel musste WM-Titel und Box-Lizenz<br />
zurückgeben, als er sich weigerte <strong>in</strong> den Vietnam-<br />
Krieg zu ziehen. Nicht aus Feigheit, son<strong>der</strong>n wie er<br />
plausibel betonte: „Ke<strong>in</strong> Vietcong hat mich jemals<br />
Nigger genannt!“<br />
Er<strong>in</strong>nert sei auch an César Luis Menotti. E<strong>in</strong>e mutige<br />
Geste machte den ehemaligen argent<strong>in</strong>ischen<br />
Nationaltra<strong>in</strong>er weltberühmt – im Augenblick se<strong>in</strong>es<br />
größten sportlichen Triumphs, dem Gew<strong>in</strong>n <strong>der</strong><br />
Fußball-WM 1978 im eigenen Land, verweigerte er<br />
bei <strong>der</strong> Siegerehrung dem amtierenden Staatsoberhaupt,<br />
dem faschistischen Junta-General Jorge Rafael<br />
Videla, öffentlich den Handschlag. Mehr noch als die<br />
entscheidenden Tore von Mario Kempes blieb dieser<br />
Moment <strong>in</strong> Er<strong>in</strong>nerung. „Me<strong>in</strong>e talentierten, klugen<br />
Spieler haben die Diktatur <strong>der</strong> Taktik und den Terror<br />
<strong>der</strong> Systeme besiegt“, formulierte Menotti damals se<strong>in</strong>en<br />
Protest gegen das skrupellose Militär-Regime am<br />
Rio de la Plata und hat sich mit se<strong>in</strong>er furchtlosen Tat<br />
für alle Zeiten e<strong>in</strong>en Platz im Sportolymp gesichert.<br />
Es bleibt zu hoffen, dass <strong>der</strong> noch k<strong>in</strong>dlich wirkende<br />
Mesut Özil nicht das Schicksal vieler Sportler teilt, die<br />
von <strong>der</strong> Politik vere<strong>in</strong>nahmt wurden, darüber h<strong>in</strong>aus<br />
aber ihre eigentliche Aufgabe vernachlässigten: <strong>auf</strong><br />
dem Platz zu zaubern und den Bürgern dadurch e<strong>in</strong>e<br />
schöne Abwechslung zur oftmals bemitleidenswerten<br />
Politik zu bieten.