unterwegs in sachen angst auf der strasse lange ... - PIGmagazin
unterwegs in sachen angst auf der strasse lange ... - PIGmagazin
unterwegs in sachen angst auf der strasse lange ... - PIGmagazin
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
22 // UNTERWEGS<br />
Angstschweiß im Kaffee<br />
Herausfor<strong>der</strong>ung Höhe. Für mich als Höhen<strong>angst</strong>kandidat<br />
war die Idee Hochseilgarten die optimale<br />
Möglichkeit dieser Schwäche <strong>in</strong>s Auge zu sehen.<br />
Me<strong>in</strong> Kollege Schwartz begleitete mich also <strong>in</strong>s Sensapolis<br />
und <strong>in</strong> 15 Meter Höhe befand ich mich dann<br />
im Auge des Sturms.<br />
A<br />
uf <strong>der</strong> Jagd nach e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en Kick zwischendurch<br />
machten wir uns also <strong>auf</strong> den<br />
Weg. Schande genug, dass das Indoor-Erlebniscenter<br />
bereits seit über zwei Jahren das Flugfeld<br />
schmückt, ich aber noch<br />
nicht Zeit und Muße gefunden<br />
hatte, mir selbiges<br />
mal vor Ort anzuschauen.<br />
Gesagt, getan, wobei Kollege<br />
Schwartz e<strong>in</strong>en nicht<br />
zu unterschätzenden Vorteil<br />
<strong>auf</strong> se<strong>in</strong>er Seite hatte:<br />
Er war schon zu Gast im<br />
Sensapolis, was sich im<br />
Verl<strong>auf</strong> dieses Nachmittags<br />
als entscheidendes Plus herausstellen<br />
sollte.<br />
Unser Ziel war <strong>der</strong> Höhenparcours,<br />
für den uns<br />
das freundliche Empfangspersonal<br />
e<strong>in</strong>en Betreuer<br />
zur Seite stellte.<br />
Patrick Sela, dessen Stellenbezeichnung<br />
ihn als<br />
„Air Trail Guide“ def<strong>in</strong>ierte, nahm sich unserer an<br />
und führte uns zuerst an die Kletterwand. Sozusagen<br />
zum Aufwärmen. Wie schnell e<strong>in</strong>em beim Klettern<br />
warm werden kann, haben wir umgehend herausgefunden.<br />
Die Ausrüstung und das Sicherungsseil aus<br />
Stahl samt Karab<strong>in</strong>erhaken vermitteln e<strong>in</strong> gewisses<br />
Text Edip Zvizdiç Fotos Egbert Schwartz<br />
Vorab-Vertrauen, dennoch kostet es Überw<strong>in</strong>dung,<br />
sich beim ersten Mal e<strong>in</strong>fach mal von <strong>der</strong> Kletterwand<br />
wegzudrücken und fallen zu lassen.<br />
Kaum ist das Vertrauen <strong>in</strong> die Ausrüstung aber hergestellt,<br />
bereitet das Klettern e<strong>in</strong>e Menge Spaß. Aber<br />
ich muss sagen, das Geklettere geht ganz schön an die<br />
Substanz. Vor allem an die <strong>der</strong> Unterarme. So s<strong>in</strong>d<br />
me<strong>in</strong>e Notizen nach nur fünf M<strong>in</strong>uten an <strong>der</strong> Kletterwand<br />
nicht mehr richtig zu entziffern. Die schmerzenden<br />
Unterarme lassen me<strong>in</strong>e Handschrift zu e<strong>in</strong>er<br />
unlesbaren Ane<strong>in</strong>an<strong>der</strong>reihung von Buchstaben<br />
verkommen, so dass das<br />
Schwartz‘sche iPhone mit<br />
se<strong>in</strong>em Aufnahmegerät<br />
herhalten muss.<br />
Das Hochgefühl, die<br />
rund acht Meter hohe<br />
Kletterwand bezwungen<br />
zu haben, verblasst aber<br />
schnell, als wir uns dem<br />
eigentlichen Ziel unseres<br />
Besuches, dem Höhenparcours<br />
zuwenden. Von<br />
unten betrachtet sieht das<br />
alles noch harmlos aus.<br />
Über den 15 Meter hohen<br />
Mammutbaum steigen wir<br />
h<strong>in</strong><strong>auf</strong> zu dem 48 Meter<br />
<strong>lange</strong>n Hochseilgarten.<br />
Oben angekommen wird<br />
es mir flau im Magen. Scherzkeks Schwartz kämpft<br />
<strong>auf</strong> se<strong>in</strong>e Weise mit dem e<strong>in</strong>tretenden Höhenkoller<br />
und will se<strong>in</strong> iPhone e<strong>in</strong>em Fall-Test unterziehen:<br />
„Mal sehen, ob es den Sturz aushält.“ Aus Höflichkeit<br />
und um me<strong>in</strong>e wackligen Be<strong>in</strong>e etwas zu stabilisieren,<br />
versuche ich mich abzulenken und lächle – auch<br />
wenn mir danach gar nicht zu Mute ist. Ich will mir<br />
aber nichts anmerken lassen, lege das Geschirr an<br />
und lasse mich e<strong>in</strong>kl<strong>in</strong>ken an das Seil, das mich sicher<br />
durch den Air Trail führen soll. Ich krieche über<br />
die Brüstung. „Nicht nach unten schauen. Gehirn<br />
ausschalten. Das Seil hält locker e<strong>in</strong>e Tonne.“ Patrick<br />
Selas Ratschläge s<strong>in</strong>d absolute Klasse, nur: Sie helfen<br />
mir ke<strong>in</strong>en Deut weiter. Die Angst hat mich im<br />
Griff. Ähnlich wie ich die kurze Leiter, <strong>auf</strong> <strong>der</strong> ich<br />
mich bef<strong>in</strong>de. „Jetzt lass dich mal hängen“, kommt<br />
die nächste Anweisung unseres Guides. Geht lei<strong>der</strong><br />
nicht, me<strong>in</strong>e Hände haben die Leiter fest umklammert<br />
und ke<strong>in</strong> Bolzenschnei<strong>der</strong> <strong>auf</strong> <strong>der</strong> Welt könnte<br />
sie davon lösen. Ich verharre wie <strong>in</strong> Trance, lausche<br />
<strong>der</strong> Umwelt und den Ratschlägen me<strong>in</strong>er Begleiter,<br />
wage immer wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Blick nach unten und werde<br />
mir e<strong>in</strong>er etwas absurden Situation bewusst. 15 Meter<br />
unter uns sitzen die Leute bei Kaffee und Kuchen. Wie<br />
die wohl <strong>auf</strong> me<strong>in</strong>en Angstschweiß reagieren, wenn er<br />
<strong>in</strong> ihren Kaffee tropft?<br />
Aus, vorbei. Ich gebe mich geschlagen. Für heute,<br />
und klettere wie<strong>der</strong> zurück <strong>auf</strong> die sichere Plattform.<br />
Kollege Schwartz (Bild oben) übernimmt, klettert<br />
se<strong>in</strong>e „Runde Hochseilgarten“ und kommt ohne e<strong>in</strong>e<br />
e<strong>in</strong>zige Schweißperle <strong>auf</strong> <strong>der</strong> Stirn zurück. Auf <strong>der</strong><br />
Rutsche geht es wie<strong>der</strong> nach unten. Es tut gut wie<strong>der</strong><br />
festen Boden unter den Füßen zu haben. Ich denke an<br />
Paulchen Panther: „Noch ist nicht aller Tage Abend,<br />
ich komme wie<strong>der</strong>! Ke<strong>in</strong>e Frage.“