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Mastitis-Metritis-Agalaktie (MMA) – ein komplexes Krankheitsbild als ...

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Schw<strong>ein</strong>ezucht aktuell 39 - 2011<br />

<strong>Mastitis</strong>-<strong>Metritis</strong>-<strong>Agalaktie</strong> (<strong>MMA</strong>) <strong>–</strong> <strong>ein</strong> <strong>komplexes</strong> <strong>Krankheitsbild</strong> <strong>als</strong> Herausforderung<br />

für Ferkelproduzenten<br />

D. Bardehle und Prof. Dr. N. Kemper, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg<br />

Das <strong>Mastitis</strong>-<strong>Metritis</strong>-<strong>Agalaktie</strong>-Syndrom (<strong>MMA</strong>) der Sau<br />

ist <strong>ein</strong>e multifaktoriell bedingte Erkrankung. Um dieser<br />

Faktorenkrankheit Herr zu werden, bedarf es in der Ferkelproduktion<br />

<strong>ein</strong>em optimierten Management und der Nutzung<br />

aller prophylaktischen Maßnahmen.<br />

Die wirtschaftlichen Schäden, welche jährlich durch <strong>MMA</strong><br />

entstehen, sind aufgrund der weitgreifenden Auswirkungen<br />

schwer abzuschätzen. Neben erhöhten Sauenabgängen,<br />

welche aus den Leistungsminderungen, Konzeptionsstörungen,<br />

Aborten und ungenügender Milchleistung resultieren,<br />

vermindert sich auch der Aufzuchterfolg der Ferkelproduktion.<br />

So treten bei den Ferkeln infolge ungenügender Kolostrumaufnahme<br />

vermehrt Kümmerer auf, welche in Form<br />

von direkten Todesfällen, Erdrückungsverlusten oder verringerten<br />

Zunahmen das Betriebsergebnis schmälern. Hinzu<br />

kommen noch Behandlungskosten für betroffene Sauen<br />

und Ferkel.<br />

Diagnose<br />

Im Rahmen der täglichen Bestandskontrolle können auch<br />

über das Tierverhalten Rückschlüsse auf das <strong>MMA</strong>-Geschehen<br />

gezogen werden. Zum <strong>ein</strong>en liegen Sauen mit <strong>ein</strong>er<br />

Gesäugeentzündung (<strong>Mastitis</strong>) in der typischen Bauch-<br />

Brust-Lage, um das für sie schmerzhafte Besäugen durch<br />

die Ferkel abzuwehren. Andererseits fallen ungenügend gesäugte<br />

Ferkel durch Minderwuchs und aktiveres unruhiges<br />

Verhalten auf. Zum Teil nehmen durstige Ferkel auch Harn<br />

auf. In der Bucht ist außerdem auf die Beschaffenheit der<br />

Exkremente zu achten. Harte Kotballen der Sauen weisen<br />

auf <strong>ein</strong>e Verstopfung hin, welche ursächlich in direktem<br />

Zusammenhang mit <strong>ein</strong>er <strong>MMA</strong>-Erkrankung steht. Auch<br />

Ferkeldurchfall kann <strong>ein</strong> Hinweis auf <strong>ein</strong>e Erkrankung der<br />

Sau - und die daraus resultierende Aufnahme von Ersatzflüssigkeit<br />

(wie Harn) - s<strong>ein</strong>.<br />

Regelmäßige Temperaturmessungen<br />

ermöglichen die<br />

frühzeitige Erkennung<br />

<strong>ein</strong>er <strong>MMA</strong>-<br />

Erkrankung<br />

(Foto: Kruse)<br />

Das Leitsymptom ist aufgrund der simplen Erfassungsmethode<br />

nach wie vor das Fieber, welches durch <strong>ein</strong>e erhöhte<br />

Körpertemperatur von über 39,5°C gekennzeichnet ist.<br />

Es ist davon auszugehen, dass geburtsnahe physiologische<br />

Temperaturerhöhungen die Diagnose bei <strong>ein</strong>er rektalen<br />

Messung der Körpertemperatur ca. 12 Stunden nach der<br />

Geburt nicht mehr verfälschen. Diese Temperaturkontrolle<br />

sollte bis zum dritten Tag nach der Geburt möglichst zur<br />

gleichen Zeit regelmäßig erfolgen.<br />

Am Gesäuge fällt neben Schwellungen und Rötungen, die<br />

sich heiß anfühlen, auch beim Entlangstreichen mit der<br />

Fingerspitze <strong>ein</strong>e für Sekunden zurückbleibende weiße Linie<br />

auf („Hautschrift„). Zusammen mit oder unabhängig<br />

von <strong>Mastitis</strong> kann auch <strong>ein</strong>e Entzündung der Gebärmutter<br />

(<strong>Metritis</strong>) auftreten, welche anhand verändertem vaginalen<br />

Ausfluss erkannt wird. Dabei sind sowohl andauernder<br />

Ausfluss <strong>als</strong> auch eitrig veränderte Verfärbungen zu beachten.<br />

Ursachen<br />

Mögliche Einflussfaktoren auf das Auftreten klinischer Ersch<strong>ein</strong>ungen<br />

von <strong>MMA</strong> werden in Abbildung 1 aufgezeigt.<br />

Zusammengefasst lassen sich diese Faktoren in die Immunabwehr<br />

<strong>ein</strong>schränkende, den Infektionsdruck erhöhende und<br />

die Geburtsdauer verlängernde Einflussgrößen gruppieren.<br />

Einen potentiell ursächlichen Faktor für das Auftreten von<br />

<strong>MMA</strong> stellt das Erbgut dar (genetische Prädisposition). Die<br />

Heritabilität <strong>als</strong> Grad der Erblichkeit von Merkmalen beläuft<br />

sich bei <strong>MMA</strong> laut diversen Studien auf sechs bis zehn<br />

Prozent. Infolge ungenügender Wasser- oder Rohfaseraufnahme<br />

durch die Sau erhöht sich das Risiko für Verstopfungen,<br />

welche den Übertritt bakterieller Endotoxine aus dem Darm<br />

in den Blutkreislauf begünstigen. Diese Endotoxine rufen neben<br />

Zellschädigungen auch Störungen des Hormonhaushaltes<br />

Abbildung 1: Einflussfaktoren für das Auftreten und den<br />

Verlauf <strong>ein</strong>er <strong>MMA</strong>-Erkrankung


Schw<strong>ein</strong>ezucht aktuell 39 - 2011 19<br />

hervor. So wird die Freisetzung von Prolactin - <strong>als</strong> sogenanntes<br />

Milchbildendes Hormon bekannt - gehemmt.<br />

Als weiterer Auslöser der <strong>Mastitis</strong> kommen sowohl Verletzungen<br />

durch mangelhafte Gestaltung der Abferkelbucht<br />

(diagonale Aufstallung ohne Anpassung der Bodenschlitze)<br />

<strong>als</strong> auch ungenügende hygienische Bedingungen im<br />

Abferkelstall in Frage. Neben mangelnder Hygiene bei<br />

der Geburtshilfe und bei der R<strong>ein</strong>igung der Abferkelbucht<br />

sorgt auch aufsteigende Kaltluft im Genitalbereich der Sau<br />

zu aufsteigenden Harnwegsinfektionen - welche dann zur<br />

<strong>Metritis</strong> führen können. Es wurde beobachtet, dass die<br />

Wurfstärke (große Würfe) und Geburts<strong>ein</strong>griffe im Zusammenhang<br />

mit dem <strong>MMA</strong>-Syndrom stehen. Es ist denkbar,<br />

dass trotz Sorgfalt über den Geburts<strong>ein</strong>griff Keime in den<br />

Geburtsweg <strong>ein</strong>getragen werden. So bedürfen solche „Problemsauen„<br />

<strong>ein</strong>em besonderen Augenmerk.<br />

Lösungen<br />

Im Falle <strong>ein</strong>er positiven <strong>MMA</strong>-Diagnose gilt es die Therapie<br />

möglichst sofort zu beginnen. Auf diese Weise lassen<br />

sich drastische Folgen für Sau und Ferkel noch abwenden.<br />

Als geeignet gilt der Einsatz <strong>ein</strong>es Breitbandantibiotikums<br />

in Kombination mit entzündungshemmenden sowie fieber-<br />

und schmerzsenkenden Mitteln. Die Behandlung der Ferkel<br />

ist gemäß der Symptome zu wählen. Zur Unterstützung der<br />

Ferkel ist es empfehlenswert bis notwendig, <strong>ein</strong>e Beifütterung<br />

mit Ferkelersatzmilch oder später mit für Saugferkel<br />

konzipiertem Breifutter vorzunehmen.<br />

Gesunde Sauen<br />

sind die Voraussetzung<br />

für <strong>ein</strong>e<br />

optimale Ferkelentwicklung<br />

(Foto: Preißler)<br />

Das Hauptaugenmerk muss jedoch nach wie vor auf den<br />

prophylaktischen Maßnahmen liegen. Der grundlegende<br />

Ansatzpunkt für <strong>ein</strong>e Absenkung der <strong>MMA</strong>-Prävalenz liegt<br />

in der Einhaltung moderner Hygienenormen - wie die Bewirtschaftung<br />

nach dem R<strong>ein</strong>-Raus-Prinzip. Dabei muss<br />

auch die mögliche Keimverschleppung durch Arbeitsgeräte<br />

und den Tierbetreuer stets bedacht werden. Zudem sollte<br />

<strong>ein</strong>e Überprüfung des R<strong>ein</strong>igungs- und Desinfektionserfolges<br />

durchgeführt werden. Die R<strong>ein</strong>igung der Sauen bis<br />

hin zur in manchen Betrieben durchgeführten Desinfektion<br />

(Eignung der Mittel unbedingt beachten!) vor der Einstallung<br />

in die Abferkelbucht führen zur Senkung des Keimdrucks.<br />

Grundsätzlich sollte auch die ausreichende Anpassung der<br />

Sauen <strong>–</strong> insbesondere der Jungsauen- an die stalltypische<br />

Keimflora mittels geeignetem Impfregime und rechtzeitigem<br />

Kontakt zu Altsauen gewährleistet s<strong>ein</strong>. Dadurch wird<br />

das Immunsystem zur Einstallung in den Abferkelstall nicht<br />

zusätzlich zum Anpassungsstress belastet. Eine terminge-<br />

Anordnung der Bodenschlitze parallel zu den Gesäugeleisten<br />

minimieren die Verletzungsgefahr am Gesäuge<br />

(Foto: Bardehle)<br />

rechte Einstallung zum 110. Trächtigkeitstag sollte mittlerweile<br />

Usus s<strong>ein</strong>.<br />

Sofern <strong>ein</strong> normaler Geburtsverlauf vorliegt, sollte der Geburts<strong>ein</strong>griff<br />

unterlassen werden! Zeiträume von 30 Minuten<br />

zwischen den Ferkeln gelten <strong>als</strong> normal. Ist dennoch<br />

<strong>ein</strong> Eingreifen erforderlich so muss auf absolute Hygiene<br />

geachtet werden. Dazu gehören sowohl <strong>ein</strong>e körperwarme<br />

Desinfektionslösung wie auch sauber aufbewahrte Handschuhe<br />

<strong>–</strong> für jede <strong>ein</strong>zelne Sau. Auch gilt es, den Spagat<br />

zwischen den stallklimatischen Ansprüchen zwischen den<br />

Ferkeln und der Sau zu meistern. Während im Ferkelnest<br />

<strong>ein</strong>e Temperatur von 30°C vorausgesetzt wird, liegt die Optimaltemperatur<br />

für säugende Sauen bei 20°C. Schon bei<br />

27°C im Sauenbereich kann sich der daraus resultierende<br />

Hitzestress leistungsdepressiv auf die Sauen auswirken.<br />

K<strong>ein</strong>esfalls dürfen jedoch Zugluft und aufsteigende Kälte<br />

in der Abferkelbucht auftreten.<br />

Im Hinblick auf die Tierernährung müssen die Grundprinzipien<br />

<strong>ein</strong>er bedarfsgerechten Versorgung mit Wasser und<br />

Futter bedacht werden. Dazu gehören saubere Tränken<br />

mit <strong>ein</strong>er angepassten Durchflussmenge von 2 bis 3 Liter/<br />

Minute, welche die Aufnahme von bis zu 40 Litern nicht<br />

geschmacklich oder hygienisch be<strong>ein</strong>trächtigtem Wasser<br />

ermöglichen (Faustregel: 15 Liter je Sau + 1,5 Liter je Ferkel).<br />

Um Verstopfungen zu vermeiden, muss die Ration ausreichende<br />

Rohfasermengen enthalten. Dabei stehen dem Tierhalter<br />

sowohl rohfaserreiche Futtermittel (Hafer) auch <strong>als</strong><br />

Nebenprodukte (Kleien, Sojaschalen) sowie technische Erzeugnisse<br />

(Cellulose) zur Auswahl.<br />

Der Ansatz <strong>ein</strong>er züchterischen Bearbeitung <strong>ein</strong>er möglichen<br />

<strong>MMA</strong>-Resistenz wird momentan in <strong>ein</strong>em Forschungsprojekt<br />

an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg<br />

verfolgt (www.tierhygiene-halle.de).

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