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Joschka Fischer Die rot-grünen Jahre | Michael Ondaatje Divisadero ...

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Erzählungen Regina Ullmanns Werk ist bis heute umzingelt von groben Missverständnissen.<br />

<strong>Die</strong> Neuauflage ihres wichtigsten Erzählbandes gibt Gelegenheit zur Richtigstellung<br />

«Als trüg ich Lasten aus aller Welt»<br />

Regina Ullmann: <strong>Die</strong> Landstrasse.<br />

Erzählungen. Nachwort von Peter<br />

Hamm. Kollektion Nagel & Kimche,<br />

Zürich und München 2007. 182 S., Fr. 36.–.<br />

Von <strong>Michael</strong> Braun<br />

Der Sehnsuchtsort der Dichterin Regina<br />

Ullmann war die Weltabgeschiedenheit.<br />

Grosse Städte wie München und Wien<br />

erlebte sie dagegen als Nährboden des<br />

Unglücks. So verwundert es nicht, wenn<br />

auch die einsamen Helden ihrer Erzählungen<br />

stille Schauplätze bevorzugen:<br />

An einsamen Landstrassen, am Fenster<br />

verwunschener Wirtshäuser im Wald<br />

gelangen diese unglücklichen, oft körperlich<br />

versehrten Figuren zu einem<br />

tastenden Weltbewusstsein, geschützt<br />

vor dem Lärm der Moderne. Und wenn<br />

sich diese einsamen Waldgänger dann<br />

im «Schmerz der Leidenschaft» verzehren<br />

und nach Erfüllung ihrer absoluten<br />

Liebe drängen, ist ihr Unglück vorprogrammiert.<br />

Dann werden sie, wie der<br />

verliebte Bauernbursche in der Erzählung<br />

«Vor einem alten Wirtshausschild»,<br />

von Naturmächten verschlungen.<br />

In einer von Ullmanns verwinkelten<br />

Erzählungen spricht eine Reisende<br />

ohne Ziel, die sich auf einer Bergkuppe,<br />

einem «Kogel», niedergelassen hat. Dort<br />

grübelt sie vor sich hin, murmelt einige<br />

Gebete, überlässt sich ihren Tagträumen.<br />

In ihren Phantasmagorien tauchen<br />

die Bilder von Heiligengestalten auf,<br />

die Menschen und Tiere huschen wie<br />

Schatten vorüber. «Mir war so schwer»,<br />

sinniert die somnambule Ich-Erzählerin<br />

gleich zu Beginn des Textes, «als trüg<br />

ich Lasten, unbekannte, aus aller Welt.»<br />

Gefördert von Rilke<br />

Tatsächlich trug auch Regina Ullmann<br />

von Kindheit an viele drückende seelische<br />

Lasten mit sich herum. Im Dezember<br />

1884 als Tochter eines jüdischen<br />

Stickerei-Kaufmanns und einer überaus<br />

dominanten Mutter in St. Gallen geboren,<br />

litt sie in ihrer Kindheit unter starken<br />

Sprachhemmungen. <strong>Die</strong> ehrgeizige<br />

Mutter dachte ihr dennoch früh eine<br />

dichterische Laufbahn zu.<br />

Das literarische Offenbarungserlebnis<br />

widerfuhr ihr aber erst <strong>Jahre</strong> später<br />

in der Steiermark, wo sie die Lebensrituale<br />

der bäuerlich-archaischen Welt<br />

kennenlernte. Auf ihren im Herbst 1907<br />

publizierten Erstling, den Einakter «<strong>Die</strong><br />

Feldpredigt», reagierte Rainer Maria<br />

Rilke mit nachhaltiger Begeisterung. Bis<br />

zu seinem Tod im Dezember 1926 blieb<br />

Rilke ihr treuester Förderer – ohne indes<br />

verhindern zu können, dass die schwermütige<br />

Dichterin von einer Krise in die<br />

nächste stürzte.<br />

Nach Rilkes Tod verschärfte sich Ullmanns<br />

Verlorenheitsgefühl noch, bis sie<br />

nach ihrem Ausschluss aus dem Deutschen<br />

Schriftstellerverband 1935 nach<br />

St. Gallen floh, wo sie bald in einem<br />

katholischen Schwesternheim bis kurz<br />

vor ihrem Tod 1961 Zuflucht fand. Bis<br />

heute ist das schmale Werk der Dichterin<br />

umzingelt von groben Missverständnissen.<br />

Zwar fand ihr Gesamtwerk<br />

gleich zweimal mutige Verleger. Aber<br />

das eigenwillig Visionäre ihrer Welterkundung<br />

hat man meist auf eine Variante«bayrisch-österreichisch-schweizerischer<br />

Heimatdichtung» (Charles<br />

Linsmayer) reduziert. Der Wesenskern<br />

dieser Prosa liegt woanders: im Weltgefühl<br />

einer tiefen Demut gegenüber<br />

der Schöpfung; und in einer mystischen<br />

Innigkeit, die leuchtende Bilder einer<br />

Realpräsenz der Dinge hervorbringt.<br />

In der Weltverlorenheit<br />

Peter Hamm hat nun den wichtigsten<br />

Erzählband der Ullmann, das 1921<br />

erstmals erschienene Werk «<strong>Die</strong> Landstrasse»,<br />

neu ediert und mit einem<br />

instruktiven Nachwort versehen. So<br />

besteht die Chance, dass die Dichtung<br />

Regina Ullmanns endlich zu ihrem literarischen<br />

Recht kommt. Denn die Aufmerksamkeit<br />

für ihr Werk ist immer<br />

Eine wallende Mähne, <strong>rot</strong>e Lippen, ein leicht<br />

zurückgebogener Kopf und das Licht von der Seite:<br />

So inszeniert die Werbung der Popkultur Frauen<br />

als Vamps. Feng Zhengjie ist von der Bildsprache<br />

des Pop wie von westlichen Anzeigen fasziniert<br />

und überträgt sie auf Phänomene der chinesischen<br />

Lebenswelt: «Ich spürte, dass die Popkultur eine<br />

aussergewöhnlich starke Vitalität besass. Vielleicht<br />

fand ich das alles selbst verwirrend und wollte<br />

darum unbedingt herausfinden, was wirklich unter<br />

der Oberfläche lag.» Der 1968 in der Provinz Sichuan<br />

geborene Künstler persiflierte Hochzeitsbilder<br />

wieder überblendet worden durch Schilderungen<br />

ihrer tragischen Biografie.<br />

Zuletzt hat Eveline Hasler (in «Stein<br />

bedeutet Liebe») die in ihrer Seelendramatik<br />

monströse Geschichte neu<br />

ausfabuliert, die Regina Ullmann mit<br />

dem Münchner Psychoanalytiker Otto<br />

Gross verband. Der mit anarchistischlibertären<br />

Theorien verschwenderisch<br />

umgehende Freud-Schüler wollte seine<br />

Patienten nicht nur von allen Neurosen<br />

befreien, sondern auch mit e<strong>rot</strong>ischer<br />

Libertinage beglücken. 1907 erlag auch<br />

Regina Ullmann der Intensität dieser<br />

charismatischen Persönlichkeit und<br />

liess sich von dem fanatischen Weltbeglücker<br />

schwängern. Nicht genug damit,<br />

dass Gross der psychisch labilen Dichterin<br />

mit seinem psychoanalytischen<br />

Absolutismus zusetzte, er versuchte<br />

die Schwangere auch zum Selbstmord<br />

zu animieren. Kurz darauf wurde er in<br />

einer Zürcher Irrenanstalt interniert.<br />

Regina Ullmann wurde ihrerseits in die<br />

Weltverlorenheit zurückgestossen, der<br />

sie nie wieder entrinnen konnte. �<br />

Pop-Art aus China Schreiende Farben, knallige Bilder<br />

der 1990er <strong>Jahre</strong> ebenso wie verknöcherte Gelehrte.<br />

Greller Kitsch ist seine Methode an der neuen Kultur<br />

von Konsum und Kommerz. Der opulente Band, in<br />

dem er nun vorkommt, stellt 80 Künstlerinnen und<br />

Künstler aus dem Reich der Mitte mit biografischen<br />

Daten, zahlreichen Werkabbildungen und konzisen<br />

Einführungen vor. Er darf als erster umfassender<br />

Führer für die boomende Kunstszene des<br />

gegenwärtigen China gelten. Gerhard Mack<br />

Uta Grosenick und Caspar H. Schübbe (Hrsg.):<br />

China Artbook. Dumont, Köln 2007.<br />

670 Seiten, 850 Farbabbildungen, Fr. 66.–.<br />

4. November 2007 �NZZ am Sonntag � 7

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