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Joschka Fischer Die rot-grünen Jahre | Michael Ondaatje Divisadero ...

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Auswanderung Ein junges jurassisches Paar steigt zur<br />

gesellschaftlichen Elite in Äthiopien auf<br />

Sägereimeister<br />

in Abessinien<br />

Rolf Meier: Briefe aus Abessinien.<br />

Aus dem Leben einer Schweizer<br />

Auswandererfamilie in Äthiopien. Hier<br />

und jetzt, Baden 2007. 160 S., Fr. 29.80.<br />

Von Geneviève Lüscher<br />

Das Bild ist prächtig, um nicht zu sagen<br />

herrschaftlich: Ganz in Weiss und hoch<br />

zu Ross sitzt die junge Dame, sie trägt<br />

lange Handschuhe und einen pompösen<br />

Hut, auf dem Schoss hält sie ein ebenfalls<br />

vollständig weiss gekleidetes Kind.<br />

<strong>Die</strong> Zügel des Pferdes hält ein Schwarzer.<br />

<strong>Die</strong> auf dem Pferd sitzt, ist Jeanne<br />

Evalet-Roth, Tocher eines jurassischen<br />

Uhrenmachers und Frau des Uhrenmachers<br />

Edouard Evalet, der 1898 nach<br />

Äthiopien ausgewandert war.<br />

Das Buch von Rolf Meier, der mit der<br />

Auswandererfamilie entfernt verwandt<br />

ist, basiert auf Unterlagen, die in einer<br />

alten Hutschachtel auf einem lang nicht<br />

mehr geräumten Estrich zum Vorschein<br />

gekommen sind. Meier hat diese Briefe,<br />

Fotografien, Postkarten und Zeitungsausschnitte<br />

gesichtet und das Wichtigste<br />

zusammengefasst. Grau unterlegte<br />

Seiten liefern Hintergrundwissen zur<br />

Vergangenheit Äthiopiens. Entstanden<br />

ist ein kleines Stück kaum bekannte<br />

Schweizer Kolonialgeschichte sowie die<br />

anrührende Familiengeschichte einer<br />

letztlich gescheiterten Auswanderung.<br />

<strong>Die</strong> Gefühle des Autors waren dabei<br />

gemischt: «Man würde lieber darüber<br />

berichten, wie die eigenen Verwandten<br />

in Ostafrika uneigennützig und nachhaltig<br />

zur Entwicklung des armen Landes<br />

beigetragen haben, aber die Briefe zeigen,<br />

dass das Wirtschaften in die eigene<br />

Tasche eine wichtige Rolle spielte.» So<br />

haben die Evalets zum Beispiel mit ihrer<br />

Sägerei der rücksichtslosen Abholzung<br />

des Urwaldes Vorschub geleistet.<br />

<strong>Die</strong> Familie wurde nicht reich in Afrika,<br />

aber es ging ihr gut, mindestens am<br />

Anfang. Edouard Evalet hatte den Jura<br />

auch nicht aus Not verlassen, er wollte<br />

die Welt sehen und etwas erleben. Deswegen<br />

meldete er sich auf ein Stelleninserat,<br />

in dem Kaiser Menelik im fernen<br />

Afrika einen Uhrenmacher suchte.<br />

<strong>Die</strong> Pflege der kaiserlichen Uhrensammlung<br />

war ihm dann aber nicht<br />

genug. Er richtete die erste und lange<br />

Zeit einzige Sägerei im Land ein, versuchte<br />

sich im Waffenhandel und etlichen<br />

anderen Geschäften, die zeitweise<br />

ganz gut liefen. <strong>Die</strong> politische Situation<br />

war aber unsicher, und es war mitunter<br />

schwierig, die richtige Partei am Hof zu<br />

unterstützen. Es war dann vor allem die<br />

skrupellose Abschöpfung der Erträge<br />

durch Kaiser Haile Selassie I., welche<br />

die Evalets an den Rand des Ruins trieb.<br />

Edouard, durch das Klima gesundheitlich<br />

angeschlagen, starb 1943, kurz nach<br />

der italienischen Besetzung.<br />

Jeanne, die 20-jährige tüchtige Modistin,<br />

folgte ihrem Mann mit Begeisterung<br />

ins Ausland. Sie führte bald die Buchhaltung<br />

und leitete die Sägerei, wenn er zur<br />

Edouard und Jeanne<br />

Evalet-Roth und<br />

ihre drei Kinder<br />

(aufgenommen in der<br />

Schweiz).<br />

Kur in die Schweiz fuhr. Das Geldverdienen<br />

machte ihr Spass, und sie versuchte<br />

sich ebenfalls in kleinen Import-Export-<br />

Geschäften, handelte einmal mit Briefmarken,<br />

das andere Mal mit Seifen oder<br />

Seidenstoffen aus Zürich. Als Weisse<br />

gehörten die Evalets zur gesellschaftlichen<br />

Elite, pflegten einen entsprechenden<br />

Lebensstil und nahmen am kaiserlichen<br />

Hofe an vornehmen Anlässen<br />

teil. Selbstverständlich stand ihnen eine<br />

Schar von schwarzen Bediensteten zur<br />

Verfügung.<br />

Nach dem Tod Edouards versuchte<br />

Jeanne, ihren Besitz zu verkaufen, um<br />

in die Heimat zurückzukehren. Sie starb<br />

1973 in Addis Abeba und liegt dort neben<br />

ihrem Mann begraben. Ihre Nachkommen<br />

kehrten in die Schweiz zurück. �<br />

Familie Eberhard Rathgeb philosophiert über Sohn- und Vaterrolle, ohne seine Partnerin zu erwähnen<br />

Pathetisch überhöhtes Vatersein<br />

Eberhard Rathgeb: Schwieriges Glück.<br />

Versuch über die Vaterliebe. Hanser,<br />

München 2007. 159 Seiten, Fr. 27.20.<br />

Von Daniel Puntas Bernet<br />

Der Versuch, den Gründen nachzugehen,<br />

wieso das Wort «Vaterliebe» in<br />

unserem Wortschatz kaum vorkommt<br />

oder ein Mensch sich nie «vaterseelenallein»<br />

fühlt, könnte zu interessanten<br />

Erkenntnissen über Väter führen. Der<br />

«FAZ»-Redaktor Eberhard Rathgeb<br />

unternimmt ihn in diesem Buch und<br />

lotet aus, warum Väter offenbar leichten<br />

Herzens morgens zur Arbeit fahren und<br />

es ihnen nichts ausmacht, ihre Kinder<br />

nur am Wochenende zu erleben. Oder<br />

wieso die Kommunikation zwischen<br />

Vater und Sohn eine schwierigere ist<br />

als zwischen Mutter und Sohn. Leider<br />

bleibt es beim Versuch.<br />

Rathgeb findet darauf keine Antworten.<br />

Sein «Versuch über die Vaterliebe»<br />

liefert weder anregende Unterhaltung<br />

noch vertiefte Analyse. In 52 Kapiteln<br />

schildert der Autor seine Beziehung<br />

zum Vater, romantisiert das Verhältnis<br />

zur Tochter, spricht über die Patchworkfamilien,<br />

welche sich in dieselbe ländliche<br />

Idylle zurückgezogen haben wie<br />

er selbst, und versucht, seine Gedanken<br />

mit Bezügen zur Literatur und Metaphern<br />

aus der Natur zu untermauern.<br />

Lose schweift der Autor von in der<br />

dritten Person formulierten, pathetisch<br />

überhöhten Schilderungen («Als er<br />

selbst, der Sohn, Vater geworden war,<br />

hat er jeden Abend, den er zu Hause sein<br />

konnte, seiner Tochter vorgelesen»)<br />

zu zwischen den Zeilen formulierter<br />

Gesellschaftskritik: «Doch wie wir mit<br />

unseren Eltern umgehen, die wir lieber<br />

ins Altersheim stecken, als daheim<br />

bei uns aufzunehmen, weil wir keinen<br />

Platz und keine Zeit haben, gehen wir<br />

mit unseren Kindern um, die wir wegen<br />

irgendwelcher Glücksversprechen vernachlässigen<br />

oder ganz verlassen.»<br />

Rathgeb moniert, dass das Muttersein<br />

dem Ruf der Natur entspringe,<br />

das Vatersein hingegen eine Verhaltensbe<br />

stimmung sei. Seine Enttäuschung<br />

darüber kann er im stilistisch überstrapazierten<br />

Buch nicht verbergen.<br />

Bezeichnend, dass die Mutter seiner<br />

Tochter in keiner Zeile vorkommt: Es<br />

ist die «Zeit»-Redaktorin und «Literaturclub»-Moderatorin<br />

Iris Radisch, die<br />

kürzlich mit «<strong>Die</strong> Schule der Frauen»<br />

eine gefeierte Analyse über die Familie<br />

vorgelegt hat. �<br />

4. November 2007 �NZZ am Sonntag � 23

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