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Joschka Fischer Die rot-grünen Jahre | Michael Ondaatje Divisadero ...

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Deutscher Herbst Eine neue Darstellung des RAF-<br />

Terrors verharrt in mediengängigen Klischees<br />

Baader, Meinhof und<br />

Sympathisanten<br />

Willi Winkler: <strong>Die</strong> Geschichte der RAF.<br />

Rowohlt, Berlin 2007. 528 S., Fr. 40.40.<br />

Von Heribert Seifert<br />

Über die deutschen Terroristen Baader,<br />

Meinhof und Co, die sich zur Rote-<br />

Armee-Fraktion (RAF) erklärt hatten,<br />

ist anscheinend immer noch nicht alles<br />

gesagt. Auch jetzt erscheinen weitere<br />

Bücher zum Thema, so eine neue Gesamtdarstellung,<br />

die uns «die Geschichte der<br />

RAF» verspricht. Der Journalist Willi<br />

Winkler will hohen Ansprüchen gerecht<br />

werden, wenn er den Leser auf den deutschen<br />

«Sonderweg» unterdrückter oder<br />

gescheiterter Revolten einstimmt, auf<br />

dem Baader, Meinhof und andere unterwegs<br />

gewesen sein sollen.<br />

Der Autor holt weit aus und beginnt<br />

in den fünfziger <strong>Jahre</strong>n der Bonner<br />

Republik. Kurzbiografien der späteren<br />

Terror-P<strong>rot</strong>agonisten wechseln mit<br />

knappen Skizzen deutscher Nachkriegspolitik.<br />

Chronologisch reihen sich die<br />

Stationen aneinander: die Revolte der<br />

Studenten in Berlin, Radikalisierungsschübe,<br />

der Wechsel von der Gewalt der<br />

Worte zu den Waffen, Fahndung und<br />

Verhaftung, der Stammheimer Prozess<br />

und die Selbstmorde, natürlich auch die<br />

Schleyer-Entführung und die späteren<br />

Morde an führenden Repräsentanten<br />

des «Schweine-Systems», schliesslich<br />

die triste Endphase einer nur noch mit<br />

der Logistik des Überlebens im Untergrund<br />

befassten Desperado-Truppe.<br />

<strong>Die</strong> fragwürdige Rolle, die der Staatsschutz<br />

zeitweise spielte, wird ebenso<br />

erwähnt wie die «Waffenbrüderschaft»<br />

der DDR.<br />

Verarbeitet ist nicht bloss die kaum<br />

noch überschaubare Literatur zum<br />

Thema. Winkler hat auch mit Zeitgenossen<br />

Kontakt gehabt und ihre Informationen<br />

eingearbeitet. Neues hat er dabei<br />

nicht zutage gefördert. Mit ein paar<br />

steilen Thesen versucht er aber seiner<br />

bieder-fleissigen Ereignisgeschichte, die<br />

angesichts der Stofffülle kaum je Tiefenschärfe<br />

gewinnt, Gewicht zu geben.<br />

So heisst es am Schluss des Buches:<br />

«Eine Historisierung der RAF kann aber<br />

nicht gelingen, solange der Zusammenhang<br />

zwischen dem Sündenfall des Staates<br />

und der Feindschaft gegen den Staat<br />

nicht eingestanden wird.» Das gehört<br />

zwar zu den mediengängigen Wandersagen<br />

über die «Mitschuld» des Staates<br />

am deutschen Terrorismus, kann aber<br />

auch bei Winkler plausibel nur wirken,<br />

wenn man mit einem Tunnelblick auf<br />

die damaligen deutschen Verhältnisse<br />

blickt und bloss Notstandsgesetze, die<br />

Unterstützung für den Vietnamkrieg<br />

der USA und die recht ruppige Praxis<br />

der Berliner Polizei sieht.<br />

Wer auch die andere Seite ausleuchtete,<br />

müsste Willy Brandt als Aussenminister<br />

und Kanzler der sozialliberalen<br />

Koalition ins Blickfeld rücken. Der<br />

sähe auch die Einführung der Mitbestimmung,<br />

den grosszügigen Ausbau<br />

des Sozialstaats und den Aufbruch ins<br />

Offene auf vielen gesellschaftlichen<br />

Feldern. Von «bleierner Zeit» im «deutschen<br />

Herbst» bleibt da wenig, wie<br />

einsichtige Linke längst eingestanden<br />

haben. Eine solch abwägende Situierung<br />

Von der Rote-Armee-<br />

Fraktion entführt<br />

und ermordet:<br />

Arbeitgeberpräsident<br />

Hanns-Martin<br />

Schleyer, 1977.<br />

Sozialwerk <strong>Die</strong> erste unabhängige Darstellung über den bekannten Schweizer Arzt<br />

Der Fall Guido Zäch als Wirtschaftskrimi<br />

Peter Zihlmann: Dr. Guido A. Zäch.<br />

Wohltäter oder Täter? Orell Füssli,<br />

Zürich 2007. 205 Seiten, Fr. 39.80.<br />

Von Markus Häfliger<br />

In nur zwei <strong>Jahre</strong>n ist es das dritte Buch<br />

über Guido A. Zäch – und das erste,<br />

das sich zu lesen lohnt. Das erste Buch<br />

«Für immer und ewig?» von Balz<br />

Theus war eine Streitschrift in Zächs<br />

Straf prozess. Auch Trudi von Fellenberg-<br />

Bitzis Heiligendarstellung «Guido<br />

A. Zäch – ohne Wenn und Aber» wurde<br />

von Zächs Paraplegikerstiftung finanziert.<br />

Peter Zihlmann ist nun der erste<br />

unabhängige Autor, der sich der Figur<br />

Guido A. Zäch annimmt.<br />

Sein Wirtschaftskrimi erzählt den<br />

Aufstieg des berühmtesten Schweizer<br />

Arztes – von seinen Anfängen in Basel<br />

bis zum Bau des Paraplegikerzentrums<br />

in Nottwil. Zäch wird geschildert als<br />

Macher und Visionär, der eine Milliarde<br />

Franken für die Querschnittgelähmten<br />

sammelt, mit der Zeit aber immer selbstherrlicher<br />

wird. Wie er sich mit der<br />

Paraplegikerstiftung ein Reich erschafft,<br />

in dem er fast ohne Kontrolle schaltet<br />

und waltet. Zihlmann korrigiert auch<br />

das Bild, wonach der Strafprozess Zäch<br />

ohne Vorwarnung getroffen habe: Mehrere<br />

Mitstreiter hatten intern jahrelang<br />

für Machtbeschränkung gekämpft - vergeblich.<br />

<strong>Die</strong>se Vorgänge, Zächs Vetternwirtschaft<br />

und seine Tobsuchtsanfälle<br />

sind vielfach belegt mit Sitzungsp<strong>rot</strong>o-<br />

AP<br />

des Terrorismus erspart sich Winkler<br />

ebenso wie eine kritische Prüfung der<br />

Behauptung, die RAF sei eine Antwort<br />

auf die deutsche NS-Geschichte gewesen.<br />

<strong>Die</strong> Täter haben damit wiederholt<br />

operiert, ihr Handeln dementierte solche<br />

Parolen. Winkler vermeidet eine<br />

klare Analyse dieser Doppelbödigkeit,<br />

bedient sich stattdessen vor allem suggestiver<br />

Anspielungen, indem er etwa<br />

durch einen Verweis auf die Geschwister<br />

Scholl im Zweiten Weltkrieg Baader<br />

und Meinhof in eine diffuse Nähe zum<br />

legitimen Widerstand rückt.<br />

Bei dieser Anlage des Buches überrascht<br />

es nicht, dass der Autor auf das<br />

einzige Rätsel nicht eingeht, das der<br />

deutsche Terrorismus bis heute stellt:<br />

warum Baader-Meinhof so lange Sympathie<br />

und Verständnis im intellektuellen<br />

und publizistischen Milieu gefunden<br />

haben. <strong>Die</strong>ses «Gespenst» aus jener Zeit<br />

kann Geisterjäger Winkler nicht finden<br />

– weil er es nicht sehen will. �<br />

kollen und Zeugenaussagen. Schade nur,<br />

dass Zihlmann die Fakten immer wieder<br />

mit blumigen Vergleichen aus der griechischen<br />

Mythologie vermischt.<br />

Im zweiten Teil nimmt Zihlmann<br />

einen seltsamen Perspektivenwechsel<br />

vor: Aus dem Machtmenschen wird das<br />

Justizopfer Zäch, das keine Chance auf<br />

ein gerechtes Urteil hat und wegen Veruntreuung<br />

verurteilt wird. Zwar weist<br />

der Autor zu Recht auf Widersprüche in<br />

der Argumentation der Justiz hin. Doch<br />

schwingen hier auch Ressentiments mit,<br />

die mit Zihlmanns beruflicher Karriere<br />

als Basler Anwalt und Richter zusammenhängen<br />

dürften. «Wohltäter oder<br />

Täter?» – so der Untertitel. T<strong>rot</strong>z einigen<br />

Schwächen erlaubt das Buch dem Leser,<br />

sich ein eigenes Urteil zu bilden. �<br />

4. November 2007 �NZZ am Sonntag � 19

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