"Der Schimmelreiter" von Theodor Storm - Didaktik der Geographie ...
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"<strong>Der</strong> Schimmelreiter" <strong>von</strong> <strong>Theodor</strong> <strong>Storm</strong><br />
–<br />
Didaktische Überlegungen zum fächerverbindenden Unter-<br />
richt aus geographischer Perspektive<br />
Freie wissenschaftliche Arbeit zur Erlangung des Grades eines<br />
Vorgelegt <strong>von</strong>: Laura Ehrenbruch<br />
Bachelor of Arts <strong>Geographie</strong> (B.A.)<br />
im Studiengang Fächerübergreifen<strong>der</strong> Bachelor<br />
am Institut für <strong>Didaktik</strong> <strong>der</strong> Naturwissenschaften<br />
Fachgebiet <strong>Didaktik</strong> <strong>der</strong> <strong>Geographie</strong><br />
<strong>der</strong> Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover<br />
Erstfach: <strong>Geographie</strong> – Zweitfach: Germanistik<br />
Matr.‐Nr.: 2695580<br />
Erstprüfer: Prof. Dr. C. Meyer<br />
Zweitprüfer: D. Felzmann<br />
Hannover, im Juli 2011
Inhaltsverzeichnis<br />
1. Einleitung ............................................................................................................................... 3<br />
2. Interdisziplinarität als Unterrichtsprinzip im <strong>Geographie</strong>unterricht ...................................... 5<br />
2.1 Formen <strong>der</strong> Interdisziplinarität ......................................................................................... 6<br />
2.2 Chancen <strong>der</strong> Interdisziplinarität für eine fundierte Bildung ............................................. 8<br />
3. Überblick über mögliche Fächerkombinationen .................................................................. 11<br />
3.1 Fächerverbinden<strong>der</strong> <strong>Geographie</strong>unterricht ..................................................................... 11<br />
3.2 Fächerverbinden<strong>der</strong> Deutschunterricht .......................................................................... 12<br />
3.3 Zusammenarbeit <strong>der</strong> Fächer Deutsch und <strong>Geographie</strong> .................................................. 14<br />
4. Die Novelle „<strong>Der</strong> Schimmelreiter“ im fächerverbindenden <strong>Geographie</strong>unterricht <strong>der</strong> 7. und<br />
8. Klassenstufe des Gymnasiums ............................................................................................. 16<br />
4.1 Sachanalyse „<strong>Der</strong> Schimmelreiter“ ................................................................................ 16<br />
4.1.1 Entstehung und Rezeption ...................................................................................... 17<br />
4.1.2 Inhaltsangabe .......................................................................................................... 18<br />
4.2 Didaktische Reflexionen zur Novelle „<strong>Der</strong> Schimmelreiter“ im <strong>Geographie</strong>unterricht 20<br />
4.2.1 Geographische Einordnung und Erkundung <strong>der</strong> Schauplätze ................................ 22<br />
4.2.2 Historische Landverluste an <strong>der</strong> Nordseeküste ...................................................... 24<br />
4.2.3 Entwicklung des Küstenschutzes und des Deichbaus ............................................ 27<br />
4.2.4 Wattenmeer und ökologische Folgen des Küstenschutzes ..................................... 31<br />
4.2.5 Entstehung und Auswirkungen <strong>von</strong> Naturkatastrophen ......................................... 34<br />
4.2.6 Wandel <strong>der</strong> wirtschaftlichen Nutzungsformen an <strong>der</strong> nordfriesischen Küste ........ 39<br />
4.2.7 Bildung <strong>von</strong> Landschaftsformen <strong>der</strong> Küste Nordfrieslands ................................... 40<br />
5. Fazit und Ausblick ............................................................................................................... 42<br />
Literaturverzeichnis .................................................................................................................. 47<br />
Verzeichnis <strong>der</strong> Internetquellen ............................................................................................... 49<br />
Anhang ..................................................................................................................................... 52<br />
2
Tabellenverzeichnis<br />
Tabelle 1: Formen <strong>der</strong> Fächerzusammenarbeit………………………………………………...9<br />
Abbildungsverzeichnis<br />
Abbildung 1: Ansatzpunkte für fächerverbindendes Arbeiten im <strong>Geographie</strong>unterricht ........ 11<br />
Abbildung 2: Zeichnung nach <strong>der</strong> Erzählung .......................................................................... 52<br />
Abbildung 3: <strong>Der</strong> „Nie koog“ vor <strong>der</strong> Hattstedter Marsch im Jahr 1652 ................................ 52<br />
Abbildung 4: Küstenverän<strong>der</strong>ung Nordfrieslands seit 900 n. Chr. .......................................... 53<br />
Abbildung 5: Landverluste an <strong>der</strong> Nordseeküste in den letzten 10.000 Jahren ....................... 53<br />
Abbildung 6: Deichbau seit 1300 n. Chr. ................................................................................. 54<br />
Abbildung 7: Landgewinnung/Küstenschutz ........................................................................... 54<br />
Abbildung 8: Landschaftselemente und Küstenschutz in Schleswig-Holstein ........................ 55<br />
Abbildung 9: Nordstran<strong>der</strong> Bucht – Küstenschutz und ökologische Folgen ........................... 56<br />
Abbildung 10: Nationalparke im Wattenmeer – Schutzgebiete und Wirtschaftsräume .......... 57<br />
Abbildung 11: Oberflächenformen in Norddeutschland .......................................................... 58<br />
3
1. Einleitung<br />
„Für den Schüler ist allermeist <strong>der</strong> Bücherriemen das einzige Band, welches für ihn die Lehr-<br />
fächer zusammenhält. Es zeigt sich darin <strong>der</strong> Atomismus, <strong>der</strong> im Lehrbetriebe Platz ergriffen<br />
hat, welcher vermeint, durch bloßes Zusammenlegen und Anhäufen ein Gebilde, durch me-<br />
chanisches Nebeneinan<strong>der</strong> ein Lebendiges herstellen zu können“ (WILLMANN 1957:423;<br />
zit. in BREUNIG 1997:3.1). Obwohl das genannte Zitat bereits aus dem Jahre 1888 stammt,<br />
beschreibt es dennoch eine <strong>der</strong>zeitige Diskussion über die Zweckmäßigkeit <strong>der</strong> klassischen,<br />
vermeintlich schüler- und lebensfernen Unterrichtsstruktur. Die Kernthematik beschäftigt sich<br />
mit <strong>der</strong> Frage, inwieweit in <strong>der</strong> heutigen, global vernetzten und technisch herausfor<strong>der</strong>nden<br />
Zeit Schülerinnen und Schüler durch reinen Fachunterricht auf die Lebenswirklichkeit vorbe-<br />
reitet werden können. Für globale Schlüsselprobleme wie Umweltverschmutzung, globale<br />
Erwärmung, Naturkatastrophen, multikulturelle Gesellschaften, Kriege o<strong>der</strong> die weltweite<br />
Ernährungssicherung, die jeweils immer unter mehreren sich gegenseitig beeinflussenden<br />
Faktoren betrachtet werden müssen, kann selten eine eindeutige, einem Fach zugeordnete<br />
Lösung gefunden werden. An diesen Stellen kann <strong>der</strong> interdisziplinäre, also fächerverbinden-<br />
de Unterricht eingreifen, in dem durch eine Verknüpfung verschiedener Fachwissenschaften<br />
ein möglichst umfassen<strong>der</strong> und zahlreiche Einflüsse berücksichtigen<strong>der</strong> Überblick verschafft<br />
wird. <strong>Der</strong> erste grundlegende Teil <strong>der</strong> vorliegenden Arbeit vermittelt dafür zunächst einen<br />
theoretischen Einblick in die unterschiedlichen Formen, den Nutzen und die zu vermittelnden<br />
Kompetenzen des interdisziplinären <strong>Geographie</strong>unterrichts. Darauf aufbauend werden einige<br />
praxisbezogene Umsetzungsbeispiele <strong>der</strong> Fächerzusammenarbeit vorgestellt, welche sich auf<br />
die jeweiligen fächerverbindenden Möglichkeiten <strong>der</strong> in dieser Arbeit gewählten Fächer<br />
Deutsch und <strong>Geographie</strong> beschränken. Im Hauptteil <strong>der</strong> Arbeit wird schließlich eine ausführ-<br />
liche Verbindung zwischen den Unterrichtsfächern <strong>Geographie</strong> und Deutsch hergestellt, in-<br />
dem eine Analyse <strong>der</strong> Novelle „<strong>Der</strong> Schimmelreiter“ (1888) <strong>von</strong> <strong>Theodor</strong> <strong>Storm</strong> unter geo-<br />
graphiedidaktischen Gesichtspunkten stattfindet. Als Bestandteil <strong>der</strong> Lektüreempfehlung des<br />
Nie<strong>der</strong>sächsischen Kerncurriculums für den Deutschunterricht in <strong>der</strong> 7. o<strong>der</strong> 8. Jahrgangsstufe<br />
des Gymnasiums werden mögliche parallel zu behandelnde thematische Ansatzpunkte des<br />
„Schimmelreiters“ für den <strong>Geographie</strong>unterricht vorgestellt, wobei die Eignung <strong>der</strong> Erzählung<br />
„<strong>Der</strong> Schimmelreiter“ für ein fächerverbindendes Projekt <strong>der</strong> Fächer <strong>Geographie</strong> und Deutsch<br />
herausgearbeitet werden soll. Gerade <strong>der</strong> <strong>Geographie</strong>unterricht kann wie kein an<strong>der</strong>es Fach<br />
durch seine einzigartige Zusammensetzung <strong>von</strong> geistes-, gesellschafts- und naturwissen-<br />
schaftlichen Lerninhalten in <strong>der</strong> Vernetzung mit einem literarischen Werk vielfältige Ansatz-<br />
punkte bieten. Auf Grundlage dessen soll beantwortet werden, inwiefern eine solches Unter-<br />
richtsprojekt über den „Schimmelreiter“ für die Schülerinnen und Schüler sinnvoll umsetzbar<br />
4
ist und welche Vorteile sich für den Deutsch- sowie auch für den <strong>Geographie</strong>unterricht durch<br />
eine Zusammenarbeit mit Hilfe des „Schimmelreiters“ ergeben könnten.<br />
2. Interdisziplinarität als Unterrichtsprinzip im <strong>Geographie</strong>unterricht<br />
In <strong>der</strong> hier grundlegenden Fachliteratur <strong>der</strong> <strong>Geographie</strong>didaktik finden sich Diskussionen, ob<br />
sich <strong>der</strong> traditionelle Fachunterricht in <strong>der</strong> heutigen Zeit auch kritischen Gesichtspunkten un-<br />
terziehen muss. So heißt es, <strong>der</strong> reine Fachunterricht allein könne den heutigen gesellschaftli-<br />
chen Herausfor<strong>der</strong>ungen nicht mehr gerecht werden, sei lebensfremd und gehe nicht ausrei-<br />
chend auf die Bedürfnisse <strong>der</strong> heutigen Schülerinnen und Schüler ein. Fachdidaktiker und<br />
Pädagogen stellen einen Mangel an Bezügen zwischen dem schulischen, fachlichen Lernen<br />
und <strong>der</strong> Lebenspraxis fest (vgl. VON DER RUHREN 1998:1). Eine vollständige Erfassung<br />
<strong>der</strong> Welt mithilfe isoliertem Fachwissen sei heute nicht mehr möglich, da <strong>der</strong> ständige Zu-<br />
wachs und Wandel <strong>von</strong> Wissen ebenso wie eine hohe Differenzierung <strong>von</strong> Wissen und kom-<br />
plexe Strukturen ein „übergreifendes Denken in Zusammenhängen“ in Wirtschaft, Wissen-<br />
schaft, Technik sowie in <strong>der</strong> Gesellschaft allgemein erfor<strong>der</strong>e (KIRCHBERG 1998:2f.). Wei-<br />
terhin sei <strong>der</strong> Fächerkanon <strong>von</strong> <strong>der</strong> Wissenschaftssystematik abgeleitet und somit lebensfern,<br />
da er „gewaltsam ganzheitliche Sachverhalte und Phänomene zerteile“ und so für das kindli-<br />
che Erleben und Bewusstsein untrennbare Erkenntniszusammenhänge zerschnitten würden<br />
(KIRCHBERG 1998:1f.).<br />
Die hier gefor<strong>der</strong>te stärkere Umsetzung <strong>von</strong> Interdisziplinarität, also Fächerzusammenarbeit,<br />
ist dem Bereich <strong>der</strong> Unterrichtsprinzipien des <strong>Geographie</strong>unterrichts zugeordnet, worunter<br />
man Grundsätze zur Auswahl und Art <strong>der</strong> Vermittlung <strong>von</strong> Unterrichtsinhalten versteht (vgl.<br />
RINSCHEDE 2007:51). Zu den Unterrichtsprinzipien gehören unter an<strong>der</strong>em die didakti-<br />
schen Prinzipien, die <strong>der</strong> „Auswahl und Anordnung <strong>von</strong> geographischen Inhalten auf den obe-<br />
ren Ebenen <strong>der</strong> Lehrplangestaltung und Unterrichtsgestaltung zugrunde liegen“ (RINSCHE-<br />
DE 2007:178). Einen weiteren Teilbereich <strong>der</strong> Unterrichtsprinzipien stellen die sogenannten<br />
methodischen Prinzipien des <strong>Geographie</strong>unterrichts dar. Diese sind im Wesentlichen auf die<br />
Vermittlung und die methodische Gestaltung des Unterrichtens ausgerichtet, also wie ausge-<br />
wählte Inhalte den Schülerinnen und Schülern vermittelt werden soll, um zur optimalen Errei-<br />
chung <strong>der</strong> festgesetzten Ziele beizutragen (vgl. RINSCHEDE 2007:52). Zum Teilbereich <strong>der</strong><br />
methodischen Prinzipien gehört auch die Interdisziplinarität. Hierbei werden „fachspezifische<br />
Ziele, Inhalte und Methoden in überfachliche Fragestellungen integriert“ (RINSCHEDE<br />
2007:189f.). „Fächerverbindendes Lernen heißt, geeignete Themen- und Problemstellungen<br />
aus unterschiedlichen fachlichen Perspektiven (häufig parallel) zu analysieren, die gewonnen<br />
Erkenntnisse zu synthetisieren und damit ausgewählte systematische Beziehungen und Ver-<br />
5
netzungen zu verdeutlichen“ (vgl. BRUCKER 2009:44). Als beson<strong>der</strong>s wichtig gilt es zu be-<br />
tonen, dass <strong>der</strong> reine Fachunterricht dennoch keinesfalls vernachlässigt werden darf. Weiter-<br />
hin müssen hier grundlegende Kenntnisse erworben werden, auf die <strong>der</strong> interdisziplinäre Un-<br />
terricht aufbauen könne (vgl. KERSTING 2003:2). „Will <strong>der</strong> Fachunterricht den Schülerinnen<br />
und Schülern Orientierungshilfe für das gegenwärtige und künftige Handeln geben, dann<br />
müssen immer wie<strong>der</strong> überfachliche Bezüge hergestellt werden. Auf einen wissenschaftsori-<br />
entierten Fachunterricht kann und darf aber nicht verzichtet werden“ (VON DER RUHREN<br />
1998:1).<br />
2.1 Formen <strong>der</strong> Interdisziplinarität<br />
In den letzten Jahren ist es unter dem Oberbegriff <strong>der</strong> Fächerzusammenarbeit beziehungswei-<br />
se Interdisziplinarität zu einer unübersichtlichen Vielzahl <strong>von</strong> oft synonymen Begriffen ge-<br />
kommen (BAHR 2004:5): fachübergreifen<strong>der</strong> Unterricht, fächerübergreifen<strong>der</strong> Unterricht,<br />
fachüberschreiten<strong>der</strong> Unterricht, fächerkoordinieren<strong>der</strong> Unterricht, fächerverbinden<strong>der</strong> Unter-<br />
richt, fächerkombinieren<strong>der</strong> Unterricht, fächerergänzen<strong>der</strong> Unterricht, fächervernetzen<strong>der</strong><br />
Unterricht, fächerintegrieren<strong>der</strong> Unterricht, interdisziplinärer Unterricht, multidisziplinärer<br />
Unterricht, überfachlicher Unterricht, ungefächerter Unterricht, etc. (KIRCHBERG 1998:3).<br />
Im Folgenden werden durch eine Reduzierung auf vier Bezeichnungen die nach KIRCH-<br />
BERG (1998) wichtigsten Formen <strong>der</strong> Fächerzusammenarbeit im <strong>Geographie</strong>unterricht vor-<br />
gestellt: Fachunterricht, <strong>der</strong> fach- o<strong>der</strong> fächerübergreifen<strong>der</strong> Unterricht, <strong>der</strong> fächerverbinden-<br />
de Unterricht sowie <strong>der</strong> integrierte beziehungsweise überfachliche Unterricht.<br />
Im reinen Fachunterricht nach traditionellem Konzept bestimmten fachliche Inhalte und<br />
Methoden Unterrichtsgegenstände und –abfolge. Unterrichtsprinzip ist die Bindung an das<br />
Fach und die Fachstruktur, Öffnungen dieser ergeben sich mit Bezug zu den Alltagserfahrun-<br />
gen <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler. Nur im geringen Maße finden, sofern für das Verständnis<br />
des Sachverhaltes notwendig, Verbindungen zu an<strong>der</strong>en Unterrichtsfächern statt (vgl.<br />
KIRCHBERG 1998:3).<br />
Die Fachstruktur des Einzelfaches ist ebenfalls im fach- o<strong>der</strong> fächerübergreifenden Unter-<br />
richt dominieren<strong>der</strong> Ausgangspunkt. Allerdings wird hier, zur Erschließung überfachlicher<br />
Zusammenhänge, vom einem Einzelfach aus auf „Inhalte, Aspekte o<strong>der</strong> Arbeitsweisen eines<br />
an<strong>der</strong>en Schulfaches“ eingegangen, so dass eine Verflechtung <strong>von</strong> zwei o<strong>der</strong> mehreren Fä-<br />
chern stattfindet (KIRCHBERG 1998:5). Als beson<strong>der</strong>er Vorteil kann die schülergerechtere<br />
Vermittlung <strong>von</strong> komplexeren Sachverhalten angesehen werden. Die Kennzeichnung solcher<br />
überfachlichen Zusammenhänge findet mittlerweile in vielen Lehrplänen Platz (vgl. KIRCH-<br />
BERG 1998:5). So wird im Kerncurriculum Erdkunde für das Gymnasium in Nie<strong>der</strong>sachsen<br />
6
auf die notwendige Absprache mit dem Fach Mathematik beim Berechnen <strong>von</strong> Entfernungen<br />
mit dem Maßstab hingewiesen (vgl. NIEDERSÄCHSISCHES KULTUSMINISTERIUM<br />
2008:14).<br />
Im fächerverbindenden Unterricht än<strong>der</strong>t sich <strong>der</strong> Fokus <strong>von</strong> einem einzelnen Fach zu zwei<br />
o<strong>der</strong> mehr miteinan<strong>der</strong> kooperierenden Fächern, in denen ausgewählte Themenbereiche und<br />
Schnittstellen dieser ausgewählten Fächer zeitlich parallel im Unterricht behandelt werden<br />
(vgl. BAHR 2004:5). „Es kommt darauf an, ein zentrales Thema pädagogisch sinnvoll aufzu-<br />
laden und alle beteiligten Fächer ihren je möglichen spezifischen Beitrag dazu einbringen zu<br />
lassen […]. Es handelt sich um einen themenzentrierten mehrfachlichen Unterricht, an dem<br />
alle in Frage kommenden Fächer gleichberechtigt beteiligt werden“ (PETERSSEN 1996:23).<br />
Ein Problemzusammenhang kann dabei unter mehreren fachlichen Aspekten diskutiert wer-<br />
den (vgl. KIRCHBERG 1998:5). Mögliche Schwächen eines gefächerten Unterrichts sollen<br />
durch ein „didaktisch-methodisches Zusammenwirken“ gemil<strong>der</strong>t werden (KIRCHBERG<br />
1998:5). Auch fachunabhängige Themen wie zum Beispiel Umweltschutz können am besten<br />
im fächerverbindenden Unterricht vermittelt werden, ebenso können das Projektlernen o<strong>der</strong><br />
das Lernen in außerschulischen Lernorten zum Begriff des fächerverbindenden Unterrichts<br />
gezählt werden. Unerlässlich ist beim fächerverbindenden Unterricht eine ausreichende Ko-<br />
operation <strong>der</strong> beteiligten Fachlehrer bezüglich Inhalt und Organisation (vgl. KIRCHBERG<br />
1998:5).<br />
Im integrierten beziehungsweise überfachlichen Unterricht wird <strong>der</strong> einzelne Fachunterricht<br />
schließlich vollständig aufgegeben. „Fachunabhängige Ausschnitte aus <strong>der</strong> Lebenswirklich-<br />
keit o<strong>der</strong> überfachliche Schlüsselprobleme“ dienen als Inhalte des überfachlichen Unterrichts,<br />
die keiner Zuordnung zu bestimmten Schulfächern unterliegen (KIRCHBERG 1998:5). Zum<br />
Begriff des überfachlichen Unterrichts können auch die integrativen Fachbereiche einiger<br />
Bundeslän<strong>der</strong> gezählt werden. Dazu zählen beispielsweise die Welt- und Umweltkunde<br />
(WUK), ein Fachbereich in <strong>der</strong> ehemaligen Orientierungsstufe in Nie<strong>der</strong>sachsen o<strong>der</strong> die Ge-<br />
sellschaftslehre in an<strong>der</strong>en Bundeslän<strong>der</strong>n (vgl. KIRCHBERG 1998:5/BAHR 2004:5).<br />
Die folgende Tabelle nach KIRCHBERG (1998:4) und RINSCHEDE (2007:191) gibt einen<br />
Überblick über die hier vorgestellten wichtigsten Begriffe <strong>der</strong> Fächerzusammenarbeit und<br />
<strong>der</strong>en Definitionen.<br />
7
Tabelle 1: Formen <strong>der</strong> Fächerzusammenarbeit<br />
Bezeichnung <br />
Fachunterricht<br />
Fach- o<strong>der</strong><br />
fächerübergreifen<strong>der</strong><br />
Unterricht<br />
Fächerverbinden<strong>der</strong><br />
Unterricht<br />
Überfachlicher<br />
Unterricht<br />
Unterrichtsprinzip<br />
Zusammen<br />
arbeit<br />
Fachbindung Fachbezogene<br />
Unterrichts<br />
abfolge<br />
Verflechtung lockere<br />
Fächerkooperation<br />
Überlappung Inhaltliche und<br />
organisatorische<br />
Fächer-<br />
koordination<br />
Integration Aufhebung des<br />
traditionellen<br />
Fachunterrichts<br />
Auswahlfel<strong>der</strong><br />
<strong>der</strong><br />
Gegenstände<br />
Fachliche<br />
Inhalte und<br />
Methoden<br />
Inhalte und<br />
Methoden<br />
eines Leitfachs<br />
Schnittfel<strong>der</strong><br />
zwischen den<br />
Fächern<br />
Fachunabhängige<br />
Lernfel<strong>der</strong><br />
2.2 Chancen <strong>der</strong> Interdisziplinarität für eine fundierte Bildung<br />
Fächerstellung Beispiele<br />
Starke Bestimmung<br />
des Unterrichts<br />
durch das Einzelfach<br />
Ausblicke auf Gegenstände<br />
an<strong>der</strong>er<br />
Fächer werden miteinbezogen<br />
Verflechtung <strong>der</strong><br />
Einzelfächer, die<br />
einan<strong>der</strong> planmäßig<br />
zuarbeiten<br />
Fächer nur noch<br />
durch einzelne Fragestellungen<br />
o<strong>der</strong><br />
Methoden erkennbar,<br />
keine organisatorische<br />
Trennung<br />
Quelle: Eigene Darstellung nach KIRCHBERG 1998:4/RINSCHEDE 2007:191<br />
- normale Inhalte des<br />
jeweiligen Fachunterrichts<br />
- geöffneter<br />
Fachunterricht<br />
- z.B. Maßstabsrechnung<br />
(<strong>Geographie</strong>-<br />
Mathematik)<br />
- Team Teaching<br />
- Exkursion<br />
- Projekt/-tage<br />
- z.B. Umwelterziehung<br />
- Sachunterricht <strong>der</strong><br />
Grundschule<br />
- Unterricht nach<br />
Lernbereichen und<br />
Schlüsselproblemen<br />
- WUK<br />
Voranginge Aufgabe <strong>der</strong> Institution Schule ist es, die Schülerinnen und Schüler bestmöglich<br />
auf den Lebensalltag vorzubereiten. Die Lebenswirklichkeit <strong>der</strong> heutigen Schülerinnen und<br />
Schüler ist jedoch vielschichtiger, verzweigter und verflochtener als je zuvor und orientiert<br />
sich nicht ausschließlich an den vorgegebenen Schulfächern (vgl. KERSTING 2003:2). „Sie<br />
konfrontiert die Schüler mit komplexen Fragen und Problemen, <strong>der</strong>en Lösungsansätze nur in<br />
<strong>der</strong> Zusammenschau einer Vielzahl <strong>von</strong> Perspektiven zu finden sind. Und sie for<strong>der</strong>t selbst-<br />
ständigen Einsatz beim Finden <strong>von</strong> mehrperspektivischen Lösungswegen“ (KERSTING<br />
2003:2). Die engen Fachgrenzen würden es den Schülern kaum ermöglichen, komplexe Prob-<br />
lemstellungen zu verstehen und mögliche Lösungen zu analysieren (vgl. KERSTING 2003:2).<br />
Hier liegt eine große Chance für den <strong>Geographie</strong>unterricht, denn für „fachübergreifenden und<br />
fächerverbindenden Bildungsaufgaben“ werden beson<strong>der</strong>es durch das Fach <strong>Geographie</strong> wich-<br />
tige Beiträge geleistet (NIEDERSÄCHSISCHES KULTUSMINISTERIUM 2008:8). Unter<br />
an<strong>der</strong>em sei es eine Aufgabe <strong>der</strong> Handlungskompetenz im <strong>Geographie</strong>unterricht, an <strong>der</strong> Lö-<br />
sung <strong>von</strong> gesellschaftlichen Schlüsselproblemen mitzuwirken (vgl. RINSCHEDE 2007:168),<br />
worunter man nach dem Konzept <strong>von</strong> Wolfgang Klafki „Sachverhalte <strong>von</strong> solch einer zeit-<br />
lich-räumlichen Dimension“, „die die Lebensperspektive gegenwärtiger und künftiger Gene-<br />
rationen beeinflussen und demzufolge bereits in <strong>der</strong> Schule zum Unterrichtsinhalt gehören<br />
8
müssen“, versteht (BRUCKER 2009:40). Anhand <strong>der</strong> Aufzählung einiger als solche bezeich-<br />
nete Schlüsselprobleme wird erkennbar, dass diese kaum einem einzelnen Schulfach zuzu-<br />
ordnen sind, son<strong>der</strong>n durch die Beschäftigung mit ihnen die Fachkompetenzen mehrerer Wis-<br />
senschaften erfor<strong>der</strong>n. So zählen zu den Schlüsselprobleme mit einem geographischen Bezug<br />
beispielsweise die Umwelt- und Ressourcenzerstörung, soziale Ungleichheiten, globale Dis-<br />
paritäten, Friedensgefährdung und –sicherung, Völkerverständigung, Herrschaft beziehungs-<br />
weise Macht, Demokratisierung und Menschenrechte, Arbeit und Arbeitslosigkeit, Perspekti-<br />
ven und Gefahren des naturwissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Fortschritt,<br />
Umgang mit Min<strong>der</strong>heiten, Einheimische und Auslän<strong>der</strong> sowie Arbeit und Freizeit (vgl.<br />
RINSCHEDE 2007:168). Auch nach den „Bildungsstandards im Fach <strong>Geographie</strong>“ gehört<br />
zum expliziten Beitrag <strong>der</strong> Fachwissenschaft <strong>Geographie</strong> für eine fundierte Bildung die The-<br />
matisierung <strong>von</strong> aktuellen Phänomenen und Prozessen wie Globalisierung, Klimawandel,<br />
Erdbeben, Hochwasser und Stürme wie auch Bevölkerungsentwicklung, Migration, Disparitä-<br />
ten und Ressourcenkonflikte (vgl. DGfG 2008:5). Laut <strong>der</strong>zeitiger Erfahrung können all diese<br />
unterschiedlichen Probleme und Konflikte nicht allein mit dem <strong>der</strong>zeitigen Bestand an reinem<br />
Fachwissen gelöst werden, wodurch sich für den interdisziplinären Unterricht eine große<br />
Chance bietet, <strong>der</strong> durch seine Kooperationen und Vernetzungen unterschiedlicher Wissen-<br />
schaften diese For<strong>der</strong>ungen erfüllen kann.<br />
Weiterhin werden in den „Bildungsstandards im Fach <strong>Geographie</strong>“ <strong>der</strong> DGfG explizit die<br />
Beiträge des Faches <strong>Geographie</strong> zu „fachübergreifenden und fächerverbindenden Bildungs-<br />
aufgaben“ aufgeführt. Dazu gehören die Umweltbildung, also die Vermittlung <strong>von</strong> umweltre-<br />
levanten Werten und Einstellungen durch die Vernetzung <strong>von</strong> natur- und gesellschaftswissen-<br />
schaftlichem Denken, die entwicklungspolitische Bildung und das Interkulturelle Lernen mit<br />
<strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzung über weltweite natürliche, wirtschaftliche, politische und soziale Zu-<br />
sammenhänge und <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung des Verständnisses für „fremdkulturelle Orientierungssys-<br />
teme“ (vgl. DGfG 2008:7; RINSCHEDE 2003:31). Ebenso dazugehörig ist die Bildung für<br />
eine Nachhaltige Entwicklung, wobei die „Vernetzung <strong>von</strong> Ökologie-, Ökonomie- und Sozi-<br />
alverträglichkeit“ und die Erhaltung des Naturpotenzials für die kommenden Generationen als<br />
„große Herausfor<strong>der</strong>ung <strong>von</strong> Gegenwart und Zukunft“ im Fokus steht sowie das Globale Ler-<br />
nen mit Berücksichtigung <strong>von</strong> wachsenden, weltweiten Zusammenhängen (vgl. DGfG<br />
2008:7; HAUBRICH 2006:10; RINSCHEDE 2003:31).<br />
Bei den zuvor genannten Schlüsselproblemen sowie auch bei den fachübergreifenden und<br />
fächerverbindenden Bildungsaufgaben des <strong>Geographie</strong>unterricht spielen die Wechselwirkun-<br />
gen zwischen „naturgeographischen Gegebenheiten und menschlichen Aktivitäten“ eine ent-<br />
scheidende Rolle, so dass die <strong>Geographie</strong> hier durch eine Verknüpfung <strong>von</strong> naturwissen-<br />
9
schaftlicher und gesellschaftswissenschaftlicher Bildung in beson<strong>der</strong>em Maße beitragen kön-<br />
ne (DGfG 2008:5). Aufgrund dieser „fachlich-inhaltlichen Struktur“ können beson<strong>der</strong>s im<br />
Fach <strong>Geographie</strong> kultur- und sozialwissenschaftliche, wirtschaftliche sowie geowissenschaft-<br />
liche Inhalte miteinan<strong>der</strong> verknüpft werden und was eine geeignete Grundlage für das fach-<br />
und fächerübergreifende Lernen darstelle (vgl. BRUCKER 2009:44). Gerade hier besitzt die<br />
<strong>Geographie</strong> ihr „beson<strong>der</strong>es fachliches Potential“ (DGfG 2008:5). Auch laut Grundlehrplan<br />
<strong>Geographie</strong> des Verbandes deutscher Schulgeographen e.V. ist <strong>der</strong> <strong>Geographie</strong>unterricht be-<br />
reits <strong>von</strong> sich aus „durch den integrativen Charakter <strong>der</strong> Fachwissenschaft <strong>Geographie</strong> fach-<br />
übergreifend und för<strong>der</strong>t das fächerverbindende Lernen“ (VDSG 2005:15). Zahlreiche „Geo-<br />
graphie-affine“-Wissenschaften, wie zum Beispiel Geologie, Geophysik, Ozeanographie,<br />
Wirtschaftswissenschaften, Agrarwissenschaften, Städtebau, Raumplanung und Völkerkunde<br />
seien an den Schulen nicht durch eigenständige Fächer vertreten (VDSG 2005:15). <strong>Der</strong> Geo-<br />
graphieunterricht könne die Fachinhalte, Fachmethoden und Fachsprachen dieser Wissen-<br />
schaften integrieren. Dabei dürfe jedoch <strong>der</strong> Fachunterricht keinesfalls vernachlässigt werden,<br />
denn fachübergreifen<strong>der</strong> Unterricht und fächerverbindendes Lernen setzen den Fachunterricht<br />
voraus (VDSG 2005:15).<br />
Ebenfalls im Mittelpunkt des interdisziplinären Unterrichts steht die Vermittlung <strong>von</strong> Schlüs-<br />
selqualifikationen wie Kooperationsbereitschaft, Teamfähigkeit, Kreativität, Kommunikati-<br />
onsfähigkeit sowie Problemlösungsvermögen (vgl. KIRCHBERG 1998:3).<br />
BECKMANN (2003) zeigt weitere Gründe für das fächerverbindende Lernen auf: Themati-<br />
sierung <strong>von</strong> aktuellen Anlässen und stärkere Schülerorientierung. Aus dem interdisziplinären<br />
Unterricht ergebe sich demnach eher die Möglichkeit, auf aktuelle Anlässe, wie zum Beispiel<br />
Naturkatastrophen einzugehen. Die <strong>der</strong>zeit aktuelle Erfahrung eines Reaktorunfalls in Japan,<br />
ausgelöst durch ein Erdbeben im März 2011, zeigt, wie in <strong>der</strong> Schule interdisziplinär mit In-<br />
formationen umgegangen werden muss, um solchen Vorgängen gerecht zu werden. Physikali-<br />
sche, chemische und biologische Aspekte spielen dabei ebenso eine Rolle wie politische,<br />
ökonomische, geographische und soziologische (vgl. BECKMANN 2003:51). Als weiterer<br />
Grund für interdisziplinären Unterricht kann die Schülerorientierung angegeben werden.<br />
Durch einbezogene, fachfremde Aspekte werde Vielfalt erzeugt und einzelnen Aspekten eine<br />
Bedeutung zugewiesen, was beispielsweise, <strong>von</strong> Schülerinnen und Schülern sonst als lebens-<br />
fern empfundenen Mathematikunterricht zu Gute kommen könnte (vgl. BECKMANN<br />
2003:37). Resultat <strong>der</strong> Einbeziehung frem<strong>der</strong> Inhalte und Methoden können komplexere<br />
Handlungsmöglichkeiten sein (vgl. BECKMANN 2003:38).<br />
10
3. Überblick über mögliche Fächerkombinationen<br />
Im Folgenden werden verschiedenste Wege vorgestellt, wie bestimmte Inhalte <strong>der</strong> hier aus-<br />
gewählten Fächer Deutsch und <strong>Geographie</strong> im fächerverbindenden Unterricht mit den Inhal-<br />
ten an<strong>der</strong>er Unterrichtsfächer verknüpft werden können. Aufgrund <strong>der</strong> Vielzahl an Möglich-<br />
keiten werden hier nur einige wenige Ideen aufgezeigt, um so einen Anstoß auch für weitere,<br />
individuelle Überlegungen zu schaffen.<br />
3.1 Fächerverbinden<strong>der</strong> <strong>Geographie</strong>unterricht<br />
Diese Ansatzpunkte in an<strong>der</strong>en Unterrichtsfächern in <strong>der</strong> Zusammenarbeit mit dem Geogra-<br />
phieunterricht werden durch folgende Abbildung 1 nach KIRCHBERG (1998:6) veranschau-<br />
licht.<br />
Abbildung 1: Ansatzpunkte für fächerverbindendes Arbeiten im <strong>Geographie</strong>unterricht<br />
Physik<br />
- Tektonik<br />
- Klimatologie<br />
- Geophysik<br />
Mathematik<br />
- Statistik<br />
- Maßstab<br />
- Diagramme<br />
Biologie<br />
- Ökologie<br />
- Vegetationszonen<br />
- Landwirtschaft<br />
Chemie<br />
- Mineralogie<br />
- chemische Industrie<br />
- Rohstoffe und Energie<br />
Kunst<br />
- Zeichnen<br />
- Landschaftsdarstellungen<br />
- Raumästhetik<br />
Quelle: Eigene Abbildung nach KIRCHBERG 1998:6<br />
<strong>Geographie</strong>unterricht<br />
Geschichte<br />
- Industrialisierung<br />
- Zeitgeschichte<br />
- Stadtentwicklung<br />
Fremdsprachen<br />
- Landeskunde<br />
- Kulturräume<br />
- bilingualer Unterricht<br />
Politik<br />
- Wirtschaft<br />
- Gesellschaft<br />
- Europäische Integration<br />
Religion/Ethik<br />
- Weltregionen<br />
- Werte und Normen<br />
- Menschenrechte<br />
Deutsch<br />
- Literatur<br />
- Textarbeit<br />
- Reisebeschreibung<br />
Musik<br />
- Musik und Kultur<br />
- außereuropäische Musik<br />
- Musik als Ware<br />
Im Bezug zur gesellschaftswissenschaftlichen Seite <strong>der</strong> <strong>Geographie</strong> besteht vor allem eine<br />
Verbindung zu den Fächern Geschichte und Sozialkunde beziehungsweise Politik (vgl.<br />
BAHR 2004:6). Fächerübergreifende Themen könnten „Stadt und städtisches Leben, Ent-<br />
wicklungslän<strong>der</strong>, politische Glie<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Erde“ o<strong>der</strong> das interkulturelle Lernen sein (vgl.<br />
RINSCHEDE 2007:192). Allerdings steht <strong>der</strong> <strong>Geographie</strong>unterricht auch vor beson<strong>der</strong>er Her-<br />
ausfor<strong>der</strong>ung, sich dem fächerübergreifenden Arbeiten mit den naturwissenschaftlichen Fä-<br />
11
chern zuzuwenden. In den Fächern Biologie, Physik und Chemie fehlt oftmals <strong>der</strong> für die Mo-<br />
tivation und Verständnis <strong>der</strong> Schüler und Schülerinnen entscheidende lebensweltliche Bezug<br />
des Unterrichtsstoffes (vgl. BAHR 2004:6). Beson<strong>der</strong>s im Fach Biologie kann dieser durch<br />
eine Verknüpfung mit <strong>der</strong> <strong>Geographie</strong> über die Themen Umwelterziehung, Vegetation o<strong>der</strong><br />
Landwirtschaft geschaffen werden (vgl. RINSCHEDE 2007:192). Die Zusammenarbeit mit<br />
dem Fach Mathematik bietet sich bei <strong>der</strong> Auswertung <strong>von</strong> Statistiken o<strong>der</strong> beim Kennenler-<br />
nen des Maßstabs an. Eher ungewöhnlich wird zunächst ein fächerübergreifendes Arbeiten<br />
<strong>der</strong> sprachlich-literarischen Fächer wie Deutsch und Fremdsprachen sowie künstlerische Fä-<br />
cher wie Musik und Kunst mit dem <strong>Geographie</strong>unterricht erscheinen. Beson<strong>der</strong>s jedoch lan-<br />
deskundliche Themen bieten eine gute Verbindung mit dem Fremdsprachenunterricht (vgl.<br />
KERSTING 2003:5). Eine beson<strong>der</strong>e Bedeutung im fächerverbindenden Unterricht kommt<br />
natürlich dem bilingualen Unterricht zu (vgl. RINSCHEDE 2007:192). Bezugspunkte des<br />
<strong>Geographie</strong>unterrichts mit dem Religionsunterricht ergeben sich durch die Beschäftigung mit<br />
den Weltreligionen o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Kulturerdteile (vgl. RINSCHEDE 2007:192).<br />
3.2 Fächerverbinden<strong>der</strong> Deutschunterricht<br />
<strong>Der</strong> Deutschunterricht bietet beson<strong>der</strong>s durch seine große Auswahl an geeigneten Texten und<br />
Literatur eine gute thematische Verbindung zu an<strong>der</strong>en Unterrichtsfächern. Vor allem histo-<br />
risch-politisch-ökonomische Aspekte können sich aus <strong>der</strong> Beschäftigung mit <strong>der</strong> Literatur-<br />
und Sprachdidaktik ergeben. So werden unter dem Begriff des horizontalen Vernetzens bei<br />
<strong>der</strong> Bearbeitung eines relevanten Textes im Deutschunterricht immer die Entstehungszeit und<br />
-Umstände in die Deutung des Textes mit einbezogen. Schülerinnen und Schüler müssen bei-<br />
spielweise ebenfalls die Entstehung, die Lebensumstände und die politischen Hintergründe<br />
<strong>der</strong> Vormärzepoche verinnerlicht haben, um Intention und Bedeutung <strong>von</strong> Heines „Deutsch-<br />
land. Ein Wintermärchen“ ausreichend erfassen zu können (vgl. EINECKE 2008:16f.). Diese<br />
Art <strong>der</strong> thematischen Verbindung mit dem Politik-, Geschichte- und Gesellschaftsunterricht<br />
kann auf jede Literaturepoche und jeden literarischen Text übertragen werden. Auch Christa<br />
Wolfs „Kassandra“ o<strong>der</strong> „Medea“ kann rezeptionsgeschichtlich nur mit den Hintergrundwis-<br />
sen über die deutsch-deutsche Geschichte vollständig erschlossen werden, ebenso das Ju-<br />
gendbuch „Die Welle“ nur mit dem nötigen Wissen über den Nationalsozialismus (vgl.<br />
KOTTKAMP 2008:21ff). Ebenso wie eine horizontale kann eine vertikale Vernetzung im<br />
Unterricht stattfinden, wenn die Entwicklung dramatischer Textformen, <strong>der</strong> sprachgeschicht-<br />
licher Zugriff, Epochenumbrüche und die allgemeine Literaturgeschichte über mehrere Jahr-<br />
hun<strong>der</strong>te miteinan<strong>der</strong> verglichen werden (vgl. EINECKE 2008:17).<br />
12
Ideen zum fächerverbindenden Arbeiten mit Deutsch und Politik finden sich zum Thema poli-<br />
tische Gedichte. Als Beispiel wäre das Gedicht „<strong>Der</strong> Krieg ist an<strong>der</strong>swo“ <strong>von</strong> Roman Ritter<br />
zu nennen, das in <strong>der</strong> 5. bis 8. Jahrgangsstufe parallel mit dem Thema Krieg im Politikunter-<br />
richt besprochen werden könnte (vgl. GRAEFF 2004:67ff). Aus aktuellem Anlass stellt die<br />
Zeitschrift DEUTSCHUNTERRICHT ebenfalls Gedichte für die 10. bis 13. Jahrgangstufe<br />
vor, die im Jahr 2003 vor dem Hintergrund des Irakkrieges entstanden sind. Durch die Aktua-<br />
lität <strong>der</strong> Thematik des Irakkonfliktes und ein ständige Präsenz dieser in den Medien könnte<br />
ein beson<strong>der</strong>er Bezug zur Lebenswelt <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler hergestellt werden (vgl.<br />
HOGREBE 2007:12ff). Auch bei ungewöhnlich erscheinenden Kombinationen ist eine Fä-<br />
cherzusammenarbeit durchaus herstellbar. Ein Beispiel dazu wäre, wenn die Fächer Sport und<br />
Deutsch verknüpft werden könnten durch Fußballzeitschriften als Unterrichtsmaterial im<br />
Deutschunterricht (vgl. SCHMIDT 2007:15ff). Weiterhin könnte eine Verbindung <strong>der</strong> Fächer<br />
Deutsch und Kunst durch den hannoverschen Dichter und Künstler Kurt Schwitters (1887-<br />
1948) geschaffen werden. Schwitters Gedichte finden Anklang im Deutschunterricht während<br />
seine Werke und Stilrichtungen, wie <strong>der</strong> <strong>von</strong> ihm selbst geschaffenen Stilrichtung MERZ,<br />
entstanden um 1918, eine „Art künstlerischer Weltanschauung“ darstellen, die im Kunstunter-<br />
richt integriert werden können (SPRENGEL MUSEUM HANNOVER 2007:1). Deutschspra-<br />
chige Pop-Songs aus <strong>der</strong> Stilrichtung <strong>der</strong> Neuen Deutschen Welle können als Lyrik im<br />
Deutschunterricht mit den Unterrichtsschwerpunkten „Verhältnis zwischen Sprache und Mu-<br />
sik“ und „Deutsch als Sprache für Popsongs“ betrachtet werden, um den Musik- mit den<br />
Deutschunterricht zu verbinden (WROBEL 2007:18ff).<br />
Nach KLOTZ (2008) bestehen drei bedeutende Faktoren des Deutschunterrichts, die im Zu-<br />
sammenhang mit an<strong>der</strong>en Fächern eine wichtige Rolle spielen. Zum einen sei es eine wichtige<br />
Aufgabe des Faches Deutsch, an<strong>der</strong>e Schulfächer zuarbeitend zu unterstützend. Nicht nur für<br />
naturwissenschaftliche Fächer spielt ein gutes Lesevermögen und –Verständnis, vermittelt<br />
durch den Deutschunterricht, eine große Rolle, um fachspezifische Texte in den Schulbüchern<br />
ausreichend aufnehmen und verstehen zu können. Physikalische und an<strong>der</strong>en naturwissen-<br />
schaftliche Versuche müssen jeweils durch Hypothesenbildung, Vorüberlegungen, Versuchs-<br />
anordnung, Versuch und Ergebnis <strong>von</strong> den Schülerinnen und Schülern schriftlich festgehalten<br />
werden. Durch diese „Versprachlichung“ werden Wortschatz, syntaktische Formen und<br />
sprachliche Handlungen, wie Beschreiben und Begründen auch im Physikunterricht o<strong>der</strong> in<br />
an<strong>der</strong>en Naturwissenschaften unabdingbar (vgl. KLOTZ 2008:68). Als zweiten Grund nennt<br />
KLOTZ (2008), dass eine große Anzahl an Informationen <strong>der</strong> Sachfächer nicht in sprachlicher<br />
Form dargestellt ist. So sei es Aufgabe des Deutschunterrichtes zur Unterstützung des Geo-<br />
graphieunterrichtes, für eine hohe textuelle und grammatische Kompetenz zu sorgen, um die<br />
13
Auswertung und Beschreibung geographischer Inhalte zu sichern, denn gerade im Geogra-<br />
phieunterricht liegen etliche Informationen nicht in sprachlicher Form, son<strong>der</strong>n anhand mor-<br />
phologischer und thematischer Karten, Grafiken, Statistiken, Diagrammen und ähnlichem vor<br />
(vgl. KLOTZ 2008:68f.). Als dritten Grund führt KLOTZ auf, dass Literatur verwendet wer-<br />
den könne, um „Weltwissen zu erlesen“ (KLOTZ 2008:69). Alltags-, Erfahrungs- und Bil-<br />
dungs-/Fachwissen wird dabei als „Weltwissen“ zusammengefasst (ABRAHAM/LAUNER<br />
2002:3).<br />
3.3 Zusammenarbeit <strong>der</strong> Fächer Deutsch und <strong>Geographie</strong><br />
Sehr anschauliche Beispiele des fächerverbindenden Arbeitens im <strong>Geographie</strong>- und Deutsch-<br />
unterricht bieten ABRAHAM und LAUNER (2002). Zwar scheint es, als verbinde beide Fä-<br />
cher wenig, denn Literatur handele <strong>von</strong> fiktionalen Welten während <strong>der</strong> <strong>Geographie</strong>unterricht<br />
sich auf die wirklichen Welten konzentriere, dennoch könne man Brücken zwischen den bei-<br />
den Fächern schlagen. Demnach tragen literarische Sachtexte durch ein Erlesen <strong>von</strong> Weltwis-<br />
sen zum Sachlernen bei, nicht dadurch, „dass sie z.B. die Lebensbedingungen in <strong>der</strong> Dritten<br />
Welt besser erklären als das Geografiebuch“, son<strong>der</strong>n weil „sie Weltwissen schon vorauszu-<br />
setzen scheinen, wenn sie es in Lebenszusammenhängen vergegenwärtigen“ (ABRA-<br />
HAM/LAUNER 2002:2). Somit könne eine Verbindung <strong>von</strong> Literatur des Deutschunterrichts<br />
auch mit an<strong>der</strong>en Fächern stattfinden, wie ferner auch in dieser Arbeit anhand des „Schim-<br />
melreiters“ gezeigt wird. In Verbindung mit dem Fach <strong>Geographie</strong> beziehen sich ABRAHAM<br />
und LAUNER (2002) dabei auf bestimmte Textsorten, die beide Fächer durchdringen, wie<br />
vor allem <strong>der</strong> Reisebericht o<strong>der</strong> die Abenteuerliteratur <strong>von</strong> Karl May mit realitätsnahen<br />
Schauplatzschil<strong>der</strong>ungen und Wegbeschreibungen (vgl. ABRAHAM/LAUNER 2002:72). So<br />
wurde schon zu Zeiten Alexan<strong>der</strong> <strong>von</strong> Humboldts anhand dessen anschaulichen Reise- und<br />
Forschungsberichten die Verbindung <strong>von</strong> <strong>Geographie</strong> und Literatur erkennbar (vgl. TAUT-<br />
FEST 1992:8). Für Schülerinnen und Schüler wird es beson<strong>der</strong>s interessant, wenn auf einer<br />
Klassenfahrt die in <strong>der</strong> Literatur erwähnten Sehenswürdigkeiten erkundet werden und Unter-<br />
schiede und Gemeinsamkeiten zwischen Realität und literarischer Beschreibung entdeckt<br />
werden (vgl. LINDEMEIER 1992:13). Ein weiteres Beispiel <strong>der</strong> Fächerverbindung <strong>von</strong><br />
Deutsch und <strong>Geographie</strong> nennen ABRAHAM und LAUNER (2002:72f.) mit literarischen<br />
Darstellungen über Polarexpeditionen, wie in dem Jugendbuch „Gefangen im Packeis“ <strong>von</strong><br />
Christa-Maria Zimmermann (2006) über Sir Ernest Shackeltons Südpolexpedition (1914-16),<br />
mit anschaulichem Bildmaterial. „Beson<strong>der</strong>s für manche männliche Lernende mit sonst eher<br />
literaturfernen Interessen, die für den unter Schülerinnen eher beliebten psychologischen Ju-<br />
gendroman ebenso schwer zu begeistern sind wie für fantastische Literatur, wäre ein solches<br />
14
Angebot an Text- und Bildmaterial eine Alternative“ (ABRAHAM/LAUNER 2002:73). AB-<br />
RAHAM und LAUNER (2002) zeigen weiterhin, dass gerade Kin<strong>der</strong>- und Jugendbuchlitera-<br />
tur aus und über die „Dritte Welt“ geographisches und gerade auch (inter-)kulturelles Sach-<br />
wissen mit literarischem Lernen verbinden können (vgl. ABRAHAM/LAUNER 2002:72).<br />
Erzählende Literatur kann somit als „Schlüssel zum Verständnis“ gesehen werden, wenn wir<br />
zum Verständnis einer uns fremden Welt o<strong>der</strong> Kultur eine Vermittlung benötigen (TAUT-<br />
FEST 1992:9). So können unzählige weitere literarische Werke einen Zugang zu einem fä-<br />
cherverbindenden <strong>Geographie</strong>- und Deutschunterricht ermöglichen. Auch für höhere Klassen-<br />
stufen bieten sich in diesem Bereich vielfältige Ansatzpunkte, wie die Arbeit mit dem Werk<br />
„Früchte des Zorns“ (1940) o<strong>der</strong> „The Grapes of Wrath“ (1939) des US-amerikanischen<br />
Schriftstellers John Steinbeck (vgl. DTV 2011). <strong>Der</strong> Roman spielt Anfang <strong>der</strong> 1930er Jahre<br />
im US-amerikanischen Bundesstaat Oklahoma und handelt <strong>von</strong> einer Farmerfamilie, die<br />
durch Auswirkungen <strong>der</strong> Wirtschaftskrise und vieler Dürrejahre hoch verschuldet ist. Die<br />
Familie und Tausende weitere Farmer ziehen in <strong>der</strong> Hoffnung auf Arbeit und ein besseres<br />
Leben über die Route 66 nach Kalifornien, müssen aber weiterhin unter <strong>der</strong> Unterdrückung<br />
<strong>von</strong> Großgrundbesitzern leiden. Ansatzpunkte für den <strong>Geographie</strong>unterricht in <strong>der</strong> Oberstufe<br />
sind nicht nur Landeskunde über die USA, son<strong>der</strong>n vor allem die durch menschliches Han-<br />
deln und landwirtschaftliche Nutzung hervorgerufene Desertifikation <strong>der</strong> US-amerikanischen<br />
„Great Plains“ und daraus resultierende Dürrekatastrophen in den 1930er Jahren o<strong>der</strong> eine<br />
sozialkritische Auseinan<strong>der</strong>setzung mit <strong>der</strong> Ausbeutung <strong>der</strong> Landarbeiter, denkbar auch durch<br />
einen aktuellen Bezug des Themas.<br />
Die Zeitschriftenreihe GEOGRAPHIE HEUTE bietet mit einem Heft mit dem Titel „Literatur<br />
und <strong>Geographie</strong>“ (1992) anhand mehrerer praktischer Beispiele für den Unterricht gut An-<br />
satzpunkte und kreative Ideen bezüglich dieser Verbindung. Darin wird als großer Vorteil <strong>der</strong><br />
Literatur als „Quelle geographischer Information“ die „ästhetische Erkenntnisdimension“,<br />
also die Beziehung zwischen dem lesenden Subjekt und dem Objekt <strong>der</strong> Beschreibung, ange-<br />
sehen (TAUTFEST 1992:3). Weiterhin vermag Literatur „Räume auf suggestive Weise le-<br />
bendig werden zu lassen und einen gefühlsmäßigen Zugang zu ihnen zu eröffnen“ (TAUT-<br />
FEST 1992:3). Für die Schülerinnen und Schüler werden die beschriebenen Orte so mit Be-<br />
deutung und Leben gefüllt: „Sie bekommen so überhaupt erst ein Gesicht, eine Physiognomie,<br />
einen Charakter“ (TAUTFEST 1992:6). Zwar könne man im <strong>Geographie</strong>unterricht die physi-<br />
schen Geofaktoren wie Boden, Vegetation, Wasser und Atmosphäre erforschen, jedoch haben<br />
Landschaften und Räume ebenfalls eine Bedeutung darüber hinaus, welche die Literatur ent-<br />
ziffern könne, um einen vollständigen Zugang zu ihnen zu erschließen (vgl. TAUTFEST<br />
1992:6). Durch die Darstellungsmöglichkeiten <strong>der</strong> Sprache könne ein Gefühl für die Land-<br />
15
schaft hergestellt werden, was we<strong>der</strong> durch Kartographie noch durch wissenschaftliche Be-<br />
schreibungen möglich sei (vgl. TAUTFEST 1992:6). „Wir merken uns Dinge leichter, die wir<br />
bei ihrem ersten Erleben mit Gefühlen verbunden haben. <strong>Der</strong> Held ist uns sympathisch und<br />
sein Schicksal beschäftigt uns. Deshalb befassen wir uns, um ihn `begleiten´ zu können, mit<br />
Dingen, für die wir uns sonst weniger o<strong>der</strong> gar nicht interessieren würden.“ (ABRA-<br />
HAM/LAUNER 2002:20). Fachlich-inhaltliche Gründe für den Einsatz <strong>von</strong> Literatur im Ge-<br />
ographieunterricht ergeben sich durch die in <strong>der</strong> Literatur geschil<strong>der</strong>ten Rahmenbedingungen<br />
<strong>der</strong> Protagonisten, wie die Lebensbedingungen in einer bestimmten Region unter sozialen,<br />
ökonomischen und politischen Aspekten sowie die Bedingungen des betreffenden Naturrau-<br />
mes, die in <strong>der</strong> <strong>Geographie</strong> erforscht werden können (vgl. TRÖGER 1992:30).<br />
4. Die Novelle „<strong>Der</strong> Schimmelreiter“ im fächerverbindenden <strong>Geographie</strong>unterricht <strong>der</strong> 7. und<br />
8. Klassenstufe des Gymnasiums<br />
Als Literaturempfehlung wurde innerhalb des Kerncurriculums Deutsch für Gymnasien in<br />
Nie<strong>der</strong>sachsen ein sogenannter Lesekanon mit einer unverbindlichen beispielhaften Lek-<br />
türeauswahl veröffentlicht. Innerhalb dieses Kanons findet sich die Novelle „<strong>Der</strong> Schimmel-<br />
reiter“ <strong>von</strong> <strong>Theodor</strong> <strong>Storm</strong> unter <strong>der</strong> Rubrik „Erzählende Texte: kurze Prosa, Novellen und<br />
Romane“ als Empfehlung für den Unterricht in <strong>der</strong> 7. und 8. Jahrgangstufe (NIEDERSÄCH-<br />
SISCHES KULTUSMINISTERIUM 2006:39). Im folgenden Teil <strong>der</strong> Arbeit soll jedoch vor<br />
allem die Frage beantwortet werden, inwieweit thematische Schwerpunkte des „Schimmelrei-<br />
ters“ neben dem Deutschunterricht auch sinnvoll in den <strong>Geographie</strong>unterricht eingesetzt wer-<br />
den können, um ein mögliches fächerverbindendes Projekt <strong>der</strong> Fächer Deutsch und Geogra-<br />
phie gestalten zu können. Da <strong>der</strong> „Schimmelreiter“ im Lesekanon des Kerncurriculum<br />
Deutsch für Gymnasien in Nie<strong>der</strong>sachsen für den Deutschunterricht <strong>der</strong> 7. o<strong>der</strong> 8. Jahrgangs-<br />
stufe empfohlen wird und sich in dieser Arbeit auf das fächerverbindende Arbeiten bezieht,<br />
sind die Unterrichtsvorhaben für den <strong>Geographie</strong>unterrichts ausschließlich auf diese Jahrgän-<br />
ge ausgelegt.<br />
4.1 Sachanalyse „<strong>Der</strong> Schimmelreiter“<br />
Als sehr facettenreiche Erzählung bietet das weltweit bekannte Spätwerk <strong>Theodor</strong> <strong>Storm</strong>s<br />
„<strong>Der</strong> Schimmelreiter“ vielfältige Möglichkeiten <strong>der</strong> Einbindung in den Deutschunterricht und<br />
wird somit seit Jahrzehnten als Lektüre im Deutschunterricht <strong>von</strong> den Lehrkräften gerne ein-<br />
gesetzt. Die Geschichte des „Schimmelreiters“ thematisiert vor allem den Kampf zwischen<br />
dem Individuum und <strong>der</strong> Gesellschaft und den Kampf <strong>der</strong> Menschen gegen die Gewalt <strong>der</strong><br />
Natur sowie Aberglaube versus technischem Fortschritt. Mehrere Interpretationsansätze, viele<br />
16
Vorausdeutungen und Motive <strong>der</strong> Erzählung können den Deutschunterricht vielfältig gestal-<br />
ten. Durch Charakterisierungen kann <strong>der</strong> Kontrast zwischen dem Aberglauben <strong>der</strong> Dorfbe-<br />
wohner und dem am technischen Fortschritt und an <strong>der</strong> Wissenschaft interessierten Hauke<br />
Haien und damit gleichzeitig eines <strong>der</strong> zentralen Themen <strong>der</strong> Novelle hervorgehoben werden<br />
(vgl. BLÖDORN 2005:8). Ebenso sollte im Deutschunterricht eine Analyse <strong>der</strong> komplexen<br />
Erzählstruktur und durch das Erkennen bestimmter literarischer Merkmale eine Einordnung<br />
des Textes in ein literarisches Genre erfolgen (vgl. BLÖDORN 2005:8).<br />
Im Folgenden werden eine kurze Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte sowie eine Inhalts-<br />
angabe für die notwendigen Kenntnisse sorgen, auf denen später die geographiedidaktische<br />
Analyse aufbauen wird. Durch die Ausführlichkeit <strong>der</strong> folgenden Punkte wird im letzten Teil<br />
dieser Arbeit das Verständnis über die Möglichkeiten einer Umsetzung <strong>der</strong> verschiedenen<br />
Themen <strong>der</strong> Erzählung im <strong>Geographie</strong>unterricht erleichtert.<br />
4.1.1 Entstehung und Rezeption<br />
<strong>Der</strong> im Jahr 1817 in Husum geborene Dichter <strong>Theodor</strong> <strong>Storm</strong> zeigte sein Leben lang ein star-<br />
kes Interesse für Sagen. Während seiner Studienzeit verfasste er eine Sammlung schleswig-<br />
holsteinischer Sagen, jedoch ohne die ursprünglich <strong>von</strong> <strong>der</strong> Weichsel stammende Sage des<br />
Schimmelreiters darin aufzunehmen. Schon in seiner Jugend habe <strong>Storm</strong> die „Sage <strong>von</strong> dem<br />
gespenstischen Schimmelreiter“ gehört, „<strong>der</strong> bei Sturmfluten nachts auf den Deichen gesehen<br />
wird und, wenn ein Unglück bevorsteht, mit seiner Mähre sich in den Bruch hinabstürzt“<br />
(PAULSEN 2006:101). Jedoch begann er erst wenige Jahre vor seinem Tod mit <strong>der</strong> Verarbei-<br />
tung dieser Sage in eine Erzählung. Inspiration zum erst vierzig Jahre später verfassten Werk<br />
„<strong>Der</strong> Schimmelreiter“ erhielt <strong>Storm</strong> hauptsächlich aus <strong>der</strong> Zeitung „Danziger Dampfboot“, in<br />
dem am 14. April 1838 die betreffende Sage mit dem Titel „<strong>Der</strong> gespenstige Reiter. Ein Rei-<br />
seabenteuer“ abgedruckt wurde (vgl. PAULSEN 2006:101). Dieses Ereignis greift <strong>Storm</strong> als<br />
Einstieg in den Schimmelreiter auf:<br />
„Was ich zu berichten beabsichtige, ist mir vor reichlich einem halben Jahrhun<strong>der</strong>t im<br />
Hause meiner Urgroßmutter, <strong>der</strong> alten Frau Senator Fed<strong>der</strong>sen, kundgeworden, während<br />
ich, an ihrem Lehnstuhl sitzend, mich mit dem Lesen eines in blaue Pappe eingebundenen<br />
Zeitschriftenheftes beschäftige; ich vermag mich nicht mehr zu entsinnen, ob <strong>von</strong><br />
den „Leipziger“ o<strong>der</strong> <strong>von</strong> „Pappes Hamburger Lesefrüchten“ (vgl. STORM 2006:5).<br />
Für das Verfassen des „Schimmelreiters“ recherchierte <strong>Storm</strong> sorgfältig, um eine möglichst<br />
realitätsnahe Gestaltung zu erwirken, was folgendes Zitat vom 20. Februar 1885 aus einem<br />
Brief an seine Tochter zeigt: „Jetzt spukt eine gewaltige Deichsage, <strong>von</strong> <strong>der</strong> ich als Knabe las,<br />
in mir; aber die Vorstudien sind sehr weitläufig“ (STORM 1916:232). Auf die Beschreibung<br />
des Deichbaus bereitete sich <strong>Storm</strong> mit Hilfe eines „Deich-sachverständigen“ Freundes vor,<br />
17
mit dem er sich regelmäßig über die technischen Details des Deichbaus austauschte (LAAGE<br />
1983:117). Weitere Anregungen holte sich <strong>Storm</strong> aus seiner nordfriesischen Heimat und Um-<br />
gebung. In <strong>der</strong> Forschung wird immer wie<strong>der</strong> daraufhin gedeutet, dass <strong>Storm</strong> sich möglicher-<br />
weise an historischen Persönlichkeiten bei <strong>der</strong> Gestaltung des Protagonisten Hauke Haiens<br />
orientierte (vgl. WEINREICH 1997:23). Auch legte <strong>Storm</strong> das Jahr, in dem in <strong>der</strong> Novelle<br />
das Unglück <strong>der</strong> Sturmflut über das Dorf kommt, genau in das Jahr 1756 (vgl. STORM<br />
2006:89), in dem die Nordseeküste am 7. Oktober tatsächlich <strong>von</strong> einer großen Sturmflut<br />
heimgesucht wurde (vgl. WEINREICH 1997:23).<br />
Direkt nach <strong>der</strong> Veröffentlichung des „Schimmelreiters“ fand die Novelle bei zeitgenössi-<br />
schen Kritikern großen Anklang und wurde teilweise überschwänglich als eine <strong>der</strong> besten<br />
Novellen <strong>Storm</strong>s gelobt (vgl. WEINREICH 1997:84). Um die Jahrhun<strong>der</strong>twende erlangte das<br />
Werk beson<strong>der</strong>s im „national-konservativen“ deutschen Bürgertum große Popularität, musste<br />
jedoch schließlich <strong>von</strong> Anfang des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges<br />
unter „politisch-ideologischen Missbrauch“ leiden (WEINREICH 1997:86ff). Nach 1945 ver-<br />
suchte man, die ideologischen Fesseln abzulegen und <strong>Storm</strong> und den Schimmelreiter wie<strong>der</strong><br />
unter an<strong>der</strong>en Gesichtspunkten zu betrachten, wobei eine Verbreitung des <strong>Storm</strong>-Werkes<br />
durch Übersetzung in mehrere Sprachen in <strong>der</strong> ganzen Welt für ein breites Publikum sorgte<br />
(vgl. WEINREICH 1997:94). Dazu trugen ebenfalls die Verfilmungen <strong>der</strong> Novelle aus den<br />
Jahren 1933, 1978 und 1984 bei (vgl. WEINREICH 1997:95ff).<br />
4.1.2 Inhaltsangabe<br />
Den Anfang <strong>der</strong> Novelle bildet ein äußerer Rahmen, in dem <strong>der</strong> erste Erzähler <strong>von</strong> einer Ge-<br />
schichte berichtet, die er einst als Kind in einer Zeitung las. Diese Geschichte, <strong>der</strong> innere<br />
Rahmen <strong>der</strong> Erzählung, beginnt mit einem zweiten Erzähler, <strong>der</strong> in den 1820er Jahren wäh-<br />
rend einer abendlichen Reise an <strong>der</strong> Nordseeküste einem gespenstischen Reiter begegnet. <strong>Der</strong><br />
Reisende kehrt daraufhin in ein Gasthaus ein, wo <strong>der</strong> ortsansässige Schulmeister, <strong>der</strong> dritte<br />
Erzähler, ihm die Geschichte des „Schimmelreiters“ erzählt. Hier beginnt mit <strong>der</strong> Binnener-<br />
zählung die eigentliche Handlung des „Schimmelreiters“. Im Verlauf <strong>der</strong> Erzählung wird die-<br />
se immer wie<strong>der</strong> durch das Geschehen kommentierende Einschnitte des dritten Erzählers, des<br />
Schulmeisters, unterbrochen.<br />
Die Erzählung des Schulmeisters beginnt Mitte des 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts und handelt vom Auf-<br />
stieg <strong>der</strong> Hauptperson Hauke Haien vom Sohn eines Kleinbauern zum Deichgrafen in einem<br />
nordfriesischen Dorf an <strong>der</strong> Nordseeküste. Schon als Kind interessiert sich Hauke stark für<br />
Mathematik und Geometrie. Sein Vater, <strong>der</strong> kein Verständnis für dieses Interesse hat, setzt<br />
den Jungen für Deicharbeiten ein, dies inspiriert Hauke aber nur dazu, neue und bessere<br />
18
Deichmodelle zu berechnen. Er entwirft einen zur Seeseite flach auslaufenden Deich, eine<br />
neuartige Technik, um das Land besser vor gefährlichen Sturmfluten schützen zu können. Als<br />
Kennzeichen des Endes seiner Jugend tötet Hauke in einem Wutausbruch den Angorakater<br />
einer älteren Dorfbewohnerin, woraufhin Haukes Vater entscheidet, seinen Sohn beim Deich-<br />
grafen Tede Volkerts als Kleinknecht in die Ausbildung zu geben. Bald unterstützt er den<br />
müßigen Deichgrafen auch bei den Berechnungen und Planungen seiner Geschäfte, was ihn<br />
bei den an<strong>der</strong>en Knechten, beson<strong>der</strong>s bei Großknecht Ole Peters unbeliebt macht, ihm aber<br />
ebenso die Aufmerksamkeit <strong>von</strong> Elke Volkerts, <strong>der</strong> Tochter des Deichgrafen, sichert. Nach<br />
drei Jahren Anstellung stirbt Hauke Haiens Vater und Hauke übernimmt die geerbte Hofstel-<br />
le. Hauke hegt weiterhin den Ergeiz, selbst einmal Deichgraf zu werden, dies ist ihm aber<br />
aufgrund seines geringen Grundbesitzes unmöglich. Bei einer Hochzeitsfeier macht Hauke<br />
Elke Volkerts einen heimlichen Heiratsantrag, in den Elke erst nach dem kurz darauffolgen-<br />
den Tod ihres Vaters einwilligt. Hauke kommt durch die Heirat zu dem für seinen Traum be-<br />
nötigten großen Landbesitz und wird zum Deichgrafen ernannt. In den folgenden sieben Jah-<br />
ren ist Hauke in die Bewirtschaftung des Hofes und in die Deichgeschäfte eingespannt. Dabei<br />
macht er sich durch zahlreich benötigte Reparaturen am Deich, die für die Dorfbewohner mit<br />
hohen Kosten und viel Arbeitsaufwand verbunden sind, im Dorf unbeliebt. Zeitgleich plant<br />
Hauke den Bau eines technisch neuen, besseren Deichs nach seiner Idee mit dem zur Seeseite<br />
abflachenden Verlauf, durch den auch zusätzliches neues Land, ein neuer Koog, aus dem<br />
Meer entstehen würde. Wie an dieser Stelle <strong>der</strong> Erzählung durchziehen immer wie<strong>der</strong> Ab-<br />
schnitte des Aberglaubens die Erzählung. So meinen Knechte des Deichgrafen, im Mond-<br />
schein auf einer nahe liegenden Hallig einen Schimmel weiden zu sehen. Als sie in <strong>der</strong> nächs-<br />
ten Nacht <strong>der</strong> Erscheinung nachgehen, fährt ein Knecht auf die Hallig, wo er nur ein Pferde-<br />
gerippe sieht, <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Knecht beobachtet das Geschehen <strong>von</strong> <strong>der</strong> Küste aus und sieht, wie<br />
die Pferdeerscheinung scheinbar auf die Ankunft des an<strong>der</strong>en Knechtes auf <strong>der</strong> Hallig rea-<br />
giert. Kurze Zeit später kauft Hauke bei einem Ausflug in die Stadt einen mageren Schimmel.<br />
Die Knechte stellen daraufhin fest, dass das Pferdegerippe auf <strong>der</strong> Hallig verschwunden ist. In<br />
Zukunft besichtigt Hauke den Bau des Deiches auf seinem neuen Schimmel und wird fortan<br />
<strong>von</strong> den Dorfbewohnern als „Schimmelreiter“ benannt. Hauke Haiens Pläne zum neuen Deich<br />
sind in <strong>der</strong> Zwischenzeit genehmigt worden und <strong>der</strong> Bau des neuen Deiches wird zu seinem<br />
Lebensziel. Immer wie<strong>der</strong> hat Hauke dabei gegen den Wi<strong>der</strong>willen <strong>der</strong> Dorfbewohner zu<br />
kämpfen, die <strong>der</strong> neuartigen Konstruktion des Deiches und den damit verbundenen Kosten<br />
und Mühen kritisch gegenüber stehen. Nach neun Ehejahren bringt Elke, bisher kin<strong>der</strong>los,<br />
endlich eine Tochter zur Welt. Bei <strong>der</strong> Geburt erkrankt Elke lebensgefährlich und scheint im<br />
Fieberwahn den Tod <strong>von</strong> Hauke Haien im Meer vorauszusehen. Hauke betet an Elkes Kran-<br />
19
kenbett, bezweifelt aber gleichzeitig Gottes Allmächtigkeit, was durch Hofmägde in das Dorf<br />
weitergegeben wird. Dadurch und durch seinen für die Dorfbewohner übertriebenen Ergeiz,<br />
den Deich betreffend, wird zunehmen eine Kluft zwischen ihm und den restlichen Einwoh-<br />
nern getrieben. Elke kann das Krankenbett bald gesund verlassen, muss aber feststellen, dass<br />
ihre Tochter Wienke geistig zurückgeblieben zu sein scheint. Die Arbeit am neuen Deich ist<br />
fast beendet, als letztes muss <strong>der</strong> Priel zwischen dem alten und dem neuen Deich geschlossen<br />
werden. Nach einem altertümlichen Brauch planen die Arbeiter, etwas Lebendiges mit in die<br />
Erde einzugraben, denn nur so, meinen sie, würde <strong>der</strong> Deich auch halten. Hauke kann in letz-<br />
ter Minute den dafür vorgesehen Hund retten und erntet dadurch nur noch mehr Missachtung<br />
und Kritik <strong>von</strong> den Dorfbewohnern, die glauben, nun laste ein Fluch über dem Deich. Nach<br />
Abschluss <strong>der</strong> Bauarbeiten erntet Hauke Lob und Anerkennung <strong>von</strong> seinen Vorgesetzten.<br />
Stolz hört er, wie Arbeiter das hinzugewonnene Land den „Hauke-Haien-Koog“ nennen. Im<br />
Frühjahr erkennt Hauke, dass an <strong>der</strong> Übergangsstelle vom alten zum neuen Deich Schäden<br />
entstanden sind. Aufgrund <strong>von</strong> Befürchtungen <strong>von</strong> erneut aufkommenden Konfrontationen<br />
mit den Dorfbewohnern sieht Hauke <strong>von</strong> aufwendigen, aber notwendigen Reparaturarbeiten<br />
ab. Im Oktober bricht eine schwere Sturmflut herein und Hauke bemerkt, wie die Dorfbe-<br />
wohner dabei sind, den neuen Deich zu durchbrechen, um den neuen Koog zu überfluten und<br />
somit den alten Deich zu entlasten. Trotz Haukes Befehl, dies zu unterlassen, aus Angst, sein<br />
Lebenswerk würde zerstört, fahren die Dorfbewohner in ihren Bemühungen fort. Hauke er-<br />
kennt, dass er die Schnittstelle zwischen dem alten und dem neuen Deich doch besser hätte<br />
reparieren lassen sollen, da an genau dieser Stelle <strong>der</strong> alte Deich den Fluten schließlich nicht<br />
mehr standhalten kann und bricht. Die Wassermassen strömen so in den alten Koog und damit<br />
in Richtung des Dorfes. Hauke muss mit Entsetzen mit ansehen, wie Elke und Wienke ihm in<br />
einer Kutsche entgegenfahren wollen und dabei in den Fluten ertrinken. Er stürzt sich darauf-<br />
hin mit seinem Schimmel selbst in die Nordsee.<br />
<strong>Der</strong> dritte Erzähler, <strong>der</strong> Schulmeister, beendet damit seine Erzählung und deutet darauf hin,<br />
dass <strong>der</strong> Deich Hauke Haiens noch heute, hun<strong>der</strong>t Jahre später, stehe, Hauke Haien und sein<br />
Schimmel jedoch nach <strong>der</strong>en Tod als Gespenster angesehen werden. Im Sonnenschein am<br />
nächsten Morgen bricht <strong>der</strong> zweite Erzähler wie<strong>der</strong> Richtung Stadt auf (vgl. STORM 2006).<br />
4.2 Didaktische Reflexionen zur Novelle „<strong>Der</strong> Schimmelreiter“ im <strong>Geographie</strong>unterricht<br />
Im folgenden Teil <strong>der</strong> Arbeit werden Ideen zur thematischen Einbindung des „Schimmelrei-<br />
ter“ im <strong>Geographie</strong>unterricht unter Berücksichtigung <strong>der</strong> während des gleichen Zeitraumes im<br />
Deutschunterricht stattfindenden Thematisierung <strong>der</strong> Novelle dargestellt. Jedes Thema baut<br />
auf einer kurzen Sachanalyse auf, desgleichen wird, sofern möglich, durch Zitate und Text-<br />
20
verweise eine direkte Herleitung des Themas aus dem „Schimmelreiter“ dargestellt, um eine<br />
für die Schülerinnen und Schüler nachvollziehbare und für den fächerverbindenden Unterricht<br />
notwendige Verbindung <strong>der</strong> Novelle mit dem <strong>Geographie</strong>unterricht zu schaffen. Als sehr vor-<br />
teilhaft für den <strong>Geographie</strong>unterricht kann sich dabei die starke Orientierung <strong>Storm</strong>s an <strong>der</strong><br />
Realität, was technische Details des Deichbaus, ausführliche Beschreibung <strong>der</strong> Schauplätze<br />
und historische Gegebenheiten angeht, erweisen, da immer ein Bezug zu Tatsachen und somit<br />
zum Erwerb <strong>von</strong> geographischen Fachwissen hergestellt werden kann. Anschließend wird die<br />
Möglichkeit <strong>der</strong> Umsetzung des Themas im <strong>Geographie</strong>unterricht methodisch-didaktisch be-<br />
legt. Dadurch finden sich innerhalb <strong>der</strong> einzelnen Themen einige Verweise auf Karten und<br />
Materialien, die sich im Anhang befinden und Anregungen zur ausführlicheren Gestaltung<br />
eines solchen Unterrichtsprojektes geben sollen. Ebenfalls kann die Darstellung beispielhafter<br />
Materialien bei einer ausführlicheren Umsetzung <strong>der</strong> Ideen in die schulische Praxis dazu bei-<br />
tragen, weitere geeignete Quellen und Verweise leichter zu entdecken und für den Unterricht<br />
nutzen zu können. Alle Vorschläge <strong>der</strong> thematischen Einglie<strong>der</strong>ung des „Schimmelreiters“ in<br />
den <strong>Geographie</strong>unterricht werden zuletzt anhand zu erwarten<strong>der</strong> inhalts- und prozessbezoge-<br />
ner Kompetenzen, hauptsächlich jedoch am Kompetenzbereich „Fachwissen“ am Kerncurri-<br />
culum Erdkunde für das Gymnasium des Landes Nie<strong>der</strong>sachsen für die 7. und 8. Klasse ge-<br />
rechtfertigt. Die thematischen Schwerpunkte <strong>der</strong> geographischen Lehrpläne für die 7. und 8.<br />
Klasse, welche bei <strong>der</strong> Aufstellung <strong>der</strong> Themen berücksichtigt wurden, fokussieren haupt-<br />
sächlich die „Wirkung des menschlichen Handelns auf den Raum“ und die „Auseinan<strong>der</strong>set-<br />
zung des wirtschaftenden Menschen mit den naturräumlichen Gegebenheiten“ sowie erste<br />
Erkenntnisse über die „<strong>von</strong> Menschen geschaffenen Kulturlandschaften“ und dessen „ökolo-<br />
gischen Auswirkungen“ (HOFFMANN 2006:98).<br />
Neben den Vorgaben des Kerncurriculums findet ebenfalls eine Orientierung an den „Bil-<br />
dungsstandards im Fach <strong>Geographie</strong>“ <strong>von</strong> <strong>der</strong> Deutschen Gesellschaft für <strong>Geographie</strong> (2008)<br />
statt. Es gilt hierbei herauszuarbeiten, ob eine sinnvolle Verbindung zwischen den beiden Fä-<br />
chern über den „Schimmelreiter“ aufbauend auf Kerncurriculum und Bildungsstandards her-<br />
gestellt werden kann. Zunächst kann festgestellt werden, dass die Handlung des „Schimmel-<br />
reiters“ hauptsächlich den Kampf <strong>der</strong> Dorfbewohner und ihrer Lebensweise gegen die ständi-<br />
ge Bedrohung durch die Natur, das Meer, sowie zwischen <strong>der</strong> Einzelperson Hauke Haien, <strong>der</strong><br />
seine Idee eines besseren Deiches durchsetzen möchte und den restlichen Dorfbewohnern,<br />
beschreibt. Erste Verbindungsmöglichkeiten können demnach schon an dieser Stelle ausge-<br />
macht werden, denn <strong>der</strong> „spezielle Beitrag des Faches <strong>Geographie</strong> zur Welterschließung liegt<br />
in <strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzung mit den Wechselbeziehungen zwischen Natur und Gesellschaft in<br />
Räumen verschiedener Größe“ (DGfG 2008:5). Wie bereits unter Punkt 2.2 dargestellt, leistet<br />
21
das Fach <strong>Geographie</strong> laut den Bildungsstandards unerlässliche Beiträge zu „fachübergreifen-<br />
den und fächerverbindenden Bildungsaufgaben“, welche auch in diesem Unterrichtsprojekt<br />
Beachtung finden sollen (DGfG 2008:7). Weiterhin betreffen die Leitziele des <strong>Geographie</strong>un-<br />
terrichts die „Einsicht in die Zusammenhänge zwischen natürlichen Gegebenheiten und ge-<br />
sellschaftlichen Aktivitäten in verschiedenen Räumen <strong>der</strong> Erde und eine darauf aufbauende<br />
raumbezogene Handlungskompetenz“ (DGfG 2008:5). Ebenso sollen die Schülerinnen und<br />
Schüler durch Analyse verschiedener Räume auf <strong>der</strong> Erde und daraus resultierenden regional-<br />
geographischen Kenntnissen ein „im Spannungsfeld zwischen lokal und global ein reflektier-<br />
tes Heimatbewusstsein“ zu entwickeln. Auch hierfür kann das fächerverbindende Projekt über<br />
den „Schimmelreiter“ Kompetenzen vermitteln, denn Schauplatz <strong>der</strong> Novelle ist Nord-<br />
deutschland und demnach Heimatraum <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler.<br />
4.2.1 Geographische Einordnung und Erkundung <strong>der</strong> Schauplätze<br />
Als Einstieg in die Thematisierung des „Schimmelreiters“ im <strong>Geographie</strong>unterricht bietet sich<br />
die Arbeit mit dem Atlas zur Erkundung <strong>der</strong> Schauplätze <strong>der</strong> Erzählung an. Zwar werden in<br />
<strong>der</strong> Novelle an keiner Stelle reale Städte- o<strong>der</strong> Ortsnahmen erwähnt, dennoch ist klar, dass<br />
<strong>Storm</strong> sich für die Erzählung <strong>von</strong> seiner nordfriesischen Heimat inspirieren ließ. So for<strong>der</strong>te<br />
<strong>Storm</strong> in einem Brief an die Frau des Deichbauinspektors Christian Eckermann in Heide am<br />
10. Februar 1885 eine Landkarte, um sich einen Überblick vom Schauplatz des „Schimmelrei-<br />
ters“ zu verschaffen:<br />
„Zu einer neuen Arbeit, die sich in meinem Kopfe festsetzen will, möchte ich gern eine<br />
kleine, nur ganz flüchtige Skizze <strong>der</strong> Landtheile <strong>von</strong> Nordstrand, Husum, Simonsberg<br />
haben, wie es eben vor <strong>der</strong> großen Fluth <strong>von</strong> ann. 1634 war“ (LAAGE 1987:115).<br />
Auch innerhalb <strong>der</strong> Erzählung erscheinen einige Hinweise auf reale Landschafts- und Ortsan-<br />
gaben. <strong>Der</strong> zweite Erzähler reitet auf einem „nordfriesischen Deich“, <strong>von</strong> dem man „auf Hal-<br />
ligen und Inseln“ sehen könne, links <strong>von</strong> ihm befindet sich die Marsch und auf <strong>der</strong> rechten<br />
Seite „das Wattenmeer <strong>der</strong> Nordsee“ (STORM 2006:5). <strong>Der</strong> Reiter ist auf dem Weg in eine<br />
Stadt, die „ein paar Stunden weit nach Süden“ vor ihm liegt (STORM 2006:6). Auch an ande-<br />
ren Textstellen wird öfter eine Stadt erwähnt, in die Hauke Haien zum Pferdemarkt reitet und<br />
aus <strong>der</strong> <strong>der</strong> behandelnde Arzt kommt (vgl. STORM 2006:57/68). Es ist da<strong>von</strong> auszugehen,<br />
dass damit die heutige Kreisstadt <strong>von</strong> Nordfriesland und Heimatstadt <strong>Storm</strong>s, Husum, ge-<br />
meint ist. Die Goldschmiede An<strong>der</strong>sen sowie die Straße „Damm“ werden erwähnt, die es<br />
wirklich in Husum gegeben hat (vgl. STORM 2006:35/58; WEINREICH 1997:25). Ebenfalls<br />
diente die reale Jacobshallig als Vorlage für die „Jevershallig“ in <strong>der</strong> Novelle: „Von <strong>der</strong> Hof-<br />
stelle des Deichgrafen, etwa fünf- bis sechshun<strong>der</strong>t Schritte weitere nordwärts, sah man <strong>der</strong>-<br />
zeit, wenn man auf dem Deiche stand, ein paar tausend Schritte ins Wattenmeer hinaus und<br />
22
etwas weiter <strong>von</strong> dem gegenüberliegenden Marschufer entfernt eine kleine Hallig, die sie „Je-<br />
verssand“ auch „Jevershallig“ nannten“ (STORM 2006:53; WEINREICH 1997:28). <strong>Der</strong> neu<br />
eingedeichte Koog aus <strong>der</strong> Erzählung entspricht dem heutigen „Hattstedter Neue Koog“ (vgl.<br />
LAAGE 1987:139ff). Auch für an<strong>der</strong>e Schauplätze <strong>der</strong> Novelle können Ähnlichkeiten zu Re-<br />
alität entdeckt werden.<br />
Für die 7. o<strong>der</strong> 8. Jahrgangstufe erscheint die Herausfor<strong>der</strong>ung zu anspruchsvoll, selbstständig<br />
die realen Schauplätze <strong>der</strong> Novelle zu erarbeiten und herauszufinden, wo genau die Novelle<br />
spielt. Nach Vorgabe bestimmter, prägnanter Textstellen und auch Skizzen (siehe Abbildun-<br />
gen 2 und 3), sollten die Schülerinnen und Schüler jedoch in <strong>der</strong> Lage sein, die betreffenden<br />
Karten im Atlas herauszusuchen, die Gegend zu identifizieren und eine geographische Einor-<br />
dung Nordfrieslands und Husums vorzunehmen. Dazu bieten sich einerseits die Karte<br />
„Deutschland nördlicher Teil – physisch“ sowie die Seite „Küstenlandschaften“ des Diercke<br />
Weltatlas an (vgl. DIERCKE WELTATLAS 2008:20/28). Es ist zu erwarten, dass die Entde-<br />
ckung des Hauke-Haien-Kooges einige Verwirrung bei den Schülerinnen und Schülern stiften<br />
wird. An dieser Stelle ist daraufhin zu weisen, dass <strong>der</strong> 1200 ha großes Neuland zwischen<br />
Bredstedt und Leck erst in den Jahren 1958/59 eingedeicht wurde und zu Ehren des „Schim-<br />
melreiters“ und in Gedenken an <strong>Theodor</strong> <strong>Storm</strong> „Hauke-Haien-Koog“ getauft wurde und<br />
nicht dem neuen Koog in <strong>der</strong> Novelle entspricht (vgl. VEREIN JORDSAND o.J.). Um deut-<br />
lich zu machen, in welchem Maße <strong>Storm</strong> sich für seine Arbeit an die realen Vorgaben seiner<br />
nordfriesischen Heimat hielt, bietet sich ein Vergleich <strong>der</strong> beiden Karten aus Abbildung 2 und<br />
3 an (siehe Anhang). Abbildung 2 zeigt eine Skizze, die genauestens nach den Beschreibun-<br />
gen in <strong>der</strong> Erzählung „<strong>Der</strong> Schimmelreiter“ angefertigt wurde, Abbildung 3 zeigt eine origina-<br />
le Karte des „Nie Koogs” (Neuen Koogs) vor <strong>der</strong> Hattstedter Marsch im Jahr 1652. Obwohl<br />
die Erzählung ungefähr ein Jahrhun<strong>der</strong>t später spielt, sind große Ähnlichkeiten unübersehbar.<br />
Sicherlich hat auch fast je<strong>der</strong> <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler schon einmal einen Urlaub an <strong>der</strong><br />
Nordsee verbracht, so dass persönliche Urlaubserfahrungen gut in den Unterricht mit einbe-<br />
zogen werden können. Die Schülerinnen und Schülern können nicht nur bei dieser Thematik,<br />
son<strong>der</strong>n auch im folgenden Verlauf des Projektes immer wie<strong>der</strong> ihre persönlichen Beobach-<br />
tungen an <strong>der</strong> Nordseeküste zum Ausdruck bringen. Die Schülerinnen und Schüler werden<br />
dabei feststellen, dass ihre eigenen Erfahrungen an <strong>der</strong> Nordseeküste <strong>der</strong> Stimmung im<br />
„Schimmelreiter“ wi<strong>der</strong>sprechen und reflektieren dabei ihre eigenen Raumwahrnehmungen.<br />
Das Meer wird im „Schimmelreiter“ als bedrohlich und als ständige Gefahr für die an <strong>der</strong><br />
Küste lebenden Menschen wahrgenommen, die sich somit im Kampf gegen die Natur befin-<br />
den und ihr Leben danach ausrichten, an <strong>der</strong> Küste überleben zu können, während die Schüle-<br />
23
innen und Schüler mit <strong>der</strong> Nordsee sicherlich nur Angenehmes aus dem Familienurlaub, wie<br />
das Baden im Meer o<strong>der</strong> den Strand verbinden.<br />
<strong>Der</strong> weitere Verlauf <strong>der</strong> Einführung in das Thema kann mit <strong>der</strong> Methode <strong>der</strong> Raumanalyse<br />
<strong>von</strong> Husum und Umgebung gestaltet werden. „Im <strong>Geographie</strong>unterricht zielt die Raumanaly-<br />
se darauf ab, dass Schülerinnen und Schüler inhaltsbezogen erforschen, erkunden, erkennen,<br />
aufzeigen, untersuchen, analysieren, (er)klären und beschreiben“ (KLEIN 2011:24). Neue<br />
Erkenntnisse „leiten über zur Aneignung eines geographischen Basiswissens“, wie zum Bei-<br />
spiel Topographie, Größe und Lage <strong>der</strong> Städte, Infrastruktur und Entfernungen (KLEIN<br />
2011:31). Weitere Untersuchungen topographischer, physischer und thematischer Karten<br />
können das Klima, das Relief und die Wirtschaft <strong>von</strong> Nordfriesland betreffen.<br />
Dieses Thema bezieht sich auf einige im Kerncurriculum für die 7. und 8. Klasse gefor<strong>der</strong>ten<br />
Kompetenzen. So gehört laut Kerncurriculum für das Fach Erdkunde an Gymnasien des Lan-<br />
des Nie<strong>der</strong>sachsen zum Kompetenzbereich „Räumliche Orientierung“ die „Fähigkeit, sich in<br />
Räumen zu orientieren; dazu gehören als spezifisch geographische Kompetenzen einer mobi-<br />
len Gesellschaft v.a. Kartenkompetenz, topographisches Orientierungswissen, Orientierung in<br />
Realräumen und die Reflexion <strong>von</strong> Raumwahrnehmungen“ (NIEDERSÄCHSISCHES KU-<br />
LUTSMINISTERIUM 2008:14).<br />
Lernziele eines solchen Einstiegs in die Thematik des „Schimmelreiters“ könnten wie folgt<br />
ausformuliert werden:<br />
Die Schülerinnen und Schüler<br />
- erfahren, in welcher Region die Geschichte des „Schimmelreiters“ spielt.<br />
- analysieren und vergleichen, inwieweit sich <strong>Storm</strong> bei <strong>der</strong> Gestaltung <strong>der</strong> Schauplätze<br />
im „Schimmelreiter“ an realen Gegebenheiten orientierte.<br />
- vergleichen die Beschreibungen im „Schimmelreiter“ mit ihren eigenen Eindrücken<br />
<strong>von</strong> <strong>der</strong> Nordseeküste.<br />
- finden durch Atlasarbeit heraus, wodurch Husum und Umgebung heute gekennzeich-<br />
net sind.<br />
4.2.2 Historische Landverluste an <strong>der</strong> Nordseeküste<br />
In <strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong> Nordseeküste unterlag die Küstenlinie ständigen Verän<strong>der</strong>ungen, so<br />
kam es häufiger zu schweren Sturmfluten, <strong>der</strong>en Vorkommnisse bis heute überliefert werden<br />
konnten und <strong>der</strong>en Auswirkungen auf den Küstenverlauf sich jeweils durch erhebliche Land-<br />
verluste auszeichneten. Auch im „Schimmelreiter“ wird <strong>der</strong> Verlust <strong>von</strong> Landfläche durch<br />
Hochwasser beschrieben:<br />
24
„Im Winter hatte es ein paar Mal Hochwasser gegeben; aber es war nicht <strong>von</strong> Belang<br />
gewesen; nur drüben am an<strong>der</strong>en Ufer war auf einer Hallig eine Herde Schafe ertrunken<br />
und ein Stück vom Vorland abgerissen worden; hier an dieser Seite und am neuen Kooge<br />
war ein nennenswerter Schaden nicht geschehen“ (STORM 2006:84).<br />
Bei einer Sturmflut gewinnen die Wellen aufgrund <strong>der</strong> Stauwirkung zur Küste und in die<br />
Flüsse hin an Höhe, so dass es bei einigen starken Sturmfluten zum Verlust großer Landmas-<br />
sen kam (vgl. STRECKER 2006). Bei <strong>der</strong> ersten historisch nachgewiesenen großen<br />
„Mandränke“ im Jahr 1362, bei <strong>der</strong> tausende Menschen in den Fluten starben, ging die Land-<br />
fläche zwischen Südfall und nördlich <strong>von</strong> Nor<strong>der</strong>hever vollständig unter (vgl. NEWIG<br />
2010:7). In einer weiteren Sturmflut im Jahre 1634 wurde die Marschinsel Strand vor Husum<br />
zerstört und nur die heutigen Inseln Pellworm und Nordstrand zurückgelassen. An<strong>der</strong>swo, wie<br />
in Niebüll, ungefähr 30 km nördlich <strong>von</strong> Husum gelegen, wurde Material abgelagert und die<br />
Küstenlinie nach Osten verschoben (siehe Abbildung 4). An <strong>der</strong> nördlichen und südlichen<br />
Spitze <strong>von</strong> Sylt kam es zur Strandwall- und Hakenbildung (vgl. DIERCKE HANDBUCH<br />
2008:24).<br />
In noch stärkerem Maße wird <strong>der</strong> Verlauf <strong>der</strong> Küstenlinie jedoch <strong>von</strong> <strong>der</strong> Höhe des Meeres-<br />
spiegels beeinflusst, <strong>der</strong> in den letzten Jahrtausenden starken Schwankungen unterlag (vgl.<br />
NEUMANN-MAYER 1996:5). So lag <strong>der</strong> Meeresspiegel während <strong>der</strong> letzten Kaltzeit welt-<br />
weit 110 bis 130 m tiefer als heute, da große Wassermengen in Eis und Gletschern gebunden<br />
waren (vgl. NEUMANN-MAYER 1996:5). Dass die Küstenlinie in <strong>der</strong> Steinzeit um einiges<br />
weiter in westlicher Richtung, über die Grenzen <strong>der</strong> Doggerbank (Verlauf <strong>der</strong> Doggerbank<br />
siehe Abbildung 5) verlief, beweisen Funde <strong>von</strong> Torfbrocken und steinzeitlichen Geräten, die<br />
auf ehemalige menschliche Siedlungen hinweisen. Ebenfalls zeigen Bohrkerne Reste <strong>von</strong><br />
Süßwasserpflanzen (vgl. NEUMANN-MAYER 1996:5). Nach <strong>der</strong> nachkalteiszeitliche Er-<br />
wärmung hob sich <strong>der</strong> Meeresspiegel in <strong>der</strong> südlichen Nordsee durch das Abschmelzen gro-<br />
ßer Eismassen vermutlich um durchschnittlich 11 cm pro Jahrhun<strong>der</strong>t <strong>von</strong> 1000 v. Chr. bis<br />
1985 n. Chr. (vgl. NEUMANN-MAYER 1996:5). Im letzten Jahrhun<strong>der</strong>t v. Chr. fand durch<br />
zeitweises Sinken des Meeresspiegels wie<strong>der</strong> eine Besiedlung <strong>der</strong> deutschen Marschen in den<br />
Küstenräumen statt. Als im ersten Jahrhun<strong>der</strong>t n. Chr. wie<strong>der</strong> eine Transgression an <strong>der</strong> deut-<br />
schen Nordseeküste stattfand, wurden diese menschlichen Siedlungen durch Erhöhungen ein-<br />
zelner Siedlungsplätze, sogenannte Wurten o<strong>der</strong> Warften, vor den ansteigenden Sturmfluten<br />
geschützt (vgl. NEUMANN-MAYER 1996:6).<br />
Anhand <strong>der</strong> Karte „Landverluste an <strong>der</strong> Nordseeküste in den letzten 10.000 Jahren“ (siehe<br />
Abbildung 5) können historischen Landverluste nicht nur an <strong>der</strong> deutschen son<strong>der</strong>n auch an<br />
<strong>der</strong> dänischen, britischen und nie<strong>der</strong>ländischen Küste <strong>von</strong> Schülerinnen und Schülern nach-<br />
25
vollzogen werden. Die Karte thematisiert dabei vor allem die Landverluste, die aufgrund des<br />
Meeresspiegelanstiegs <strong>der</strong> Nordsee zu verzeichnen sind. Aus aktuellem Anlass kann mit den<br />
Schülerinnen und Schüler herausgearbeitet werden, inwiefern sich <strong>der</strong> heutige Meeresspiegel-<br />
anstieg im Verlauf <strong>der</strong> Jahrzehnte auf die Nordseeküste auswirken könnte.<br />
Anhand <strong>von</strong> Abbildung 4 (siehe Anhang) aus dem HAACK WELTATLAS 2008:25 kann die<br />
Küstenverän<strong>der</strong>ung Nordfrieslands durch Sturmfluten seit 900 n. Chr. nachvollzogen werden.<br />
In dieser Abbildung sind drei Karten dargestellt, die den Küstenverlauf Nordfrieslands in den<br />
Jahren um 900 n. Chr., um 1600 und in heutiger Zeit zeigen. So wird ein einfacher Vergleich<br />
zwischen den unterschiedlichen Küstenverläufen möglich gemacht. Für Schülerinnen und<br />
Schüler wird so gut ersichtlich, welche Ausmaße die Nordsee noch um 900 einnahm und wie<br />
verheerend sich Sturmfluten auf das Land an <strong>der</strong> Küste auswirken können. Es gilt an dieser<br />
Stellte eine Brücke zu schlagen zwischen den physischen Aspekten des Landverlustes und<br />
den damit einhergehenden Auswirkungen für die auf den betroffenen Regionen siedelnden<br />
Menschen, was in diesem Fall durch eine Hinzuziehen <strong>der</strong> Situation <strong>der</strong> Dorfbewohner im<br />
„Schimmelreiter“ erfolgen kann. Spannend für Schülerinnen und Schüler könnte sich vor al-<br />
lem die Erforschung <strong>von</strong> Überresten durch Sturmfluten untergegangener menschlicher Sied-<br />
lungen im Wattenmeer erweisen. Als Beispiel wäre <strong>der</strong> sagenumwobene Ort Rungholt zu<br />
nennen, <strong>der</strong> während einer Sturmflut im Jahr 1362 komplett unterging und <strong>von</strong> dem im Watt<br />
noch Reste <strong>von</strong> Deichen, Hofwarften, Wegen, Brunnen o<strong>der</strong> Teile <strong>von</strong> Gegenständen wie<br />
Krüge zu finden sind (vgl. MEIER 2010:110). Sollte eine Klassenfahrt an die Nordseeküste<br />
stattfinden, würde sich somit eine Wattwan<strong>der</strong>ungen unter kulturhistorischen Aspekten anbie-<br />
ten, in denen die Schülerinnen und Schüler mit Hilfe eines erfahrenen Wattführers spannende<br />
Zeugnisse vergangener Zeiten im Watt entdecken können (vgl. NEWIG 2010:7).<br />
Die Einglie<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ungen des Küstenverlaufes kann unter folgenden Vorgaben<br />
des nie<strong>der</strong>sächsischen Kerncurriculums unter dem Kompetenzbereich „Fachwissen“ stattfin-<br />
den: „Die Schülerinnen und Schüler erklären Naturlandschaften im Zusammenhang erdge-<br />
schichtlicher Vorgänge […]“ und „Die Schülerinnen und Schüler charakterisieren Land-<br />
schaftselemente des norddeutschen Tieflandes als Ergebnisse eiszeitlicher Prozesse“ (in die-<br />
sem Fall <strong>der</strong> Anstieg des Meeresspiegels durch das Abschmelzen <strong>der</strong> Gletscher) (NIEDER-<br />
SÄCHSISCHES KULTUSMINISTERIUM 2008:12).<br />
Mögliche Lernziele könnten unter diesem Unterrichtsthema wie folgt formuliert werden:<br />
Die Schülerinnen und Schüler<br />
- kennen die Ursachen <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> nordfriesischen Küstenlinie <strong>von</strong> 10.000 v.<br />
Chr. bis heute und können diese anhand <strong>von</strong> Karten beschreiben.<br />
26
- kennen die Ursachen und Folgen <strong>der</strong> Meeresspiegelschwankungen für die Nordsee-<br />
küste.<br />
- nennen Folgen <strong>der</strong> Landverluste für die Bevölkerung <strong>der</strong> Nordseeküste.<br />
4.2.3 Entwicklung des Küstenschutzes und des Deichbaus<br />
Eine Darstellung <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung des Deichbaus ist, wie folgend gezeigt wird, ausführlich<br />
dem „Schimmelreiter“ zu entnehmen und bietet sich demnach als Thema für den <strong>Geographie</strong>-<br />
unterricht an. Zwar ist das Marschdorf in <strong>der</strong> Novelle „<strong>Der</strong> Schimmelreiter“ bereits durch<br />
einen Deich geschützt, jedoch merkt <strong>der</strong> spätere Deichgraf Hauke Haien bereits in früher Ju-<br />
gend, dass dieser bei einer großen Sturmflut massiv zerstört werden und damit die Dorfbe-<br />
wohner in Gefahr bringen könnte. So stellt er fest, dass die Deiche „nichts wert“ seien und<br />
nichts „taugen“ würden:<br />
„Die Wasserseite ist zu steil […] wenn es einmal kommt, wie es mehr als einmal schon<br />
gekommen ist, so können wir hier auch hinterm Deich ersaufen!“ (STORM 2006:11).<br />
Sein Entschluss steht fest: „Die Deiche müssen an<strong>der</strong>s werden“ (STORM 2006:11). Durch<br />
Beobachten, Berechnen und Modellieren findet er heraus, welche Än<strong>der</strong>ungen es an <strong>der</strong> Bau-<br />
technik des Deiches vorzunehmen gilt, um diesen resistenter gegen Sturmfluten zu machen,<br />
denn die nach alter Technik gebauten Deiche sind zu steil und daher beson<strong>der</strong>es anfällig für<br />
die mit Wucht auf sie treffenden Wellen:<br />
„Und wenn im Herbst die Fluten höher stiegen und manch ein Mal die Arbeit eingestellt<br />
werden musste, dann ging er nicht mit den an<strong>der</strong>en nach Haus, son<strong>der</strong>n blieb, die Hände<br />
über die Knie gefaltet, an <strong>der</strong> abfallenden Seeseite des Deiches sitzen und sah stundenlang<br />
zu, wie die trüben Nordseewellen immer höher an die Grasnarbe des Deiches hinaufschlugen;<br />
erst wenn ihm die Füße überspült waren und <strong>der</strong> Schaum ihm ins Gesicht<br />
spritzte, rückte er ein paar Füße höher und blieb dann wie<strong>der</strong> sitzen. Er hörte we<strong>der</strong> das<br />
Klatschen des Wassers noch das Geschrei <strong>der</strong> Möwen und Strandvögel, die um o<strong>der</strong><br />
über ihm flogen und ihn fast mit ihren Flügeln streiften, mit den schwarzen Augen in<br />
die seinen blitzend; er sah auch nicht, wie vor ihm über die weite, wilde Wasserwüste<br />
sich Nacht ausbreitete; was er allein hier sah, war <strong>der</strong> brandende Saum des Wassers,<br />
<strong>der</strong>, als die Flut stand, mit hartem Schlage immer wie<strong>der</strong> dieselbe Stelle traf und vor<br />
seinen Augen die Grasnarbe des steilen Deiches auswusch“. „Nach langem Hinstarren<br />
nickte er wohl langsam mit dem Kopfe o<strong>der</strong> zeichnete, ohne aufzusehen, mit <strong>der</strong> Hand<br />
eine weiche Linie in die Luft, als ob er dem Deiche damit einen sanfteren Abfall geben<br />
wollte“ (STORM 2006:10/11).<br />
Auch erstellt Hauke Haien „allerlei Deichmodelle“ aus Kleierde, „legte sie in ein flaches Ge-<br />
fäß mit Wasser und suchte darin die Ausspülung <strong>der</strong> Wellen nachzumachen, o<strong>der</strong> er nahm<br />
seine Schiefertafel und zeichnete darauf das Profil <strong>der</strong> Deiche nach <strong>der</strong> Seeseite, wie es seiner<br />
Meinung nach sein müsse“ (STORM 2006:12). Detailreich findet auch die Beschreibung des<br />
späteren Deichbaus Platz in <strong>der</strong> Erzählung:<br />
27
„[…] unablässig fuhren die Sturzkarren <strong>von</strong> dem Vorlande an die Deichlinie, um den<br />
geholten Klei dort abzustürzen, und gleicherweise war dieselbe Anzahl schon wie<strong>der</strong><br />
auf <strong>der</strong> Rückfahrt, um auf dem Vorland neuen aufzuladen; an <strong>der</strong> Deichlinie selber<br />
standen Männer mit Schaufeln und Spaten, um das Abgeworfene an seinen Platz zu<br />
bringen und zu ebnen; ungeheure Fu<strong>der</strong> Stroh wurden angefahren und abgeladen; nicht<br />
nur zur Bedeckung des leichteren Materials, wie Sand und lose Erde, dessen man an den<br />
Binnenseiten sich bediente, wurde das Stroh benutzt; allmählich wurden einzelne Strecken<br />
des Deiches fertig, und die Grassoden, womit man sie belegt hatte, wurden stellenweis<br />
zum Schutz gegen die nagenden Wellen mit fester Strohbestickung überzogen<br />
[…]“ (STORM 2006:66).<br />
Nach Fertigstellung des neuen Deiches findet <strong>der</strong> Erfolg <strong>der</strong> neuen Deichbautechnik an meh-<br />
reren Stellen <strong>der</strong> Novelle lobende Erwähnung, so bedingte „<strong>der</strong> sanfte Abfall“ des Deiches<br />
auch einen „sanfteren Anschlag“ <strong>der</strong> Flut und kann später „mit seinem sanfteren Profile dem<br />
Anprall wi<strong>der</strong>stehen“ (STORM 2006:76/85). Ebenfalls im „Schimmelreiter“ finden aufge-<br />
türmte Erdhügel, auf denen zum Schutz vor Hochwasser die Häuser des Dorfes gebaut wur-<br />
den, Erwähnung und werden dort unter den Worterklärungen „für binnenländische Leser“ als<br />
„Werfte“ aufgeführt: „Zum Schutz gegen Wassergefahr aufgeworfener Erdhügel in <strong>der</strong><br />
Marsch, worauf die Gebäude, auch wohl Dörfer liegen“ (STORM 2006:112).<br />
Tatsächlich bauten die Menschen bereits seit dem 4.-3. Jahrhun<strong>der</strong>t v. Chr. ihre Häuser auf<br />
Erdhügel, sogenannte Wurten o<strong>der</strong> Warften, um die Gefahr <strong>der</strong> Überflutung möglichst gering<br />
zu halten (vgl. LOZÁN et al. 1994:333). Erkennbar ist dies daran, dass die Ortsnamen an <strong>der</strong><br />
Bundesstraße 5 (siehe DIERCKE WELTATLAS Karte 28.3) oft auf „Wurth“ enden (vgl.<br />
DIERCKE HANDBUCH 2008:26). Die erste Verbindung <strong>der</strong> Warften durch einen Deich<br />
fand im 11. Jahrhun<strong>der</strong>t statt. Am Anfang wurden noch relativ flache Ringdeiche kreisförmig<br />
um die Siedlungen in <strong>der</strong> Marsch gebaut, sogenannte Sommerdeiche. Eine geschlossene<br />
Deichlinie zum vollständigen Schutz des Landes gegen hohe Sturmfluten entstand erst im 13.<br />
Jahrhun<strong>der</strong>t (vgl. NEUMANN-MAYER 1996:4). Sie waren drei Meter hoch und an <strong>der</strong> Bo-<br />
denfläche zehn Meter breit (vgl. MÜLLER 2003b:121). Ebenso sollte eine Eindeichung des<br />
Vorlandes für eine Sicherung <strong>der</strong> alten Deichanlagen sorgen. Bis zum 17. Jahrhun<strong>der</strong>t konnte<br />
das Land durch Eindeichungen drei Kilometer nach Westen verlegt und somit gleichzeitig<br />
fruchtbare neue Flächen für die Land- und Viehwirtschaft dem Meer abgerungen werden (vgl.<br />
TIEDEMANN/WEBER o.J.). Genauso wird es auch im „Schimmelreiter“ gehandhabt:<br />
„Ich will, dass das große Vorland, das unserer Hofstatt gegenüber beginnt und dann<br />
nach Westen ausgeht, zu einem festen Kooge eingedeicht werde“ (STORM 2006:50).<br />
Die Marschböden eignen sich gut für die ackerbauliche Nutzung, da sie aufgrund eines hohen<br />
Anteils an Feinmaterial und vieler Nährstoffe sehr fruchtbar sind (vgl. MÜLLER 2003b:78).<br />
Weiterhin sollten durch Küstenbegradigungen die Strecken <strong>der</strong> Deiche verkürzt werden, um<br />
28
so Kosten einzusparen (vgl. STRECKER 2006). Die Baudaten <strong>der</strong> verschiedenen Köge und<br />
damit die Landgewinnungen in <strong>der</strong> Marsch Süd-Dithmarschen in Nordfriesland werden an-<br />
hand Abbildung 7 aus dem DIERCKE WELTATLAS (2008:28) ersichtlich. Eine Folge <strong>der</strong><br />
geschlossenen Bedeichung war allerdings, dass <strong>der</strong> vorherige große Überflutungsraum <strong>der</strong><br />
Marsch nicht mehr zur Verfügung stand, so dass sich jetzt die Fluten vor den Deichen deut-<br />
lich höher als zuvor stauten. Somit mussten die Deiche ständig erhöht und verbessert werden<br />
(vgl. BEHRE 2003:77). Beson<strong>der</strong>s aufgrund einer <strong>der</strong> letzten großen Sturmfluten an <strong>der</strong><br />
Nordseeküste im Februar 1962 erhielt die Erneuerung <strong>der</strong> Deichanlagen Brisanz. Nach insge-<br />
samt 45 Stunden Sturmflut bei einer Windstärke 12 konnten die Deiche an über 60 Stellen<br />
den Wassermassen nicht standhalten, so dass sogar ganze Hamburger Stadtteile überflutet<br />
wurden (vgl. STRECKER 2006). Infolgedessen wurden neue Strategien zur Küstensicherung<br />
beschlossen. Unter an<strong>der</strong>em erfolgten eine Erhöhung <strong>der</strong> Deiche und eine Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />
Deichprofile. Die Deichlinie wurde gekürzt, das Deichprofil <strong>der</strong> Seeseite wurde abgeflacht,<br />
die Höhe auf 8,50m aufgestockt und die Breite <strong>der</strong> Deiche auf 120m verlängert (vgl. MÜL-<br />
LER 2003a:121). Eine Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Deichprofile <strong>von</strong> den Anfängen des Deichbaus bis<br />
heute zeigt Abbildung 6 aus dem HAACK WELTATLAS (2008:25). Damals wie heute<br />
kommt es durch den Küstenschutz zu einem Rückkopplungseffekt, wenn neu errichtete Dei-<br />
che und Verriegelungen <strong>von</strong> Mündungsgebieten <strong>der</strong> Tideflüsse zu noch höher auflaufenden<br />
Sturmfluten führen (vgl. NEUMANN-MAYER 1996:7). Auch fehlen heute flache Buchten<br />
sowie ausgedehnte Salzwiesen für ein „sanftes Auflaufen <strong>der</strong> Sturmfluten“ (LOZÁN et al.<br />
1994:V). Nicht nur aufgrund <strong>von</strong> immer wie<strong>der</strong> auftretenden Sturmfluten, son<strong>der</strong>n gerade<br />
auch vor dem Hinblick des wahrscheinlich auch anthropogen verursachten Klimawandels und<br />
eines daraus resultierenden Anstiegs des Meeresspiegels ist das Thema Küstenschutz <strong>von</strong> sehr<br />
großer Bedeutung (vgl. NEUMANN-MAYER 1996:4). Die klimatische Erwärmung verur-<br />
sacht eine Wärmeausdehnung des Wassers sowie eine Erhöhung <strong>der</strong> Abschmelzrate <strong>der</strong> Glet-<br />
scher und Inlandeisdecken, woraus für die Meere eine erhöhte Schmelzwasserzufuhr entsteht<br />
(vgl. STARHLER/STRAHLER 2009:640). Gerade Küsten sind als „beson<strong>der</strong>s rasch verän-<br />
<strong>der</strong>liche Grenzbereiche zwischen Land und Meer“ <strong>von</strong> diesen Wandlungsprozessen eher be-<br />
troffen als an<strong>der</strong>e Räume <strong>der</strong> Erde (NEUMANN-MAYER 1996:5). Über lange Zeiträume<br />
gesehen kann <strong>der</strong> Meeresspiegelanstieg den Verlauf <strong>der</strong> Küsten durch Standversetzung, Ver-<br />
lagerung <strong>von</strong> Salzmarschen und Flussmündungen landeinwärts verän<strong>der</strong>n (vgl. STRAH-<br />
LER/STRAHLER 2009:641). Zusätzlich werden mit großer Wahrscheinlichkeit die Anzahl<br />
sowie die durchschnittliche Dauer <strong>von</strong> Sturmfluten als Folge <strong>der</strong> globalen Erwärmung zu-<br />
nehmen (vgl. BRÜCKNER 1999:17f.). So zählen heute annähernd 25% <strong>der</strong> Landesfläche<br />
Schleswig-Holsteins, mit über 300.000 Einwohnern und Sachwerten <strong>von</strong> 41 Milliarden Euro,<br />
29
zu überflutungsgefährdeten Küstennie<strong>der</strong>ungen (vgl. MLUR o.J.). „Die Küsten werden dabei<br />
nicht nur in literarischen Stücken wie dem „Schimmelreiter“ zu Kampfräumen, wo <strong>der</strong><br />
Mensch mit allen technischen, kreativen und sonstigen Mitteln versucht, sich den für seine<br />
Nutzungsbelange zerstörerischen Naturkräften entgegenzustellen“ (NEUMANN-MAYER<br />
1996:4). Ein Überblick über den Küstenschutz und den Verlauf <strong>der</strong> Deiche in Schleswig-<br />
Holstein gibt Abbildung 8 (siehe Anhang).<br />
Auch aufgrund dieser gezeigten Aktualität vor dem Hinblick des zu erwartenden Meeresspie-<br />
gelanstiegs kann einen solche Thematisierung <strong>der</strong> Entwicklung des Küstenschutzes und heu-<br />
tige Formen des Küstenschutzes im <strong>Geographie</strong>unterricht stattfinden. Zur Darstellung <strong>der</strong><br />
Entwicklung des Deichbaus können Sandkasten-Experimente im Unterricht hinzugezogen<br />
werden. Die Schülerinnen und Schüler bauen dabei nach Vorgaben aus dem „Schimmelreiter“<br />
und Arbeitsblättern über die Entwicklung <strong>der</strong> Deichbautechnik verschiedene Deiche aus Sand<br />
nach, um die Entwicklung <strong>der</strong> Deichprofile darzustellen und die Notwendigkeit <strong>der</strong> Verbesse-<br />
rungen im Deichbau zu begründen. Wie bereits dargestellt, lässt sich die Inspiration dafür<br />
direkt dem „Schimmelreiter“ entnehmen. In einem an<strong>der</strong>en Versuch können verschiedene<br />
Deichmodelle <strong>von</strong> ca. 1600, <strong>von</strong> Anfang des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts und heutige Deiche aus Pappe<br />
ausgeschnitten und aufgeklebt werden. Murmeln werden bei diesem Versuch als Wellen-<br />
Simulation in Richtung <strong>der</strong> Deichmodelle gerollt. Festzustellen ist dabei, dass die Kugeln bei<br />
dem Deichmodell <strong>von</strong> 1600 zwar nicht auf den Deich rollen können, dass wie<strong>der</strong>holte Ansto-<br />
ßen <strong>der</strong> Kugeln aber Schäden am Modell verursacht. Beim zweiten Deichmodell gelangen die<br />
Kugeln problemlos auf den Deich und teilweise auf <strong>der</strong> Landseite des Deiches wie<strong>der</strong> herun-<br />
ter, so dass auch hier kein optimaler Schutz vor Sturmfluten besteht. Beim heutigen Deich-<br />
modell werden die Kugeln durch die lange und flache Seeseite abgebremst und rollen ohne<br />
Schaden zu verursachen, Richtung Meer wie<strong>der</strong> herunter (vgl. Idee und Vorlagen: WEBER<br />
2001:2.1.2). Positive Aspekte dieses Experimentes sind ein besseres Verständnis <strong>der</strong> im Un-<br />
terricht vermittelten Lerninhalte sowie eine große zu erwartende Motivation seitens <strong>der</strong> Schü-<br />
lerinnen und Schüler aufgrund <strong>der</strong> aktiven Miteinbeziehung ins Unterrichtsgeschehen. So<br />
kann durch ein „handlungsorientiertes Arbeiten“ ein großes Interesse <strong>der</strong> Lernenden bewirkt<br />
werden (REINFRIED 2006:55f.). Die Schülerinnen und Schüler können nach den Versuchen<br />
besser nachvollziehen, weshalb Hauke Haien sich im „Schimmelreiter“ so stark für den Bau<br />
eines neuen, verän<strong>der</strong>ten Deiches einsetzt.<br />
Bezüglich <strong>der</strong> Entwicklung des Küstenschutzes könnte beispielsweise das Ei<strong>der</strong>-Sperrwerk<br />
als beson<strong>der</strong>s mo<strong>der</strong>nes und neuartiges Bauwerk den Schülerinnen und Schülern vorgestellt<br />
werden (vgl. NEUMANN-MAYER 1996:7).<br />
30
Legitimation findet die Unterrichtseinheit unter dem Kompetenzbereich „Fachwissen“: „Die<br />
Schülerinnen und Schüler erläutern die Notwendigkeit schadens- und risikomin<strong>der</strong>n<strong>der</strong> Maß-<br />
nahmen bei natürlichen Vorgängen“ (NIEDERSÄCHSICHES KULTUSMINISTERIUM<br />
2008:12) sowie unter dem Kompetenzbereich „Beurteilung und Bewertung“: „Die Schülerin-<br />
nen und Schüler bewerten natürliche Vorgänge in ihren Auswirkungen“ (NIEDERSÄCH-<br />
SICHES KULTUSMINISTERIUM 2008:17). Allgemein findet hier eine unter dem Kompe-<br />
tenzbereich „Fachwissen“ gefor<strong>der</strong>te Analyse <strong>der</strong> „Wechselbeziehungen zwischen Mensch<br />
und Umwelt“ statt, da hier erkennbar wird, dass <strong>der</strong> Mensch zwar die Natur für sich nutzt,<br />
aber dennoch <strong>von</strong> ihr eine Gefährdung für den Menschen ausgeht (NIEDERSÄCHSICHES<br />
KULTUSMINISTERIUM 2008:12).<br />
Lernziele: Die Schülerinnen und Schüler<br />
- kennen die Entwicklung des Küstenschutzes vom Bau <strong>der</strong> Warften über verschiedene<br />
Deichprofile bis zu heutigen mo<strong>der</strong>nen Bauprojekten.<br />
- können in Modellen die optimale Bauweise <strong>von</strong> Deichen nachvollziehen.<br />
- beschreiben die Entwicklung <strong>der</strong> Landgewinnung an <strong>der</strong> nordfriesischen Küste anhand<br />
<strong>von</strong> Baudaten verschiedener Köge.<br />
4.2.4 Wattenmeer und ökologische Folgen des Küstenschutzes<br />
Aufgrund <strong>der</strong> sehr flachen Beschaffung <strong>der</strong> Nordsee wird durch die Gezeiten ein Wattenmeer<br />
gebildet. Hier kommt es zu einer Anhäufung <strong>von</strong> organischen Nährstoffen aus dem Meer und<br />
das Wattenmeer ist somit das „natürliche Sedimentationsgebiet <strong>der</strong> Nordsee“ (DIERCKE<br />
HANDBUCH 2008:25) und ebenso „Aufwuchsgebiet für viele Nordseefischarten“ und<br />
„wichtigstes Rast- und Überwinterungsquartier“ für Küstenvögel in Europa (vgl. LOZÁN et<br />
al. 1994:V). Erst in den letzten Jahrhun<strong>der</strong>ten entstand das Wattenmeer wie wir es heute ken-<br />
nen. Zuvor, so im Mittelalter, sorgten zahlreiche Sturmfluten für große Landverluste und<br />
Umverteilungen (vgl. SPIEGEL 1995:26). Heute wird das Wattenmeer durch den Wechsel<br />
<strong>der</strong> Gezeiten geformt, so dass sich Lage und Größe <strong>von</strong> Inseln und Halligen verän<strong>der</strong>n sowie<br />
Priele verlagert werden und Sandbänke sich vergrößern o<strong>der</strong> schrumpfen (vgl. SPIEGEL<br />
1995:26). Lokale, regionale und globale Effekte haben erhebliche Auswirkungen auf das<br />
Ökosystem Wattenmeer und bedrohen diesen speziellen Lebensraum (vgl. SPIEGEL<br />
1995:26). Menschliche Nutzungen greifen seit langem in massiver Art und Weise in dieses<br />
Ökosystem ein, sei es in Form <strong>von</strong> Rohstoffgewinnung, Fischerei, Torfgewinnung o<strong>der</strong> den<br />
heute maßgeblichen Nutzungen wie Tourismus o<strong>der</strong> Schifffahrt (vgl. SPIEGEL 1995:26).<br />
Nicht nur durch diese Nutzungen son<strong>der</strong>n auch durch den Meeresspiegelanstieg und den zu-<br />
31
nehmenden Küstenschutz wird das Wattenmeer in seiner Ursprünglichkeit zunehmend be-<br />
droht. <strong>Der</strong> für die Bevölkerung notwendige Küstenschutz und Deichbau bringt Gefahren wie<br />
die irreversible Schädigung des für die Nordsee lebenswichtigen Wattenmeeres mit sich. So<br />
führten Vordeichungen zur Schaffung <strong>von</strong> neuen landwirtschaftlichen Flächen zu einer Zer-<br />
störung <strong>der</strong> Salzwiesen und eines Rückgangs des Vogelbestandes um die Hälfte innerhalb <strong>von</strong><br />
zehn Jahren (vgl. DIERCKE HANDBUCH 2008:25). Eine weitere Gefahr ist die Aussüßung<br />
des Bodens durch Nie<strong>der</strong>schläge, da es durch die Erhöhung des Marschlandes und Eindei-<br />
chungen zu immer weniger Salzwasserüberflutungen des in den letzten 3000 Jahren an <strong>der</strong><br />
deutschen Nordseeküste entstandenen 5-20 km breiten Marschlandes kommt (vgl. MÜLLER<br />
2003b:78). Durch die Einschränkung des Überflutungsraumes entstehen ebenfalls Folgen für<br />
den Stoffumsatz im Ökosystem Watt, woraus unter an<strong>der</strong>em ein knapperes Nahrungsangebot<br />
für Tiere wie Zugvögel resultiert sowie durch einen erhöhten Tidehub auch die Gefährdung<br />
durch die Fluten (vgl. DIERCKE HANDBUCH 2008:25). Einen Überblick über den Küsten-<br />
schutz und die ökologischen Folgen kann Abbildung 9 mit einer Karte <strong>der</strong> Nordstran<strong>der</strong><br />
Bucht geben. 1985 wurde <strong>der</strong> Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer errichtet,<br />
welcher laut Nationalparkgesetz „dem Schutz und <strong>der</strong> natürlichen Entwicklung des schleswig-<br />
holsteinischen Wattenmeeres und <strong>der</strong> Bewahrung seiner beson<strong>der</strong>en Eigenart, Schönheit und<br />
Ursprünglichkeit“ dient (LKN SH 2009:§2). Dabei sollen die Maßnahmen des Küstenschut-<br />
zes nicht eingeschränkt werden. Ebenso müssen die Interessen und herkömmlichen Nutzun-<br />
gen <strong>der</strong> Einwohner berücksichtigt werden. Zusätzlich soll <strong>der</strong> Nationalpark auch positive Ef-<br />
fekte auf den Tourismus und auf das Ansehen <strong>der</strong> Region bewirken, um die „Lebens- und<br />
Arbeitsbedingungen <strong>der</strong> im Umfeld lebenden Menschen“ zu verbessern (LKN SH 2009:§2).<br />
Die Ausmaße des Schleswig-Holsteinischen, des Hamburgerischen und des Nie<strong>der</strong>sächsi-<br />
schen Nationalparks sind in Abbildung 10 zu erkennen.<br />
Trotz dieser Vorgaben durch das Nationalparkgesetz unterliegt das Schleswig-Holsteinische<br />
Wattenmeer weiterhin starken Eingriffen und Verän<strong>der</strong>ungen. Die Probleme des steigenden<br />
Meeresspiegels und <strong>der</strong> Wasserverschmutzung <strong>der</strong> Nordsee sind globaler Ursache, auf die die<br />
Nationalparkverwaltungen kaum bis gar keinen Einfluss haben (vgl. SPIEGEL 1995:27). Zu-<br />
gleich nimmt das Nationalparkgesetz keinen Einfluss auf den Küstenschutz, auf den die an<br />
<strong>der</strong> Küste lebende Bevölkerung angewiesen ist. „<strong>Der</strong> Wille, den gewonnen Wohlstand zu si-<br />
chern und zu wahren, lässt viele Küstenbewohner zu entschiedenen Verfechtern <strong>von</strong> neuen<br />
Eindeichungen und <strong>der</strong> Küstensicherung durch mehr und höhere Deiche werden“<br />
(NEUMANN-MAYER 1996:4). Aufgrund des Deichbaus kann eine ursprüngliche Ausdeh-<br />
nung des Meeres nicht mehr stattfinden, wodurch dem Wattenmeer „Transgressions- und<br />
Ausgleichsräume genommen“ werden (SPIEGEL 1995:27). Auswirkungen dessen sind eine<br />
32
Verkleinerung o<strong>der</strong> ein vollständiges Verschwinden des Wattenmeeres, womit auch dessen<br />
wichtige Schutzfunktion vor Wellen und Sturmfluten verschwinden würde (vgl. SPIEGEL<br />
1995:27). Als negative Rückwirkung müsste wie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Küstenschutz erhöht und verbessert<br />
werden, was wie<strong>der</strong>um zu Schäden im Wattenmeer führen würde.<br />
Die Begründung für eine Beschäftigung mit <strong>der</strong> Thematik des Ökosystems Wattenmeer und<br />
ökologische Folgen des Küstenschutzes im <strong>Geographie</strong>unterricht geht nicht unmittelbar aus<br />
dem Text des „Schimmelreiters“ hervor. Allerdings kann es hier als aktuelles und wichtiges<br />
Thema in einem Zusammenhang mit <strong>der</strong> gesamten Thematik über die Nordsee gesetzt wer-<br />
den. Die vorherigen Themen Landgewinnung und Küstenschutz konnten ideal aus dem<br />
„Schimmelreiter“ hergeleitet werden, so dass es sich anbietet, auch die Folgen solcher Unter-<br />
nehmungen mit den Schülerinnen und Schülern im <strong>Geographie</strong>unterricht zu diskutieren. As-<br />
pekte wie die Entstehung und Formung des Wattenmeeres durch Gezeiten bilden den Einstieg<br />
für das Thema, ebenso wie das Wattenmeer als Ökosystem und als Lebensquelle für viele<br />
Tierarten. Weiterhin stellt <strong>der</strong> Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer eine<br />
Grundlage für die Notwendigkeit und Gründe für den Naturschutz dar, wobei ebenfalls auf<br />
die Machtlosigkeit des regionalen Naturschutzes gegenüber überregionalen und globalen Ein-<br />
flüssen, wie die Auswirkungen <strong>der</strong> Klimaerwärmung auf das Wattenmeer, eingegangen wer-<br />
den kann. Es gilt das zwiespältige Verhältnis <strong>der</strong> Bevölkerung zum Wattenmeer aufzugreifen:<br />
Einerseits findet eine Zerstörung des Wattenmeeres durch zunehmenden Küstenschutz, Nut-<br />
zung und Umweltverschmutzung statt, an<strong>der</strong>erseits leistet das Wattenmeer einen wichtigen<br />
Beitrag zum Lebensraum Küste, ist touristische Attraktion und dient darüber hinaus selber als<br />
Ausgleichsraum für das Meer und somit dem Küstenschutz. Hierauf kann die Unterrichtsme-<br />
thode <strong>der</strong> Pro- und Kontra-Diskussion über die sich aus dem Küsten- und Naturschutz erge-<br />
benen Interessenkonflikte basieren. Dabei kann eine Schülergruppe die Argumente für den<br />
Küstenschutz hervorbringen, während eine an<strong>der</strong>e Schülergruppe Argumente gegen bestimm-<br />
te Maßnahmen des Küstenschutzes herausarbeitet. An dieser Stelle wird den Schülerinnen<br />
und Schüler schnell bewusst gemacht, dass es zu einem Konflikt zwischen Küstenschutz und<br />
Bewahrung und Schutz <strong>der</strong> Natur kommt. Ansatzpunkte bieten sich bei diesem Thema auch<br />
für weitere Fächerkooperationen an, so könnte das Thema „Ökosystem Wattenmeer“ zusätz-<br />
lich am besten im Biologieunterricht vertieft werden.<br />
Auch im Kerncurriculum Erdkunde an Gymnasien des Landes Nie<strong>der</strong>sachsen finden die<br />
Themen Umwelt und Naturschutz Erwähnung, so sollen die Schülerinnen und Schüler am<br />
Ende <strong>von</strong> Schuljahrgang 8 „geographisch relevante Werte und Normen (z.B. Naturschutz,<br />
Nachhaltigkeit)“ nennen können (NIEDERSÄCHSISCHES KULTUSMINISTERIUM<br />
33
2008:18) und innerhalb des Kompetenzbereiches „Beurteilung und Bewertung“ die „Tragwei-<br />
te menschlicher Eingriffe in natürliche Systeme“ bewerten (NIEDERSÄCHSISCHES KUL-<br />
TUSMINISTERIUM 2008:17). Weiterhin findet diese spezielle Unterrichtseinheit Legitima-<br />
tion in den Bildungsstandards <strong>der</strong> Deutschen Gesellschaft für <strong>Geographie</strong>, so heißt es dort<br />
unter den Standards für den Kompetenzbereich Beurteilung/Bewertung: „Sie [die Schülerin-<br />
nen und Schüler] nutzen aber auch allgemeine Kriterien, wenn sie ganz generell z.B. Vor- und<br />
Nachteile diskutieren, die unterschiedlichen Interessen <strong>von</strong> Akteuren aufdecken, eine Situati-<br />
on aus <strong>der</strong> Sichtweise verschiedener Betroffener betrachten und so auch die Fähigkeit zum<br />
Perspektivenwechsel einüben“ (DGfG 2008:23f.). Das Thema kann desgleichen unter dem<br />
Prinzip <strong>der</strong> Umweltbildung und <strong>der</strong> Bildung für eine Nachhaltige Entwicklung, zwei <strong>der</strong> fä-<br />
cherverbindenden Bildungsaufgaben des Faches <strong>Geographie</strong>, betrachtet werden. Darunter<br />
heißt es, die Schülerinnen und Schüler sollen die Fähigkeit entwickeln, „Eingriffe des Men-<br />
schen in die Natur und Umwelt […] nach ihrer ökologischen, sozialen/politischen und wirt-<br />
schaftlichen Verträglichkeit zu bewerten“ (DGfG 2008:24). Gerade darum geht es in <strong>der</strong><br />
schulischen Vermittlung über Notwendigkeit und Auswirkungen des Küstenschutzes sowie<br />
bei <strong>der</strong> allgemeinen Nutzung des Wattenmeeres und <strong>der</strong> Nordseeküste, wobei ökologische,<br />
ökonomische und soziale Faktoren beachtet werden müssen. Im Hinblick auf den notwendi-<br />
gen Naturschutz des Wattenmeeres, aber gleichzeitigen Anspruch <strong>der</strong> Küstenbevölkerung,<br />
dessen Potenzial wirtschaftlich für sich zu nutzen, verweist dies auf die notwendige nachhal-<br />
tige Entwicklung. Weiterhin muss geklärt werden, inwieweit die Wirtschaft durch die wach-<br />
sende Branche <strong>der</strong> erneuerbaren Energie und in dadurch resultierenden Offshore-Windparks<br />
im Wattenmeer mit dem Ökosystem Wattenmeer zu vereinbaren ist.<br />
Lernziele: Die Schülerinnen und Schüler<br />
- kennen die Entstehung und Formung des Wattenmeeres.<br />
- wissen über die Bedeutung des Wattenmeers als Lebensraum für Tiere und Pflanzen,<br />
als Schutz vor Überflutungen und als touristische Attraktion.<br />
- kennen die unterschiedlichen Aspekte, die das Ökosystem Wattenmeer negativ beein-<br />
flussen und nennen Gegenmaßnahmen wie den Nationalpark Schleswig-<br />
Holsteinisches Wattenmeer.<br />
4.2.5 Entstehung und Auswirkungen <strong>von</strong> Naturkatastrophen<br />
Vorherrschende Themen im „Schimmelreiter“ sind drohende Sturmfluten <strong>der</strong> Nordsee und die<br />
menschlichen Schutzmaßnahmen dagegen sowie das Verhältnis zwischen Mensch und Natur.<br />
Eine Bedeutung des Meeres für die Nahrungsbeschaffung o<strong>der</strong> für die Schifffahrt fällt dabei<br />
34
völlig weg. Dagegen geht für die Dorfbewohner vom Meer eine ständige, starke Bedrohung<br />
aus, so dass <strong>der</strong> Deich als Schutzmaßnahme für sie eine wichtige Rolle im Überleben an <strong>der</strong><br />
Küste spielt. Die Bedrohung durch die Wassermassen ist in <strong>der</strong> Novelle allgegenwärtig. Die<br />
kleine Tochter Hauke Haiens fragt naiv und ängstlich: „Hat es [das Wasser] Beine? […] Kann<br />
es über den Deich kommen?“; im Winter werden Ertrunkene wie<strong>der</strong> an die Küste getrieben<br />
und aufgefunden, auch finden ertrunkene Schafherden und Landverluste nach Hochwassern<br />
Erwähnung (STORM 2006:81/12/84). Die große Sturmflut am Ende <strong>der</strong> Novelle wird, wie<br />
folgende Zitate zeigen, als beson<strong>der</strong>s bedrohlich dargestellt:<br />
„Wie eine wilde Jagd trieben die Wolken am Himmel; unten lag die weite Marsch wie<br />
eine unerkennbare, <strong>von</strong> unruhigen Schatten erfüllte Wüste; <strong>von</strong> dem Wasser hinter dem<br />
Deiche, immer ungeheurer, kam ein dumpfes Tosen, als müsse es alles an<strong>der</strong>e verschlingen“<br />
(STORM 2006:93).<br />
„Nur Berge <strong>von</strong> Wasser sah er vor sich, die dräuend gegen den nächtlichen Himmel<br />
stiegen, die in <strong>der</strong> furchtbaren Dämmerung sich übereinan<strong>der</strong> zu türmen suchten und<br />
übereinan<strong>der</strong> gegen das feste Land schlugen. Mit weißen Kronen kamen sie daher, heulend,<br />
als sei in ihnen <strong>der</strong> Schrei alles furchtbaren Raubgetiers <strong>der</strong> Wildnis. <strong>Der</strong> Schimmel<br />
schlug mit den Vor<strong>der</strong>hufen und schnob mit seinen Nüstern in den Lärm hinaus;<br />
den Reiter aber wollte es überfallen, als sei hier alle Menschenmacht zu Ende; als müsse<br />
jetzt die Nacht, <strong>der</strong> Tod, das Nichts hereinbrechen“ (STORM 2006:94).<br />
Die Dorfbewohner empfinden angesichts <strong>der</strong> drohenden Katastrophe „Todesangst“, die Men-<br />
schen flüchten mit ihrem Hab und Gut in höher gelegene Dörfer, schließlich wird das Dorf<br />
überflutet und die Häuser werden zerstört (STORM 2006:94ff).<br />
Für den <strong>Geographie</strong>unterricht ergeben sich durch den „Schimmelreiter“ Ansatzpunkte <strong>der</strong><br />
Thematisierung <strong>von</strong> Entstehung, Auswirkungen und Gegenmaßnahmen <strong>von</strong> Sturmfluten und<br />
an<strong>der</strong>er, aktueller Naturkatastrophen. Auch ein Vergleich zwischen historischen und heutigen<br />
Sturmfluten kann stattfinden. Zunächst könnte unter physisch-geographischen Gesichtpunkten<br />
die Entstehung <strong>von</strong> Sturmfluten im <strong>Geographie</strong>unterricht besprochen werden. Beim Aufei-<br />
nan<strong>der</strong>treffen <strong>von</strong> Tiefdruck- und Hochdruckgebieten mit unterschiedlichen Temperaturen<br />
und Drucken, entstehen Luftwirbel und damit starke Winde. Über <strong>der</strong> Nordsee können arkti-<br />
sche Kaltluftmassen und subtropische Warmluftmassen aufeinan<strong>der</strong>treffen und damit eine<br />
Sturmflut auslösen (vgl. MEIER 2010:107). Andeutungen auf die Wetterbedingungen wäh-<br />
rend <strong>der</strong> entscheidenden Sturmflut im „Schimmelreiter“ lauten wie folgt:<br />
„Es war vor Allerheiligen, im Oktober. Tagsüber hatte es stark aus Südwesten gestürmt;<br />
abends stand ein halber Mond am Himmel, dunkelbraune Wolken jagten überhin, und<br />
Schatten und trübes Licht flogen auf <strong>der</strong> Erde durcheinan<strong>der</strong>; <strong>der</strong> Sturm war im Wachsen.“;<br />
„<strong>Der</strong> schmale Weg war grundlos; denn die Tage vorher war unermesslicher Regen gefallen<br />
[…].<br />
„<strong>Der</strong> Wind ist umgesprungen!` rief er [Hauke Haien] -, ´nach Nordwest, auf halber<br />
Springflut! Kein Wind; - wir haben solchen Sturm noch nicht erlebt!“;<br />
35
„Wie eine wilde Jagd trieben die Wolken am Himmel; unten lag die weite Marsch wie<br />
eine unerkennbare, <strong>von</strong> unruhigen Schatten erfüllte Wüste; <strong>von</strong> dem Wasser hinter dem<br />
Deiche, immer ungeheurer, kam ein dumpfes Tosen, als müsse es alles an<strong>der</strong>e verschlingen.“<br />
(STORM 2006:91/92/93).<br />
Weiterhin kann an dieser Stelle ein Bezug zu Naturkatastrophen im Allgemeinen erschlossen<br />
werden, denn <strong>der</strong> Wissensvermittlung über Naturkatastrophen und Katastrophenschutz wird<br />
eine hohe Bedeutung zuteil. Die UNESCO startete in den Jahren 2006 bis 2007 eine Kam-<br />
pagne „Disaster reduction begins at school“ mit <strong>der</strong> Betonung <strong>der</strong> Rolle <strong>von</strong> Bildung und<br />
Schule in <strong>der</strong> Katastrophenvorsorge. Auch im Rahmen <strong>der</strong> UN-Dekade „Bildung für eine<br />
nachhaltige Entwicklung“ <strong>von</strong> 2005 bis 2014 wird mit <strong>der</strong> „Internationalen Strategie zur Re-<br />
duzierung <strong>von</strong> Naturkatastrophen (ISDR)“ die Bedeutung <strong>der</strong> Wissensvermittlung bezüglich<br />
Naturkatastrophen und Katastrophenvorsorge hervorgehoben (vgl. HIDAJAT 2006:6). Den<br />
Schülerinnen und Schülern sollte dabei deutlich gemacht werden, dass es zwar schon immer<br />
aus vielfältigen Ursachen resultierende Naturgefahren gegeben hat, aber in den letzten Jahr-<br />
zehnten entstandene schwerwiegende globale Verän<strong>der</strong>ungen in Verbindung mit einer Zu-<br />
nahme <strong>der</strong> Katastrophenanfälligkeit und <strong>der</strong> Anzahl <strong>von</strong> Naturkatastrophen gebracht werden<br />
müssen. Dazu gehören beispielsweise das Bevölkerungswachstum, Unterentwicklung, Urba-<br />
nisierung als auch klimatischer Verän<strong>der</strong>ungen (vgl. HIDAJAT 2006:4). Vorteilhaft kann sich<br />
auch ein Bezug zu aktuellen Ereignissen erweisen, die den Schülerinnen und Schülern durch<br />
Fernseh- und Internetbil<strong>der</strong> stark medial präsent sind, um so ein starkes Interesse an physisch-<br />
geographischen Zusammenhängen hervorzurufen (vgl. SZYMKOWIAK 2006:12). Allgemein<br />
bringen jugendliche Schülerinnen und Schüler den Themen „Naturkatastrophen“ sowie „Ein-<br />
griffe des Menschen in den Naturhaushalt“ ein hohes Interesse entgegen (vgl. REINFRIED<br />
2006:54). Im <strong>Geographie</strong>unterricht sollte dabei bewusst gemacht werden, dass zwar die Na-<br />
turgewalt <strong>der</strong> Anlass für verheerende Katastrophen ist, aber <strong>der</strong> Mensch selbst durch unange-<br />
passte beziehungsweise unverantwortliche Raumnutzung Katastrophen verursacht, ebenso<br />
nicht genügend auf diese vorbereitet ist (vgl. SZYMKOWIAK 2006:12). „Erst durch das<br />
Wechselspiel mit den Menschen und <strong>der</strong>en aktives Eingreifen in die Naturräume und dadurch<br />
entstehende Anfälligkeiten, können Naturgefahren zu Naturkatastrophen werden“ (HIDAJAT<br />
2006:4). Dies entspricht genauestens <strong>der</strong> Situation im „Schimmelreiter“, da in <strong>der</strong> Erzählung<br />
durch den Bau des neuen Deiches dem Meer Überflutungsraum genommen wird und darauf-<br />
hin das Dorf in Gefahr gerät, so dass dieser Aspekt im <strong>Geographie</strong>unterricht gut anhand des<br />
„Schimmelreiters“ vermittelt werden kann. Durch den <strong>von</strong> Hauke Haien neu gebauten Deich<br />
kommt es automatisch zu Umleitung des alten Priels, also des „Wasserlauf in den Watten und<br />
Außendeichen“ (STORM 2006:112). Lief <strong>der</strong> alte Priel ohne Schaden anzurichten parallel<br />
zum alten Deich, strömt <strong>der</strong> neue Priel durch menschliches Eingreifen genau auf die anfällige<br />
36
Schnittstelle zwischen neuem und altem Deich zu. Erkennbar ist <strong>der</strong> Verlauf des neuen und<br />
des alten Priels anhand <strong>der</strong> Skizze in Abbildung 2 (siehe Anhang), die nach den Angaben <strong>der</strong><br />
Erzählung erstellt wurde. Im „Schimmelreiter“ wird dies wie folgt geschil<strong>der</strong>t:<br />
„Schon war er [Hauke Haien] unten <strong>von</strong> <strong>der</strong> Südostecke aus auf dem neuen Deich herumgeritten,<br />
und es war alles wohl erhalten; als er aber an die Nordostecke gekommen<br />
war, dort, wo <strong>der</strong> neue Deich auf den alten stößt, war zwar <strong>der</strong> erstere unversehrt, aber<br />
wo früher <strong>der</strong> Priel den alten erreicht hatte und an ihm entlanggeflossen war, sah er in<br />
großer Breite die Grasnarbe zerstört und fortgerissen und in dem Körper des Deiches<br />
eine <strong>von</strong> <strong>der</strong> Flut aufgewühlte Höhlung, durch welche überdies ein Gewirr <strong>von</strong> Mäusegängen<br />
bloßgelegt war“ […] „Er [Hauke Haien] bestieg wie<strong>der</strong> sein Pferd und ritt am<br />
Ufer hin und her: es war Ebbe, und er gewahte wohl, wie <strong>der</strong> Strom <strong>von</strong> außen her sich<br />
wie<strong>der</strong> ein neues Bett im Schlick gewühlt hatte und jetzt <strong>von</strong> Nordwesten auf den alten<br />
Deich gestoßen war; <strong>der</strong> neue aber, soweit es ihn traf, hatte mit seinem sanfteren Profile<br />
dem Anprall wi<strong>der</strong>stehen können. […] „nicht nur <strong>der</strong> alte Deich musste hier verstärkt,<br />
auch dessen Profil dem des neuen angenähert werden; vor allem aber musste <strong>der</strong> als gefährlich<br />
wie<strong>der</strong> aufgetretene Priel durch neu zu legende Dämme o<strong>der</strong> Lahnungen abgeleitet<br />
werden“ (STORM 2006:85).<br />
Durch die Entstehung dieser gefährdeten Stelle wird später das Dorf überflutet, welches ohne<br />
den Bau des neuen Deiches eventuell bei dieser Sturmflut unbeschadet geblieben wäre. Einen<br />
Höhepunkt des Schadensausmaßes bei menschlichem Eingreifen in die Natur ist schließlich<br />
erreicht, als Hauke Haien sich aus Stolz am Ende weigert, den neuen Deich zu durchstechen<br />
und damit sein Lebenswerk, den Hauke-Haien-Koog, zu zerstören, um eine Entlastung des<br />
alten Deiches zu erreichen und so das Dorf zu schützen.<br />
Es bietet sich weiterhin an, einen Vergleich einer realen heutigen Sturmflut an <strong>der</strong> Nordsee-<br />
küste mit <strong>der</strong> Situation im „Schimmelreiter“ zu ziehen, vor allem da als Vorlage für die<br />
Sturmflut <strong>der</strong> Novelle eine reale Sturmflut diente, welche tatsächlich auch am 7. Oktober<br />
1756 stattgefunden hat (vgl. WEINREICH 1997:29). Den Schülerinnen und Schülern sollte<br />
dabei vermittelt werden, was es für die Menschen des 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts bedeutete, wenn sie<br />
ohne technische Mittel, wie beispielsweise Rettungsboote o<strong>der</strong> –Hubschrauber, o<strong>der</strong> auch<br />
staatliche Hilfen o<strong>der</strong> späteren Versicherungsgel<strong>der</strong>n zur Unterstützung des Wie<strong>der</strong>aufbaus<br />
sowie an<strong>der</strong>en humanitären Hilfen, wie es heute üblich ist, eine das ganze Dorf überflutende<br />
Sturmflut erleben mussten. An einigen Stellen des „Schimmelreiters“ finden diese lebensbe-<br />
drohlichen Auswirkungen einer Sturmflut Erwähnung:<br />
„Wenn eine Sturmflut wie<strong>der</strong>käme – eine, wie 1655 dagewesen, wo Gut und Menschen<br />
ungezählt verschlungen wurden – wenn sie wie<strong>der</strong>käme, wie sie schon mehrmals einst<br />
gekommen war!“ (STORM 2006:85).<br />
An dieser Stelle kann eine Brücke geschlagen werden zu heutigen Überschwemmungen und<br />
<strong>der</strong>en Auswirkungen, auch beispielsweise bei Überschwemmungen in wirtschaftlich schwä-<br />
cheren Staaten wie beispielsweise Bangladesh, wo durchschnittlich vier Zyklone pro Jahr<br />
große Schäden verursachen (vgl. BRÜCKNER 1999:11). Als Materialien können die Be-<br />
37
schreibung <strong>der</strong> Sturmflut in <strong>der</strong> Erzählung sowie reale Augenzeugenberichte dienen. Als be-<br />
son<strong>der</strong>s interessant könnte sich ein Augenzeugenbericht <strong>der</strong> Sturmflut vom 7. Oktober 1756<br />
erweisen, da <strong>Storm</strong> diese Sturmflut als diejenige auswählte, in <strong>der</strong> Hauke Haien und seine<br />
Familie im „Schimmelreiter“ umkommen. Das Zitat wurde ursprünglich in <strong>der</strong> „Sammlung<br />
einiger Husumischer Nachrichten“ <strong>von</strong> Johann Laß (1750) abgedruckt und wurde hier aus<br />
LAAGE (1987:137f.) entnommen:<br />
„<strong>Der</strong> 11te Sept. des 1751sten Jahrs ist annoch unvergessen, jedoch bleibt <strong>der</strong> 7 Octobr.<br />
dieses Jaars [1756] in mehreren ja fürchterlicherm Andenken […]. In Hinsicht <strong>der</strong> Stadt<br />
Husum, und <strong>der</strong>er auf <strong>der</strong> Nähe <strong>der</strong>selben belegenen Orter, und Halligen […] bemerke<br />
folgende erschreckende Umstände. <strong>Der</strong> Wind wehete an demselben Tag erstlich aus<br />
dem Westen, nachhero drehete selbiger sich nach Nord-Westen, und fing an <strong>der</strong>gestalt<br />
heftig zu werden, daß auch die aller älteste Leute <strong>der</strong>gleichen Sturm-Wind gehöret zu<br />
haben, sich nicht entsinnen können. […] So heftig dieser Sturm war, so heftig fing das<br />
Wasser an zu steigen. Die Wuht desselben war unbeschreiblich. Es schienen als wann<br />
die gethürmten Wellen des mit aller Macht brausenden Wassers auf einmahl Häuser und<br />
Keller umstürzen und anfüllen wollten. Des Nachmittags zwischen 1 und 2 Uhr waren<br />
die Wasser-Reihe, die Krämer-Strasse und die Gasse bey <strong>der</strong> Brücken völlig unter Wasser<br />
gesetzet. […] Die Hattstetter-Marsch brach durch und bekam eine Wehle <strong>von</strong> 7<br />
Ruhten breit und 16 Ruhten tief […].“ (Laß 1750, zit. in LAAGE 1987:137f.).<br />
Innerhalb des Kompetenzbereiches „Fachwissen“ des Kerncurriculum Erdkunde an Gymnasi-<br />
en des Landes Nie<strong>der</strong>sachsen würde diese Unterrichtseinheit folgen<strong>der</strong> Vorgabe entsprechen:<br />
„Die Schülerinnen und Schüler erläutern die Notwendigkeit schadens- und risikomin<strong>der</strong>n<strong>der</strong><br />
Maßnahmen bei natürlichen Vorgängen (z.B. Vulkanismus, Erdbeben, Tsunami).“ (NIE-<br />
DERSÄCHSISCHES KULTUSMINISTERIUM 2008:12). Ebenso entspricht es innerhalb des<br />
Kompetenzbereiches „Beurteilung und Bewertung“ folgen<strong>der</strong> Vorgabe: „Die Schülerinnen<br />
und Schüler nennen Vor- und Nachteile des Lebens in <strong>von</strong> Naturkatastrophen bedrohten Sied-<br />
lungsräumen“; „bewerten natürliche Vorgänge in ihren Auswirkungen“ und „bewerten die<br />
Tragweite menschlicher Eingriffe in natürliche Systeme“ (NIEDERSÄCHSISCHES KUL-<br />
TUSMINISTERIUM 2008:17). Wichtige Beiträge werden ebenfalls zu den „fachübergreifen-<br />
den und fächerverbindenden Bildungsaufgaben“ des Faches <strong>Geographie</strong> im Bezug auf die<br />
Bildung für eine Nachhaltige Entwicklung geleistet, worauf unter dem Punkt 4.2.4 bereits<br />
eingegangen wurde (DGfG 2008:7).<br />
Die Schülerinnen und Schüler<br />
- kennen die physisch-geographischen Vorgänge bei <strong>der</strong> Entstehung <strong>von</strong> Sturmfluten.<br />
- kennen die Auswirkungen <strong>von</strong> Sturmfluten auf die betroffene Bevölkerung.<br />
- kennen die Bedeutung menschlicher Eingriffe in Bezug auf Auswirkungen <strong>von</strong> Natur-<br />
ereignissen.<br />
- nennen Unterschiede in den Folgen einer Sturmflut des 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts und heute.<br />
38
- vergleichen die Situation <strong>der</strong> Bevölkerung bei einer Überschwemmung in wirtschaft-<br />
lich schwachen Regionen mit einer heutigen Sturmflut an <strong>der</strong> Nordseeküste.<br />
4.2.6 Wandel <strong>der</strong> wirtschaftlichen Nutzungsformen an <strong>der</strong> nordfriesischen Küste<br />
An einigen Stellen <strong>der</strong> Novelle findet die landwirtschaftliche Nutzungsart <strong>der</strong> Küstenland-<br />
schaft Erwähnung. Mehrmals wird die bedeutende Schafzucht betont, so ist die Rede <strong>von</strong> ei-<br />
ner „weiten Weidefläche“, die sich direkt an <strong>der</strong> Landseite hinter dem Deich entlangzieht<br />
(STORM 2006:30). Durch die Planung des neuen Deiches entsteht ein neuer Koog mit neuem<br />
„Weide- und Kornland“, welchen <strong>der</strong> Deichgraf Hauke Haien zur „Vermehrung seiner Schaf-<br />
zucht“ nutzen will (STORM 2006:50/49). Die hohen Kosten für den neuen Deich sollen damit<br />
wie<strong>der</strong> eingebracht werden (vgl. STORM 2006:51).<br />
Die Bedeutung des Meeres für den Fischfang o<strong>der</strong> für die Schifffahrt fällt in <strong>der</strong> Erzählung<br />
keine Bedeutung zu, dabei lebten die damaligen Inselbewohner <strong>der</strong> Nordseeküste ausschließ-<br />
lich vom Wal- und Fischfang (vgl. NEUMANN-MAYER 1996:4). Menschliche Besiedlung<br />
fand am Geestrand statt, um die Marsch als landwirtschaftliche Nutzfläche nutzen zu können<br />
(vgl. DIERCKE HANDBUCH 2008:24) und als zusätzliche landwirtschaftliche Nutzfläche<br />
wurde dem Meer Land abgerungen (vgl. NEUMANN-MAYER 1996:4). Auf <strong>der</strong> Karte „Wat-<br />
tenküste“ im DIERCKE WELTATLAS (2008:28) ist erkennbar, dass die Marsch und die<br />
Geest auch heute noch für den Ackerbau o<strong>der</strong> als Wiese und Weide für die Viehzucht genutzt<br />
werden, dennoch hat die Wattenküste heutzutage noch an<strong>der</strong>e wirtschaftliche Bedeutungen.<br />
<strong>Der</strong> Massentourismus entwickelte sich ab Mitte <strong>der</strong> 1960er Jahre, die Zahl <strong>der</strong> Übernachtun-<br />
gen an <strong>der</strong> deutschen Nordseeküste stieg <strong>von</strong> 4,8 Mio. auf heute über 12 Mio. (vgl. BRÜ-<br />
CKER 1999:9). Eine weitere und neuere Form <strong>der</strong> Nutzung ist die <strong>der</strong> erneuerbaren Energien.<br />
So sind Winde an <strong>der</strong> Küste o<strong>der</strong> direkt über dem Meer am ergiebigsten, so dass diese Stand-<br />
orte für die Erzeugung <strong>von</strong> Windenergie genutzt werden. Seit 1987 entstand so im Kaiser-<br />
Wilhelm-Koog an <strong>der</strong> Elbmündung <strong>der</strong> erste deutsche Windenergiepark Wesküste (vgl.<br />
BREUER 1996:22). Es gilt dabei zu beachten, dass Arten- und Biotopschutz und das Land-<br />
schaftsbild immer mehr in den Fokus <strong>der</strong> Windkraftanlagengegner gelangen, so dass die Pla-<br />
nungen sich zunehmend Offshore-Windparks im Wattenmeer annehmen (vgl. BREUER<br />
1996:23). Als Unterrichtsmaterial bietet sich die Karte „Windenergie“ des DIERCKE WEL-<br />
TATLAS (2008:53) an.<br />
Zwar spielt die wirtschaftliche Nutzung <strong>der</strong> Küstenlandschaft im „Schimmelreiter“ nur eine<br />
sehr untergeordnete Rolle, dennoch bietet es sich für den <strong>Geographie</strong>unterricht an, den Wan-<br />
del <strong>der</strong> wirtschaftlichen Nutzung <strong>der</strong> nordfriesischen Küste <strong>von</strong> <strong>der</strong> Zeit Hauke Haiens, also<br />
39
des 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts, zu heute nachzuvollziehen. Dabei können im <strong>Geographie</strong>unterricht die<br />
Entwicklung sowie die Bedeutung des Tourismus für die Nordseeküste und die daraus resul-<br />
tierenden ökologischen und geomorphologischen Folgen für die Küstenlandschaften integriert<br />
werden (vgl. BRÜCKER 1999:9).<br />
Die Rechtfertigung dieser Thematik für den Unterricht könnte sich auf folgende Vorgaben im<br />
Kompetenzbereich „Fachwissen“ des Nie<strong>der</strong>sächsischen Kerncurriculums Erdkunde für<br />
Gymnasien: „Die Schülerinnen und Schüler erläutern Strukturverän<strong>der</strong>ungen durch den Tou-<br />
rismus“ (NIEDERSÄCHSICHES KULTUSMINISTERIUM 2008:13) sowie aus dem Kom-<br />
petenzbereich „Beurteilung und Bewertung“: Die Schülerinnen und Schüler bewerten Struk-<br />
turverän<strong>der</strong>ungen durch den Tourismus“ (NIEDERSÄCHSICHES KULTUSMINISTERIUM<br />
2008:17) beziehen.<br />
Lernziele: Die Schülerinnen und Schüler<br />
- erkennen den Wandel <strong>der</strong> Nutzung <strong>der</strong> Nordseeküste vom hauptsächlich Landwirt-<br />
schaft und Fischerei zu Nutzungen wie Tourismus und Windenergie.<br />
- beurteilen positive wie negative Folgen <strong>der</strong> touristischen Nutzung.<br />
4.2.7 Bildung <strong>von</strong> Landschaftsformen <strong>der</strong> Küste Nordfrieslands<br />
Ständig vertretene Bezeichnungen im „Schimmelreiter“ sind Fachbegriffe wie Marsch, Geest,<br />
und Haff, die dem „binnenländischen Leser“, vor allem <strong>der</strong> hier angesprochenen Zielgruppe<br />
<strong>der</strong> 7.- und 8.-Klässlern, kaum geläufig sein dürften (STORM 2006:112). <strong>Storm</strong> selbst fügte<br />
deshalb für eben jene am Ende seines Werkes einige Worterklärungen an. Dennoch o<strong>der</strong> ge-<br />
rade deswegen bietet sich hier die vom Kerncurriculum für die 7. und 8. Jahrgangsstufe ge-<br />
for<strong>der</strong>te Beschäftigung mit <strong>der</strong> glazialen Serie an, so dass die genannten Begriffe ausführlich<br />
geklärt werden können, denn die Landschaftsform Geest, Marsch und Wattenmeer entstanden<br />
durch glaziale Prozesse und postglaziale Überformungen (vgl. DIERCKE HANDBUCH<br />
2008:24).<br />
Als glaziale Serie wird eine „typische Abfolge eiszeitlicher Formungen“ bezeichnet, die da<br />
wären Grundmoräne, Endmoräne, San<strong>der</strong> und Urstromtal (KOPPE 2009). Die Grundmoräne<br />
ist eine flache, aber leicht hügelige Landschaft, die aus unter dem Gletscher abgelagertem<br />
Material besteht. Nach <strong>der</strong> Grundmoräne folgt die Endmoräne, die am Ende des Gletschers<br />
liegt und somit eine Anhäufung des mitgeschobenen Materials darstellt. Hinter <strong>der</strong> Endmorä-<br />
ne fließt das an <strong>der</strong> Unterseite des Gletschers geschmolzene Eis ab und lagert dort Material<br />
wie Ton, Sand und Geröll ab. Dies wird als San<strong>der</strong> bezeichnet. Im Urstromtal sammelt sich<br />
das Schmelzwasser des Gletschers und formten so die Landschaft meist parallel zur Endmo-<br />
40
äne (vgl. KOPPE 2009). Die eiszeitlichen Altmoränen <strong>der</strong> Saale-Eiszeit in Schleswig-<br />
Holstein werden heute als Geest bezeichnet (vgl. MEIER 2010:39). Das Inlandeis aus <strong>der</strong><br />
Saaleeiszeit, welches <strong>von</strong> Skandinavien aus Richtung Süden vorstieß, hinterließ eine Grund-<br />
moränenlandschaft (vgl. DIERCKE HANDBUCH 2008:14), welche während <strong>der</strong> Weichsel-<br />
eiszeit durch Schmelzwasserinnen zerschnitten und aufgrund <strong>von</strong> Sedimentation in eine<br />
„flachwellige Landschaft“ abgeflacht wurden (KLEINELÜMERN o.J.). Die Jungmoränen-<br />
landschaften, die höher gelegen sind und sich durch ein ausgeprägteres Relief auszeichnen,<br />
sind aus <strong>der</strong> letzten Eiszeit, <strong>der</strong> Weiseleiszeit, entstanden (vgl. KLEINELÜMERN 2011).<br />
Die Marschen dagegen sind landwärts des Watts durch Sedimentation <strong>von</strong> Schlickpartikeln<br />
und Feinsand entstanden, welche durch die Gezeiten angespült werden (vgl. SEIDEL 2006).<br />
Dies wird durch das flache Relief und des mit <strong>der</strong> Tide regelmäßigen Trockenheit des Watts<br />
begünstigt (vgl. DIERCKE HANDBUCH 2008:14). Die heutige Marsch ist demnach aus<br />
ehemaligen Wattflächen entstanden (vgl. DIERCKE HANDBUCH 2008:14). Dieses Vorge-<br />
hen kann durch das Ansiedeln <strong>von</strong> Pflanzen geför<strong>der</strong>t werden. Ebenfalls kann auf höheren<br />
Flächen eine Salzwiese durch Gräser und an<strong>der</strong>e Pflanzen gebildet werden. Bei Überspülun-<br />
gen <strong>von</strong> Sturmfluten können diese Salzwiesen weiter anwachsen, bis zu einem Meter über die<br />
mittlere Hochwasserlinie, wodurch eine Landschaft entsteht, die gut zur Landwirtschaft ge-<br />
nutzt werden kann (vgl. SEIDEL 2006). Durch Trockenlegungen können sehr fruchtbare Bö-<br />
den für die Landwirtschaft entstehen. Durch Eindeichungen <strong>der</strong> Marsche (Koog) sinken große<br />
Regionen des Marschlandes, an <strong>der</strong> tiefsten Stelle bis zu 3,5 Meter, unter den Meeresspiegel<br />
(vgl. SEIDEL 2006). Weiterhin können dabei Fachbegriffe wie „Schlick“ und „Haff“ erlernt<br />
werden. Die verschiedenen Oberflächenformen Norddeutschlands und die Verteilung <strong>von</strong><br />
Marsch und Geest sind anhand <strong>von</strong> Abbildung 11 zu erkennen (siehe Anhang).<br />
Die Beschäftigung mit diesem Thema geht nicht unmittelbar aus dem „Schimmelreiter“ her-<br />
vor, kann jedoch trotzdem in Verbindung mit diesem gebracht werden, denn gerade auch das<br />
Fachwissen über die glaziale Serie vermittelt Fachbegriffe wie Geest ähnliche, die dem Lese-<br />
verständnis des „Schimmelreiters“ nur för<strong>der</strong>lich sein können. Beson<strong>der</strong>s vor dem Hinter-<br />
grund des Kerncurriculum Erdkunde für Gymnasien des Landes Nie<strong>der</strong>sachsen, in dem es für<br />
das Ende <strong>von</strong> Schuljahrgang 8 heißt: „Die Schülerinnen und Schüler charakterisieren Land-<br />
schaftselemente des norddeutschen Tieflandes als Ergebnisse eiszeitlicher Prozesse (glaziale<br />
Serie)“, erscheint eine Verknüpfung mit dem Unterrichtsprojekt des „Schimmelreiters“, wel-<br />
che ebenfalls für die 7. o<strong>der</strong> 8. Klasse vorgesehen ist, sehr sinnvoll (NIEDERSÄCHSI-<br />
SCHEN KULTUSMINISTERIUM 2008:12). Die Beschäftigung mit <strong>der</strong> Glazialen Serie fin-<br />
det beson<strong>der</strong>s vor dem Hintergrund des „reflektierten Heimatbewusstseins“ Legitimation,<br />
41
denn glaziale Prozesse sind auch in Nie<strong>der</strong>sachsen nachzuvollziehen, dem Heimatraum <strong>der</strong><br />
hier angesprochenen Schülerinnen und Schüler.<br />
Lernziele: Die Schülerinnen und Schüler<br />
- verstehen Abfolge und Formen <strong>der</strong> Glazialen Serie.<br />
- beschreiben die Entstehung <strong>der</strong> Geest durch eiszeitliche Formungen.<br />
- beschreiben die Entstehung <strong>der</strong> Marsch.<br />
5. Fazit und Ausblick<br />
Im einleitenden theoretischen Teil dieser Arbeit konnte anhand <strong>von</strong> Fachliteratur einen Defi-<br />
nition des fächerverbindenden Unterrichts gezeigt werden und welche Vorteile ein solches<br />
Unterrichtsprinzip, vor allem für die Thematisierung <strong>von</strong> Schlüsselproblemen und die Ver-<br />
mittlung <strong>von</strong> Schlüsselkompetenzen mit sich bringen kann. Auch wurde aufgeworfen, wie<br />
durch Fächerzusammenarbeit <strong>der</strong> Fächer <strong>Geographie</strong> und Deutsch eine größere Schülerorien-<br />
tierung geschaffen werden kann. Anhand <strong>von</strong> praktischen Beispielen des fächerverbindenden<br />
<strong>Geographie</strong>- und Deutschunterrichts konnten Anregungen für die Umsetzung solcher fächer-<br />
verbindenden Projekte gegeben werden. Dabei stellte sich heraus, dass vor allem durch den<br />
Aufbau des Faches <strong>Geographie</strong> dieser Fachwissenschaft gute Möglichkeiten zur Einbindung<br />
an<strong>der</strong>er Fächer gegeben sind. Anhand <strong>der</strong> dargestellten Möglichkeiten zur Verbindung <strong>der</strong><br />
Fächer Deutsch und <strong>Geographie</strong> wurde veranschaulicht, dass dabei bestimmter, ausgewählter<br />
Literatur und somit auch dem Deutschunterricht durch das Erlesen <strong>von</strong> (geographischem)<br />
Wissen eine große Rolle für eine solche Fächerzusammenarbeit zukommen kann.<br />
Konkretisiert wurde ein solches Beispiel anhand des „Schimmelreiters“, <strong>der</strong> üblicherweise im<br />
Deutschunterricht gerne gelesen wird, aber auch mehrere geographische Bezüge herzustellen<br />
vermag. So können Themen wie Nordfriesland im Allgemeinen, Küstenschutz, Deichbau,<br />
Wattenmeer und Naturgefahren mithilfe des „Schimmelreiters“ in den <strong>Geographie</strong>unterricht<br />
eingebunden werden. Seitens <strong>der</strong> Lehrkraft ist darauf zu achten, dass das Werk „<strong>Der</strong> Schim-<br />
melreiter“ nicht nur im Deutschunterricht, son<strong>der</strong>n tatsächlich auch im <strong>Geographie</strong>unterricht<br />
aktiv in den Unterricht miteinbezogen wird und fachwissenschaftliche Inhalte immer in einen<br />
Bezug zum „Schimmelreiter“ gesetzt werden. Weiterhin bietet sich parallel zu den in dieser<br />
Arbeit vorgestellten Ideen zum „Schimmelreiter“ Untersuchungen zu Aspekten wie bei-<br />
spielsweise den Gezeiten o<strong>der</strong> die Bildung <strong>der</strong> verschiedenen Küstenformen an, welche in <strong>der</strong><br />
vorliegenden Arbeit allerdings nicht mehr berücksichtigt werden konnten. In weiterführenden<br />
Untersuchungen könnten die zwischenmenschlichen Aspekte des „Schimmelreiters“ näher<br />
beleuchtet werden und inwieweit <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>stand <strong>der</strong> Dorfbewohner gegen Hauke Haien und<br />
42
seinen neuen Deich, welcher zum Teil auf technisches Unverständnis und Aberglaube <strong>der</strong><br />
Dorfbewohner zurückzuführen ist, auf die Situation heutiger Entwicklungshelfer übertragbar<br />
ist, welche sich teilweise mit sich aus kulturellen Gründen <strong>der</strong> einheimischen Bevölkerung<br />
ergebenen Hin<strong>der</strong>nissen auseinan<strong>der</strong>setzen müssen.<br />
Insgesamt konnte ebenfalls festgestellt werden, dass das Unterrichtsprojekt über den<br />
„Schimmelreiter“ mit mehreren laut dem betreffenden Kerncurriculum zu vermittelnden<br />
Kompetenzen sowie mit den Bildungsstandards <strong>der</strong> DGfG vereinbart werden kann. Dass die<br />
Fähigkeiten im Kompetenzbereich „Fachwissen“ ausreichend auf die 7. und 8. Klasse zuge-<br />
schnitten sind, wurde bereits gezeigt. Hauptaufgabe des <strong>Geographie</strong>unterrichts soll dabei laut<br />
den Bildungsstandards <strong>der</strong> DGfG darin bestehen, die Fähigkeit zu vermitteln, „Entwicklungen<br />
und Problemstellungen in Räumen zu untersuchen, bei denen naturgeographische und hu-<br />
mangeographische Faktoren in ihrem Zusammenwirken betrachtet werden“, was ebenso eine<br />
„wesentliche Grundlage <strong>der</strong> Bildung für eine nachhaltige Entwicklung“ und damit auch für<br />
die Umweltbildung, darstellt (DGfG 2008:12). Es wurde gezeigt, dass das Zusammenwirken<br />
<strong>von</strong> naturgeographischen und humangeographischen Faktoren im Bezug auf dieses Unter-<br />
richtsprojekt eine große Rolle spielt. Weiterhin bestehen bei ausformulierenden Unterrichts-<br />
entwürfen vielfältige Möglichkeiten, Standards <strong>der</strong> Kompetenzbereiche „Räumliche Orientie-<br />
rung“ sowie „Erkenntnisgewinnung/Methoden“ o<strong>der</strong> „Kommunikation“ in den <strong>Geographie</strong>-<br />
unterricht über den „Schimmelreiter“ zu integrieren. Innerhalb mehrerer Themen, wie Natur-<br />
katastrophen, Entwicklung des Tourismus und dessen Folgen sowie Ökosystem Wattenmeer<br />
und Folgen des Küstenschutzes kann in Verbindung mit dem „Schimmelreiter“ auf Standards<br />
<strong>der</strong> Kompetenzbereiche „Beurteilung/Bewertung“ sowie „Handlung“ eingegangen werden. So<br />
heißt es im Kompetenzbereich „Handlung“ <strong>der</strong> Bildungsstandards für den <strong>Geographie</strong>unter-<br />
richt, die Schülerinnen und Schüler sollen „ein Grundverständnis <strong>der</strong> Natursysteme und <strong>der</strong><br />
Folgen <strong>von</strong> Eingriffen“ erwerben und „unter Einbeziehung anthropogener Aspekte eine Sen-<br />
sibilität für die Bedrohung <strong>von</strong> Naturräumen durch den Menschen auf <strong>der</strong> einen Seite sowie<br />
die Gefährdung <strong>von</strong> Menschen durch Georisiken auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite entwickeln“ (DGfG<br />
2008:27). Dadurch soll unter an<strong>der</strong>em erreicht werden, dass sich die Schülerinnen und Schü-<br />
ler „für die Vielfalt <strong>von</strong> Natur und Kultur im Heimatraum und an<strong>der</strong>en Lebenswelten“ inte-<br />
ressieren sowie „für geographisch relevante Probleme auf lokaler, regionaler, nationaler und<br />
globaler Maßstabsebene“ (DGfG 2008:28). Deutlich wird hierbei, dass <strong>der</strong> Erwerb dieser<br />
Kompetenzen durch die Arbeit am „Schimmelreiter“ unter geographiedidaktischen Gesichts-<br />
punkten sichergestellt werden kann, da das Hauptthema des „Schimmelreiters“ die Beziehung<br />
<strong>von</strong> Mensch und Natur darstellt. Ebenfalls erlangen die Schülerinnen und Schüler das durch<br />
die „Bildungsstandards im Fach <strong>Geographie</strong>“ gefor<strong>der</strong>te reflektierte Heimatbewusstsein, da<br />
43
<strong>der</strong> Raum Nordsee unter verschiedenen Perspektiven betrachtet wird: „als konkret-dingliche,<br />
als thematisch geordnete/systematisierte, als individuelle wahrgenommene o<strong>der</strong> als sozial<br />
konstruierte Räume“ (DGfG 2008:6). Durch sinnvolle Vergleiche dieses Nahraumes mit<br />
Fernthemen, wie beispielsweise beim Thema Hochwasser aufgeführt, können unter dem Be-<br />
griff des Heimatprinzips „allgemeine Erkenntnisse“ und vernetzendes Denken“ geför<strong>der</strong>t<br />
werden (RINSCHEDE 2007:182f.). Ebenfalls wurde darauf geachtet, dass innerhalb <strong>der</strong> vor-<br />
geschlagenen Themen das „typische erdkundliche Unterrichtsprinzip“, das „Prinzip <strong>der</strong> Aktu-<br />
alität“ und damit „die Berücksichtigung gegenwartsnaher Ereignisse im Unterricht“ integriert<br />
werden können (RINSCHEDE 2007:185).<br />
Darüber hinaus bietet eine fächerverbindende Arbeit mit dem „Schimmelreiter“ im Geogra-<br />
phie- und Deutschunterricht mehrere Ansatzpunkte, zusätzlich an<strong>der</strong>e Fächer mit einzubezie-<br />
hen. Denkbar wäre eine Kooperation mit dem Fach Geschichte über das Leben <strong>der</strong> Marsch-<br />
bewohner im verschiedenen Zeiträumen, wie im 18. Jahrhun<strong>der</strong>t, o<strong>der</strong> einen Bezug zum Fach<br />
Biologie aufgrund des Themas Ökosystem Wattenmeer. Die beste Vertiefung <strong>der</strong> gelernten<br />
geographischen Inhalte könnte sicherlich durch eine Exkursion mit den Schülerinnen und<br />
Schülern an die Nordseeküste Nordfriesland erreicht werden.<br />
Aufbauend auf den <strong>der</strong> vorherigen Darstellungen dieser Arbeit kann die Vermutung geäußert<br />
werden, dass beide Fächer <strong>Geographie</strong> und Deutsch, <strong>von</strong> <strong>der</strong> Durchführung eines solchen<br />
fächerverbindenden Unterrichts einen Nutzen ziehen können. So stellt es sicherlich eine große<br />
Belastung für den Deutschunterricht dar, dass die Schülerinnen und Schüler oft das Gefühl<br />
haben, die alten „Klassiker“ des Deutschunterrichtes, die bereits seit Jahrzehnten in <strong>der</strong> Schu-<br />
le gelesen werden, verbindet wenig mit ihrer heutigen Lebenswelt beziehungsweise mit <strong>der</strong><br />
Literatur, die sie in ihrer Freizeit gerne lesen. Dies könnte auch auf den „Schimmelreiter“<br />
zutreffen, dessen Erschaffung über hun<strong>der</strong>t Jahre zurückliegt und welcher in einer Zeit vor<br />
über 250 Jahren spielt. Es ist zu erwarten, dass durch den Einsatz des „Schimmelreiters“ im<br />
<strong>Geographie</strong>unterricht und demnach durch den Bezug zu physisch-geographischen Themen<br />
das Interesse <strong>von</strong> Schülerinnen und Schülern an <strong>der</strong> Lektüre angehoben werden kann. <strong>Der</strong><br />
<strong>Geographie</strong>unterricht vermag die Schil<strong>der</strong>ungen des „Schimmelreiters“ mit heute aktuellen<br />
Begebenheiten zu verknüpfen, beispielsweise mit Hilfe des Themas Naturkatastrophen, so<br />
dass die Schülerinnen und Schüler für sich persönlich eher einen Sinn in <strong>der</strong> Beschäftigung<br />
mit dem „Schimmelreiter“ auch im Deutschunterricht erkennen können und ein stärkeres Inte-<br />
resse für diese Lektüre entwickeln. Weiterhin erlangen die Schülerinnen und Schüler durch<br />
den <strong>Geographie</strong>unterricht wichtiges Hintergrundwissen über die genannten Themen, welches<br />
ihnen auch im Deutschunterricht beim Verständnis über die Zusammenhänge <strong>der</strong> Erzählung<br />
weiterhilft. Die Schülerinnen und Schüler lernen dabei Aspekte des „Schimmelreiters“ ken-<br />
44
nen, mit denen sie ansonsten im reinen Deutschunterricht sicherlich nicht in Berührung ge-<br />
kommen wären, die ihnen aber dennoch bei Aufgabenbearbeitung und Kompetenzerwerb im<br />
Deutschunterricht zugute kommen. So erfahren sie beispielsweise <strong>von</strong> den Konsequenzen, die<br />
eine Sturmflut für die betroffene Bevölkerung im 18. Jahrhun<strong>der</strong>t mit sich bringt und können<br />
dieses Wissen in Textinterpretationen o<strong>der</strong> einer Charakterisierung <strong>von</strong> Hauke Haien, eventu-<br />
ell im Zusammenhang mit seinem Suizid, einfließen lassen. Denkbar wäre, dass die Schüle-<br />
rinnen und Schüler ohne das Hintergrundwissen über die verheerenden Auswirkungen einer<br />
Sturmflut, gerade auch im 18. Jahrhun<strong>der</strong>t, nicht in <strong>der</strong> Lage wären zu verstehen, weshalb<br />
Hauke Haien sich aufgrund des Deichbruches so schuldig und verzweifelt fühlt. Ein an<strong>der</strong>es<br />
Beispiel wäre die Thematisierung des Deichbaus. Im <strong>Geographie</strong>unterricht erfahren die Schü-<br />
lerinnen und Schüler, weshalb <strong>der</strong> neue Deich des Deichgrafen standhafter ist als <strong>der</strong> alte<br />
Deich und können dieses Wissen ebenfalls für ein besseres Textverständnis anwenden. Dieses<br />
Prinzip lässt sich auf alle vorgeschlagenen Themenbereiche für den <strong>Geographie</strong>unterricht in<br />
Bezug auf den „Schimmelreiter“ anwenden.<br />
Im Gegenzug kann auch <strong>der</strong> <strong>Geographie</strong>unterricht Vorzüge aus dieser Fächerkooperation zie-<br />
hen. Wie unter Punkt 3.3 bereits erläutert wurde, wird es in <strong>der</strong> Fachliteratur insgesamt als<br />
vorteilhaft angesehen, Wissensvermittlung in allen Fächern mit Literatur zu verknüpfen. Ent-<br />
sprechende Erfolge sind sicherlich auch bei einer praktischen Umsetzung eines fächerverbin-<br />
denden Unterrichts über den „Schimmelreiter“ zu erwarten. Die Schülerinnen und Schüler<br />
verfolgen mit <strong>der</strong> Lektüre des „Schimmelreiters“ das ganze Leben Hauke Haiens, ahnen be-<br />
reits früh die Katastrophe an Ende und erleben schlussendlich seinen Untergang. Damit ist es<br />
naheliegend, dass sie sich auch für die Hintergründe <strong>der</strong> Erzählung interessieren und gerne<br />
näheres darüber in Erfahrung bringen wollen. Schülerinnen und Schüler können somit durch<br />
einen Bezug zur Lektüre des „Schimmelreiters“ ein Interesse an physisch-geographischen<br />
Themen entwickeln. Zum Beispiel stellt sich das Interesse <strong>von</strong> Schülerinnen an physisch-<br />
geographischen Themen als deutlich höher heraus, wenn diese in einen lebensweltlichen Kon-<br />
text dargestellt werden, gerade auch durch Erlebnisberichte, zu denen <strong>der</strong> „Schimmelreiter“<br />
im weitesten Sinne gezählt werden kann (vgl. REINFRIED 2006:56). Hilfreich könnte sich<br />
unter diesem Aspekt die außergewöhnlich spannende Erzählweise <strong>Storm</strong> erweisen. Gescheh-<br />
nisse und Orte werden so detailreich und ausgeschmückt beschrieben, dass <strong>der</strong> Leser sich alle<br />
Vorgänge und Landschaften genauestens vorstellen kann und sein Gefühl dabei angesprochen<br />
wird. Somit wird es zur Selbstverständlichkeit, dass <strong>der</strong> Leser nach <strong>der</strong> Lektüre genaueres<br />
über die Schauplätze und Hintergründe <strong>der</strong> Novelle erfahren möchte. Nützlich für die Lernin-<br />
halte im <strong>Geographie</strong>unterricht ist ferner <strong>Storm</strong>s ausführliche Recherche über historische<br />
Sturmfluten, technische Daten des Deichbaus o<strong>der</strong> Küstenverlauf im 18. Jahrhun<strong>der</strong>t. Damit<br />
45
schil<strong>der</strong>t er die Erzählung sehr wirklichkeitsnah, worauf sich bei <strong>der</strong> Vermittlung <strong>von</strong> fach-<br />
wissenschaftlichen Inhalten im <strong>Geographie</strong>unterricht gut aufbauen lässt. Somit konnte auf<br />
theoretischer Basis festgestellt werden, dass die Durchführung eines fächerverbindenden Pro-<br />
jektes für alle beteiligten Fächer eine große Bereicherung darstellen könnte. Für einen tatsäch-<br />
lichen Einsatz des „Schimmelreiters“ im fächerverbindenden <strong>Geographie</strong>- und Deutschunter-<br />
richt sollte durch die Praxis herausgefunden werden, inwieweit sich die vermuteten Vorteile<br />
für den <strong>Geographie</strong>- und Deutschunterricht tatsächlich erkennen lassen. Problematisierend<br />
könnte an dieser Stelle aufgeworfen werden, dass die genannten positiven Wirkungen des<br />
„Schimmelreiters“ zur Motivation <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler natürlich genauso auch ent-<br />
gegen den Erwartungen verlaufen können. So gilt für weiterführende Untersuchungen zu die-<br />
sem Thema zu ermitteln, ob einige Schülerinnen und Schüler eine Ablehnung gegen das in<br />
beiden Unterrichtsfächern häufig wie<strong>der</strong>holte Besprechen und Thematisieren des „Schimmel-<br />
reiters“, entwickeln könnten und eventuell aufgrund zu vermissen<strong>der</strong> Abwechselung seitens<br />
<strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler auf diese Weise das Gegenteil einer höheren Schülermotivation<br />
zu erwarten wäre. Allgemein sollte beachtet werden, dass eine solche Unternehmung nur un-<br />
ter hohem organisatorischem Aufwand seitens <strong>der</strong> Lehrkräfte zu bewerkstelligen ist, die sich<br />
bezüglich <strong>der</strong> Inhalte und des zeitlichem Ablaufs <strong>der</strong> Fächerzusammenarbeit genauestens ab-<br />
sprechen müssen. Diese organisatorische Schwierigkeit ist durchaus kritisch anzusehen. So ist<br />
zu erwarten, dass beispielsweise die erstmalige Thematisierung <strong>der</strong> glazialen Serie mehrere<br />
Unterrichtsstunden in Anspruch nehmen wird und somit nicht mehr gleichzeitig mit den ande-<br />
ren Themen im Unterrichtsvorhaben über den „Schimmelreiter“ anzuwenden ist. Sollte die<br />
glaziale Serie aber bereits in vorherigen Unterrichtseinheiten außerhalb des „Schimmelreiter“-<br />
Projektes vollständig durchgenommen worden sein, bietet sich hier eine Wie<strong>der</strong>holung und<br />
Auffrischung <strong>der</strong> Kenntnisse an.<br />
Schlussendlich gilt es die Annahme zu betonen, dass seitens <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler ein<br />
im Allgemeinen eher ein starkes Interesse an <strong>der</strong> gesamten Thematik über die Nordsee zu<br />
erwarten ist, da an die Alltagserfahrungen einiger Schülerinnen und Schüler angeknüpft wer-<br />
den kann. Mit großer Wahrscheinlichkeit war ein Großteil <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler <strong>der</strong><br />
7. und 8. Klassenstufe selbst bereits einmal an <strong>der</strong> Nordsee und können dadurch ein größeres<br />
Vorstellungsvermögen ausbilden und ihre eigenen Beobachtungen und Erfahrungen in die im<br />
Unterricht bearbeiteten Sachverhalte einfließen lassen. Zur Motivation dürfte ebenfalls beitra-<br />
gen, dass die Schülerinnen und Schülern beim nächsten Familienurlaub an <strong>der</strong> Nordseeküste<br />
mit ihrem umfangreichen Wissen über Deichbau, Wattenmeer, Tourismus, Sturmfluten und<br />
glazialer Serie vor ihren Eltern und Geschwistern glänzen können.<br />
46
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nach LAAGE 1987<br />
Abbildung 3: <strong>Der</strong> „Nie koog” vor <strong>der</strong> Hattstedter Marsch im<br />
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Quelle : STORM GESELLSCHAFT 2011<br />
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Abbildung 8: Landschaftselemente und Küstenschutz in Schleswig-<br />
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55
Abbildung 9: Nordstran<strong>der</strong> Bucht - Küstenschutz und ökologische Folgen<br />
Quelle: DIERCKE WELTATLAS 2008:28; entnommen aus:<br />
http://www.diercke.de/kartenansicht.xtp?artId=3-14-100700-8&seite=28&kartennr=2<br />
56
Abbildung 10: Nationalparke im Wattenmeer – Schutzgebiete und Wirtschaftsräume<br />
Quelle: HAACK WELTATLAS 2008:25; entnommen aus:<br />
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Online&artikel_id=262053&inhalt=kss_klett01.c.133609.de<br />
57
Abbildung 11: Oberflächenformen in Norddeutschland<br />
Quelle: HAACK WELTATLAS 2008:24; entnommen aus:<br />
http://www.klett.de/sixcms/list.php?page=Infothek_artikel&extra=Haack%20Weltatlas-<br />
Online&artikel_id=262050&inhalt=kss_klett01.c.133609.de<br />
58
Erklärung<br />
Hiermit erkläre ich an Eides statt gegenüber den Geographischen Instituten <strong>der</strong> Gottfried Wil-<br />
helm Leibniz Universität Hannover, dass die vorliegende, dieser Erklärung angefügte Arbeit<br />
"<strong>Der</strong> Schimmelreiter" <strong>von</strong> <strong>Theodor</strong> <strong>Storm</strong> – Didaktische Überlegungen zum fächerverbinden-<br />
den Unterricht aus geographischer Perspektive selbständig und nur unter Zuhilfenahme <strong>der</strong><br />
im Literaturverzeichnis genannten Quellen und Hilfsmittel angefertigt wurde. Alle Stellen <strong>der</strong><br />
Arbeit, die an<strong>der</strong>en Werken dem Wortlaut o<strong>der</strong> dem Sinn nach entnommen wurden, sind<br />
kenntlich gemacht.<br />
Die Arbeit wurde in dieser o<strong>der</strong> ähnlicher Form bisher keiner Prüfungsbehörde vorgelegt und<br />
auch noch nicht veröffentlicht.<br />
Hannover, den 19. Juli 2011<br />
59