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Download - Wanderreiten im Spessart

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MAIN-ECHO VOM SAMSTAG / SONNTAG, 20. / 21. OKTOBER 2012<br />

WOCHENENDMAGAZIN<br />

WOCHENEND MAGAZIN<br />

Essen &Trinken<br />

Rosenkohl ist gesund<br />

und vielseitig S. 3<br />

Langsamkeit ist Trumpf<br />

Kinder-Echo Paula Print<br />

singt in der Kleinosthe<strong>im</strong>er<br />

Grundschule S. 8<br />

Freizeit: <strong>Wanderreiten</strong> erschließt einem ganz neue Blickwinkel auf altbekannte Dinge – Anbieter auch <strong>im</strong> <strong>Spessart</strong><br />

Von Bettina Kneller<br />

Das Pferd schnaubt – aus seinem<br />

tiefsten Inneren. Es scheint zufrieden,<br />

eins mit sich, der Welt und<br />

seinem Reiter. Der Waldweg federt<br />

weich unter den Hufen. Vögel flattern<br />

ganz oben in den Wipfeln<br />

der<br />

Bäume,<br />

irgendwo<br />

in der<br />

Nähe ruft<br />

ein<br />

Käuzchen. Der Wald ist dicht, kaum<br />

dringen Sonnenstrahlen durch das<br />

Geäst, bringen Winde die Zweige zum<br />

Wippen. Ab und zu schwirrt ein Insekt<br />

durch die Luft. Sonst ist es still.<br />

Traumhaft still. So schwebt man dahin.<br />

Getragen von der Natur und einem<br />

Tier.<br />

Stunde um Stunde geht das so. Mal<br />

schneller, mal langsamer, aber in genau<br />

diesem Rhythmus. Zwei Tage stehen<br />

bevor. Und jeder Tag wird gleich<br />

beginnen. Im Morgengrauen<br />

raus, die<br />

Pferde von der Koppel holen, Beine<br />

und Hufe kontrollieren, putzen, satteln,<br />

aufsitzen und los. Gemächlich ist<br />

das Tempo, hauptsächlich geht es <strong>im</strong><br />

Schritt durch die Landschaft. Genießen<br />

mit allen Sinnen ist be<strong>im</strong> <strong>Wanderreiten</strong><br />

angesagt. Und da ist Langsamkeit<br />

Trumpf. Nur ab und zu wird<br />

etwas getrabt oder galoppiert, um die<br />

Pferde- und Menschenrücken zu lockern.<br />

Und wo die Wege für ein Reitpferd<br />

zu steil oder unwegsam werden,<br />

wird auch mal geführt. Über Stock und<br />

Stein ist das sicherer und bequemer für<br />

Reiter und Tier.<br />

Chef Burkhard Mahlmeister legt gerade<br />

einen Sattel auf den Rücken eines<br />

seiner Wanderreitpferde. Der Andalusiermix<br />

Sultan steht ganz ruhig,<br />

wackelt nicht mit einem Ohr. Ganz<br />

vierbeiniger Wanderreitprofi kennt er<br />

seine Aufgaben ganz genau. Aufregung<br />

und Nervosität wären kontraproduktiv.<br />

Reitgast Reinhold Voigt<br />

steht daneben, schaut zu. »Er ist ein<br />

ruhiger Vertreter, kann aber auch<br />

spritzig werden«, erläutert Mahlmeister.<br />

»Das mag ich, das ist genau der<br />

Richtige für mich«, freut sich Voigt.<br />

Lesen Sie weiter auf Seite 2<br />

Reise Der Alcázar von<br />

Sevilla: Die Harmonie<br />

von Architekturen S. 4<br />

Mensch und Tier <strong>im</strong> Einklang mit sich und der Natur: Durch Wiesen und Felder ist die Wanderreitergruppe in Richtung Hauenstein unterwegs. Foto: Harald Hufgard<br />

Besonders wichtig<br />

bei Wanderritten:<br />

sorgfältiges Satteln.<br />

Burkhard Mahlmeister<br />

bereitet Sultan für die<br />

Tagesetappe vor.<br />

Foto: Gudrun Breier<br />

Hintergrund: <strong>Wanderreiten</strong><br />

Im Mittelalter reisten Wohlhabende<br />

und Vornehme zu Pferd ähnlich wie<br />

heutige Wanderreiter, <strong>im</strong> Unterschied<br />

zum gemeinen Volk, das zu Fuß ging.<br />

Selbst Goethe pflegte zu unterschiedlichsten<br />

Anlässen lange Strecken <strong>im</strong><br />

Sattel zurückzulegen<br />

Anbieter für das <strong>Wanderreiten</strong> gibt es<br />

einige <strong>im</strong> <strong>Spessart</strong>. Burkhard Mahlmeister<br />

ist nur einer von ihnen. »<strong>Wanderreiten</strong>,<br />

also das Reisen zu Pferd, heißt für<br />

mich Erdung. Das Pferd als Partner ist<br />

dabei die Brücke zwischen Mensch und<br />

Natur. Es bringt uns unglaublich schnell in<br />

einen eigenen Rhythmus, holt uns weg<br />

Flott durch den Wald: Auf dem Weg zur Rückersbacher Schlucht. Foto: Andrea Schaer<br />

Kleinere Reparaturen erledigt der Rittführer<br />

selbst. Foto: Harald Hufgard<br />

von Terminen, Smartphone, E-Mails, Facebook<br />

und Co.<br />

Mein schönstes Erlebnis be<strong>im</strong> <strong>Wanderreiten</strong><br />

hatte ich, als ich vor ein paar Jahren <strong>im</strong> Januar<br />

zum Reiten <strong>im</strong> Schweizer Engadin bei<br />

dem befreundeten Wanderreitbetrieb von<br />

Men Juon war. Am dritten Tag – es war<br />

gerade Vollmond – wurde der Beschluss<br />

für einen nächtlichen Ausritt gefasst. Wir<br />

starteten um 23 Uhr in den angrenzenden<br />

Naturpark mit einer Gruppe von zwölf Reitern.<br />

Die klare, eisige Luft und Stille – nur<br />

das Knirschen des Schnees unter den Hufen<br />

und das gelegentliche Schnauben der<br />

Pferde war zu hören. Der Vollmond am<br />

Mittagsrast auf dem historischen Hofgut<br />

Hauenstein. Foto: Andrea Schaer<br />

wolkenlosen H<strong>im</strong>mel beleuchtete die<br />

traumhafte Kulisse aus Bergen, Tälern und<br />

Tannenwäldern und brachte den Schnee<br />

millionenfach zum Glitzern«, beschreibt der<br />

48-jährige Geländerittführer der Deutschen<br />

Wanderreitakademie (DWA) die<br />

Faszination des <strong>Wanderreiten</strong>s.<br />

Mahlmeister ist Präsidiumsmitglied der<br />

DWA. Anfang August führte er die<br />

Deutschland-Stafette der DWA von<br />

Aschaffenburg bis nach Heidelberg. Er<br />

besitzt sechs eigene Pferde. Unter dem<br />

Motto »Reiten, Genießen, Erleben« betreibt<br />

er einen Wanderreitbetrieb in Mömbris<br />

(www.wanderreiten-spessart.de).


2 |WOCHENENDMAGAZIN<br />

Seit 16 Jahren bietet Mahlmeister<br />

Reittouren durch den <strong>Spessart</strong> an. Er<br />

begleitet die Ritte, stellt seine sorgfältig<br />

ausgebildeten Pferde Reitgästen zur<br />

Verfügung, seine Frau Doris versorgt<br />

unterwegs Tier und Mensch, fährt von<br />

Station zu Station, reicht einen Bügeltrunk,<br />

deckt den Tisch <strong>im</strong> Grünen unter<br />

Bäumen und serviert liebevoll bereitete<br />

Leckereien.<br />

Sorgsam glättet der gebürtige Würzburger,<br />

der eineMarkendialogagentur<br />

betreibt, die<br />

dicke Unterlage,<br />

bevor er<br />

den gepflegten<br />

Sattel sanft auf<br />

den Rücken des<br />

Tieres gleiten<br />

lässt. Dann gurtet<br />

er vorsichtig an,<br />

führt das Pferd<br />

ein paar Schritte<br />

<strong>im</strong> Paddock und<br />

fixiert den Sattel<br />

endgültig. »Das<br />

ist extrem wichtig,<br />

sonst könnte<br />

das Pferd leicht<br />

einen Satteldruck bekommen und<br />

müsste pausieren«, sagt der 48-Jährige.<br />

In den dicken Packtaschen rechts<br />

und links vom Sattel finden Proviant,<br />

Wasser, Futtersäcke, Erste-Hilfe-<br />

Beutel, Notbeschlagwerkzeug und Regenmantel<br />

Platz. So sind Mahlmeister<br />

und seine fünf Mitreiter für jede Überraschung<br />

auf ihrem zweitägigen Ritt<br />

gerüstet – sei es ein Unwetter oder ein<br />

verlorenes Hufeisen.<br />

Als die Gruppe loszieht, wird noch<br />

eifrig gesprochen und lustig erzählt. Mit<br />

der Zeit aber kehrt Ruhe ein. Und jeder<br />

findet seinen eigenen Takt. Ver-<br />

schmilzt allmählich mit seinem Pferd.<br />

Geht ein auf die kleinen Eigenheiten<br />

des Tieres, spürt mal dahin, mal dorthin.<br />

Und wird langsam zu einer zuckelnden<br />

Einheit, eingehüllt von der<br />

zauberhaften Natur. Die Gedanken<br />

beruhigen sich, die Bilder <strong>im</strong> Kopf<br />

schweigen. Und plötzlich merkt man,<br />

wie man loslässt und sich innerlich befreit.<br />

Vom Alltag und seinen Sorgen,<br />

von der Familie dahe<strong>im</strong>, vom Bürodasein<br />

hinter einem Schreibtisch.<br />

Alles<br />

wird<br />

klein<br />

und unbedeutend,<br />

weil<br />

in diesem<br />

Moment,<br />

in diesem Augenblick<br />

nur eines<br />

zählt: das Pferd<br />

und sein Reiter.<br />

Eine durch den<br />

Buchenwald<br />

schreitende Einheit,<br />

die sich selbst<br />

genügt, die mit sich<br />

glücklich ist. Das<br />

beruhigt ungemein.<br />

Und lässt<br />

gestresste, angespannte Menschen<br />

wieder zu sich kommen. Die würzige<br />

Luft des Waldes, der Wind <strong>im</strong> Haar, das<br />

Knarzen des Sattelzeuges, das sonnenwarme<br />

Fell des Pferdes – all das,<br />

was man sonst nur am Rande wahrn<strong>im</strong>mt,<br />

wird zur Hauptsache. »Und<br />

nichts sonst zählt, das ist großartig«,<br />

schildert Reinhold Voigt.<br />

Doch bevor der Spaß beginnt, muss<br />

auch Mitreiter Jürgen Kemmerer erst<br />

mal sein Pferd einfangen. Gar nicht so<br />

einfach, denn es steht in einer<br />

Herde und denkt gar<br />

nicht daran, diese<br />

zu verlassen. Als der sportliche Mann<br />

mit Halfter und Strick bewaffnet auf die<br />

noch in Nebelschwaden getauchte<br />

Wiese kommt, dreht Chetan ihm seine<br />

Kruppe zu und trabt in die entgegengesetzte<br />

Richtung davon.<br />

Nur keine Hektik<br />

Es dauert noch eine ganze Weile, bis<br />

er den Braunen von der Herde trennen<br />

und in den kleinen Paddock führen<br />

kann.<br />

Geduld und Zeit aber sind Zauberworte<br />

be<strong>im</strong> <strong>Wanderreiten</strong>. Denn hier<br />

geht es nicht darum Strecke zu ma-<br />

Die Wanderroute<br />

START/ZIEL:<br />

Rothengrund<br />

Alzenauer<br />

Forst<br />

chen, sondern darum Strecke zu genießen.<br />

Und da wären Hektik und<br />

Stress schon bei der Vorbereitung ganz<br />

fehl am Platz.<br />

Samstagmittag kommt die Gruppe<br />

auf dem Hofgut Hauenstein in Krombach<br />

an. Gestartet sind sie an diesem<br />

Morgen von Mömbris-Rothengrund<br />

aus, wo Burkhard und Doris ihre Pferde<br />

<strong>im</strong> Sommer auf weitläufigen Koppeln<br />

und <strong>im</strong> Winter in einem großen<br />

Laufstall halten. Die Hufe der Pferde<br />

klappern munter auf dem Kopfsteinpflaster,<br />

Wallach Phönix wiehert<br />

zur Begrüßung. Gudrun Breier<br />

steigt aus dem Sattel von Araberstute<br />

Shalyiah, schlägt die Steigbügel hoch<br />

und bindet die Stute am Halfter an einem<br />

Pfosten an. Die Reiterin reckt und<br />

streckt sich. »O, das tut gut. Jetzt freue<br />

ich mich auch auf eine Pause.« Das Heu<br />

für die Tiere liegt schon bereit, gierig<br />

zupfen sie daran. Im Schatten von<br />

Bäumen gibt es für die Zweibeiner deftige<br />

Landküche.<br />

Genießen und entspannen ist angesagt,<br />

bevor es zur<br />

zweiten<br />

Etappe des<br />

Tages geht.<br />

Die führt auf<br />

halbem Weg<br />

zur Rückersbacher<br />

Schlucht. Die<br />

Pferde werden<br />

auf einer Koppel<br />

nächtigen, die<br />

Reiter in einem<br />

nahen Gasthof.<br />

Am Sonntag wird<br />

Mahlmeister<br />

dann seine<br />

Gruppe durch die<br />

Rückersbacher<br />

Schlucht und zurück<br />

über den<br />

Alzenauer Forst wieder nach Mömbris-Rothengrund<br />

führen.<br />

Aber nicht nur die kluge Streckenplanung<br />

sind das A und O eines solchen<br />

Unternehmens. Das fängt be<strong>im</strong><br />

sauberen Sattelzeug an, geht über ein<br />

fittes, ausgeruhtes Tier bis hin zu einem<br />

erfahrenen Rittführer, der auch<br />

brenzlige Situationen zu meistern weiß.<br />

Als die Gruppe nach der Mittagsrast am<br />

Waldrand entlang galoppiert, wird es<br />

Chetan zu bunt. Er überrumpelt seinen<br />

Reiter Jürgen Kemmerer, drängelt<br />

sich an den anderen vorbei,<br />

überholt den Ritt-<br />

SAMSTAG/SONNTAG, 20./21. OKTOBER 2012<br />

Im Sattel erprobt und erfahren: Burkhard Mahlmeister mit Phoenix. Foto: Harald Hufgard Ab durch das satte Grün: Die Reiter freuen sich über einen Wiesenweg bei Mömbris. Foto: Andrea Schaer<br />

Kurze Pause: Die Pferde grasen an der Hand<br />

ihrer Reiter. Foto: Andrea Schaer<br />

Abendruhe: Partie am Waldrand entlang Richtung Rückersbach. Foto: Andrea Schaer<br />

Mömbris<br />

Rückersbacher Schlucht<br />

(Johannesberg)<br />

Hofgut Hauenstein<br />

(Krombach)<br />

Daxberg<br />

Sch<strong>im</strong>born<br />

ME-Grafik<br />

Furten ist für ein Wanderreitpferd selbstverständlich:<br />

Gruppe an der Kahl. Foto: H. Hufgard<br />

Pflege für einen umwerfenden Auftritt: Gudrun macht<br />

Araberstute Shalyiah ausgehfein. Foto: Gudrun Breier<br />

führer und wird an der Spitze <strong>im</strong>mer<br />

schneller. Doch Burkhard Mahlmeister<br />

ist schon zur Stelle, hat den vorwitzigen<br />

Wallach eingeholt, greift beherzt in<br />

die Zügel und stoppt das Pferd. »So was<br />

kann schnell mal richtig unangenehm<br />

werden«, erklärt er. Minuten später<br />

trottet der Wallach wieder brav an der<br />

ihm zugedachten Stelle.<br />

»Das ist halt das Schöne am <strong>Wanderreiten</strong>:<br />

Du<br />

hast es mit<br />

Tieren<br />

zu tun<br />

und<br />

nicht mit<br />

Maschinen.<br />

Und das bringt den<br />

Hauch Abenteuer<br />

mit ins Spiel«, erzählt<br />

Mahlmeister.<br />

Als er mit seiner<br />

Gruppe am Samstagabend<br />

Station<br />

macht, finden sich<br />

alle zum Aperitif<br />

vor der Weide ein.<br />

Und während die<br />

Menschen anstoßen<br />

auf einen gelungenen<br />

Ritt und<br />

die Geschichten<br />

des Tages austauschen, stehen die<br />

sechs Tiere still vergnügt in der<br />

Abendsonne auf der Wiese. Und werden<br />

auch morgen wieder ihre Reiter<br />

treu und sicher über Stock und Stein<br />

tragen und ihnen unvergessliche<br />

Stunden <strong>im</strong> Sattel bescheren. Denn aus<br />

dieser Perspektive betrachtet wird so<br />

manches ganz klein und unbedeutend.

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