Auf Medeas Spuren - Theater an der Wien
Auf Medeas Spuren - Theater an der Wien
Auf Medeas Spuren - Theater an der Wien
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<strong>Theater</strong> <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Wien</strong> Jugendmagazin | März 2008<br />
<strong>Theater</strong> <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Wien</strong> | Linke <strong>Wien</strong>zeile 6 | 1060 <strong>Wien</strong><br />
www.theater-wien.at<br />
Vereinigte Bühnen <strong>Wien</strong> Ges.m.b.H.<br />
Ein Unternehmen <strong>der</strong> <strong>Wien</strong> Holding<br />
DAS NEUE OPERNHAUS<br />
aUF<br />
<strong>Medeas</strong><br />
sPURen<br />
Jugend <strong>an</strong> <strong>der</strong> wien#125
2<br />
Teilnehmende Klassen:<br />
(ca. 270 SchülerInnen)<br />
6. und 7. Klasse Wiedner Gymnasium / Sir Karl Popperschule<br />
(Prof. Elisabeth Labschütz)<br />
6 A GRG23 AltErlaa<br />
(Mag. a Verena Friedrich, Dr. Gertraud Müller, Mag. Werner Krause, Mag. a Renate Bohn)<br />
5 E und 6 F ORG 1 Hegelgasse<br />
(Mag. a Marie-Therese Schmetterer)<br />
6. Klasse AHS Heustadelgasse<br />
(Dr. Nina Aringer)<br />
Modulklasse „Werkstatt Musiktheater“ Gymnasium Schulschiff „Bertha von Suttner“<br />
(Mag. a Barbara Holy-Kiermayr)<br />
6 A, 7 A und 7 C Musikgymnasium <strong>Wien</strong><br />
(Mag. M<strong>an</strong>fred Hörzinger, Mag. a Ilse Rollett)<br />
iMPRessUM:<br />
<strong>Theater</strong> <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Wien</strong> – Intend<strong>an</strong>t DI Rol<strong>an</strong>d Geyer | Medieninhaber und Herausgeber:<br />
Vereinigte Bühnen <strong>Wien</strong> Ges.m.b.H. – Geschäftsführer GD KR Fr<strong>an</strong>z Häußler<br />
Ein Unternehmen <strong>der</strong> <strong>Wien</strong> Holding | <strong>Theater</strong> <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Wien</strong>, Linke <strong>Wien</strong>zeile 6, 1060 <strong>Wien</strong><br />
Tel. (+43/1) 588 30-660 | oper@theater-wien.at | www.theater-wien.at<br />
Konzept und Redaktion: Catherine Leiter | Produktion: Tina Osterauer | Grafik: Anna Graf<br />
Herstellung: Walla Druck, 1050 <strong>Wien</strong> | Redaktionsschluss: 11. März 2008<br />
Än<strong>der</strong>ungen und Irrtümer vorbehalten | DVR 0518751<br />
Bildnachweis:<br />
Alle Szenenfotos © Armin Bardel<br />
S. 4 Médée-Sujet © Corbis / Modellfotos: <strong>Theater</strong> <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Wien</strong> / I<strong>an</strong>o Tamar<br />
© unbezeichnet / Bil<strong>der</strong>galerie: Fabio Luisi © Barbara Luisi / Torsten<br />
Fischer © unbezeichnet / Olaf Bär © EMI / Henriette Bonde-H<strong>an</strong>sen, Zor<strong>an</strong><br />
Todorovich, Birgit Remmert, Petra Simková, Alaine Rodin © unbezeichnet //<br />
Fotos S. 6 © Catherine Leiter // Fotos 20-24 © Harald Illeditsch<br />
TexTnachweis:<br />
„<strong>Auf</strong>ruhr des Herzens“ schrieb Nora Schmid für das <strong>Theater</strong>magazin<br />
Zwei Null Acht / Die H<strong>an</strong>dlung von „Médé“ verfasste Joh<strong>an</strong>na Öttl für das<br />
Programmheft des <strong>Theater</strong> <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Wien</strong> / Die Texte S: 7-19 stammen von den<br />
beteiligten Schulen und wurden in <strong>der</strong> Originalfassung übernommen.
inhalt<br />
Zur Oper Médée von Luigi Cherubini 4<br />
TEIL EINS<br />
1. Medea vor Gericht<br />
AHS Heustadelgasse<br />
7<br />
2. Wohin <strong>der</strong> Zorn mich bringen wird, werde ich folgen! 10<br />
GRG23 AltErlaa<br />
3. Medea und die Mythologie<br />
ORG1 Hegelgasse<br />
12<br />
4. Christa Wolf: Medea Stimmen<br />
Musikgymnasium <strong>Wien</strong><br />
14<br />
5. Rund um Médée 16<br />
Sir Karl Popperschule<br />
6. Frauengestalten 18<br />
Gymnasium Schulschiff „Bertha von Suttner“<br />
TEIL ZWEI<br />
1. Unterricht einmal <strong>an</strong><strong>der</strong>s 20<br />
Probenbesuch & Gespräch mit Fabio Luisi<br />
2. Und wofür sind Sie eigentlich zuständig?<br />
Gespräch mit Torsten Fischer<br />
22<br />
Liebe Leserin, lieber Leser!<br />
Was hat Oper mit Unterricht, Jugend<br />
mit Médée und Schule mit dem <strong>Theater</strong><br />
<strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Wien</strong> zu tun? Die Antwort<br />
finden Sie auf den folgenden Seiten in<br />
„Jugend <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Wien</strong>“, <strong>der</strong> Zeitschrift<br />
zum Jugendprojekt Médée.<br />
Bereits seit Monaten beschäftigen sich<br />
die SchülerInnen <strong>der</strong> zehn am Projekt<br />
beteiligten <strong>Wien</strong>er Oberstufen-Klassen<br />
mit dem Mythos Medea, <strong>der</strong> <strong>an</strong> sich<br />
schon sehr vielfältig ist. Ob literarisch,<br />
musikalisch, darstellerisch o<strong>der</strong> bildnerisch:<br />
Diese Frauengestalt <strong>der</strong> griechischen<br />
Mythologie ist im Laufe <strong>der</strong><br />
Jahrhun<strong>der</strong>te unzählige Male dargestellt<br />
worden und bietet viel Stoff, sich auch<br />
im Unterricht damit ausein<strong>an</strong><strong>der</strong>zusetzen.<br />
Begleitend zu dieser Ausein<strong>an</strong><strong>der</strong>setzung<br />
im Unterricht gab es für die Klassen<br />
die Möglichkeit, die Médée-Produktion<br />
im <strong>Theater</strong> <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Wien</strong> kennen zu<br />
lernen und gleichzeitig zu erleben, was<br />
in einem Opernhaus vor sich geht und<br />
wer <strong>an</strong> <strong>der</strong> Entstehung einer Opernaufführung<br />
beteiligt ist. Probenbesuche,<br />
Gespräche mit Dirigent Fabio Luisi<br />
sowie mit Regisseur Torsten Fischer,<br />
Fragerunden mit den Dramaturginnen<br />
Nora Schmid und Joh<strong>an</strong>na Öttl bzw.<br />
ein Besuch <strong>der</strong>er <strong>an</strong> den Schulen selbst,<br />
Führungen durchs <strong>Theater</strong> <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Wien</strong><br />
und ein Kontingent <strong>an</strong> verbilligten Karten<br />
für bestimmte Vorstellungen sollten<br />
den SchülerInnen die Hintergründe<br />
einer Opernproduktion und eines<br />
Opernhauses näher bringen.<br />
Die vielfältigen Ergebnisse <strong>der</strong> einzelnen<br />
Schulklassen finden Sie in Teil Eins<br />
unseres Magazins, Berichte über die<br />
begleitenden Aktivitäten in Teil Zwei<br />
und als Einleitung kurze Informationen<br />
rund um die Oper „Médée“ von Luigi<br />
Cherubini.<br />
Ich wünsche Ihnen viel Freude beim<br />
Lesen und bei <strong>der</strong> persönlichen Ausein<strong>an</strong><strong>der</strong>setzung<br />
mit Medea und „Médée“<br />
und hoffe, Sie entdecken auch für sich<br />
noch Neues <strong>an</strong> einem alten Mythos…<br />
Catherine Leiter<br />
INHALT<br />
3
4<br />
Médée<br />
Oper in drei Akten (1797)<br />
MUSIK VON LUIGI CHERUBINI<br />
LIBRETTO VON FRANçOIS BENOIT<br />
HOFFMANN<br />
NACH EURIPIDES<br />
In fr<strong>an</strong>zösischer Sprache mit deutschen<br />
Übertiteln<br />
Musikalische Leitung: Fabio Luisi<br />
Inszenierung: Torsten Fischer<br />
Bühne: Herbert Schäfer<br />
Kostüme: Andreas J<strong>an</strong>czyk<br />
Licht: Hartmut Litzinger<br />
Médée: I<strong>an</strong>o Tamar<br />
Créon: Olaf Bär<br />
Dircé: Henriette Bonde-H<strong>an</strong>sen<br />
Jason: Zor<strong>an</strong> Todorovich<br />
Néris: Birgit Remmert<br />
Erste Begleiterin <strong>der</strong> Dircé: Petra Simková<br />
Zweite Begleiterin <strong>der</strong> Dircé: Alaine Rodin<br />
Médées Kin<strong>der</strong>:<br />
Noah Kainz/Bernhard Mendel<br />
Alex<strong>an</strong><strong>der</strong> Zerbes/Simon Jung<br />
<strong>Wien</strong>er Symphoniker<br />
Arnold Schoenberg Chor<br />
PREMIERE:<br />
Donnerstag, 6. März, 19.00 bis ca. 22.00 Uhr<br />
AUFFÜHRUNGEN:<br />
9., 11., 15., 17. & 20. März<br />
EINFÜHRUNGSMATINEE:<br />
Sonntag, 2. März, 11.00 Uhr<br />
Bühnenbildmodell von Herbert Schäfer<br />
aufruhr des herzens<br />
Torsten Fischer inszeniert Luigi Cherubinis Médée als „Drama<br />
über das An<strong>der</strong>ssein und die Schwierigkeit, zu lieben“.<br />
Sie ist eine <strong>der</strong> faszinierendsten und wi<strong>der</strong>sprüchlichsten mythologischen Figuren. Von Euripides<br />
als Kindsmör<strong>der</strong>in in die Literatur eingeführt, haben sie AutorInnen späterer Jahrhun<strong>der</strong>te wie<br />
Pierre Corneille, Fr<strong>an</strong>z Grillparzer o<strong>der</strong> Christa Wolf immer wie<strong>der</strong> um- und neu gedeutet: Medea.<br />
Heilerin, Priesterin, Zauberin, Liebende, Eifersüchtige, Verräterin, Intrig<strong>an</strong>tin und Verbrecherin. Die<br />
mythische Medea, die Jason in ihrer Heimat Kolchis zum Goldenen Vlies verhilft, die mit ihm nach<br />
Korinth flieht und dort nach <strong>der</strong> Geburt zweier Kin<strong>der</strong> und Jahren des Zusammenlebens von Jason<br />
zu Gunsten <strong>der</strong> Königstochter verlassen wird, rächt sich schließlich auf grausame Art <strong>an</strong> dem Verrat<br />
ihrer Liebe: Sie tötet ihre beiden gemeinsamen Kin<strong>der</strong>.<br />
<strong>Medeas</strong> Geschichte wird oftmals als tragischer Ausg<strong>an</strong>g einer Konfrontation zwischen <strong>der</strong> archaischen,<br />
instinktiv verhafteten Welt <strong>der</strong> Kolcher und <strong>der</strong> zivilisierten, vernunftgeleiteten Gesellschaft<br />
<strong>der</strong> Griechen dargestellt. Eine neuere Lesart entwickelte jedoch auch ein wachsendes Interesse<br />
für den Bereich <strong>der</strong> Gefühle. Hier wird Jason zum zweckrational, opportunistisch h<strong>an</strong>delnden<br />
Techniker, während Medea den <strong>Auf</strong>ruhr des Herzens verkörpert.<br />
G<strong>an</strong>z diesen starken Leidenschaften entsprechend, hat Medea auch auf <strong>der</strong> Opernbühne nie zu<br />
singen aufgehört, <strong>an</strong>gef<strong>an</strong>gen bei Fr<strong>an</strong>cesco Cavallis Giasone (1649) über Marc-Antoine Charpentiers<br />
Médée (1693) und Simon Mayrs Medea in Corinto (1813) bis hin zu Rolf Lieberm<strong>an</strong>ns Medea (2001).<br />
Einer <strong>der</strong> Höhepunkte in <strong>der</strong> musiktheatralischen Deutung des Mythos ist gewiss Luigi Cherubinis<br />
fr<strong>an</strong>zösische Oper Médée, die 1797 in Paris uraufgeführt wurde und <strong>der</strong>en Musik Rezensenten <strong>der</strong><br />
Uraufführung als „kühn, ausdrucksvoll, majestätisch und furchterregend“ beschrieben. Cherubini<br />
und sein Librettist Fr<strong>an</strong>çois Benoît Hoffm<strong>an</strong>n richteten ihr Hauptaugenmerk auf die Wucht<br />
von Médées wechselnden Leidenschaften, wobei ihnen die Gattung <strong>der</strong> Opéra comique mit ihrer<br />
Mischung von musikalischen Nummern und gesprochenen Dialogen entgegenkam. Bis zur letzten<br />
Konsequenz führt uns Cherubinis Oper die menschliche Tragödie dieser zwischen Gut und Böse oszillierenden<br />
Figur vor Augen, <strong>der</strong>en H<strong>an</strong>deln das Ergebnis ihrer emotionalen und gesellschaftlichen<br />
Ausgrenzung ist.<br />
Fabio Luisi · Torsten Fischer · Olaf Bär · Henriette Bonde-H<strong>an</strong>sen · Zor<strong>an</strong> Todorovich
Szenenfoto vom 29.2.<br />
Der deutsche Regisseur Torsten Fischer hat in den verg<strong>an</strong>genen Jahren beim Kl<strong>an</strong>gBogen Festival im<br />
<strong>Theater</strong> <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Wien</strong> mit großem Erfolg Louis Spohrs Faust, Jules Massenets Don Quichotte sowie<br />
Bedˇrich Smet<strong>an</strong>as Dalibor inszeniert; drei Stücke über komplexe, legendäre und starke Figuren. Im<br />
Wissen um die vielfältige Interpretation des Medea-Mythos will er sich von <strong>der</strong> Vielschichtigkeit des<br />
Stoffes neu inspirieren lassen. Fischer, <strong>der</strong> zeitweise in Griechenl<strong>an</strong>d lebt und den Originalschauplatz<br />
in Korinth besucht hat, ist davon überzeugt, dass Medea nie aufhört, aktuell zu sein: „Die Griechen<br />
sehen in ihr noch heute einen Spiegel für ihren eigenen Charakter. Nach wie vor wird in Griechenl<strong>an</strong>d<br />
kein Kind auf den Namen Medea getauft.“<br />
Betrachtet m<strong>an</strong> einen Mythos als Spiegelbild<br />
unserer Zivilisation, so gilt es, zeitgenössische<br />
Probleme aus den scheinbar weit zurückliegenden<br />
Stoffen herauszufiltern. Dadurch<br />
wird <strong>der</strong> Mythos nicht nur zum Spiegel jedes<br />
einzelnen Menschen, son<strong>der</strong>n gleichzeitig auch<br />
zum Spiegel des Kollektivs. Zeitgeschichte<br />
hat mehrfach aufgezeigt, welche Gefahren in<br />
<strong>an</strong>onymen Massen lauern: „Ich halte den Menschen<br />
für das Schönste und für das Schrecklichste<br />
zugleich,“ sagt Torsten Fischer. Medea<br />
verkörpert für ihn nicht nur das Böse und die<br />
zerstörerische Gewalt <strong>der</strong> Leidenschaften. Er will<br />
sie von <strong>der</strong> alleinigen Schuld befreien, ohne sie<br />
dabei zu verharmlosen. Konsequenterweise gehören<br />
seine Sympathien in diesem Stück beiden<br />
Frauen: Médée und Dircé, wie die Königstochter<br />
Kreusa in <strong>der</strong> Oper gen<strong>an</strong>nt ist. In diesen beiden<br />
Figuren sieht Torsten Fischer nicht verfeindete<br />
Rivalinnen, son<strong>der</strong>n zwei Opfer <strong>der</strong>selben macht-<br />
I<strong>an</strong>o Tamar<br />
politischen Verhältnisse. Weil Jason <strong>an</strong> die Regierungsspitze will, verzichtet er auf die Liebe zu Médée<br />
und stimmt schließlich Créons Pl<strong>an</strong> zu, <strong>der</strong> ihm im Gegenzug zum Goldenen Vlies die Heirat mit<br />
seiner Tochter Dircé verspricht. Als Konsequenz dieser politischen Intrige wird das Goldene Vlies zur<br />
Perversion einer Ikone, und Médée wird zur Außenseiterin, die nicht in diese Scheinwelt hineinpasst.<br />
Neben Jasons politischen Ambitionen ist es schließlich auch „das Gift von Fremdenhass, das zu <strong>der</strong><br />
Tragödie führt“, sagt Torsten Fischer. Für ihn ist Cherubinis Médée „ein Drama über das An<strong>der</strong>ssein<br />
und die Schwierigkeit zu lieben“. Nora Schmid<br />
Birgit Remmert · Petra Simková · Alaine Rodin<br />
h<strong>an</strong>dlung <strong>der</strong> Oper<br />
VORGESCHICHTE<br />
Der aus Jolkos in Thessalien stammende Königssohn<br />
Jason zog mit seinen Kriegern in einem Eroberungszug<br />
nach Kolchis, um das mit Macht und Ruhm verbundene<br />
Goldene Vlies <strong>an</strong> sich zu bringen. Kolchis liegt am<br />
Schwarzen Meer im heutigen Georgien und wird von<br />
Médées Vater regiert; die Königstochter verliebte sich in<br />
Jason und verhalf ihm, das Goldene Vlies in seinen Besitz<br />
zu bekommen – <strong>der</strong> Preis dafür waren die Ermordung<br />
ihres Bru<strong>der</strong>s und <strong>der</strong> Verrat <strong>an</strong> ihrem Vater. Médée und<br />
Jason, mittlerweile verheiratet und Eltern zweier Söhne,<br />
flohen daraufhin ins griechische Korinth, wo sie von<br />
König Créon aufgenommen wurden. Créon möchte nun<br />
seine Tochter Dircé (in <strong>der</strong> <strong>an</strong>tiken Mythologie<br />
stets Kreusa o<strong>der</strong> Glauke gen<strong>an</strong>nt) mit Jason verheiraten<br />
– <strong>an</strong> diesem Punkt setzt die H<strong>an</strong>dlung <strong>der</strong> Oper ein.<br />
I. AKT<br />
In Korinth werden die Vorbereitungen für die Hochzeit<br />
von Jason und Dircé getroffen. Diese beglücken zwar das<br />
Volk von Korinth, nicht aber Dircé, die von <strong>der</strong> bevorstehenden<br />
Heirat befürchtet, schlimmes Unglück könne<br />
daraus hervorgehen – schließlich ist Jason immer noch<br />
mit Médée verheiratet. Dass sie jedoch keine Möglichkeit<br />
hat, <strong>der</strong> Vermählung zu entrinnen, geben ihr die korinthischen<br />
Damen und ihr Vater zu verstehen.<br />
Im Zuge einer pompösen Feierlichkeit präsentieren Jason<br />
und seine Soldaten Dircé das Symbol ihrer Siege und ihres<br />
Ruhmes: das Goldene Vlies. Dieses Machtsymbol soll<br />
nun in den Besitz Korinths übergehen, als D<strong>an</strong>k werden<br />
Jason Macht und Schutz für seine Kin<strong>der</strong> versprochen<br />
– es zeigt sich, dass die Hochzeit eher ein politischer Akt<br />
als eine Liebesheirat sein wird. Unvermittelt platzt Médée<br />
in die Vorbereitungen und bittet Créon vergeblich darum,<br />
die ehebrecherische Vermählung zwischen Dircé und<br />
Jason zu verhin<strong>der</strong>n; auch ihr Versuch, Jason zurück zu<br />
gewinnen, scheitert.<br />
II. AKT<br />
Für die Verbrechen, die Médée in <strong>der</strong> Verg<strong>an</strong>genheit<br />
beg<strong>an</strong>gen haben soll, wird sie von Créon aus Korinth<br />
verb<strong>an</strong>nt, mit ihrem Flehen k<strong>an</strong>n sie nur bewirken,<br />
noch einen weiteren Tag in Korinth bleiben zu dürfen.<br />
Médées Vertraute Néris sieht ihr den Schmerz und die<br />
Verzweiflung über die Verb<strong>an</strong>nung <strong>an</strong>. In einem weiteren<br />
Gespräch mit Jason versucht Médée, ihn zu überreden,<br />
ihr die gemeinsamen Söhne zu überlassen. Jason lehnt<br />
diese Bitte ab, gewährt ihr allerdings, die Kin<strong>der</strong> noch<br />
einmal sehen zu dürfen. Während die Hochzeitsrituale<br />
für Jasons Heirat mit Dircé beginnen, pl<strong>an</strong>t Médée Rache<br />
für die ihr zugefügten Verletzungen.<br />
III. AKT<br />
Das letzte Zusammentreffen zwischen Médée und ihren<br />
Söhnen findet statt: Néris bringt die Kin<strong>der</strong> zu ihrer Mutter.<br />
Diese denkt <strong>an</strong> die Möglichkeit, die Kin<strong>der</strong> zu töten,<br />
um sich <strong>an</strong> Jason zu rächen, schafft es jedoch nicht, den<br />
Pl<strong>an</strong> auszuführen. Médée fühlt, dass ihre Söhne we<strong>der</strong> in<br />
ihrer Nähe noch <strong>an</strong> einem <strong>an</strong><strong>der</strong>en Ort in Korinth sicher<br />
sind und bittet Néris, die Kin<strong>der</strong> zu verstecken. Während<br />
Médée mit ihren ambivalenten Gefühlen ringt,verbreitet<br />
sich die Nachricht vom Tod Dircés: Médée hat ihr einen<br />
Schleier gegeben... Wenig später findet das Volk Médée<br />
gemeinsam mit ihren beiden Söhnen – die Kin<strong>der</strong><br />
müssen sterben und Jason bleibt vor den Trümmern<br />
seiner Ehe zurück, während Médée den Schauplatz des<br />
Verbrechens verlässt.<br />
5
Medea vor Gericht<br />
eifersuchtsdrama nimmt blutiges ende<br />
Mutter schneidet Kin<strong>der</strong>n die Kehle auf<br />
Vor wenigen Jahren schien die Welt noch in Ordnung. M. und J., ein glückliches Paar, lebten mit ihren<br />
beiden Söhnen in Korinth. Doch jetzt ist von dieser scheinbaren Idylle nichts mehr übrig.<br />
Vor wenigen Tagen musste die Polizei einen grausamen Fund machen. Der Nachbar <strong>der</strong> „4-köpfigen“<br />
Familie alarmierte die Rettung, da er den Familienvater im Schockzust<strong>an</strong>d und nicht <strong>an</strong>sprechbar vor<br />
dem Haus vorf<strong>an</strong>d. Nach dem Eintreffen <strong>der</strong> Rettung wurde sofort die Mordkommission gerufen.<br />
„Beim Betreten des Hauses f<strong>an</strong>den wir die beiden Söhne mit aufgeschnittenen Kehlen vor!“, berichtet<br />
<strong>der</strong> Polizeiinspektor fassungslos. Alle Indizien weisen darauf hin, dass die Mutter, die zurzeit unauffindbar<br />
ist, für den Mord ver<strong>an</strong>twortlich ist. Hauptursache dieser schrecklichen Tat dürfte ein großes<br />
Eifersuchtsdrama zwischen M. und J. sein, das bis jetzt aber noch nicht aufgeklärt werden konnte.<br />
Weitere Beweggründe für den Mord könnten aber auch die fehlende Integration <strong>der</strong> Mutter gewesen<br />
sein. J. befindet sich zurzeit in psychologischer Betreuung und wird nicht verdächtigt.<br />
* Namen <strong>der</strong> Eltern v. d. Red. geän<strong>der</strong>t.<br />
MEDEAS AMME<br />
Ich hätte es wissen müssen. Ich wünschte, ich könnte die Zeit zurückdrehen, um meine Herrin,<br />
Medea, zu warnen. Hätte sie doch nur nicht für Jason ihre Heimat verlassen. Sie wäre nie zu so einer<br />
kaltblütigen Mör<strong>der</strong>in geworden. Aber Jason war selbst Schuld. Er war schließlich <strong>der</strong>jenige, <strong>der</strong> sie<br />
kaum noch erblickte. Verstoßen hatte er sie, verstoßen hatte er sie. Und plötzlich st<strong>an</strong>d sie völlig<br />
allein in <strong>der</strong> Welt, zurückgeblieben mit den Söhnen. Noch dazu als Fremde in Griechenl<strong>an</strong>d. Alles nur<br />
wegen <strong>der</strong> Tochter des Königs, Glauke. Ich versuchte, sie zu beruhigen. Aber nichts half mehr, ihre<br />
Wut wurde immer größer und sie nahm Rache. Sie musste ihre Rivalin auslöschen und töten. Noch<br />
dazu konnte sie ihre eigenen Kin<strong>der</strong> schon bald nicht mehr erblicken. Ihm konnte sie sie nicht geben,<br />
denn warum solle er nun das Recht <strong>der</strong> Erziehung erl<strong>an</strong>gen? Sie erzählte mir oft, dass sie in ihnen<br />
nur noch den Vater sah und dass sie den Schmerz nicht mehr l<strong>an</strong>ge aushielte. Schließlich waren es<br />
auch SEINE Kin<strong>der</strong> und sie wollte mit IHM absolut nichts mehr zu tun haben. Jason hat sie verletzt.<br />
Warum hat denn überhaupt ein M<strong>an</strong>n das Recht zu bestimmen, dass es vorbei ist? Sie war am R<strong>an</strong>de<br />
ihrer Kräfte. Sie wollte zu viel und konnte nicht <strong>an</strong><strong>der</strong>s, als alles, was er liebte zu beseitigen. Somit<br />
mussten auch die Leben <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> ein Ende nehmen. Ich hätte es voraussehen müssen.<br />
ZEUGENAUSSAGE<br />
Mein Name ist Gaius Maximus, ich möchte gerne aussagen, da ich am Tag <strong>der</strong> Hochzeit von Jason<br />
und Glauke gesehen habe, wie sich <strong>der</strong> schreckliche Vorfall ereignet hat. Als ich mir gerade am Buffet<br />
einen Wein gönnte, hörte ich plötzlich laute Hilfeschreie und sah alle Gäste zu einem Fenster laufen.<br />
Natürlich folgte ich ihnen, um zu sehen was geschehen ist. Durch ein Fenster konnte m<strong>an</strong> in einen<br />
Raum hineinsehen. Alle drängten sich davor und waren entsetzt. Als ich mich d<strong>an</strong>n zum Fenster<br />
vorgeschoben hatte, konnte ich sehen, dass Glaucke in Flammen st<strong>an</strong>d. Plötzlich fingen die Leute um<br />
sie herum auch Feuer. Es war schrecklich! Ihre komplette Haut hatte sich durchgebr<strong>an</strong>nt und sie s<strong>an</strong>k<br />
tot zu Boden, genau wie alle <strong>an</strong><strong>der</strong>en um sie. Die Leiber umzog eine schwarze Kruste. Der Gest<strong>an</strong>k<br />
von versengter Haut lag in <strong>der</strong> Luft.<br />
AUGENZEUGENBERICHT<br />
Mein Name ist Oktavius Suprimus. Ich möchte gegen Medea aussagen, weil ich ihre Untaten beweisen<br />
will. Es ist schlimm genug, was sie Jason <strong>an</strong>get<strong>an</strong> hat.<br />
Hier mein Bericht:<br />
Am 27. Tag des März diesen Jahres, war ich meine Schafe in <strong>der</strong> Nähe des Zentaurenwaldes hüten,<br />
als ich diese Frau sah. Sie war nicht alleine, es waren noch sechs bewaffnete Männer bei ihr. Ich<br />
versteckte mich, so schnell es ging, als ich die Schwerter in den Händen <strong>der</strong> Männer sah. Die Gruppe<br />
ging in den Wald hinein. So neugierig wie ich bin, folgte ich ihnen. Medea und ihre Gefolgsmänner<br />
gingen g<strong>an</strong>z schön tief in den Wald hinein, ich hatte schon Ged<strong>an</strong>ken umzukehren, weil meine Schafe<br />
vielleicht wegrennen könnten, doch d<strong>an</strong>n hörte ich Medea schreien: Da ist einer!<br />
Ich wusste nicht, was sie meinte. In Dist<strong>an</strong>z bleibend, näherte ich mich <strong>der</strong> Gruppe und sah was ihr<br />
Ansehen erregt hatte: ein Zentaur.<br />
Die Männer r<strong>an</strong>nten voller Wut auf den Zentauren los und töteten ihn mit ein paar Schlägen. Ich<br />
wollte sie schon zurückhalten, doch ich hatte Angst, dass sie mich d<strong>an</strong>n auch <strong>an</strong>greifen würden. So<br />
blieb ich in meinem Versteck und beobachtete, was Medea machte. Sie zog ein weißes Kleid aus ihrer<br />
Tasche, ein wun<strong>der</strong>schönes Kleid und ging damit zum Toten Zentauren. Was sie d<strong>an</strong>n tat, konnte ich<br />
gar nicht fassen. Sie bückte sich hinunter, zum Toten Wesen und tränkte das Kleid in dessen Blut.<br />
Ich wusste, was dies zu bedeuten hatte, und fragte mich, warum sie das tat. Schnell versuchte ich,<br />
unbemerkt zu meinen Schafen zurückzukehren und schaffte dies auch.<br />
Zwei Tage nach diesem Vorfall f<strong>an</strong>d die Hochzeit von Jason und Glauke statt. Das g<strong>an</strong>ze Volk war<br />
eingeladen und uns wurde versichert, dass es für alle ein Festmahl geben würde. Also machte ich<br />
mich gemeinsam mit meinem Sohn davon, um die Hochzeit <strong>der</strong> beiden zu feiern. Wir waren schon<br />
eine g<strong>an</strong>ze Weile vor Beginn <strong>an</strong>gekommen, als wir grausliche Schreie aus einer Kammer im inneren<br />
des Gebäudes hörten. Wir r<strong>an</strong>nten so schnell wie möglich <strong>an</strong> das Fenster, weil wir den Eing<strong>an</strong>g nicht<br />
finden konnten, um zu sehen, was los war. Sobald ich durchs Fenster schaute, war ich geschockt. Vor<br />
mir br<strong>an</strong>nte Glauke in einem roten Kleid, und alle um sie Stehenden fingen ebenfalls <strong>an</strong> zu brennen.<br />
Es war grausam. Als ich mir die Situation genauer <strong>an</strong>schaute, stellte ich fest, dass Glaukes Hoch-<br />
AHS Heustadelgasse<br />
Pädagogisch-psychologisches<br />
Gutachten<br />
1. Persönliche Daten<br />
Name des Prob<strong>an</strong>den (Pb): M.<br />
Geschlecht: weiblich<br />
Alter (Zeitpunkt <strong>der</strong> Untersuchung): 17<br />
Nationalität: Griechisch<br />
Status: verheiratet, Mör<strong>der</strong>in<br />
Namen <strong>der</strong> Gutachterinnen (GA): Muffat F.<br />
Untersuchungszeitraum: 3.5.-27.5, 400 v. Chr.<br />
2. Untersuchungs<strong>an</strong>lass<br />
Die Untersuchung wurde ver<strong>an</strong>lasst durch das<br />
Gerichtsverfahren, über ein von Frau M. beg<strong>an</strong>genes<br />
Morddelikt. St<strong>an</strong>dardisiertes Verfahren bei einem<br />
Gerichtsprozess.<br />
3. Fragestellung<br />
M. heiratete einen gewissen J., von dem sie von<br />
einer Insel „entführt“ wurde, wobei zur Annahme<br />
steht, dass diese Entführung nur vorgetäuscht war.<br />
Der Vater von M. verfolgte diese mit einem Schiff<br />
(M. und J. flohen ebenfalls mit einem Schiff), dieser<br />
ver<strong>an</strong>lasste M. zu einem grausamen Mord und in<br />
weiterer Folge auch zu 2 Kin<strong>der</strong>morden. War Frau<br />
M. zu dieser Zeit bei vollem Bewusstsein? Wäre dies<br />
nicht <strong>der</strong> Fall, d<strong>an</strong>n wäre die Anklage hinfällig.<br />
Vorgehensweise und verwendete Verfahren:<br />
Gespräch mit Herrn J. am 3. 5. 400 v. Chr. von 16:00-<br />
17:00 Uhr<br />
Beobachtung in <strong>der</strong> Gruppe (Inkludierung in die<br />
Gefängnisstruktur) am 13. 5. 400 v. Chr. von 9:00-<br />
10:30 Uhr<br />
Testdurchführung ET 6-6 am 22. 5. 400 v. Chr. von<br />
10:00-11:00 Uhr<br />
Beobachtung zur Testdurchführung am 22. 5. 400 v.<br />
Chr. von 10:00-11:00<br />
Test AF Reaktion auf die ständige Beobachtung am<br />
24. 5. 400 v. Chr. von 10:00-13:00 Uhr<br />
4. Ergebnisse<br />
Familiäre Situation, Freizeit und Interessen:<br />
Die Person weist eine unerklärliche Liebe zu Herrn J.<br />
auf. Da <strong>der</strong> Begriff Liebe nicht erklärbar ist, nennen<br />
wir das Geltungsbedürfnis. Also ihr unerklärliches<br />
Geltungsbedürfnis ver<strong>an</strong>lasste sie zu ihrem ersten<br />
Mord <strong>an</strong> Herrn K., <strong>der</strong> ihr Bru<strong>der</strong> war. Sie ist aus<br />
diesem Grund auch mit ihrem Vater in einem Zwist,<br />
da er es nicht gern sah, dass sein Sohn zerstückelt<br />
wurde. Die familiäre Situation <strong>der</strong> Frau M. ist also<br />
äußerst schlecht. Womit sie ihre Freizeit verbringt,<br />
war lei<strong>der</strong> nicht herauszufinden, aber es muss etwas<br />
sehr Persönliches sein, da sie sich so gegen die<br />
Veröffentlichung sträubte.<br />
5. Entwicklungsst<strong>an</strong>d<br />
Ihr Entwicklungsst<strong>an</strong>d ist, wi<strong>der</strong> Erwarten, eigentlich<br />
dem eines „weisen Menschen “ gleichzusetzen, da<br />
sie ihre Instinkte unterdrückte, um Menschenleben<br />
zu retten, wobei dies eig. auch ein Instinkt ist:<br />
nämlich <strong>der</strong> größte, dem <strong>der</strong> Mensch jemals folgte.<br />
Wieso weise? Sie tötete ihren Bru<strong>der</strong>, um das Leben<br />
ihres M<strong>an</strong>nes zu retten, ist dies mit <strong>Auf</strong>opferung<br />
gleichzusetzen? O<strong>der</strong> ist das mehr ein Austausch<br />
von Menschenleben? Schlussendlich ist das psychologisch<br />
gesehen eine Überwindung (also das Töten<br />
ihres Bru<strong>der</strong>s) für eine <strong>an</strong><strong>der</strong>e Person. Außerdem<br />
ist das mit Notwehr gleichzusetzen. Töten um nicht<br />
getötet zu werden.<br />
Wobei die Kin<strong>der</strong>morde nicht mit dieser These<br />
erklärbar sind. Diese verschließen sich je<strong>der</strong> Logik.<br />
7
8<br />
AHS Heustadelgasse<br />
zeitskleid, jenes war, welches Medea in das Blut des Zentauren getränkt hatte. Sofort wurde mir alles<br />
klar. Medea wollte nicht, dass Jason Glauke heiratet und dachte sich diese Untat aus. Jedoch for<strong>der</strong>te<br />
diese verrückte Tat nicht nur eine Tote. Selbst <strong>der</strong> König war tot, und alle Schnei<strong>der</strong> und Mägde von<br />
Glauke ebenfalls. Es war einfach nur schrecklich. Und Schuld dar<strong>an</strong> hat nur Medea, sie ist die Mör<strong>der</strong>in,<br />
sie wollte Jason das Leben zur Hölle machen.. und das hat sie auch geschafft.<br />
INTERVIEW MIT DER ANGEKLAGTEN<br />
Medea- Hexe, Kindesmör<strong>der</strong>in o<strong>der</strong> betrogene Ehefrau?<br />
Dieses Interview liefert einen tiefen Einblick in die Seele einer gefährlichen und faszinierenden Frau.<br />
I: Guten Tag, Medea. F<strong>an</strong>gen wir <strong>an</strong>?<br />
M: Nur zu.<br />
I: Gut… Erzählen Sie doch erst einmal, wie Sie und Jason sich kennen gelernt haben.<br />
M: Alles beg<strong>an</strong>n in Kolchis, wo ich als des Königs Tochter geboren und zur Frau her<strong>an</strong>gereift war. Ich<br />
war jung, leidenschaftlich, schön und klug, doch blieb mir das versagt, wovon meine Hofdamen nur<br />
flüsternd und mit glänzenden Augen zu erzählen wagten: Liebe.<br />
Sie können sich vorstellen, wie aufgewühlt ich war, als ich Jason zum ersten Mal sah. Ich wusste<br />
sofort, dass dieser M<strong>an</strong>n mein Apoll war. Meine wahre Liebe. Er war auf Wunsch seines Onkels nach<br />
Kolchis gekommen. Wenn er mit dem goldenen Vlies, dem Heiligtum meines Volkes, heimkehrte,<br />
würde er König werden.<br />
Mein Vater wollte ihn ob seinem dreisten Ansuchen hinrichten lassen, ich jedoch schlug vor, ihn<br />
einer Prüfung zu unterziehen, die kein sterblicher M<strong>an</strong>n bestehen würde. Mein Vater willigte ein.<br />
Später suchte ich Jason in seinem Zelt auf. Er hatte Angst, wollte unverrichteter Dinge umkehren. Ich<br />
offenbarte ihm meine magischen Kräfte. Für das Versprechen seiner ewigen Liebe verschaffte ich ihm<br />
das goldene Lammfell und wir flohen. Um zu entkommen musste ich jedoch meinen eigenen Bru<strong>der</strong><br />
töten.<br />
I: Und… was fühlten Sie nach dieser Tat?<br />
M: Mir brach fast das Herz, jedoch war es <strong>der</strong> einzige Weg zu Freiheit und Glück. Die Königin <strong>der</strong><br />
Phäaken gewährte uns Asyl, also konnten wir endlich als Paar zusammenleben. Aber Jason verhielt<br />
sich immer seltsamer. Er wurde verschlossen und ließ niem<strong>an</strong>den <strong>an</strong> sich her<strong>an</strong>. Als ich ihm mit<br />
etwas unorthodoxen Mitteln zur Königswürde verhalf, wurde es noch schlimmer.<br />
Mir wurde klar, dass ich seinen Zust<strong>an</strong>d verschuldet hatte. Meine forsche Art hatte ihn <strong>an</strong> unserer<br />
Liebe zweifeln lassen.<br />
Eine Freundin schlug vor, dass Jason und ich verreisen sollten. Die Flitterwochen, die wir nie hatten.<br />
Also fuhren wir nach Athen.<br />
Mein M<strong>an</strong>n blühte auf und beg<strong>an</strong>n wie<strong>der</strong> zu leben. Doch den Grund sollte ich bald herausfinden:<br />
Glauke, die schöne, scheue und rehäugige Königstochter. Jason bat mich, ihn zu entlassen, sodass<br />
er Glauke heiraten konnte. Was blieb mir <strong>an</strong><strong>der</strong>es übrig, als zu nicken und meine Tränen hinunterzuschlucken?<br />
Doch ich rächte mich, ich tötete Glauke auf die gleiche Weise, auf die Dei<strong>an</strong>ira Heracles getötet<br />
hatte: ein mit Zentaurenblut durchtränktes Kleid.<br />
I: Fühlten Sie dabei gar nichts? Kein Mitleid? Nichts?<br />
M: Nein. Jason hatte meine Gefühle, zusammen mit meinem Herzen, aus meiner Brust gerissen, als<br />
er mich verließ. Ich beschloss, ihn vollkommen zu vergessen.<br />
In all unseren Ehejahren hatte ich ihm zwei Söhne geboren, die ihm beide sehr ähnlich sahen. Sie<br />
hatten nichts von mir. So fiel es mir leichter, die letzten B<strong>an</strong>de, die mich <strong>an</strong> den treulosen Geliebten<br />
fesselten, zu zerschneiden und ich tötete meine Söhne. Als Jason bemerkte, was ich get<strong>an</strong> hatte, bat<br />
er mich tränenüberströmt, sie begraben zu dürfen. Ich lachte nur, bestieg meinen Wagen, <strong>der</strong> von<br />
geflügelten Rössern gezogen wurde, die toten Kin<strong>der</strong> neben mir, und stieg in die Lüfte. Ich wollte<br />
alles hinter mir lassen und einen Neustart machen.<br />
I: Aber eines verstehe ich nicht. Wie k<strong>an</strong>n jem<strong>an</strong>d so kaltblütig h<strong>an</strong>deln?!<br />
M: Nun…ich habe Jason alles gegeben, habe ihn zu einem reichen M<strong>an</strong>n und König gemacht. Ich<br />
hatte nicht vor, still und leise aus seinem Leben zu verschwinden. Meine Rache best<strong>an</strong>d darin, ihn<br />
wie<strong>der</strong> so zurückzulassen, wie er vor unserer ersten Begegnung gewesen war. Ich bereue nichts.<br />
PLÄDOyER DER VERTEIDIGUNG<br />
Ohne Zweifel hat Medea eines <strong>der</strong> wohl abscheulichsten Verbrechen beg<strong>an</strong>gen, die die Menschheit<br />
kennt. Doch was für eine Verzweiflung mag eine sonst so weise und gelehrte Frau aus fernen Län<strong>der</strong>n<br />
zu solch einer Tat gezwungen haben?<br />
Die Außenwelt meinte es nicht gut mit ihr. Ihr M<strong>an</strong>n verließ sie für eine Jüngere, was natürlich das<br />
Recht Jasons war, wohl aber eine Frau, die einen M<strong>an</strong>n von Herzen liebt, für den sie alles aufgab und<br />
ihre Heimat verließ, tief verletzt haben muss. Niem<strong>an</strong>d nahm sie in die Gesellschaft auf, ständig wurde<br />
sie <strong>an</strong> ihre Herkunft erinnert. Diese tiefe Enttäuschung hat sie dazu getrieben, ihre Existenz in ihren<br />
Taten wi<strong>der</strong>spiegeln zu lassen, so l<strong>an</strong>ge, bis ihr benebelter Geist sie dazu zw<strong>an</strong>g, den Menschen,<br />
die sie am meisten liebt, zu verletzen o<strong>der</strong> sogar das Leben zu nehmen. Wäre es nicht unsere Pflicht<br />
als Griechen, solchen Menschen, <strong>an</strong>statt sie zu verurteilen, den richtigen Weg zu weisen?<br />
Sobald die Wut und die Trauer verflogen ist, so wird sie erkennen, dass sie selbst wohl die tiefste<br />
Wunde davon tragen wird, nämlich die Ver<strong>an</strong>twortung für den Mord <strong>an</strong> ihren eigenen Kin<strong>der</strong>n übernehmen<br />
zu müssen. Daher empfiehlt die Verteidigung die Einweisung in eine Anstalt für abnorme<br />
Rechtsbrecher, um ihren aufgewühlten Geist in Gnade Frieden zu gewähren.
PLÄDOyER DES STAATSANWALTS<br />
Eine Frau, die ihre Kin<strong>der</strong> kaltblütig ermordet, nur um das Leben ihres Ex-M<strong>an</strong>nes zu zerstören.<br />
Diese furchtbare Tat hätte verhin<strong>der</strong>t werden können, denn Jason k<strong>an</strong>nte <strong>Medeas</strong> blutrünstige Natur,<br />
die nicht davor zurückschreckt, ihren eigenen Bru<strong>der</strong> zu töten.<br />
Wer ist diese Frau?<br />
Sie ist eine Auslän<strong>der</strong>in, eine Fremde, die in keiner Weise die Bereitschaft zeigte, sich in Griechenl<strong>an</strong>d<br />
zu integrieren, die ihren Platz in <strong>der</strong> Gesellschaft nicht akzeptieren wollte.<br />
Ein Leben l<strong>an</strong>g hat sie sich gegen ihren Vater aufgelehnt, später, als sie mit Iason durchbr<strong>an</strong>nte und<br />
sich kaltblütig ihrer Familie entledigte, auch gegen ihn.<br />
Auch war es Jasons Recht, sich eine jüngere, s<strong>an</strong>ftere Frau zu nehmen, die auf seine Bedürfnisse<br />
einging.<br />
Die Angeklagte sah das <strong>an</strong><strong>der</strong>s und war nicht gewillt, ihrem Ehem<strong>an</strong>n ein friedliches Leben zu gönnen,<br />
also wurde sie erneut zur Mör<strong>der</strong>in und tötete Glauke, Jasons Verlobte.<br />
War es eine Affekth<strong>an</strong>dlung?<br />
<strong>Medeas</strong> präzise Ausführung dieser bestialischen Taten weist auf das Gegenteil hin.<br />
Da diese Hexe eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt, be<strong>an</strong>trage ich die Todesstrafe.<br />
AHS Heustadelgasse<br />
9
10<br />
GRG23 AltErlaa<br />
Ovid: stellt Medea schw<strong>an</strong>kend dar, Kin<strong>der</strong>mord und Ende<br />
Jasons kommen nicht vor und werden als bek<strong>an</strong>nt<br />
vorausgesetzt.<br />
Michael Köhlmeier: stellt Medea böse dar, Kin<strong>der</strong>mord<br />
wird als „Privatsache“ bezeichnet.<br />
Quo feret ira, sequar!<br />
Wohin <strong>der</strong> Zorn mich bringen wird, werde ich folgen!<br />
Verschiedene Bearbeitun gen <strong>der</strong> Medea – Sage:<br />
Lars von Trier: stellt Medea ausgenützt dar, Medea<br />
erhängt Kin<strong>der</strong>, Jason stirbt vor Verzweiflung und<br />
Erschöpfung (unklar).<br />
Luigi Cherubini: neutral zu Medea, Medea bringt Kin<strong>der</strong><br />
mit Dolch um, alles versinkt in Flammen.<br />
Gustav Schwab: verteidigt Medea, Medea ist verblendet,<br />
erschlägt ihre Kin<strong>der</strong>, Jason stürzt sich in sein Schwert.<br />
_____________________________________________________<br />
Et dabit <strong>an</strong>te fidem, cogamque in foe<strong>der</strong>a testes esse deos.<br />
Und er wird vorher ein Versprechen geben, und ich werde erzwingen, dass in unserem Abkommen die<br />
Götter Zeugen sind. (Ovid)<br />
_____________________________________________________<br />
Arie Médée :<br />
Médée wirft Jason vor, dass er sie verlassen hat, obwohl<br />
sie ihren Vater und ihre Heimat zurückgelassen und alles<br />
für ihn geopfert hat. Médée ist unglücklich und wünscht<br />
sich Jason zurück. Diesen Moment unterstreicht Cherubini<br />
mit ruhiger, fließen<strong>der</strong> Musik, Akkordschlägen in Moll und<br />
l<strong>an</strong>gen Notenwerten, um Mitleid beim Zuhörer zu erregen.<br />
„Nichts will ich, nur dich allein, meinem Zorn schwöre ich<br />
ab! Medée weint, Medée umklammert deine Knie! Um<br />
alles was sie tat, gebt ihr den Gatten wie<strong>der</strong>!“<br />
Arie Jason:<br />
Erleichtert, dass er Médée verlassen hat, ist er verliebt,<br />
hoffnungsvoll und beruhigt Dircé.<br />
Die Oper:<br />
Arie Creon:<br />
Warnt Médée („Dieser Tag wird Médées letzter sein“) um<br />
dadurch seine Tochter Dircé zu beruhigen.<br />
Arie Dircé:<br />
Sie ist hin und her gerissen zwischen Misstrauen,<br />
Unsicherheit, Angst vor Medea und erwartungsvoller<br />
Hoffnung und Liebe.<br />
_____________________________________________________<br />
Et luctata diu, postquam ratione furorem vincere non poterat.<br />
Und nachdem sie l<strong>an</strong>ge gekämpft hatte und nachdem sie die Raserei nicht durch Vernunft besiegen<br />
konnte (Ovid), tötete sie im Wahnsinn die Schlafenden [Kin<strong>der</strong>], um Jason und sich selbst das<br />
teuerste zu nehmen. (Gustav Schwab)<br />
_____________________________________________________<br />
Nichts dazugelernt seit <strong>der</strong> Antike?<br />
Kin<strong>der</strong>mord aus Rachsucht – auch heute noch aktuell<br />
Zwei Söhne im oberpfälzischen Beratzhausen getötet: Die vermutlich depressive 37-Jährige<br />
wollte mit ihrer Tat verhin<strong>der</strong>n, dass ihre zwei und drei Jahre alten Söhne allein bei ihrem Ehem<strong>an</strong>n<br />
und ihren Schwiegereltern bleiben müssen. (www.poolalarm.de)<br />
"Immer h<strong>an</strong>delt es sich um eine Situation, bei denen die Menschen keinen <strong>an</strong><strong>der</strong>en Ausweg sehen", sagt <strong>der</strong> Psychologe und<br />
Leiter <strong>der</strong> kriminologischen Zentralstelle in Wiesbaden, Prof. Rudolf Egg.<br />
… weil sie, ihm ward’s auch selbst bald klar,<br />
nicht g<strong>an</strong>z gesellschaftsfähig war.<br />
Dazu ward sie auch alt und fett,<br />
er f<strong>an</strong>d sie plötzlich nicht mehr nett;<br />
beglückt von neuen Liebeshimmeln<br />
versuchte er, sie abzuwimmeln.<br />
Sie ging auch wirklich später fort,<br />
doch vorher gab’s noch Mord um Mord.<br />
(Eugen Roth)
GRG23 AltErlaa<br />
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12<br />
ORG1 Hegelgasse 12<br />
Medea und die Mythologie<br />
Mythologie ist ein Phänomen in einem virtuellen Raum. Gustav Schwab hat die Geschichten für<br />
die meisten von uns formuliert. Wir kennen seine zusammenfassenden Erzählungen. Doch diese<br />
Zusammenfassungen sind keineswegs das, wie sich ein Mythos in <strong>der</strong> Antike – und d<strong>an</strong>ach, in <strong>der</strong><br />
Rezeption – m<strong>an</strong>ifestiert. Da sind die Gedichte, Hymnen, Epen, Dramen, in denen ein Mythos beh<strong>an</strong>delt<br />
wird, o<strong>der</strong> besser gesagt, in denen ein Teil des Mythos dargestellt wird. Verschiedene Zeiten,<br />
verschiedene Künstler zapfen den Mythos auf verschiedene Arten <strong>an</strong>, entnehmen das, was für sie<br />
wichtig erscheint, und gießen es in die Form ihres Kunstwerks. Doch <strong>der</strong> Mythos ist viel mehr als<br />
das einzelne Kunstwerk. Seine Quelle speist viele verschiedene Werke, lässt sich in viele verschiedene<br />
Schalen füllen und Formen gießen.<br />
Im Falle des Medea-Mythos sind es sicher Euripides und Seneca unter den Dramatikern <strong>der</strong> Antike,<br />
die Werke geschaffen haben, die maßgeblich für die weitere Gestaltung späterer Generationen<br />
gewesen sind. Eine Tragödie des römischen Dichters Ovid ist lei<strong>der</strong> verloren geg<strong>an</strong>gen. Doch Ovid<br />
zeigt uns Medea in seinen Werken <strong>an</strong> vielen Stellen mit zahlreichen Facetten. Und auch sonst taucht<br />
sie immer wie<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Dichtung <strong>der</strong> Antike auf. Sie fasziniert und stößt gleichzeitig ab. M<strong>an</strong> hat<br />
Mitleid mit <strong>der</strong> Fremden im fremden L<strong>an</strong>d, findet die Zauberin vielleicht interess<strong>an</strong>t, versteht aber eigentlich<br />
nicht, warum sie ihre Kin<strong>der</strong> tötet – einer <strong>der</strong> größten möglichen Tabubrüche. Die Rivalin zu<br />
beseitigen stößt auf einiges Verständnis, doch <strong>der</strong> Tod <strong>der</strong> ‚unschuldigen Kin<strong>der</strong>‘ löst nur Befremden<br />
aus.<br />
Wer ist diese Medea? Gibt es <strong>an</strong><strong>der</strong>e Frauengestalten in <strong>der</strong> Mythologie, <strong>der</strong>en Schicksal vergleichbar<br />
ist? Wir haben vor allem zwei gefunden, die Parallelen zum Schicksal <strong>der</strong> Medea aufweisen: Ariadne,<br />
die Tochter des Kreterkönigs Minos, und Dido, die sagenhafte Grün<strong>der</strong>in Karthagos. Zusammen<br />
ergeben diese drei ein Bild weiblichen Schicksals: l’abb<strong>an</strong>donata, die Verlassene, wie sie die frühen<br />
Opern gen<strong>an</strong>nt haben, die alle drei auf <strong>der</strong> Opernbühne auftreten lassen.<br />
Wir haben einen gemeinsamen Steckbrief <strong>der</strong> drei Damen verfasst.<br />
Namen <strong>der</strong> Eltern<br />
Geschwister<br />
Die Verlassenen: Ariadne – Medea – Dido<br />
Ariadne Medea Dido Elissa<br />
Vater: Minos, König<br />
von Kreta<br />
Mutter: Pasiphae<br />
Vater: Aietes<br />
Mutter: ?<br />
Bru<strong>der</strong>: Absyrtos<br />
Vater: Tyros<br />
Bru<strong>der</strong>: Pygmalion<br />
Schwester: Anna<br />
Herkunft<br />
St<strong>an</strong>d<br />
Königstochter Königstochter Königstochter<br />
Geburtsort/-l<strong>an</strong>d Kreta Kolchis am Schwarzen Phönizien<br />
Meer<br />
(Lib<strong>an</strong>on)<br />
Junges Mädchen Junges Mädchen im Reife Frau am Beginn<br />
Alter<br />
im heiratsfähigen heiratsfähigen Alter <strong>der</strong> Geschichte<br />
Alter (unter 20) (unter 20)<br />
Am Ende reife Frau (30<br />
o<strong>der</strong> mehr)<br />
Familienst<strong>an</strong>d Anf<strong>an</strong>gs: ledig Ledig,<br />
verwitwet<br />
Am Ende: Heirat mit verheiratet mit Jason,<br />
Bacchus<br />
getrennt von Jason<br />
Ehem<strong>an</strong>n Bacchus Jason Sychäus<br />
Große Liebe Theseus<br />
Jason, verlässt sie nach Aeneas<br />
verlässt sie vor <strong>der</strong> Jahren <strong>der</strong> Ehe wegen verlässt sie, um<br />
Heirat<br />
einer <strong>an</strong><strong>der</strong>en<br />
höherem Befehl zu<br />
folgen<br />
Stellung<br />
Königstochter Königstocher,<br />
Karrierefrau, Politikerin<br />
Beruf<br />
Wird zuletzt<br />
Vertriebene, Zauberin gründet eine Stadt,<br />
unsterblich - Göttin Eine zeitl<strong>an</strong>g nur Frau Königin in eigenem<br />
und Mutter<br />
Recht<br />
wichtige Ereignisse Ein Frem<strong>der</strong> kommt Ein Frem<strong>der</strong> kommt Ein Frem<strong>der</strong> kommt<br />
Beson<strong>der</strong>e Taten<br />
Verdienste<br />
Sie hilft dem<br />
Fremden<br />
Mit magischem<br />
Schwert und<br />
Wollknäuel<br />
Sie hilft dem Fremden<br />
Mit ihrer Hilfe/ ihren<br />
Zauberkünsten<br />
erl<strong>an</strong>gt er das Goldene<br />
Vlies<br />
Sie hilft dem Fremden<br />
Sie nimmt den<br />
Schiffbrüchigen auf<br />
und bewirtet und<br />
versorgt ihn<br />
Beson<strong>der</strong>e<br />
Fähigkeiten<br />
Zauberkenntnisse Zauberkenntnisse Org<strong>an</strong>isationstalent<br />
Beson<strong>der</strong>e<br />
arbeitet gegen ihre arbeitet gegen ihre hat mir ihrer<br />
Situation/Probleme Familie und verlässt Familie und verlässt sie Herkunftsfamilie schon<br />
sie um eines<br />
um eines M<strong>an</strong>nes willen, vorher gebrochen<br />
M<strong>an</strong>nes willen begeht sogar einen und ein neues Leben<br />
Mord,<br />
begonnen – Neues<br />
Fremde in fremdem L<strong>an</strong>d Glück mit Aeneas<br />
scheitert<br />
Än<strong>der</strong>ung des Fährt mit Theseus Kommt nach Jolkos, Hat in Karthago eine<br />
Wohnortes<br />
nach Naxos, wird später nach Korinth neue Heimat<br />
dort von Bacchus<br />
gefunden und eine<br />
verlassen gefunden<br />
Stadt gegründet.<br />
Nachkommen Vier Söhne aus <strong>der</strong> Zwei Söhne aus <strong>der</strong> Ehe Keine Kin<strong>der</strong><br />
Ehe mit Bacchus mit Jason – von ihr<br />
getötet<br />
Lebensende Happy end:<br />
Sie tötet Rivalin und ihre Sie begeht<br />
Ende <strong>der</strong><br />
Bacchus heiratet sie eigenen Kin<strong>der</strong> und fährt Selbstmord mit dem<br />
Geschichte<br />
auf einem<br />
Schwert des Aeneas<br />
Drachenwagen davon und verflucht ihn und<br />
seine Nachkommen
FREMDE IM FREMDEN LAND<br />
so steht es nun einmal: <strong>der</strong> Mensch weiß nichts von Recht;<br />
eh er des nächsten art zu kennen sich bemüht,<br />
ist er verärgert, ob ihm gleich kein leid geschah.<br />
drum füge sich <strong>der</strong> Fremde rasch dem l<strong>an</strong>desbrauch;<br />
doch schelt’ ich auch den Bürger, <strong>der</strong> Mitbürger kränkt,<br />
weil er in seinem dünkel nur sich selber sieht.<br />
Euripides, Medea<br />
Ein Text, <strong>der</strong> trotz seines hohen Alters nichts <strong>an</strong> Aktualität verloren hat, <strong>der</strong> gerade in einer Gesellschaft<br />
wie <strong>der</strong> österreichischen, die seit Jahrhun<strong>der</strong>ten geprägt ist vom Zusammentreffen von Menschen<br />
verschiedener Kulturen und Anschichten, gültig ist wie eh und je. Menschen aus dem Osten<br />
– damals Kolchis, heute vielleicht <strong>der</strong> Balk<strong>an</strong>, die Türkei, <strong>der</strong> Orient -, dunkel und verdächtig, <strong>an</strong><strong>der</strong>s,<br />
daher verdächtig.<br />
Wie steht es mit Herrn und Frau Österreicher und ihrem Bemühen, „des Nächsten Art zu kennen“?<br />
Wie steht es mit <strong>der</strong> Bereitschaft <strong>der</strong> Fremden, „sich rasch dem L<strong>an</strong>desbrauch zu fügen“? Wie sehr<br />
ist er/sie – Eingeborene(r) o<strong>der</strong> Zugereiste(r) – „verärgert über des Nächsten Art, ob ihm gleich kein<br />
Leid geschah“?<br />
„In seinem Dünkel nur sich selber sehen“ macht auch heute das Zusammenleben vieler Menschen<br />
im Großen wie im Kleinen, in Österreich und An<strong>der</strong>swo zum Problem. Die Medea des Euripides<br />
for<strong>der</strong>t hier die Toler<strong>an</strong>z von beiden Seiten ein.<br />
ORG1 Hegelgasse 12<br />
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14<br />
Musikgymnasium <strong>Wien</strong><br />
christa wolf: Medea. stimmen<br />
„Wovor lauft ihr alle eigentlich davon“<br />
Wir, die Klasse 7A des Musikgymnasium <strong>Wien</strong>,<br />
haben uns l<strong>an</strong>ge mit dem großartigen Rom<strong>an</strong><br />
„Medea. Stimmen“ von Christa Wolf ausein<strong>an</strong><strong>der</strong><br />
gesetzt und bei diesem Projekt mitgemacht. Wir<br />
hatten die Idee einige Zitate auszuwählen und<br />
unsere Meinungen und Interpretationen dazu zusammenzufassen.<br />
Im Gegensatz zu Euripides stellt<br />
Christa Wolf Medea als eine starke, unbeugsame<br />
Frau dar, die nicht die Schuld am Tod ihrer Kin<strong>der</strong><br />
trägt.<br />
ZUM INHALT:<br />
Sechs verschiedene Personen erzählen in<br />
inneren Monologen in 11 Kapiteln die Geschichte<br />
von Medea aus ihrer Sicht. Die Stimmen<br />
beschreiben in Zeitsprüngen abwechselnd<br />
Ereignisse aus <strong>der</strong> Verg<strong>an</strong>genheit. Die H<strong>an</strong>dlung<br />
verfolgt die Geschichte <strong>Medeas</strong> von dem Zeitpunkt<br />
<strong>an</strong>, als sie in Korinth auf die Spur eines<br />
Verbrechens kommt. Die junge Königstochter<br />
und mögliche Thronfolgerin wurde ermordet.<br />
Als Medea dieses Verbrechen aufdeckt, wird sie,<br />
um die Macht des Königs nicht zu gefährden,<br />
zum Sündenbock abgestempelt. Dadurch können<br />
die Machthaber auch von ihren Verbrechen<br />
ablenken. Sie werfen Medea vor, die sich nicht<br />
den korinthischen Gebräuchen unterordnen will,<br />
ihren Bru<strong>der</strong> und ihre eigenen Kin<strong>der</strong> ermordet<br />
zu haben. Schließlich wird sie sogar von ihrem<br />
eigenen Ehem<strong>an</strong>n Jason verstoßen. Christa<br />
Wolf versucht eine Neuinterpretation des<br />
Medeamythos. Nein, Medea hat ihr Kin<strong>der</strong> nicht<br />
umgebracht. Die weise Seherin Medea wird<br />
dieser Tat beschuldigt, um sie dar<strong>an</strong> zu hin<strong>der</strong>n,<br />
die Wahrheit <strong>an</strong>s Licht zu bringen.<br />
Medea: „Warum war ich aus Kolchis geflohen. Es war mir unerträglich erschienen, vor die Wahl zwischen<br />
zwei Übeln gestellt zu sein. Ich Törin. Jetzt hatte ich nur noch zwischen zwei Verbrechen wählen können.“<br />
Medea bereut, dass sie aus Kolchis weggeg<strong>an</strong>gen ist, denn sie bemerkt, dass es in Korinth nicht<br />
besser ist. Hier ist es genauso verdorben wie in Kolchis, und Medea ist verzweifelt. Sie findet, dass<br />
sie sehr dumm war, dass sie alles in Korinth aufgegeben hat. Wegen <strong>der</strong> bestehenden Verhältnisse<br />
k<strong>an</strong>n sie nur zwischen zwei Übeln wählen, und eigentlich k<strong>an</strong>n sie nicht mehr wirklich wählen. Sie<br />
k<strong>an</strong>n ihr Schicksal nur <strong>an</strong>nehmen und das ist sehr schwierig für eine starke, kämpfischere Frau wie<br />
Medea. Heui Soo Park<br />
Zum Unterschied zwischen Kolchis und Korinth: Schon <strong>der</strong> Unterschied <strong>der</strong> hierarchischen Strukturen<br />
ist enorm. Während in Kolchis das Ideal <strong>der</strong> Gleichheit vorherrscht, durch welches Frauen und<br />
Männer in etwa die gleiche Stellung innehaben und Aites samt Königsfamilie die Spitze bildet, f<strong>an</strong>d<br />
in Korinth eine deutliche Hierarchisierung statt, wo Klassengesellschaften vorherrschen, Frauen<br />
eine niedrigere Stellung als Männer innehaben und welche den König allein <strong>an</strong> die Spitze stellt.<br />
Zudem h<strong>an</strong>delt es sich bei Korinth um einen Umschwung zum Patriarchat, wohingegen Kolchis ein<br />
Matriachat ist. Auch die Einstellung zu materiellem Wohlst<strong>an</strong>d weist Unterschiede auf. Der goldene<br />
und steinerne Palast in Korinth bildet einen deutlichen Gegenpol zu dem hölzernen Königshaus <strong>der</strong><br />
Kolcher, woraus m<strong>an</strong> schließen k<strong>an</strong>n, dass den Korinthern mehr <strong>an</strong> materiellem Wohlst<strong>an</strong>d gelegen<br />
ist, insbeson<strong>der</strong>e, um sich nach außen hin zu präsentieren. Die Korinther sind besessen von <strong>der</strong> Gier<br />
nach Gold. Gudrun Stef<strong>an</strong>itsch<br />
Medea: „Wohin mit mir. Ist eine Welt zu denken, eine Zeit, in die ich passen würde. Niem<strong>an</strong>d da, den ich<br />
fragen könnte. Das ist die Antwort.“<br />
Medea fühlt sich einsam und verlassen am Ende des Buches. Nach <strong>der</strong> Verb<strong>an</strong>nung hat sie keine<br />
Vertrauens- bzw. Bezugsperson mehr. Sie ist auch in sich verloren, da sie sich fragt: „Wohin mit mir“.<br />
Sie k<strong>an</strong>n sich nicht vorstellen, jemals wie<strong>der</strong> in irgendeine Welt o<strong>der</strong> Zeit zu passen. Das ist ihre<br />
Antwort auf all die Fragen, die sich stellen o<strong>der</strong> die sie sich stellen könnte. Damit beruhigt sie sich<br />
und ihre aufgewühlte Seele. Katharina Dudas<br />
Medea: „Wie habe ich mich täuschen können, aber nichts täuscht sicherer als Glück, und es gibt keinen<br />
Platz, <strong>der</strong> die Schärfe <strong>der</strong> Wahrnehmung so trübt wie <strong>der</strong> Platz im Gefolge des Königs.“<br />
Dieses Zitat zeigt g<strong>an</strong>z deutlich, wie m<strong>an</strong>che Menschen, auch in unserem heutigen Leben, sich <strong>an</strong>passen,<br />
um gewissen Erwartungen gerecht zu werden und dadurch gesellschaftliche o<strong>der</strong> politische<br />
Positionen verliehen bekommen. Die Personen in Wolfs „Medea“ kriegen in aller Deutlichkeit die<br />
Folgen zu spüren: Sie befinden sich im ständigen Zwiespalt über Medea, die sie eigentlich hassen<br />
o<strong>der</strong>, laut <strong>der</strong> allgemeinen korinthischen Ansicht, hassen sollen; außer Agameda ist sich keiner g<strong>an</strong>z<br />
darüber im Klaren, ob er Medea jetzt wirklich loswerden will o<strong>der</strong> nicht. Samuel Toro-Perez<br />
Glauke: „Es hat l<strong>an</strong>ge gedauert, bis ich zugeben mußte, daß ich mich auch in diesem Punkt getäuscht<br />
habe, habe täuschen lassen, aber was ist denn überhaupt richtig, k<strong>an</strong>n ich denn meinen Augen noch trauen,<br />
k<strong>an</strong>n ich mich noch auf irgendeinen Menschen verlassen.“<br />
Glauke ist die Person in dem Stück, bei <strong>der</strong> m<strong>an</strong> am besten sieht, weviel die Korinther durch ihren<br />
Hass auf Medea <strong>an</strong>gerichtet und zerstört haben. Denn Medea war die Einzige, die Glauke verst<strong>an</strong>den<br />
hat, die den Zusammenh<strong>an</strong>g zwischen dem Mord <strong>an</strong> Iphinoe und Glaukes Kr<strong>an</strong>kheit begriffen<br />
hat. Sie war die Einzige, die ihr auch hätte helfen können. Und m<strong>an</strong> k<strong>an</strong>n auch sehen, dass die<br />
Korinther dadurch nicht nur <strong>Medeas</strong> Leben zerstören, son<strong>der</strong>n auch das von Leuten aus ihren<br />
eigenen Reihen. Ich hatte <strong>an</strong> <strong>der</strong> Stelle, bei <strong>der</strong> Glauke zu Wort kommt, einfach nur Mitleid mit ihr,<br />
weil die Korinther sie, die wirklich absolut keine Schuld <strong>an</strong> irgendeinem Ereignis trägt, so für ihre<br />
Machtspielchen missbrauchen, dass sie letzten Endes nicht einmal mehr <strong>der</strong> einzigen Person, die<br />
ihr immer nur Gutes wollte, traut, son<strong>der</strong>n fest davon überzeugt ist, sich auch in ihr getäuscht zu<br />
haben. Monika Demmer<br />
Akamas: „Ich gab einer verqueren Regung nach und erklärte Medea, wie Korinth funktioniert, was auch<br />
bedeutet, sie nach und nach wissen zu lassen, auf welche Weise ich meine Macht ausübe, zu <strong>der</strong> gehört,<br />
daß sie unsichtbar bleibt und je<strong>der</strong>m<strong>an</strong>n, beson<strong>der</strong>s <strong>der</strong> König, fest überzeugt ist, er allein, Kreon, sei die<br />
Quelle <strong>der</strong> Macht in Korinth. Ich konnte dem Kitzel nicht wi<strong>der</strong>stehen, die Einsamkeit und Verschwiegenheit,<br />
zu <strong>der</strong> ich verurteilt bin, zu durchbrechen und diese Frau, die nicht von unserer Welt ist, zu einer Art<br />
Vertrauten zu machen; es erheiterte mich, daß sie das Geschenk, das ich ihr machte, gar nicht zu schätzen<br />
wußte, weil sie es für selbstverständlich hielt.“<br />
Eine von Akamas’ <strong>Auf</strong>gaben ist es, Kreon im Glauben zu lassen, er wäre <strong>der</strong> mächtigste M<strong>an</strong>n. Was<br />
ich allerdings überhaupt nicht verstehe, ist, wieso Akamas seine Macht nicht nutzt, um Medea zu<br />
retten. Er schätzt sie sehr, <strong>an</strong>scheinend ist aber sein Wunsch nach Macht größer als seine Menschlichkeit.<br />
Aber er respektiert Medea und sie gibt ihm ein Gefühl von Vertrautheit, so sehr, dass er das<br />
ausspricht, was er sonst vielleicht nie auszusprechen gewagt hätte. Deshalb sieht Akamas sie als<br />
gleichberechtigt <strong>an</strong>. Dass Medea das als selbstverständlich empfindet, zeigt, dass Frauen in Kolchis<br />
den Männern gleichgestellt wurden. Akamas respektiert sie aber deswegen nicht weniger, son<strong>der</strong>n<br />
er versteht diesen Unterschied sogar und er stört ihn nicht. Akamas begehrt Medea auch nicht,<br />
vielleicht ein wichtiger Aspekt, wieso er sie als gleichberechtigt akzeptieren k<strong>an</strong>n. Trotzdem hätte<br />
er Größe beweisen können, indem er im Hintergrund die Fäden zieht und sie vor ihrem Schicksal<br />
bewahrt. Elisabeth Pl<strong>an</strong>k
Christa Wolf schafft es <strong>an</strong>h<strong>an</strong>d <strong>der</strong> Medea, sehr realistisch Fremdenfeindlichkeit zu beschreiben:<br />
Medea, die Fremde, macht vielen Korinthern Angst. Den Mächtigen wegen ihrer Gabe, die g<strong>an</strong>zen<br />
Missstände in Korinth so schonungslos zu durchschauen. Den ärmeren und einfachen Leuten wegen<br />
ihrer ungewohnten Bräuche und Verhaltensweise. Da es aber schwer ist sich einzugestehen, dass<br />
allein das „Fremde“ Grund genug ist, um Angst zu haben, sind sie d<strong>an</strong>kbar für alle Gerüchte, die<br />
Akamas und Agameda in Umlauf setzen. Das Gerücht des Bru<strong>der</strong>mordes z.B. gibt diesen Leuten das<br />
Gefühl, sich zu Recht vor ihr zu fürchten. Überhaupt ist es erschreckend, wie treffend Christa Wolf<br />
die Tricks <strong>der</strong> Mächtigen beschreibt, die <strong>an</strong>gewendet werden, um das Volk ruhig zu halten. Akamas<br />
ist z.B. selbst erstaunt, wie einfach g<strong>an</strong>z Korinth die plumpe Lüge über das Verschwinden Iphinoes<br />
hinnimmt. Er sagt, dass die Menschen gerne bereit sind, jede noch so plumpe Lüge zu glauben, nur<br />
um sich ein schöneres Bild ihrer Stadt zu machen, <strong>an</strong> <strong>der</strong>en Ansehen doch allen Menschen etwas zu<br />
liegen scheint. Realitätsverweigerung also, um sich selbst zu schonen. Martin Listabarth<br />
Ich persönlich finde es sehr sp<strong>an</strong>nend, dass Christa Wolf sich <strong>an</strong>h<strong>an</strong>d einer mythologischen Gestalt<br />
mit den Themen Fremdenunverständnis (bis hin zu Fremdenhass) und <strong>der</strong> Projektion innerer<br />
Probleme eines Staates/einer Stadt auf Menschen aus einem <strong>an</strong><strong>der</strong>en Kulturkreis ausein<strong>an</strong><strong>der</strong>setzt.<br />
Beson<strong>der</strong>s, weil ich selber nie auf die Idee gekommen wäre, z.B. die Probleme, die junge Menschen<br />
beson<strong>der</strong>s in <strong>der</strong> Schule haben, mit Hilfe einer mythologischen Gestalt darzustellen: So z.B. die Tatsache,<br />
dass die SchülerInnen von den meisten LehrerInnen nicht als eigenständige Persönlichkeiten<br />
mit eigener Meinung <strong>an</strong>erk<strong>an</strong>nt werden o<strong>der</strong> dass <strong>der</strong>en Meinung nicht genauso viel Gewichtung<br />
hat, wie die <strong>der</strong> LehrerInnen. Ich finde, dass Christa Wolf genau das mit <strong>der</strong> Medea macht. Sie zeigt<br />
bis zu einem gewissen Grad, bewusst o<strong>der</strong> unbewusst, die Probleme unserer mo<strong>der</strong>nen Gesellschaft,<br />
wie z.B. die schwierige Integration von Menschen aus <strong>an</strong><strong>der</strong>en Kulturen und die m<strong>an</strong>gelnde Gleichberechtigung<br />
von M<strong>an</strong>n und Frau. Sophie Breit<br />
„Sie fragte: Wovor lauft ihr alle eigentlich davon.“<br />
Medea beobachtet schon seit ihrer Ankunft in Korinth, dass alle Bewohner sich in das korinthische<br />
Herrschaftssystem einfügen, ohne Unzulänglichkeiten o<strong>der</strong> Fehler zu erkennen, beziehungsweise<br />
wahr haben zu wollen. Diejenigen, die diese Fehler erkennen, wie zum Beispiel Oistros, sagen<br />
o<strong>der</strong> tun nichts, um die übrigen Bewohner darauf aufmerksam zu machen. Ich glaube, das Volk<br />
WILL nichts än<strong>der</strong>n, es ist zu bequem. Denn eine politische Verän<strong>der</strong>ung würde ein Umdenken<br />
und Bewusstsein <strong>der</strong> Bevölkerung voraussetzen, dass den herrschenden Mächten und allen damit<br />
verbundenen Personen (z.B.: Männern) viele Vorteile entzogen werden würden. Und weil die Leute<br />
nichts <strong>an</strong> sich än<strong>der</strong>n wollen, müssen sie ihre eigenen Ansichten ignorieren und vor ihren Wünschen<br />
davon laufen. Medea ist zwar nicht die Einzige, die diese Situation bemerkt, aber die Einzige, die<br />
davon redet. Sie sucht den Grund für diese Missstände und deckt dabei zu viele dunkle Punkte aus<br />
Korinths Verg<strong>an</strong>genheit auf (z.B.: Iphinoe). Viele Bewohner glauben zu Unrecht, dass sie wegen<br />
dieses Wissens Verän<strong>der</strong>ungen herbeiführen will und wollen sie aus diesem Grund aus dem Weg<br />
schaffen. Anna-Sophie Vetter und Monika Demmer<br />
Musikgymnasium <strong>Wien</strong><br />
15
16<br />
Sir Karl Popper Schule<br />
Medea live<br />
„Médée“ szenisch-dramatisch nachempfi nden<br />
1. Wie würdet ihr Médée charakterisieren? Notiert stichwortartig alles<br />
was euch zu ihr einfällt!<br />
Médé<br />
2. Ihr habt verschiedene 3 <strong>Auf</strong>gaben die insgesamt ein G<strong>an</strong>zes ergeben:<br />
• Eine/Einer verkörpert Médée als St<strong>an</strong>dbild<br />
! sucht Tücher und Gegenstände die zu Médée passen (welche Farben? usw.)<br />
! verkleidet ein Gruppenmitglied als Médée<br />
! findet eine Position die Médée beson<strong>der</strong>s stark charakterisiert und beschreibt<br />
achtet dabei auf Mimik und Gestik<br />
! formt wie Bildhauer gemeinsam eure Médee<br />
• Einer/Eine trägt Médées Text vor<br />
! achtet auf gute Sprache und einen ausdrucksvollen Vortrag!<br />
(stellt euch vor ihr seid ein Schauspieler <strong>der</strong> einen Monolog auf <strong>der</strong><br />
<strong>Theater</strong>bühne spricht!!!)<br />
• kreiert gemeinsam eine Musik die Médée charakterisiert<br />
! sucht euch passende Instrumente<br />
! die Musik soll so l<strong>an</strong>ge wie <strong>der</strong> Monolog dauern, da sie d<strong>an</strong>n gleichzeitig zum<br />
Sprechvortrag gespielt wird, <strong>der</strong> Text soll gut verständlich bleiben<br />
! die Musik k<strong>an</strong>n auch stellenweise auf den Text reagieren, sie soll aber vorr<strong>an</strong>gig<br />
Médées Charakter musikalisch darstellen<br />
3. Fügt alle drei Elemente – das St<strong>an</strong>dbild, den Textvortrag und die Musik<br />
– zu einem „Charakterbild“ zusammen<br />
4. Präsentiert Médée dem Rest <strong>der</strong> Klasse<br />
! nach jedem „Charakterbild“ folg ein passendes Hörbeispiel aus <strong>der</strong> Oper<br />
e
ARIE MéDéE<br />
dem entsetzlichen schmerz <strong>der</strong> mich verzehrt,<br />
Kommt nichts <strong>an</strong> schrecken gleich.<br />
O liebe Kin<strong>der</strong>, ich bete euch <strong>an</strong><br />
Und war bereit, euch das herz zu durchbohren.<br />
Unsterbliche Götter, heilige Gerechtigkeit!<br />
ihr habt meinen arm entwaffnet,<br />
Rettet mich; erlaubt nicht diese abscheuliche Opferung.<br />
<strong>der</strong> treulose Gatte vergehe,<br />
Vergehen soll <strong>der</strong> eidbrüchige Urheber meiner leiden!<br />
sein Tod, sein Blut genüge meiner Rache!<br />
<strong>der</strong> Verräter! ha!<br />
sein name allein weckt meine wut.<br />
dem entsetzlichen schmerz <strong>der</strong> mich verzehrt,<br />
Kommt nichts <strong>an</strong> schrecken gleich.<br />
O liebe Kin<strong>der</strong>, ich bete euch <strong>an</strong>.<br />
Und gegen meinen willen verspüre ich wie<strong>der</strong>,<br />
Verspüre ich bei eurem <strong>an</strong>blick, wie meine wut wie<strong>der</strong> auflebt.<br />
ARIE JASON<br />
Für immer von einer grausamen Frau getrennt,<br />
die meine sch<strong>an</strong>de und mein Unglück darstellte,<br />
Verblasst mir die erinnerung <strong>an</strong> einen Fehler,<br />
den ich zu l<strong>an</strong>ge ertragen habe,<br />
Und mein schicksal nimmt einen neuen lauf.<br />
war die ehe mir bisl<strong>an</strong>g eine Qual,<br />
wird sie nun mein Glück schaffen.<br />
eure Reize, eure Tugenden vermochten mein herz zu rühren.<br />
sie werden mich ewig ketten.<br />
<strong>der</strong> glückliche Jason schwört dies zu euren Füßen:<br />
nichts k<strong>an</strong>n ihn von nun <strong>an</strong> von euch trennen.<br />
hart, härter, Jason<br />
Argonauten, die Rockstars <strong>der</strong> griechisch-<strong>an</strong>tiken<br />
Helden. Unter <strong>der</strong> Führung ihres Anführers Jason<br />
reisen sie auf dem Schiff Argo durch die Meere.<br />
Wer ist Jason? Wer ist <strong>der</strong> große Held?<br />
Jason ist <strong>der</strong> Sohn von Aison. Er wurde aber<br />
aufgezogen von einem Kentaur namens Chiron,<br />
<strong>der</strong> schon viele Helden gelehrt hat. Um ehrlich zu<br />
sein hat Jason von Anf<strong>an</strong>g <strong>an</strong> sich nicht wirklich<br />
als Held hervor get<strong>an</strong>. Er schummelte, log, war<br />
feige, dumm, prahlerisch und arrog<strong>an</strong>t. Ein echter<br />
M<strong>an</strong>n eben. Aber Jason bestach durch Charisma<br />
und Charme.<br />
Eines Tages wird er vom König (<strong>der</strong> <strong>der</strong> Bru<strong>der</strong><br />
seines Vaters ist [l<strong>an</strong>ge unwichtige Geschichte])<br />
nach Kolchis geschickt, wo er das goldene Vließ<br />
holen soll.<br />
In Kolchis verlieben sich Jason und Medea,<br />
die Tochter des dortigen Königs. Diplomatisch<br />
gesehen eine ungünstige Situation, die auch sehr<br />
ungünstig ausgeht. Medea wird von ihrem Vater<br />
verstoßen und beide müssen die Insel verlassen,<br />
allerdings k<strong>an</strong>n Jason mit <strong>Medeas</strong> Hilfe das<br />
Goldene Vließ erbeuten und hat seine <strong>Auf</strong>gabe so<br />
eigentlich erfüllt.<br />
Aber durch einen unglücklichen Zufall eben nicht,<br />
und Jason und Medea suchen Schutz bei Jasons<br />
Onkel, dem König von Korinth.<br />
Dort kommt es zum unrühmlichen Ende. Die<br />
barbarische Medea wird von den ach so tollen<br />
Griechen rassistisch und aufgrund ihrer Zauberei<br />
ausgeschlossen, und obwohl sie versucht sich <strong>der</strong><br />
griechischen Kultur <strong>an</strong>zupassen, absolut nicht<br />
akzeptiert. Schließlich tötet sie Jasons und ihre<br />
Kin<strong>der</strong> und macht mit Jason Schluss.<br />
Ihre Geschichte verliert sich, aber von Jason<br />
erfährt m<strong>an</strong> schlussendlich, dass <strong>der</strong> Balken <strong>der</strong><br />
Argo auf ihn herabfällt und ihn unter sich begräbt.<br />
Clemens Sternbach<br />
Sir Karl Popper Schule<br />
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18<br />
Schulschiff „Bertha von Suttner“<br />
Frauengestalten<br />
Erst seit Februar ’08 arbeiten wir in <strong>der</strong> Modulklasse „Werkstatt Musiktheater“ des Schulschiffs zum Projekt „Médée“.<br />
Als erste Annäherung assoziierten die Schülerinnen gemeinsam zu folgenden Fragen und skizzierten eigene Frauengestalten. In Einzelarbeit verfassten sie<br />
d<strong>an</strong>n eigene Texte, die gewisse Berührungspunkte mit Medea aufweisen:<br />
Frauen wie Medea … Was erlauben sie sich? Was löst Irritation aus? Was könnten sie verbrochen haben? Was ist ihnen geschehen?<br />
DAS DRAMA EINER VERBOTENEN LIEBE<br />
„Nein, ich möchte nicht heiraten!“, schrie<br />
Victoria ihren Vater <strong>an</strong>. Schließlich wollte dieser<br />
sie mit dem Prinzen von Aaronburg verheiraten.<br />
„Ich liebe Benjamin!“, „Aber du k<strong>an</strong>nst doch<br />
keinen Schwarzen lieben!“, protestierte ihr Vater,<br />
<strong>der</strong> König von Altenburg. „Und ob ich das tue!<br />
Ich werde diesen M<strong>an</strong>n heiraten!“<br />
Wie gesagt, so get<strong>an</strong>. Victoria und Benjamin heirateten<br />
2 Wochen später gegen den Willen ihrer<br />
Familie. Benjamin war ein <strong>an</strong>gesehener Bürger<br />
Altenburgs, doch er war schwarz. Victorias<br />
Familie konnte sich nicht damit abfinden, dass<br />
ihre einzige Tochter sich ihnen wi<strong>der</strong>setzt. Um<br />
den Problemen mit <strong>der</strong> Familie aus dem Weg zu<br />
gehen, flohen die beiden nach Italien. Der engste<br />
Vertraute Benjamins, Hugo, begleitete sie auf ihrer<br />
Reise. Die 3 ließen sich in Florenz nie<strong>der</strong>, um<br />
ein glückliches Leben zu führen. Eines Morgens<br />
sagte Hugo zu Benjamin: „Gestern Abend sah<br />
ich deine Frau mit Flavio reden…bist du sicher,<br />
dass sie dir treu ist?“<br />
„Aber natürlich! Meine Victoria würde mir so<br />
etwas niemals <strong>an</strong>tun! Woher kommt dein Misstrauen?“,<br />
fragte Benjamin. „Nun, sie ist eine<br />
schöne Frau und du bist ein armer schwarzer<br />
M<strong>an</strong>n, vielleicht hat sie Interesse <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>an</strong><strong>der</strong>en<br />
Seite gefunden…verstehst du?“<br />
„Hm, du könntest Recht haben…ich werde<br />
aufpassen. D<strong>an</strong>ke, mein Freund.“, mit diesen<br />
Worten verließ Benjamin nachdenklich sein<br />
Haus. Jeden Tag sprach Hugo seinen Freund ins<br />
Gewissen, bis dieser ihm glaubte.<br />
Benjamin kochte vor Wut, er war sogar dazu<br />
bereit sie umzubringen! Die unschuldige Victoria<br />
ahnte natürlich nichts von dieser schrecklichen<br />
Lüge und dachte nicht einmal in ihren Träumen<br />
dar<strong>an</strong>, dass sie ihren M<strong>an</strong>n erzürnt haben<br />
könnte.<br />
Als Victoria eines Abends nach Hause kam,<br />
st<strong>an</strong>d Benjamin voller Wut vor ihr, mit einem<br />
Messer in <strong>der</strong> H<strong>an</strong>d. Sie war geschockt und<br />
wusste nicht, was vor sich ging.<br />
„Du hast mich betrogen, dafür musst du bezahlen!“,<br />
sagte ihr M<strong>an</strong>n mit kalter Stimme. „Was?<br />
Wovon redest du? Ich habe dich nie betrogen!<br />
Ich liebe dich doch!“, flüsterte Victoria mit<br />
zittriger Stimme.<br />
Doch es war schon zu spät. Er ging auf sie zu<br />
und stach ihr mitten ins Herz.<br />
Genau in diesem Moment kam Hugo ins<br />
Zimmer. Er schrie: „Oh Gott! NEIN! Was hast du<br />
gemacht?? Ich liebte diese Frau über alles! Ich<br />
wollte doch nur, dass du sie verlässt! Sie hat dich<br />
nie betrogen!“<br />
Benjamin konnte es nicht fassen. Sein bester<br />
Freund hat ihn belogen! Benjamin hatte seine<br />
Frau doch auch noch geliebt! Warum hat er sich<br />
nur so etwas einreden lassen? Rasend vor Zorn<br />
schritt er auf den weinenden Hugo zu und tötete<br />
ihn ebenfalls. „Ich möchte ohne Victoria auch<br />
nicht mehr auf dieser Welt bleiben!“, meinte er<br />
verzweifelt, legte sich neben seine tote Frau und<br />
nahm sich selber das Leben.<br />
H<strong>an</strong>a Cincurak<br />
LIZ MCGUIRE<br />
„Liz McGuire verschw<strong>an</strong>d am 26. April spurlos,<br />
es wird vermutet, dass sie schuld <strong>an</strong> dem Tod<br />
ihres M<strong>an</strong>nes ist und deshalb vor <strong>der</strong> Polizei<br />
geflüchtet. Die 26-jährige …“, so ein Unsinn, ich<br />
habe ihn nicht umgebracht. Ich wäre niemals<br />
im St<strong>an</strong>de einen Menschen zu töten! Natürlich<br />
wusste ich, dass es nicht wie ein Unfall ausgesehen<br />
hatte und ich wusste auch, dass er viele<br />
einflussreiche Freunde hatte, die ihn auf jeden<br />
Fall rächen würden.<br />
Ein kalter Tropfen fiel auf meine H<strong>an</strong>d, endlich,<br />
es regnete. Schnell stellte ich ein paar Flaschen<br />
und Gefäße, die ich in <strong>der</strong> Nähe des alten Campingplatzes<br />
gefunden hatte, auf und lief schnell<br />
in den alten Wohnwagen rein. Es war völlig klar,<br />
dass hier seit mindestens zw<strong>an</strong>zig Jahren niem<strong>an</strong>d<br />
mehr war (die Zeitung verriet es mir).<br />
Jetzt schüttete es richtig, ich hörte irgendetwas draußen, aber durch den Lärm des Regens konnte ich<br />
nicht erkennen, was es war.<br />
Charly! Ja, es wird wahrscheinlich Charly sein, <strong>der</strong> Unterschlupf sucht. Ich weiß, es ist nicht üblich,<br />
sich mit einem Wolf <strong>an</strong>zufreunden, aber so fühl ich mich nicht so alleine in den großen Wäl<strong>der</strong>n<br />
Brit<strong>an</strong>niens, und Schutz bat er mir auch.<br />
Die Tür klemmte wie<strong>der</strong> ein bisschen: „Gleich, Charly, gleich!“ Mit einem Ruck ging die alte Tür auf.<br />
Da st<strong>an</strong>d wirklich mein Charly. Sein Fell war schon total nass, als er hinein ging, schüttelte er sich,<br />
und alles, inklusive mir, war nass. „Vielen D<strong>an</strong>k auch!“, schrie ich scherzhalber und hielt mir den<br />
Bauch beim Lachen. Mir fiel ein, dass ich hinten ein paar H<strong>an</strong>dtücher gesehen hatte, ich kniete mich<br />
mit einem hin, wartete ab, ob er zu mir kommt und sich abtrocknen ließ. Er spr<strong>an</strong>g Schw<strong>an</strong>z wedelnd<br />
zu mir auf und ließ sich trocknen.<br />
Wir schliefen am Bett zusammengekuschelt ein. Ich hätte nie gedacht, dass Wölfe so zahm sein<br />
können! Die Sonne schien auf uns und weckte uns mit ihren warmen Strahlen. Der Ofen ging lei<strong>der</strong><br />
nicht, deswegen machte ich draußen immer ein Feuer. Ein g<strong>an</strong>z kleines natürlich, ich hätte sonst eine<br />
viel zu große Angst, entdeckt zu werden. Ich weiß nicht wie l<strong>an</strong>ge ich noch hier im Wald leben will,<br />
aber mittlerweile hab ich mich ziemlich gut eingelebt. Vielleicht noch ein paar Wochen o<strong>der</strong> Monate,<br />
so l<strong>an</strong>ge bis sie im Radio nichts mehr von mir sagen und aufgehört haben mich zu suchen.<br />
Das Dosengulasch hing mir schon ziemlich aus dem Hals raus, Charly freute sich jedoch immer wie<br />
ein Wahnsinniger, wenn er etwas abbekam. Ohne ihn wäre ich, glaub ich, verloren. Irgendwie spürt er<br />
es, wenn ich traurig bin und nicht mehr weiter weiß, da setzt er sich immer zu mir und schaut mich<br />
schief mit seinen braunen Augen <strong>an</strong>, das bringt mich immer zum Lachen.<br />
Am Abend bekam ich Hunger, also ging ich auf Beerensuche. Letztens habe ich nämlich einen Himbeerstrauch<br />
gefunden. Charly begleitete mich, alleine hätte ich vermutlich große Angst … Plötzlich<br />
hörte ich ein böses Knurren, das kam aber nicht<br />
von meinem Magen. „Charly?“ fragte ich. Er<br />
<strong>an</strong>twortete mit einem Schnauben und lief zu<br />
meinen Füßen. Kurz darauf kam ein Wolfsrudel<br />
zum Vorschein. Ich bekam Angst, große Angst.<br />
Es folgte ein Austausch von Knurren und Heulen.<br />
Der größte Wolf, ich nahm <strong>an</strong>, dass das <strong>der</strong><br />
Anführer war, näherte sich mir. Charly wich nicht<br />
von meiner Seite. Er spr<strong>an</strong>g ihn <strong>an</strong> und verletzte<br />
sich. Das Rudel verzog sich wie<strong>der</strong>, es sah so<br />
aus, als hätte Charly gewonnen. Mit Entsetzen<br />
sah ich die Wunde auf seiner Pfote. Er humpelte<br />
tapfer zurück zum Wohnwagen. Das letzte Stück<br />
lies er sich tragen. Oh, nein …Charly.. Ich reinigte<br />
die Wunde, soweit er es zuließ und pflegte<br />
ihn. Nach ein paar Wochen war es wie<strong>der</strong> fast<br />
geheilt. Ab und zu humpelte er noch, aber ich<br />
war mir sicher, es geht wie<strong>der</strong> vorbei.<br />
Eines Tages ging ich wie<strong>der</strong> auf Entdeckungsreise,<br />
mittlerweile traute ich mich auch schon alleine. Ich f<strong>an</strong>d eine Waffe, es waren sogar noch Patronen<br />
drinnen! Ich würde zwar keine Tiere erschießen wollen, aber zum Schutz war es nicht schlecht.<br />
Charly kam mir hinterher gehumpelt. Er sah einen Hasen o<strong>der</strong> so, zum ersten Mal seit Wochen lief er<br />
wie<strong>der</strong>! M<strong>an</strong> sah die Freude in seinen Augen. <strong>Auf</strong> einmal hörte m<strong>an</strong> einen Schuss! Charly quietschte<br />
auf. Nein! Charly! Ich r<strong>an</strong>nte zu ihm. Ich sah einen Jäger. Ohne zu überlegen nahm ich meine Waffe<br />
und schoss auf ihn. Er ging zu Boden, ich wendete meine <strong>Auf</strong>merksamkeit wie<strong>der</strong> meinem Charly zu.<br />
Er winselte und schleckte meine H<strong>an</strong>d ab, kurz darauf starb er.<br />
Denise Tibit<strong>an</strong>zl, 6b
LENA<br />
Lena ist eine junge naive Frau, sie wurde von ihrer Familie verstoßen, da sie einen M<strong>an</strong>n liebte, den<br />
sie nicht lieben durfte.<br />
“Wo die Liebe hinfällt“. Sie war sehr glücklich darüber, so einen hübschen, liebevollen, humorvollen,<br />
einfach einen für sie perfekten M<strong>an</strong>n zu haben. Sie zog mit ihm in ein schönes, traumhaftes Haus<br />
mit großem Garten und vielem mehr.<br />
Doch immer wie<strong>der</strong> ist Lena sehr eifersüchtig und hat das Gefühl, dass sie ihren geliebten M<strong>an</strong>n,<br />
Martin, nicht nur für sich alleine hat. Lena hat aber gar keinen Grund zur Eifersucht, da Martin nur<br />
sie liebt und zwar über alles. Je<strong>der</strong> kennt dieses Gefühl, m<strong>an</strong> ist von einer Sache g<strong>an</strong>z überzeugt<br />
und lässt sich das von niem<strong>an</strong>dem ausreden, genauso ist es Lena auch geg<strong>an</strong>gen: Keiner konnte sie<br />
davon überzeugen, dass ihre Eifersucht ohne Grund war. Sie nervte ihn sehr damit, auch wenn sie es<br />
nicht wollte, sie liebte ihn einfach zu sehr – so sehr, dass es schon kr<strong>an</strong>khaft erschien.<br />
Eines Abends saß Lena traurig und verzweifelt auf dem Sofa und wusste nicht, was sie machen<br />
sollte. Martin hätte bereits vor drei Stunden zu Hause sein sollen. Am H<strong>an</strong>dy war er nicht erreichbar<br />
und sonst gab es auch keine Möglichkeit ihn zu erreichen. Auch ihre beste Freundin Je<strong>an</strong>ny konnte<br />
sie nicht erreichen und nach einem Rat fragen. Einmal wollte sie es noch versuchen und holte das Telefon,<br />
um Martins Nummer zu wählen, in dem Moment klopfte es <strong>an</strong> <strong>der</strong> Tür. Erwartungsvoll machte<br />
sie die Tür auf, doch als sie die Polizei vor ihr sah, erstarrte ihr Blick. Sie brach zusammen, als sie<br />
erfuhr, dass ihr M<strong>an</strong>n heute Nacht ermordet worden war. Die Leiche wurde im Wald gefunden.<br />
Warum ausgerechnet er? Waren es ihre Eltern?<br />
Tausende Fragen gingen ihr durch den Kopf!<br />
Sie verst<strong>an</strong>d einfach nicht, wer so eine schreckliche Tat begehen konnte. Sie konnte es einfach niem<strong>an</strong>den<br />
zutrauen.<br />
Den nächsten Tag verbrachte sie damit, ihre Ged<strong>an</strong>ken zu ordnen und um alles ein wenig zu verdauen.<br />
Doch d<strong>an</strong>n brauchte sie einmal jem<strong>an</strong>den, um ihr Herz auszuschütten, natürlich ihre Freundin<br />
Je<strong>an</strong>ny. Sie rief <strong>an</strong>, doch da Je<strong>an</strong>ny nicht abnahm, ging sie einfach zu ihrem Haus und läutete. Je<strong>an</strong>ny<br />
machte die Tür auf und bat sie einzutreten. M<strong>an</strong> merkte, dass es ihr sehr un<strong>an</strong>genehm und sie sehr<br />
schockiert war.<br />
Lena merkte Je<strong>an</strong>nys Verhalten nicht, ihre Ged<strong>an</strong>ken waren nur bei ihrem verstorbenen M<strong>an</strong>n.<br />
Doch d<strong>an</strong>n fiel ihr doch noch etwas auf, sie sah Martins Jacke – sie erschrak und wusste nicht g<strong>an</strong>z,<br />
was sie nun denken sollte. Sie sprach Je<strong>an</strong>ny darauf <strong>an</strong>, doch diese blockte ab und sagte: „Tja, Männerbesuch,<br />
aber er hat seine Jacke hier vergessen“. Lena gab sich mit <strong>der</strong> Antwort zufrieden, aber als<br />
Je<strong>an</strong>ny in die Küche ging um etwas zu Trinken zu holen, schaute sich Lena die Jacke schnell genauer<br />
<strong>an</strong>. Unglaublich, die Jacke hatte Martin auch <strong>an</strong>, als er aus dem Haus ging und es war seine Größe.<br />
Sie griff in die Taschen und f<strong>an</strong>d sogar sein H<strong>an</strong>dy, sie steckte es ein und setzte sich schnell wie<strong>der</strong><br />
hin, da sie Je<strong>an</strong>ny schon kommen hörte.<br />
Sie verst<strong>an</strong>d die Welt nicht mehr. Eines war klar:<br />
Martin war hier. Was machte er hier? Ist Je<strong>an</strong>ny<br />
schuld?<br />
Sie hielt es nicht mehr aus und sprach sie darauf<br />
<strong>an</strong>, m<strong>an</strong> merkte, Je<strong>an</strong>ny war sehr erschrocken<br />
und wusste nicht, was sie jetzt sagen soll. Doch<br />
die Freundschaft konnte nun nichts mehr retten<br />
und da Lena immer aggressiver wurde, machte<br />
Je<strong>an</strong>ny ihr alles klar. Sie sagte ihr ins Gesicht,<br />
dass sie ein Verhältnis mit dem M<strong>an</strong>n ihrer<br />
besten Freundin hatte.<br />
Dass er jeden Tag nach <strong>der</strong> Arbeit zu ihr kam,<br />
um abzuschalten und um sich Liebe zu holen. Er<br />
hatte ein Verhältnis mit ihr und das schon sehr<br />
l<strong>an</strong>ge.<br />
Sie merkte, wie tief <strong>der</strong> Schmerz in Lena war und<br />
dass sie Lena mit jedem weiteren Wort mehr<br />
verletzte, doch genau das war, was sie brauchte, es machte ihr Spaß.<br />
Lena konnte nicht mehr. Die Worte verletzten sie so sehr, dass sie fast erneut zusammenbrach, doch<br />
sie wollte Klarheit, sie wollte wissen, was nun mit ihrem M<strong>an</strong>n passiert ist. Je<strong>an</strong>ny sagte ihr alles<br />
ohne Scheu ins Gesicht, sie wusste, dass sie nun schon ertappt worden war und nichts mehr än<strong>der</strong>n<br />
konnte.<br />
Also genoss sie es nun lieber, ihre Freundin zu verletzten. Sie sagte ihr zu, dass sie die Mör<strong>der</strong>in<br />
war – und zwar deshalb, weil sie Martin ihre Liebe gest<strong>an</strong>den hatte, er sie aber nur ausgelacht hatte<br />
mit den Worten: „Ach Je<strong>an</strong>ny, du weißt doch, was für eine Beziehung wir haben, da wird nicht mehr<br />
draus, lieben tu ich Lena, sonst hätte ich sie nicht zur Frau“. Diese Worte verletzten Je<strong>an</strong>ny so sehr,<br />
dass sie meinte, wenn ich ihn nicht haben k<strong>an</strong>n, d<strong>an</strong>n keine – und so ist es nun auch. Lena st<strong>an</strong>d auf<br />
und lief hinaus, Je<strong>an</strong>ny verfolgte Lena noch ein Stückchen, doch d<strong>an</strong>n verlor sie die Spur. Lena lief<br />
weiter, ohne auch nur kurz zu stoppen – erst als sie ein Polizeirevier sah und es betreten hatte, fing<br />
sie wie<strong>der</strong> <strong>an</strong>, ruhig zu atmen.<br />
Sie gab <strong>der</strong> Polizei alles bek<strong>an</strong>nt und fuhr d<strong>an</strong>n mit einigen Polizeibeamten zu Je<strong>an</strong>nys Haus. Natürlich<br />
gab es keine Spur mehr von ihr. Sie war wie vom Erdboden verschluckt. Lena wollte unbedingt,<br />
dass ihre Freundin dafür bestraft wurde. Auch wenn sie erfahren hat, dass ihr M<strong>an</strong>n <strong>an</strong>geblich eine<br />
Affäre mit ihrer besten Freundin hatte, sie konnte es ihm verzeihen. Doch ihrer damaligen besten<br />
Freundin konnte und wollte sie nicht verzeihen. Sie wird noch immer von <strong>der</strong> Polizei gesucht.<br />
Julia Hochrathner<br />
Schulschiff „Bertha von Suttner“<br />
KELLy<br />
Kelly war eine junge, hübsche und erfolgreiche<br />
Frau. Sie wurde in guten Familienverhältnissen<br />
groß und ihre Eltern versuchten ihr immer<br />
alles zu ermöglichen, was nicht beson<strong>der</strong>s<br />
schwer war, da diese über das nötige Kleingeld<br />
verfügten.<br />
Ihr geregeltes Leben än<strong>der</strong>te sich aber schlagartig,<br />
als sie den Kub<strong>an</strong>er Carlos kennen lernte.<br />
Ihre Eltern waren immer gegen die Beziehung<br />
gewesen und als rausgekommen war, das die<br />
beiden heiraten wollen, meinten ihre Eltern nur<br />
sie brauche sich nicht mehr melden und sie<br />
würde mit <strong>der</strong> Hochzeit in ihr Unglück laufen.<br />
Nachdem Kelly zwei Söhne von Carlos bekam,<br />
zogen die beiden in eine weit entfernte Stadt.<br />
Kelly bekam immer mehr das Gefühl, dass Carlos<br />
Liebe nur gespielt war und sich viel mehr auf<br />
ihr Geld bezog. Nach einem Jahr in <strong>der</strong> neuen<br />
Stadt merkte Kelly, dass Carlos sie mit einer<br />
<strong>an</strong><strong>der</strong>en Frau betrog. Sie versuchte ihn darüber<br />
auszuspionieren und durch das wusste sie, dass<br />
diese Frau mehr Geld hatte als sie selbst und<br />
so wurde ihr richtig bewusst, dass Carlos sie<br />
nur wegen des Geldes geheiratet hat. Kurze Zeit<br />
später trennten sich die beiden, da Carlos die<br />
Scheidung einreichte.<br />
Er bekam sogar das Sorgerecht für die beiden<br />
Kin<strong>der</strong>.<br />
Es dauerte nicht mal ein halbes Jahr, als er<br />
wie<strong>der</strong> heiratete. Es war die Frau, mit <strong>der</strong> er<br />
Kelly betrog und es war, da war sich Kelly sicher,<br />
wie<strong>der</strong> nur wegen des Geldes.<br />
Kelly schwor Rache… in <strong>der</strong> Nacht vor <strong>der</strong> Hochzeit<br />
vergiftete sie Carlos Verlobte mit Pralinen.<br />
Durch ihre Wut auf Carlos brachte sie es sogar<br />
übers Herz, ihre beiden Söhne zu erwürgen,<br />
sie wollte ihn leiden sehen, das war ihr einziger<br />
Wunsch.<br />
Um nach diesen Morden nicht ins Gefängnis<br />
zu kommen, setzte sie sich ab, sie lebte fort<strong>an</strong><br />
in Südafrika. Dort wusste niem<strong>an</strong>d von ihrer<br />
Verg<strong>an</strong>genheit und sie konnte neu beginnen.<br />
Kathi Ebhart<br />
19
20<br />
Probenbesuch & Gespräch mit Fabio Luisi am 29. Februar 2008<br />
Unterricht einmal <strong>an</strong><strong>der</strong>s<br />
Wie wird m<strong>an</strong> Dirigent und k<strong>an</strong>n m<strong>an</strong> davon auch leben? In welchem<br />
Alter wussten Sie, dass Sie Dirigent werden? Was ist Ihr Lieblingswerk?<br />
Wie viele Sprachen spricht ein Dirigent? Ist „Médée“<br />
eigentlich eine Operette? Fragen über Fragen, die Jugendliche <strong>an</strong><br />
Fabio Luisi haben. Die Gelegenheit, sie zu stellen, gab‘s in <strong>der</strong><br />
„Hölle“…<br />
Es ist Freitag, halb elf am Vormittag und es regnet. Ein g<strong>an</strong>z normaler Schultag in <strong>Wien</strong>.<br />
Ein g<strong>an</strong>z normaler Schultag? Nein! Nach <strong>der</strong> dritten Stunde verlassen die Schülerinnen<br />
und Schüler des <strong>Wien</strong>er Musikgymnasiums die Neustiftgasse und machen sich auf ins<br />
<strong>Theater</strong> <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Wien</strong>. Die drei Klassen sind die ersten, die eintreffen, kurz darauf stoßen<br />
zwei Klassen <strong>der</strong> ORG Hegelgasse 12 dazu und zum Schluss, von weiter her, die kleine<br />
Gruppe des Schulschiffs. M<strong>an</strong>che <strong>der</strong> Jugendlichen waren schon mal hier, für <strong>an</strong><strong>der</strong>e ist<br />
es das erste Mal. An diesem Vormittag besuchen sie jedoch keine normale Vorstellung,<br />
son<strong>der</strong>n sehen den KünstlerInnen bei <strong>der</strong> Arbeit zu. Arbeit, das beinhaltet in diesem Fall<br />
singen, spielen, dirigieren, inszenieren und noch vieles <strong>an</strong><strong>der</strong>e, was hinter den Kulissen<br />
passiert. Dabei sieht das fertige Produkt immer so einfach aus! Was dahinter steht, bemerkt<br />
im Normalfall niem<strong>an</strong>d.<br />
Billeteurinnen und Gardarobe gibt´s heut extra für die SchülerInnen, Jacken und Taschen<br />
werden abgegeben und über die Treppen geht‘s hinauf in den zweiten und dritten R<strong>an</strong>g.<br />
Damit niem<strong>an</strong>d gestört wird, werden die jungen Leute nach oben verb<strong>an</strong>nt, dort können<br />
sie in Ruhe zusehen.<br />
Die Probe knüpft dort <strong>an</strong>, wo gestern am Abend aufgehört wurde: am Ende des zweiten<br />
Aktes. Da die SchülerInnen sich bereits mit <strong>der</strong> Oper befasst haben, wissen sie sofort,<br />
worum es geht. Die Hochzeit von Jason und Dircé findet gerade statt, kurz darauf stirbt<br />
Dircé. Die Szenen laufen nicht g<strong>an</strong>z reibungslos ab, immer wie<strong>der</strong> unterbricht Fabio Luisi,<br />
korrigiert, kommentiert und wie<strong>der</strong>holt die Stelle, so l<strong>an</strong>ge, bis er zufrieden ist. So funktioniert<br />
das in den Bühnen-Orchester-Proben: Der Dirigent bringt das Orchester mit dem<br />
Geschehen auf <strong>der</strong> Bühne in Einkl<strong>an</strong>g. Torsten Fischer, <strong>der</strong> Regisseur, ist natürlich auch<br />
da, mischt sich heute aber nicht viel ein, zumindest nicht hörbar.<br />
Nach eineinhalb Stunden ist die Oper am Ende und es gibt eine kurze Pause, d<strong>an</strong>n geht’s<br />
noch mal von vorne los. Nicht g<strong>an</strong>z von vorne, son<strong>der</strong>n von da, wo wir heute begonnen<br />
hatten, von <strong>der</strong> Hochzeit. Sp<strong>an</strong>nend ist vor allem, was zwischen den Szenen passiert,<br />
was dem Dirigenten alles auffällt, wie I<strong>an</strong>o Tamar mit „ihren“ Kin<strong>der</strong>n scherzt, dass ein<br />
zusätzlicher Monitor für den Chor besorgt werden muss, wie <strong>der</strong> Regisseur auf die Bühne<br />
kommt, um Kleinigkeiten zu korrigieren – kurz: all das, was m<strong>an</strong> sonst nicht sieht.<br />
Um halb zwei machen sich die ersten SchülerInnen auf den Heimweg, voller neuer Eindrücke<br />
und m<strong>an</strong>che etwas schläfrig von fast drei Stunden harter, echter Probe. Die Musiktheater-Gruppe<br />
des Schulschiffs und die Klassen des Musikgymnasiums bleiben noch,<br />
schließlich wollen sie sich die Ch<strong>an</strong>ce nicht entgehen lassen, den Dirigenten persönlich<br />
zu erleben.<br />
Und es lohnt sich. Trotz <strong>an</strong>strengen<strong>der</strong> Probe nimmt sich Fabio Luisi eine Stunde Zeit für<br />
die Jugendlichen und be<strong>an</strong>twortet ihre Fragen ausführlich, ernst und gleichzeitig humorvoll.<br />
Jugendarbeit ist sehr wichtig für den Dirigenten, schließlich werden die Jungen es<br />
sein, die in Zukunft Oper besuchen und produzieren.<br />
Die SchülerInnen sitzen in <strong>der</strong> „Hölle“, dem großen Pausenfoyer des <strong>Theater</strong> <strong>an</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>Wien</strong>. Nora Schmid, Chefdramaturgin des Hauses, spricht ein paar einleitende Worte und<br />
stellt Fragen <strong>an</strong> Luisi, d<strong>an</strong>n stürmen bereits die ersten SchülerInnen auf ihn ein. Fragen<br />
über Fragen tauchen auf, <strong>der</strong> Dirigent hat kaum Zeit zum Atmen. Geduldig erklärt er,<br />
dass es g<strong>an</strong>z selbstverständlich auch die <strong>Auf</strong>gabe eines Operndirigenten ist, Kompromisse<br />
mit dem Regisseur zu schließen, g<strong>an</strong>z im Sinne <strong>der</strong> Verschmelzung von Musik und<br />
szenischem Geschehen; dass er sich in <strong>der</strong> Regel schon zwei bis drei Jahre vorher das<br />
erste Mal mit <strong>der</strong> Partitur ausein<strong>an</strong><strong>der</strong>setzt und dass er mit <strong>der</strong> Probe zufrieden war, aber<br />
doch nicht g<strong>an</strong>z.
Vieles und noch mehr wollen die SchülerInnen wissen und hören aufmerksam zu, wenn<br />
Luisi erzählt. Auch er hat sich mit dem Stoff rund um Medea ausein<strong>an</strong><strong>der</strong>gesetzt, nicht<br />
nur mit <strong>der</strong> Musik - obwohl er dazu sagt, dass das Wissen drum herum zwar gut, aber für<br />
einen Dirigenten nicht das Wichtigste ist. Das allererste, worauf er in einer Partitur achtet,<br />
ist <strong>der</strong> Rhythmus, d<strong>an</strong>n erst kommt <strong>der</strong> g<strong>an</strong>ze Rest.<br />
Wie viele Sprachen er denn spräche, fragt ein interessierter Schüler aus <strong>der</strong> ersten Reihe<br />
und welche denn notwendig seien, für so ein Dirigentendasein. Um Englisch käme m<strong>an</strong><br />
international nicht herum, meint Luisi, zusätzlich Italienisch o<strong>der</strong> Fr<strong>an</strong>zösisch wären auch<br />
nicht schlecht, je nach Sprache <strong>der</strong> Oper, welche dirigiert wird. Er selbst dirigiert niemals<br />
eine Oper, <strong>der</strong>en Sprache er nicht versteht.<br />
Was er alles <strong>an</strong> „Médée“ verän<strong>der</strong>t hat, wollen die SchülerInnen noch wissen und ob die<br />
Oper dadurch ihre eigene „message“ verloren hätte. Nora Schmid und Fabio Luisi erörtern<br />
diese Frage gemeinsam und erklären den Begriff <strong>der</strong> fr<strong>an</strong>zösischen „opera comique“,<br />
welche reichlich Dialoge aufweist. Für die „Médée“-Inszenierung am <strong>Theater</strong> <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Wien</strong><br />
mussten die meisten <strong>der</strong> Dialoge dr<strong>an</strong> glauben, trotzdem ging <strong>an</strong> Inhalt nichts verloren.<br />
„Wir sind es in <strong>der</strong> heutigen Zeit einfach nicht mehr gewohnt, dass l<strong>an</strong>ge Dialoge die<br />
sp<strong>an</strong>nende musikalische Dramaturgie unterbrechen“, meint Luisi. Im Musikalischen<br />
wurden nur einige wenige sich wie<strong>der</strong>holenden Elemente gestrichen, keine neue „musikalische<br />
Idee“.<br />
Aus <strong>der</strong> letzten Reihe kommt d<strong>an</strong>n noch die Frage, was m<strong>an</strong> studiert, um Dirigent o<strong>der</strong> Dirigentin<br />
zu werden und was er denn so verdiente. „Genug, um meine Familie zu erhalten<br />
und je nach dem, wie viel und wo ich dirigiere“, <strong>an</strong>twortet Luisi mit einem Schmunzeln.<br />
Zum Dirigent-Sein führen mehrere Wege, von einem Kapellmeisterstudium und idealerweise<br />
einem abgeschlossenen Instrumentalstudium über Dirigentenwettbewerbe o<strong>der</strong><br />
Korrepetitor-Dasein zum Ziel, erklärt er.<br />
Von schulischem Interesse war d<strong>an</strong>n noch die letzte Frage: Was Fabio Luisi für das Musikfest<br />
des Musikgymnasiums 2010, das er gestalten soll, gepl<strong>an</strong>t habe? Diese Frage wurde<br />
lei<strong>der</strong> nicht gänzlich be<strong>an</strong>twortet, die Sp<strong>an</strong>nung bleibt…<br />
Catherine Leiter<br />
Probenbesuch & Gespräch mit Fabio Luisi am 29. Februar 2008<br />
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Gespräch mit Torsten Fischer am 05. März 2008<br />
Und wofür sind sie eigentlich zuständig?<br />
Torsten Fischer: Aus dem Nähkästchen geplau<strong>der</strong>t<br />
Eigentlich war er ja Lehrer. Für Chemie und Naturwissenschaften. In einem Gefängnis in<br />
Berlin. Und d<strong>an</strong>n? D<strong>an</strong>n hat es ihn zufällig in die Regie verschlagen, so läuft es eben im<br />
Leben.<br />
G<strong>an</strong>z lässig sitzt Torsten Fischer vorne auf dem kleinen Podest, worauf ein Kaffeehaustisch<br />
mit zwei Stühlen und zwei Mikros platziert sind, neben ihm Nora Schmid, die<br />
Chefdramaturgin des Hauses. Lieber hätte er sich mit den SchülerInnen auf Augenhöhe<br />
unterhalten, doch d<strong>an</strong>n würde m<strong>an</strong> ihn von den letzten Reihen aus nicht mehr sehen können.<br />
Er trägt eine Adidas-Trainingsjacke, Je<strong>an</strong>s, braune Freizeitschuhe und eine Le<strong>der</strong>jacke,<br />
die er gleich zu Anf<strong>an</strong>g auszieht. Ob sich die SchülerInnen des Musikgymnasiums<br />
einen erfolgreichen Opernregisseur so vorgestellt hatten?<br />
Torsten Fischer benimmt sich, wie er sich präsentiert: Lässig, unkompliziert und ohne<br />
jegliche Starallüren. Er erzählt von sich, seinem Werdeg<strong>an</strong>g, von Medea und „Médée“<br />
und bemüht sich, jede Frage <strong>der</strong> SchülerInnen ausführlich und befriedigend zu be<strong>an</strong>tworten.<br />
Trotz Erfolgs und Gefragt-Seins ist er geblieben wie er ist, in seinen Inszenierungen<br />
geht es ihm einzig und allein um die Sache selbst, nicht um sich o<strong>der</strong> um eigene Profilierung.<br />
Ständig im Mittelpunkt zu stehen liegt ihm fern.<br />
„Anf<strong>an</strong>gs wollte ich „Médée“ spont<strong>an</strong> absagen“, gibt <strong>der</strong> Regisseur zu, aber im Laufe <strong>der</strong><br />
Zeit sei es immer sp<strong>an</strong>nen<strong>der</strong> geworden, sich mit dem Stoff ausein<strong>an</strong><strong>der</strong> zu setzen und<br />
er habe die Aktualität <strong>der</strong> Geschichte erst mit <strong>der</strong> Zeit begriffen. Medea sei für ihn ein<br />
zeitloses Märchen. Seine erste Idee war, die Oper <strong>an</strong> einem Flughafen <strong>an</strong>zusiedeln, im<br />
Niem<strong>an</strong>dsl<strong>an</strong>d, wo niem<strong>an</strong>d für die Menschen zuständig ist und Fremde bei Problemen<br />
we<strong>der</strong> zurück in ihr eigens L<strong>an</strong>d können, noch <strong>an</strong>genommen werden – wie Medea.<br />
Es ist still in <strong>der</strong> „Hölle“, die siebzig SchülerInnen hören geb<strong>an</strong>nt zu und stellen jede<br />
Menge interessierter Fragen, ihr Lehrer M<strong>an</strong>fred Hörzinger kommt mit dem Herumreichen<br />
des Mikros gar nicht nach. Nur das Murmeln einer Schülerin, die ihrer jap<strong>an</strong>ischen<br />
Kollegin ins Englische übersetzt, schwirrt mit.<br />
„Als erstes höre ich die Musik, meistens im Auto“, <strong>an</strong>twortet Torsten Fischer auf die<br />
Frage, wie er sich denn einer Oper nähere. Bis zur Idee und Realisierung <strong>der</strong> Inszenierung<br />
sei es d<strong>an</strong>n viel Arbeit, die ebenfalls nie am Schreibtisch stattfinde, „ich habe gar keinen<br />
Schreibtisch“, sagt <strong>der</strong> Regisseur leicht grinsend dazu. Der Weg zu Médée sei ein bitterer<br />
gewesen, meint er d<strong>an</strong>n, „Medea war richtig hart“. Er hätte enorme Angst gehabt, <strong>an</strong> dem<br />
Werk zu scheitern. Nicht am Publikum, son<strong>der</strong>n am Werk.<br />
„Mit Anf<strong>an</strong>g <strong>der</strong> Proben war d<strong>an</strong>n auch die Angst plötzlich weg“, erzählt er, da hätte er<br />
Menschen gefunden, mit denen er gemeinsam etwas erschaffen konnte. Er lege sehr viel<br />
Wert darauf, mit den SängerInnen zusammen zu arbeiten, ihnen nicht Ton für Ton alles<br />
vorzugeben, son<strong>der</strong>n das Geschehen aus dem Leben heraus entstehen zu lassen, fügt er<br />
nachher hinzu.<br />
„Und wofür sind Sie eigentlich zuständig?“ fragt plötzlich eine Schülerin in <strong>der</strong> fünften<br />
Reihe, was erstmal Gelächter im Publikum und am Podium auslöst. „Gute Frage“, meint<br />
Torsten Fischer, „ich k<strong>an</strong>n nichts richtig aber alles ein bisschen. Ich erzähle die Geschichte,<br />
gemeinsam mit Menschen, die ihre eigene Geschichte mitbringen.“<br />
Mittlerweile ist die Atmosphäre im Raum sehr locker und <strong>an</strong>genehm, Torsten Fischer hat<br />
es geschafft, sich den SchülerInnen auf sympathische und authentische Art zu nähern. Er<br />
wirkt nicht wie eine Autoritätsperson o<strong>der</strong> wie eine dist<strong>an</strong>zierte Berühmtheit, im Gegenteil,<br />
m<strong>an</strong> hat das Gefühl, ihn alles fragen zu können.<br />
Medea ist für Torsten Fischer eine durchschnittliche Frau, die in eine Männerwelt<br />
gepresst und politisch bedrängt wird: das Opfer und <strong>der</strong> Sündenbock <strong>der</strong> Masse, des<br />
Volkes. Er will in seiner Inszenierung zeigen, wie bedrohlich ein Kollektiv sein k<strong>an</strong>n, dass<br />
eine Gruppe von Menschen viel gefährlicher ist als einzelne.<br />
Jason sei für ihn eine Vollflasche, meint er mit einem Augenzwinkern und erntet dafür<br />
das Gelächter des Publikums, wird aber gleich wie<strong>der</strong> ernst. Jason nähme den Kin<strong>der</strong>n<br />
die Mutter weg und sei trotzdem nie bei ihnen, kritisiert er. Die Kin<strong>der</strong> ahnten seiner
Meinung nach schon, dass sie keine Ch<strong>an</strong>ce hätten, sie werden von allen Seiten bedroht.<br />
Wer den Mord begeht, bleibt in seiner Inszenierung offen.<br />
Was sein Traum wäre? <strong>Theater</strong> machen für alle – nicht nur für eine gewisse Elite, die es<br />
sich leisten k<strong>an</strong>n. Torsten Fischer würde am liebsten keinen Eintritt verl<strong>an</strong>gen und das<br />
<strong>Theater</strong> für alle öffnen. Er findet, Schauspiel, Oper und <strong>Theater</strong> gehörten zu den Grundbedürfnissen<br />
des Menschen und sollten für jede und jeden zugänglich sein.<br />
„Noch fünf Minuten, d<strong>an</strong>n muss ich wie<strong>der</strong> zur Probe!“, mahnt <strong>der</strong> Regisseur kurz vor<br />
zwölf, die Fragerunde hätte sonst wohl l<strong>an</strong>ge kein Ende genommen. Aber so ist das<br />
am Tag vor <strong>der</strong> Premiere, Ruhe gibt es keine. Noch dazu, wo in dieser Produktion zwei<br />
SängerInnen aus Kr<strong>an</strong>kheitsgründen ausfielen und die Einspringerin und <strong>der</strong> Einspringer<br />
innerhalb kürzester Zeit ihre Rollen lernen mussten. Das war natürlich nicht gepl<strong>an</strong>t und<br />
so kam <strong>der</strong> gesamte Probenpl<strong>an</strong> durchein<strong>an</strong><strong>der</strong>: Zusatzproben wurden eingeschoben, die<br />
Generalprobe, <strong>an</strong> <strong>der</strong> auch die SchülerInnen ursprünglich teilnehmen sollten, fiel aus, die<br />
Angesp<strong>an</strong>ntheit nahm zu.<br />
„Wie schlimm ist es für Sie, wenn Sie ausgebuht werden?“, fragt zum Schluss noch eine<br />
Schülerin aus den ersten Reihen. „Völlig wurscht“, lautet die Antwort, „dieser g<strong>an</strong>ze<br />
Schnickschnack interessiert mich nicht.“ Er misst seine Zufriedenheit mit <strong>der</strong> Inszenierung<br />
nicht <strong>an</strong> <strong>der</strong> Masse und am Kollektiv.<br />
„Trotzdem wünschen wir Ihnen viel Glück für morgen!“, sagt <strong>der</strong> Lehrer M<strong>an</strong>fred Hörzinger<br />
daraufhin zum Abschluss. Mittlerweile ist es schon nach zwölf, die Zeit ist um und<br />
nach kräftigem Applaus und D<strong>an</strong>k von allen Seiten ist Torsten Fischer auch schon wie<strong>der</strong><br />
verschwunden. Genauso unscheinbar, wie er <strong>an</strong>f<strong>an</strong>gs plötzlich zwischen den SchülerInnen<br />
auftauchte.<br />
Catherine Leiter<br />
Gespräch mit Torsten Fischer am 05. März 2008<br />
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AHS Heustadelgasse<br />
DAS NEUE OPERNHAUS<br />
Das nächste Jugendprojekt ist für November 2008 gepl<strong>an</strong>t.<br />
Kontakt <strong>Theater</strong> <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Wien</strong>: Mag. a Catherine Leiter, Tel.: 01 58830 616 / E-mail: catherine.leiter@theater-wien.at<br />
Medienpartner Hauptsponsoren des <strong>Theater</strong> <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Wien</strong>