Dies academicus 2009 - Universität Passau
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Privatdozent<br />
Dr. Martin Hille<br />
„Providentia Dei, Reich und Kirche. Weltbild<br />
und Stimmungsprofil altgläubiger Chronisten<br />
zwischen Reformation und Dreißigjährigem Krieg<br />
(1517-1618)“<br />
Herr Privatdozent Dr. Martin Hille studierte Geschichte und Politische Wissen-<br />
schaften an der <strong>Universität</strong> München, wo er 1994 zum Dr. phil. promoviert wurde.<br />
Seit 199 lehrt er Neuere und Neueste Geschichte an der <strong>Universität</strong> <strong>Passau</strong>, außer-<br />
dem arbeitete er für den Bayerischen Rundfunk und die Süddeutsche Zeitung.<br />
2008 habilitierte er sich im Fach Neuere und Neueste Geschichte an der <strong>Universität</strong><br />
<strong>Passau</strong>.<br />
Ausgehend von der Hypothese, dass der Vorsehungsglaube das vormoderne, okzi-<br />
dentale Weltbild begründet, untersucht die Studie von Martin Hille die Zeitdiagno-<br />
sen altgläubiger Chronisten, Kontroverstheologen und Kalenderautoren zwischen<br />
Reformation und Dreißigjährigem Krieg.<br />
Im Zentrum stehen Diskurse, die über die reine Tagespolitik hinaus die großen He-<br />
rausforderungen des Jahrhunderts aufgreifen: die Reformation und ihre Folgen für<br />
die Christenheit, die Türkenkriege, die säkulare Teuerung sowie die Frage nach dem<br />
gegenwärtigen und künftigen Status von Reich und Kirche.<br />
Dem zu Grunde liegt ein lebensweltlicher, vom historischen, biographischen, sozi-<br />
alen, religiösen, räumlichen und medialen Umfeld der Autoren ausgehender Inter-<br />
pretationsansatz. Bevorzugt ausgewählt wurden Zeitbuchschreiber, die gesellschaft-<br />
lich unterhalb der Reichsstände und oberhalb des „gemeinen pöffels“ angesiedelt<br />
sind, also für eine breitere „gmein“ sprechen.<br />
Wissenschaftspreise der <strong>Universität</strong> <strong>Passau</strong><br />
Karl-Heinz-Pollok-Gedächtnispreis des ManagementConvent der <strong>Universität</strong><br />
<strong>Passau</strong> – Neuburger Gesprächskreis Wissenschaft und Praxis e. V.<br />
Gutachter: Professor Dr. Winfried Becker, Professor Dr. Hans-Christof Kraus,<br />
Professor Dr. Franz-Reiner Erkens, Professor Dr. Helmut Zedelmaier (<strong>Universität</strong> München)<br />
Einer der zentralen Befunde der Studie lautet: Seit dem Beginn der Reformation<br />
füllt sich die Zeitdiagnose providentiell auf, allerdings nur vorübergehend. Schon<br />
nach der Mitte des 16. Jahrhunderts verändert sich die Qualität des Vorsehungs-<br />
glaubens, um eine insgesamt komplexere, verborgenere und dynamischere Kontur<br />
anzunehmen. Während die Providentia Dei bei den Autoren der Reformationsepo-<br />
che noch relativ unmittelbar in das Gegenwartsgeschehen eingreift, offenbart sich<br />
diese danach mehr und mehr indirekt über das Medium der Zeichen und Wun-<br />
der. Darüber hinaus schiebt sich neben die allmächtige Vorsehung zunehmend die<br />
irdische Kategorie der „Zeit“. Damit einher geht ein vertiefter Sinn für das Phäno-<br />
men der Beschleunigung des Zeitgeschehens seit dem Auftreten Martin Luthers.<br />
Schließlich gelingt es dem Verfasser in überzeugender Weise aufzuzeigen, wie sehr<br />
sich die Zeitperspektiven nach der Mitte des 16. Jahrhunderts verdunkeln. Dass<br />
die von der Gegenreformation und vom nachtridentinischen Katholizismus ausge-<br />
hende Botschaft der „ecclesia triumphans“ bei den Zeitbuchschreibern letztendlich<br />
kaum Widerhall fand, fügt sich in diesen Rahmen.<br />
<strong>Dies</strong> <strong>academicus</strong> 09 • Seite