Die verfassungsgebende Gewalt des Volkes und die ... - Hauke Möller
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V. Art. 79 Abs. 3 GG im geltenden Verfassungsrecht 215<br />
heutigen Umfeld aus, sondern im Zusammenhang <strong>des</strong> ursprünglichen<br />
Gr<strong>und</strong>gesetzes. <strong>Die</strong> Zulässigkeit einer bestimmten Verfassungsänderung<br />
bemißt sich danach, ob nach dem Gr<strong>und</strong>gesetz vom 23. Mai<br />
1949 eine entsprechende Änderung erlaubt gewesen wäre. Demnach<br />
werden <strong>die</strong> Art. 1 <strong>und</strong> 20 GG mit ihrem ursprünglichen Inhalt in Bezug<br />
genommen 979 . Das bedeutet unter anderem, daß Art. 20 Abs. 4 GG<br />
nicht erfaßt wird. Aber auch <strong>die</strong> sonstigen Artikel <strong>des</strong> ursprünglichen<br />
Gr<strong>und</strong>gesetzes können für <strong>die</strong> Zulässigkeit von Verfassungsänderungen<br />
eine Rolle spielen.<br />
Da alle Normen der Urfassung von gleichem Rang waren, ist es<br />
möglich, daß einige davon Ausnahmen von den Gr<strong>und</strong>sätzen der<br />
Art. 1 <strong>und</strong> 20 GG enthielten. Auch kann das Gesamtbild der sonstigen<br />
Verfassungbestimmungen Rückschlüsse darüber ermöglichen, welche<br />
allgemeine Bedeutung <strong>die</strong> Gr<strong>und</strong>sätze der Art. 1 <strong>und</strong> 20 GG haben<br />
sollten. So sieht zwar Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG vor, daß <strong>die</strong> Staatsgewalt<br />
durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden<br />
<strong>Gewalt</strong> <strong>und</strong> der Rechtsprechung ausgeübt wird. Damit ist <strong>die</strong> <strong>Gewalt</strong>enteilung<br />
zwischen Legislative, Exekutive <strong>und</strong> Judikative angesprochen.<br />
Jedoch enthält schon <strong>die</strong> Urfassung <strong>des</strong> Gr<strong>und</strong>gesetzes eine Vielzahl<br />
von Durchbrechungen <strong>die</strong>ses Prinzips 980 . Beispielsweise darf <strong>die</strong><br />
Legislative Teile ihrer Aufgaben an <strong>die</strong> Exekutive übertragen, indem<br />
sie Ermächtigungen zum Erlaß von Rechtsverordnungen erteilt. Eine<br />
andere Durchbrechung der <strong>Gewalt</strong>enteilung ergibt sich daraus, daß<br />
im Bun<strong>des</strong>rat Exekutivorgane der Länder an der Gesetzgebung <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong><br />
mitwirken. Besonders zwischen der Legislative <strong>und</strong> der Exekutive<br />
gibt es noch eine Reihe weiterer Überschneidungen.<br />
Das Gesamtbild <strong>des</strong> ursprünglichen Gr<strong>und</strong>gesetzes legt nahe, daß<br />
Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG nur eine prinzipielle, nicht aber eine strenge<br />
Aufteilung der Staatsgewalt in Legislative, Exekutive <strong>und</strong> Judikative<br />
verlangt. Da der Wortlaut <strong>des</strong> Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG nicht ausdrücklich<br />
sagt, wie streng <strong>die</strong> Trennung von Gesetzgebung, vollziehender<br />
<strong>Gewalt</strong> <strong>und</strong> Rechtsprechung sein soll, müssen <strong>die</strong> zahlreichen Überschneidungen<br />
der <strong>Gewalt</strong>en nicht als Ausnahmen gedeutet werden,<br />
sondern können zur Interpretation <strong>des</strong> allgemeinen Prinzips herangezogen<br />
werden. Für <strong>die</strong> Verfassungsänderung bedeutet das, daß nicht<br />
979 Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 79, Rn. 12.<br />
980 Vgl. etwa Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20, Rn. 85 ff., m.w. N.