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Die verfassungsgebende Gewalt des Volkes und die ... - Hauke Möller

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IV. Unabänderlichkeit 193<br />

Wenn geschrieben wird, <strong>die</strong> Unabänderlichkeit <strong>des</strong> Art. 79<br />

Abs. 3 GG folge aus der »Normlogik« 913 , ist auch häufig ein anderer<br />

Gedankengang gemeint. Es liege in der Natur der verfassungsmäßigen<br />

Feststellung der Unantastbarkeit, daß auch der Verfassungssatz<br />

selbst, der <strong>die</strong> Unantastbarkeit ausspreche, unantastbar sein müsse 914 .<br />

Wenn Art. 79 Abs. 3 GG nämlich aufhebbar wäre, würde er in <strong>die</strong><br />

Leere laufen <strong>und</strong> sinnlos sein 915 . Das jedoch trifft nicht zu. Auch ein<br />

20. Jahrh<strong>und</strong>ert zurückgehen, ein vollständiges <strong>und</strong> widerspruchsfreies formales System<br />

der mathematischen Logik zu schaffen. Eine Gr<strong>und</strong>annahme der Logik ist, daß<br />

jede Aussage entweder wahr oder falsch sein muß. Probleme ergeben sich jedoch durch<br />

<strong>die</strong> Möglichkeit sich selbst verneinender Aussagen wie: »<strong>Die</strong>se Aussage ist falsch«. Ist<br />

<strong>die</strong> eben genannte Aussage wahr, heißt das, daß sie falsch sein muß; ist <strong>die</strong> Aussage<br />

aber falsch, heißt das, daß sie wahr sein muß. <strong>Die</strong>ses logische Problem, das auch als<br />

»Antinomie <strong>des</strong> Epimeni<strong>des</strong>« bezeichnet wird, ist seit der Antike bekannt. (In seiner<br />

ältesten Form lautet es in etwa: »Epimeni<strong>des</strong>, der Kreter, sagt: ›Alle Kreter sind Lügner.‹<br />

« In <strong>die</strong>ser Form besteht tatsächlich aber kein unauflöslichen Widerspruch, weil<br />

<strong>die</strong> Möglichkeit besteht, daß zwar nicht alle Kreter lügen, wohl aber Epimeni<strong>des</strong>.).<br />

Ein Ansatz, <strong>die</strong>ses Problem bei der Konstruktion eines formalen Systems der mathematischen<br />

Logik zu vermeiden, war <strong>die</strong> Aufstellung einer strengen Hierarchie der<br />

Sprach-Ebenen. Danach sollte es unmöglich sein, in einer Sprache eine Aussage über<br />

<strong>die</strong>selbe Sprache zu machen. Das sollte nur mittels einer höherrangigen Meta-Sprache<br />

möglich sein. Selbstbezügliche Aussagen könnten auf keiner der Ebenen durchgeführt<br />

werden <strong>und</strong> seien daher bedeutungsleer. Allerdings fand der Mathematiker Kurt Gödel<br />

eine (recht komplizierte) Möglichkeit, auch unter Beachtung <strong>die</strong>ser Hierarchie in<br />

jedem formalen System hinreichender Komplexität selbstbezügliche Sätze zu schaffen.<br />

Er bewies so, daß <strong>die</strong> Aufstellung eines vollständigen <strong>und</strong> widerspruchsfreien formalen<br />

Systems der mathematischen Logik unmöglich ist. Das allgemeine Verbot selbstbezüglicher<br />

Aussagen konnte also das Problem nicht lösen, zu deren Lösung es <strong>die</strong>nen sollte,<br />

<strong>und</strong> erscheint somit kaum als gerechtfertigt (Hofstadter, Gödel, Escher, Bach, besonders<br />

S. 19 ff.).<br />

913Maunz/Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 79, Rn. 50; Ridder, in: Azzola u. a., AK-<br />

GG, 2. Aufl., Art. 79, Rn. 29; ; Stern, Das Staatsrecht der Bun<strong>des</strong>republik Deutschland,<br />

Bd. I, S. 115, <strong>und</strong> Bd. III/2, S. 1101; Jörn Ipsen, Staatsrecht I, Rn. 1027; Herzog, JA 1976,<br />

177, 180; Wipfelder, UBWV 1980, 309, 311; Wipfelder, BayVBl. 1983, 289, 293; Anding, Das<br />

Spannungsverhältnis zwischen Art. 20 IV GG <strong>und</strong> Art. 79 III GG, S. 115 f.; Even, <strong>Die</strong><br />

Bedeutung der Unantastbarkeitsgarantie <strong>des</strong> Art. 79 Abs. 3 GG für <strong>die</strong> Gr<strong>und</strong>rechte,<br />

S. 99 f.; Moelle, Der Verfassungsbeschluß nach Artikel 146 Gr<strong>und</strong>gesetz, S. 74; vgl. Dellmann,<br />

in: Seifert/Hömig, GG, Art. 79, Rn. 5.<br />

914Maunz, in: Süsterhenn u. a., FS Laforet, S. 145; Maunz/Dürig, in: Maunz/Dürig, GG,<br />

Art. 79, Rn. 50.<br />

915Bleibaum, Das Verfassungsminimum im Bonner Gr<strong>und</strong>gesetz, S. 111; Eckfelder, Das<br />

fehlerhafte Gesetz, S. 25; Trost, Änderungen <strong>des</strong> Gr<strong>und</strong>gesetzes, S. 208; Hans Schneider,<br />

<strong>Die</strong> Liquidation deutschen Auslandvermögens <strong>und</strong> ihre vertragliche Hinnahme durch<br />

<strong>die</strong> Bun<strong>des</strong>republik, S. 84; Anding, Das Spannungsverhältnis zwischen Art. 20 IV GG<br />

<strong>und</strong> Art. 79 III GG, S. 116; Even, <strong>Die</strong> Bedeutung der Unantastbarkeitsgarantie <strong>des</strong> Art. 79

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