Die verfassungsgebende Gewalt des Volkes und die ... - Hauke Möller
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III. Bedeutung 177<br />
Sicherlich sahen <strong>die</strong> Schöpfer <strong>des</strong> Gr<strong>und</strong>gesetzes <strong>die</strong> von Art. 79<br />
Abs. 3 GG geschützten Inhalte als besonders wichtig an. Zugleich<br />
dürften sie aber davon überzeugt gewesen sein, mit den weiteren Normen<br />
ihres Gr<strong>und</strong>gesetzes den unabdingbaren Prinzipien vollständig<br />
zu entsprechen. Außerdem ist es für den Verfassungsgeber nicht ausgeschlossen,<br />
von seinen eigenen Gr<strong>und</strong>satznormen Ausnahmen zu<br />
statuieren, <strong>die</strong> als speziellere Normen den allgemeinen Regeln vorgehen<br />
842 . Einen höheren Rang haben <strong>die</strong> von Art. 79 Abs. 3 GG geschützten<br />
Verfassungsbestandteile nur gegenüber einem verfassungsändernden<br />
Gesetz 843 .<br />
b) Verfassungskonforme Auslegung<br />
Für das einfache Recht ist anerkannt, daß Gesetze im Zweifelsfall<br />
verfassungskonform interpretiert werden müssen. Wenn ein Gesetz<br />
verschiedene Deutungen zuläßt, von denen min<strong>des</strong>tens eine mit der<br />
Verfassung vereinbar ist, andere aber verfassungswidrig sind, dann<br />
muß eine solche Auslegung gewählt werden, nach der das Gesetz<br />
mit der Verfassung in Einklang steht. Eine Nichtigerklärung kommt<br />
dig unmöglich (BVerfGE 3, 225, 232 ff.). Das Gericht berief sich auf eine Formulierung<br />
von Gustav Radbruch (Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 353), nach der das positive Recht<br />
auch dann den Vorrang habe, wenn es inhaltlich ungerecht <strong>und</strong> unzweckmäßig sei, »es<br />
sei denn, daß der Widerspruch <strong>des</strong> positiven Gesetzes zur Gerechtigkeit ein so unerträgliches<br />
Maß erreicht, daß das Gesetz als ›unrichtiges Recht‹ der Gerechtigkeit zu weichen<br />
hat« (BVerfGE 3, 225, 233).<br />
Es sei folgerichtig, <strong>die</strong> Überprüfung der Verfassung der richterlichen <strong>Gewalt</strong> zu übertragen,<br />
<strong>die</strong> nämlich ihre Autorität nicht nur auf <strong>die</strong> Verfassung, sondern »auf <strong>die</strong> Idee<br />
<strong>des</strong> Rechts selbst« gründe (BVerfGE 3, 225, 235). Wenn ausschließlich das Bun<strong>des</strong>verfassungsgericht<br />
befugt sei, Gesetze für nichtig zu erklären, müsse <strong>die</strong>se Zuständigkeit um<br />
der Autorität <strong>des</strong> pouvoir constituant willen erst recht bei der Überprüfung <strong>des</strong> Gr<strong>und</strong>gesetzes<br />
selbst gelten (BVerfGE 3, 225, 231). <strong>Die</strong>se Argumentation ist jedoch nicht schlüssig.<br />
<strong>Die</strong> Überprüfung <strong>des</strong> positiven Rechts am Maßstab der Gerechtigkeit wurde von<br />
Radbruch damit begründet, daß der Juristenstand sonst wehrlos gegen Gesetze willkürlichen<br />
<strong>und</strong> verbrecherischen Inhalts sei (Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 352). Könnte<br />
man <strong>die</strong>se Prüfung nun einem höchsten Gericht ausschließlich übertragen, müßte ein<br />
verbrecherisches Regime lediglich ihm gehorsame oberste Richter einsetzen, um eine<br />
bedingungslose Befolgung seiner Gesetze sicherzustellen. Dann wäre der Juristenstand<br />
genauso wehrlos, wie wenn niemand das positive Recht überprüfen dürfte.<br />
842 BVerfGE 3, 225, 232.<br />
843 Evers, in: Dolzer u. a., Bonner Kommentar zum GG, Art. 79 Abs. 3, Rn. 90; Dreier, in:<br />
Dreier, GG, Art. 79 III, Rn. 11; Fangmann, in: Blank/Fangmann/Hammer, GG, Art. 79,<br />
Rn. 7; Hain, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 79, Rn. 31, Fn. 43.