Die verfassungsgebende Gewalt des Volkes und die ... - Hauke Möller
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2 A. Einleitung<br />
dar. Danach gibt sich das Volk als Verfassungsgeber (»pouvoir constituant«)<br />
eine Verfassung, welche <strong>die</strong> Organe <strong>des</strong> Staates als durch <strong>die</strong><br />
Verfassung begründete <strong>Gewalt</strong> (»pouvoir constitué«) erst erzeugt. <strong>Die</strong><br />
verfaßte <strong>Gewalt</strong> ist uneingeschränkt an <strong>die</strong> Verfassung geb<strong>und</strong>en. Vor<br />
<strong>die</strong>sem Hintergr<strong>und</strong> erscheint Art. 79 GG als eine Besonderheit, nämlich<br />
als Ermächtigung an den pouvoir constitué, seine eigenen Gr<strong>und</strong>lagen<br />
abzuändern. Art. 79 Abs. 3 GG begrenzt <strong>die</strong>se Ermächtigung.<br />
Würde der verfassungsändernde Gesetzgeber das Änderungsverbot<br />
streichen, würden ihm dadurch vom Volk keine neuen Befugnisse verliehen.<br />
Eine Verfassungsänderung entgegen den Verboten <strong>des</strong> Art. 79<br />
Abs. 3 GG müßte also unzulässig bleiben.<br />
Bis hierhin sind <strong>die</strong>se Gedanken keineswegs neu – tatsächlich<br />
wird <strong>die</strong> Unabänderlichkeit <strong>des</strong> Änderungsverbotes heute überwiegend<br />
damit begründet, daß Art. 79 Abs. 3 GG als vom Verfassungsgeber<br />
gesetzte Schranke für <strong>die</strong> verfaßte <strong>Gewalt</strong> unantastbar sein müsse.<br />
Allerdings wird dabei ein bestimmtes staatstheoretisches Verständnis<br />
vorausgesetzt. <strong>Die</strong> Begründung folgt nicht aus dem Gr<strong>und</strong>gesetz,<br />
sondern weicht auf ihm vorausliegen<strong>des</strong>, überpositives Recht aus. Dafür,<br />
ob <strong>und</strong> mit welchem Inhalt Naturrecht gilt, gibt es jedoch keinen<br />
objektiven Maßstab. Wer nicht an <strong>die</strong> staatstheoretische oder naturrechtliche<br />
Richtigkeit der Lehre von der <strong>verfassungsgebende</strong>n <strong>Gewalt</strong><br />
<strong>des</strong> <strong>Volkes</strong> glaubt, sondern das Gr<strong>und</strong>gesetz aus anderen Gründen für<br />
gültig hält, wird sich damit also nicht zufrieden geben können.<br />
An <strong>die</strong>ser Stelle hilft <strong>die</strong> Erkenntnis weiter, daß dem Gr<strong>und</strong>gesetz<br />
das Modell von der <strong>verfassungsgebende</strong>n <strong>Gewalt</strong> <strong>des</strong> <strong>Volkes</strong> zugr<strong>und</strong>e<br />
gelegt ist. In der Präambel ist ausdrücklich <strong>die</strong> Rede davon, daß<br />
sich das deutsche Volk das Gr<strong>und</strong>gesetz »kraft seiner <strong>verfassungsgebende</strong>n<br />
<strong>Gewalt</strong>« gegeben habe. Nach Art. 146 GG verliert das Gr<strong>und</strong>gesetz<br />
sein Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft<br />
tritt, <strong>die</strong> von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen<br />
worden ist. Gemäß Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG geht alle Staatsgewalt<br />
vom Volke aus. <strong>Die</strong> Idee von der <strong>verfassungsgebende</strong>n <strong>Gewalt</strong> <strong>des</strong><br />
deren Zusammensetzungen auf »Verfassung« (wie etwa Verfassungsänderung, Verfassungsbeschwerde,<br />
Verfassungsgericht, Verfassungsrecht, verfassungswidrig) stets ein<br />
Fugen-s verwendet wird, <strong>und</strong> zum anderen, daß auch in der Präambel <strong>des</strong> Gr<strong>und</strong>gesetzes<br />
von der »<strong>verfassungsgebende</strong>n <strong>Gewalt</strong>« <strong>die</strong> Rede ist. In <strong>die</strong>ser Untersuchung wird<br />
außerhalb von wörtlichen Zitaten nur <strong>die</strong> Form mit Fugen-s verwendet. Das gilt natürlich<br />
auch für Ableitungen wie »Verfassungsgeber« <strong>und</strong> »Verfassungsgebung«.