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Die verfassungsgebende Gewalt des Volkes und die ... - Hauke Möller

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III. Art. 146 GG a. F. 99<br />

Wortlaut <strong>des</strong> Gr<strong>und</strong>gesetzes in der Tat nicht vollständig niedergelegt.<br />

Das war aber auch nicht notwendig, weil man dort <strong>die</strong> Vorläufigkeit<br />

selbst klar genug zum Ausdruck gebracht hatte 456 .<br />

<strong>Die</strong> Schlußbestimmung hatte nicht nur den Sinn, Deutschland <strong>die</strong><br />

Wiedervereinigung zu ermöglichen. Ihr weiterer Zweck, den Weg zu<br />

einer neuen Verfassung zu eröffnen, hat sich mit den Beitritten der ostdeutschen<br />

Länder nicht erledigt 457 . Demnach ist Art. 146 GG a. F. mit<br />

dem Vollzug der Wiedervereinigung nicht gegenstandslos geworden.<br />

Daß das Volk sich jederzeit eine neue Verfassung geben kann, entspricht<br />

der von den Schöpfern <strong>des</strong> Gr<strong>und</strong>gesetzes anerkannten Lehre<br />

von der <strong>verfassungsgebende</strong>n <strong>Gewalt</strong> <strong>des</strong> <strong>Volkes</strong>. Deshalb wurde<br />

auch im Parlamentarischen Rat gesagt, daß <strong>die</strong> Schlußbestimmung im<br />

Gr<strong>und</strong>e eine Selbstverständlichkeit ausspreche <strong>und</strong> vielleicht gar kei-<br />

456 Demgegenüber enthält <strong>die</strong> Argumentation von Isensee, Braucht Deutschland eine<br />

neue Verfassung?, S. 33 ff. (vgl. auch Isensee, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch <strong>des</strong> Staatsrechts,<br />

§ 166, Rn. 28 <strong>und</strong> Rn. 32 ff.), einen erstaunlichen Widerspruch. <strong>Die</strong> Überlegung,<br />

daß der Wortlaut <strong>des</strong> Gr<strong>und</strong>gesetzes nichts über ein Außerkrafttreten von Art. 146 GG<br />

a. F. nach einem Beitritt sagte, verurteilt Isensee als »trivial-positivistische Begründung«<br />

(Isensee, Braucht Deutschland eine neue Verfassung?, S. 33). Das »Beharren auf dem<br />

Wortlaut« führe zu einer »inhaltlichen Mutation der Norm«, <strong>die</strong> vielmehr im historischen<br />

Kontext gesehen werden müsse (Isensee, a. a. O., S. 34). Daß <strong>die</strong> Schlußbestimmung<br />

nicht nur der Wiedervereinigung, sondern auch weiteren Zielen <strong>die</strong>nen sollte,<br />

bezeichnet er dann jedoch als eine »teleologische Umdeutung« (Isensee, a. a. O., S. 34),<br />

<strong>die</strong> er ablehnt, weil zum einen <strong>die</strong> Verfassungsberatungen kein eindeutiges Bild ergäben<br />

<strong>und</strong> zum anderen nicht <strong>die</strong> Entstehungsgeschichte maßgeblich sei, sondern »das<br />

objektive Ergebnis der Entstehungsgeschichte, das Gr<strong>und</strong>gesetz selbst« (Isensee, a. a. O.,<br />

S. 38 f.).<br />

Tatsächlich ist es gerade Isensees Interpretation, <strong>die</strong> eine Umdeutung <strong>des</strong> Wortlauts –<br />

also <strong>des</strong> »objektiven Ergebnisses der Entstehungsgeschichte« – vornimmt. Verschleiert<br />

wird <strong>die</strong> Widersprüchlichkeit von Isensees Argumentation dadurch, daß er <strong>die</strong> historischen<br />

Betrachtungen nicht als den Wortlaut stützende Argumentation, sondern als<br />

davon völlig getrennte »Geburtsmakeltheorie« (Isensee, a. a. O., S. 35) abhandelt. <strong>Die</strong><br />

von ihm abgelehnte Meinung, nach der Art. 146 GG auch nach dem Beitritt anwendbar<br />

geblieben ist, bezeichnet er als »Draufsatteltheorie« (Isensee, a. a. O., S. 33; <strong>die</strong>se Bezeichnung<br />

wird von Dreier, in: Dreier, GG, Art. 146, Rn. 29, zu recht als »polemisch«<br />

kritisiert).<br />

457 Dreier, in: Dreier, GG, Art. 146, Rn. 25 <strong>und</strong> 30; Sachs, JuS 1991, 985, 990; Wiederin,<br />

AöR 117 (1992), 410, 425; Baldus, KritV 1993, 429, 434; Heckmann, in: Borgmann u. a.,<br />

Verfassungsreform <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>gesetz, S. 14 ff.; Rauschning, DVBl. 1990, 393, 401; Schlink,<br />

Der Staat 30 (1991), 163, 173 f.; Storost, Der Staat 30 (1991), 537, 542 f.; Moelle, Der Verfassungsbeschluß<br />

nach Artikel 146 Gr<strong>und</strong>gesetz, S. 163 f.; Merkel, <strong>Die</strong> <strong>verfassungsgebende</strong><br />

<strong>Gewalt</strong> <strong>des</strong> <strong>Volkes</strong>, S. 46; Stückrath, Art. 146 GG: Verfassungsablösung zwischen Legalität<br />

<strong>und</strong> Legitimität, S. 86 f.

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