Inhalt 04/05 2010 - der Stadt Eisenhüttenstadt
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22<br />
Bekannten zogen nach West<br />
Berlin weiter. Ich bin mit meiner<br />
kleinen Tochter zu meiner<br />
Halbschwester Erna, die in<br />
Neuzelle lebte weiter gefahren<br />
– im Güterzug bis Guben und<br />
dann zu Fuß bis Neuzelle.<br />
Dorthin kehrte auch mein<br />
Vater zurück und starb nur ein<br />
Jahr später. Ich blieb, bis mein<br />
Mann 1947 aus <strong>der</strong> Gefangenschaft<br />
kam. 1949 wurde unser<br />
zweites Kind Werner geboren.<br />
Bald danach bezogen wir eine<br />
etwas größere Wohnung.<br />
Wichtig war vor allem für<br />
meinen Mann, wie<strong>der</strong> Arbeit<br />
zu finden. Das war gar nicht<br />
so einfach, er war eigentlich<br />
von Beruf Schirmmacher.<br />
Schließlich fand er im Sägewerk<br />
Wan<strong>der</strong> in Neuzelle eine<br />
erste Anstellung.<br />
Als unser dritts Kind, Sohn<br />
Horst 1955 geboren wurde,<br />
zogen wir 1957 nach Stalinstadt.<br />
Mein Mann arbeitete<br />
anfangs in Brieskow-Finkenheerd<br />
in <strong>der</strong> Grube, allerdings<br />
übertage. Er erlernte dort den<br />
Beruf des Schweißers, denn in<br />
seinem alten Beruf hätte es<br />
hier keine Arbeit gegeben.<br />
Es bot sich ihm bald die Gelegenheit<br />
im neu entstandenen<br />
EKO-Eisenhüttenkombinat Ost<br />
als Schweißer zu arbeiten. Von<br />
nun an wohnten wir in <strong>der</strong><br />
Heinrich-Heine-Allee - viele<br />
Jahre lang, bis die Kin<strong>der</strong><br />
groß waren. Später tauschten<br />
wir mit <strong>der</strong> Familie unseres<br />
Sohnes Horst unsere Wohnung<br />
und zogen in den VI. Wohnkomplex.<br />
Wie ich Ihren Worten entnehme,<br />
kümmerten Sie sich<br />
bis die Kin<strong>der</strong> groß waren,<br />
vornehmlich um <strong>der</strong>en Erziehung<br />
und um den Haushalt.<br />
Konnten Sie nach dieser Zeit<br />
selbst arbeiten und somit soziale<br />
Kontakte außerhalb <strong>der</strong><br />
Familie finden?<br />
Aber ja, ich arbeitete dann<br />
noch ca. 26 Jahre in <strong>der</strong><br />
Schulküche <strong>der</strong> Hilfsschule,<br />
das war in <strong>der</strong> damaligen Ernst<br />
Thälmann Str. 10 (heute Beeskower<br />
Str.) – im Volksmund<br />
Gelbe Villa genannt. Ich hatte<br />
eben immer gern Kin<strong>der</strong> um<br />
mich. Es war eine schöne Zeit.<br />
So gingen die Jahre dahin.<br />
Mein Mann starb 1984 und nun<br />
musste ich allein weiter leben.<br />
Eine große Freude war es nun<br />
für mich, das meine Kin<strong>der</strong><br />
in <strong>der</strong> Nähe leben. Ich freue<br />
mich, dass ich noch meine<br />
sechs Enkel und fünf Urenkel<br />
aufwachsen sehen kann.<br />
Frau Greulich, Sie erzählten,<br />
dass Sie seit 2008 hier im<br />
Alten- und Altenpflegeheim<br />
leben. Als Sie sich zu diesem<br />
Schritt entschlossen, waren<br />
Sie bereits 88 Jahre. Ist es<br />
Ihnen sehr schwer gefallen,<br />
die gewohnte Selbständigkeit<br />
abzulegen?<br />
Ja, es war mir vergönnt,<br />
doch sehr lange selbständig<br />
zu leben. Als dann aber<br />
meine Beine nicht mehr so<br />
wollten wie ich, sah ich einfach<br />
die Notwendigkeit ein,<br />
dass es für mich besser ist,<br />
in einem betreuten Umfeld<br />
zu leben.<br />
Ich erlebe Sie als sehr bodenständige,<br />
kraftvolle, tolerante<br />
und immer freundliche<br />
Frau. Sicher wird man Sie an<br />
Ihrem Geburtstag des Öfteren<br />
fragen, wie Sie es geschafft<br />
haben, so jung im Herzen zu<br />
bleiben. Vielleicht verraten Sie<br />
es unseren Lesern, als Erste<br />
und ganz exklusiv und setzen<br />
gleichsam das Schlusswort<br />
unter dieses eindrucksvolle<br />
„Lebensbild“?<br />
Also, so richtig kann ich das<br />
gar nicht beantworten. Ich<br />
glaube aber, dass Genügsamkeit<br />
und <strong>der</strong> feste Wille,<br />
immer das Beste aus allem zu<br />
machen, ganz gute Wegbegleiter<br />
sind – egal wie es<br />
kommt.<br />
Sabine Gäbel