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Inhalt 04/05 2010 - der Stadt Eisenhüttenstadt

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Haus Zibelle<br />

Nun ja, nicht direkt Ausbildung,<br />

ich ging nach Forst.<br />

Man sagte dazu man geht „In<br />

Stellung“, also in den Haushalt<br />

besser „betuchter“ Leute.<br />

Hier lernte man alles, was die<br />

Hauswirtschaft betraf. Dort<br />

blieb ich sechs Jahre lang.<br />

Konnten sie trotz allem in den<br />

folgenden Jahren ihre Jugend<br />

genießen, denn die Zeichen<br />

<strong>der</strong> Zeit schickten ja schon<br />

ihre dunklen Schatten voraus?<br />

Natürlich bin ich auch mit<br />

meinen Freundinnen ausgegangen<br />

und wir hatten<br />

unseren Spaß. Bei einem<br />

Spaziergang – es war in Forst,<br />

hatten wir uns ganz beson<strong>der</strong>s<br />

fein gemacht - mit Hut<br />

und so. Wir wollten uns den<br />

Rosengarten ansehen, da<br />

liefen uns drei junge Männer<br />

hinterher. Schließlich<br />

sprachen sie uns an, fragten,<br />

ob sie sich uns anschließen<br />

könnten. Ja warum denn<br />

nicht, dachten sich meine<br />

Freundinnen und ich. So<br />

eine nette Gesellschaft gab<br />

dem Sonntagsspaziergang<br />

doch erst die richtige Würze.<br />

Nun ja, und wie man das so<br />

unter jungen Leuten macht,<br />

tauschten wir unsere Adressen<br />

aus. Wir dachten uns<br />

nichts dabei. Denn schon in<br />

den nächsten Tagen mussten<br />

unsere Begleiter nach Russland<br />

in den Krieg ziehen –<br />

vielleicht würde man ja auch<br />

nie mehr von einan<strong>der</strong> hören?<br />

Es waren schlimme Zeiten.<br />

Frau Greulich, nun machen sie<br />

mich und gewiss auch unsere<br />

Leser richtig neugierig, wie<br />

ging es mit <strong>der</strong> zarten Bande<br />

weiter?<br />

Das will ich gerne erzählen,<br />

denn es ist so eine schöne<br />

Geschichte. Eines Tages bekam<br />

ich Post, von einem <strong>der</strong><br />

Soldaten, die uns auf unserem<br />

Spaziergang begleitet hatten<br />

- es war Willi Greulich,<br />

<strong>der</strong> gebürtig aus Breslau<br />

stammte. Ich hatte eigentlich<br />

schon gar nicht mehr an diese<br />

Begegnung gedacht, freute<br />

mich aber doch sehr über<br />

seinen netten Brief. Von da an<br />

schrieben wir uns regelmäßig<br />

viele, viele Briefe. Mein Willi<br />

konnte so wun<strong>der</strong>bar schreiben<br />

– ich liebte das.<br />

Wann haben Sie Willi Greulich<br />

wie<strong>der</strong> gesehen, kam er<br />

unversehrt aus dem Krieg<br />

zurück?<br />

Ja, nach einiger Zeit bekam<br />

mein Willi Heimaturlaub,<br />

da war ich schon wie<strong>der</strong> zu<br />

Hause in Zibelle. Meine Mutter<br />

war schwer erkrankt und<br />

ich pflegte sie bis zu ihrem<br />

Tode 1941. Wir konnten unser<br />

Glück kaum genießen, denn<br />

er musste wie<strong>der</strong> zurück an<br />

die Front - wurde im Kessel<br />

von Stalingrad verwundet.<br />

Das war aber sein Glück, so<br />

schlimm sich das anhört, es<br />

war seine Lebensrettung.<br />

Gerade noch rechtzeitig, ehe<br />

sich <strong>der</strong> Kessel schloss, fuhr<br />

ein Zug mit Verwundeten raus<br />

– mein Willi war unter ihnen.<br />

Nach seiner Genesung heirateten<br />

wir im August 1944. Mich<br />

bewegte aber noch immer die<br />

Frage: warum sich mein Willi<br />

gerade für mich entschieden<br />

hatte, denn er war auch im<br />

Besitz <strong>der</strong> Adressen meiner<br />

Freundinnen. Auf meine wohl<br />

doch etwas indiskrete Frage<br />

meinte er: “Du hattest von<br />

allen die schönsten Beine!“ Im<br />

Dezember desselben Jahres,<br />

kurz nach Weihnachten, kam<br />

unsere Tochter Christa zur<br />

Welt. Mein Mann war noch<br />

immer eingezogen, so war ich<br />

während <strong>der</strong> Schwangerschaft<br />

ganz allein zu Haus’. Mit den<br />

Nachbarn hatte ich im Vorfeld<br />

alles besprochen. Bin zum<br />

Bauern gegangen, <strong>der</strong> stellte<br />

die Pferde bereit, ein an<strong>der</strong>er<br />

einen Schlitten, um nach <strong>der</strong><br />

Hebamme zu schicken, im Falle,<br />

das bei mir die Wehen einsetzen.<br />

Damals lag noch mehr<br />

Schnee als wir es jetzt erleben.<br />

Doch alles ging gut und unsere<br />

Tochter kam gesund auf die<br />

Welt. Das alles funktionierte<br />

nur, weil unter den Nachbarn<br />

ein sehr enges Miteinan<strong>der</strong> gepflegt<br />

wurde – ohne sie wäre<br />

das alles gar nicht gegangen.<br />

Eine Frage brennt mir ganz<br />

beson<strong>der</strong>s auf <strong>der</strong> Seele. Je<strong>der</strong><br />

weiß aus <strong>der</strong> Geschichte, dass<br />

<strong>der</strong> Krieg um diese Zeit wie<strong>der</strong><br />

zurück nach Deutschland kam,<br />

dorthin, wo er begann. Wie<br />

ist es Ihnen mit dem kleinen<br />

Kind damals ergangen?<br />

Als wir alle raus mussten, bin<br />

ich gemeinsam mit Bekannten<br />

bis Muskau gekommen. Die<br />

wollten eigentlich nach<br />

Berlin, wo meine Schwester<br />

Margarethe lebte. Ich bin<br />

mit ihnen bis nach Miersdorf<br />

bei Zeuthen gegangen und<br />

blieb dort bis Oktober. Meine<br />

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