"Unser Land" 06/2005 - pdf-Ausgabe zum Download - Landkreis ...

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Unser Land Nachwuchs und gesellschaftliche Entwicklung: Wie steht es um das Ehrenamt? Die Sportvereine und die Feuerwehren gehören zu den mitgliederstärksten Gruppierungen von Landkreisbürgerinnen und Landkreisbürgern, die ehrenamtlich tätig sind. Wir haben die beiden „Chefs“, Kreisbrandrat Waldemar Knott und den Kreisvorsitzenden des Bayerischen Landessportverbandes, Matthias Meyer, befragt, wie es um den Nachwuchs steht und wie sie das Ehrenamt in unserer gesellschaftlichen Entwicklung sehen. Unser Land: Sind junge Leute heute noch für die Gemeinschaft und das Helfen zu begeistern? Knott: Wir können bei unseren Feuerwehren noch einen guten Zulauf feststellen. Wir haben auch mit erheblichen finanziellen Mitteln, zum Großteil aus der Kasse unserer Feuerwehrvereine, versucht, die Jugendlichen nicht nur feuerwehrtechnisch auszubilden, sondern ihnen überörtliche Veranstaltungen zu bieten und sie an Gemeinschaft und Kameradschaft heranzuführen. Sich aufeinander verlassen können, ist gerade im Feuerwehrdienst von enormer Bedeutung. Wir bieten Skifreizeiten, Spiel ohne Grenzen, Jugendfahrradrallye, Orientierungsmarsch usw. an. An diesen Veranstaltungen beteiligten sich in den vergangenen Jahren sehr viele Jugendliche. (z. B. circa 600 Personen bei den Skifreizeiten). Leider steht allerdings dann doch eine große Anzahl später für den aktiven Dienst nicht mehr zur Verfügung. Meyer: Ich glaube ja! Junge Leute sind grundsätzlich bereit, sich ehrenamtlich zu engagieren. Sie wollen aber gefordert und gefördert werden. Ist die Aufgabe interessant gestaltet? Kann sich der oder die Jugendliche dort entfalten? Fördert es die Sozialkompetenz? Sieht der Nachwuchs die Ergebnisse seiner Arbeit? All das sind Fragen, die sich die Gesellschaft und vor allem die Vereine stellen müssen. Spricht man die Jugendlichen darauf an und hat sich vorher Gedanken über die Form der Mitarbeit gemacht, kann man ein attraktives Angebot schaffen und die Jugendlichen werden einsteigen. UL: Beobachten Sie in Ihrem Verband, dass wir eine Gesellschaft von Einzelgängern werden? Knott: Die Interessen des Einzelnen stehen mehr als früher im Vordergrund. Auch die berufliche Belastung, veränderte Arbeitszeiten (Öffnungszeiten bis 20.00 Uhr) machen eine „ehrenamtliche“ Tätigkeit schwieriger. Durch berufliche Belastungen, weiter entfernten Arbeitsstätten haben viele weniger Freizeit. Dies ist aus meiner Sicht auch ein Grund, warum immer häufiger ein Ehrenamt aufgegeben wird. Solche Veränderungen müssen wir frühzeitig erkennen und nach Lösungen suchen. Das viel gelobte „Ehrenamt“ soll von der Politik nicht nur mit schönen Reden bedacht werden; es müssen Taten folgen. Die öffentlichen Arbeitgeber sind gefordert, ihre Mitarbeiter zu Feuerwehreinsätzen freizustellen und so allen anderen Arbeitgebern als Vorbild zu dienen. Glücklicherweise stehen in unserem Landkreis Waldemar Knott Matthias Meyer noch viele Arbeitgeber zur Feuerwehr und lassen unsere Einsatzkräfte vom Arbeitsplatz, um zu helfen. Meyer: Einzelgänger gab es schon immer. Die breit gefächerten Arbeitszeitmodelle, lange Arbeitszeiten sind meiner Meinung nach vorgeschobene Gründe sich bequem aus der Gemeinschaft zurückzuziehen. Gerade in Zeiten der Globalisierung gibt es aber auch einen Trend zur Familie und zur Gemeinschaft. Ich beobachte, dass die Menschen gerne Sport in der Gemeinschaft treiben. Daher glaube ich nicht, dass wir uns generell zu Einzelgängern entwickeln. Es ist jedoch erforderlich, dass die Vereinsführung das Sportangebot und das Angebot über den Sport hinaus attraktiv gestaltet, um auch für die Menschen attraktiv zu sein. Gerade die Sportvereine haben mit Fitnesscentern eine direkte Konkurrenz. UL: Im Gegensatz zur Anonymität der Großstadt wird die örtliche Gemeinschaft im ländlichen Raum als ein Stück Lebensqualität empfunden. Ist dies noch so zu spüren? Knott: In kleineren Dörfern gilt dies auch heute noch: Die Vereine bilden den gesellschaftlichen Mittelpunkt. In größeren Orten wird das Anspruchsdenken immer deutlicher. Nachbarschaftshilfe kennt man in vielen neuen Siedlungen nicht mehr, hier wird die Feuerwehr als billiger Baumschneider, Wespenjäger oder als Schlüsseldienst gerufen. Eine typische „Vollkasko-Mentalität“ wird gefordert, die noch dazu nichts kosten soll. Meyer: Ja, ich glaube, dass die Gemeinschaft innerhalb der Dörfer im Landkreis größer ist als in der Stadt, aber das ist keine neue Entwicklung. Städte sind viel zu groß und unübersichtlich, um eine einzige Gemeinschaft zu sein. Die Anzahl der Personen auf dem Dorf ist überschaubar. Man trifft sich auf der Straße oder im Verein und man kennt sich. In der Stadt trifft man sich aufgrund der Größe schon seltener. Dort übernehmen hauptsächlich Vereine diese Aufgabe der Gemeinschaftsbildung. Daher ist eine intakte Vereinsstruktur für Städte noch wichtiger als für ländliche Gegenden.

<strong>Unser</strong> Land<br />

Nachwuchs und gesellschaftliche Entwicklung:<br />

Wie steht es um das Ehrenamt?<br />

Die Sportvereine und die Feuerwehren gehören<br />

zu den mitgliederstärksten Gruppierungen von<br />

<strong>Landkreis</strong>bürgerinnen und <strong>Landkreis</strong>bürgern, die ehrenamtlich<br />

tätig sind. Wir haben die beiden „Chefs“,<br />

Kreisbrandrat Waldemar Knott und den Kreisvorsitzenden<br />

des Bayerischen Landessportverbandes, Matthias<br />

Meyer, befragt, wie es um den Nachwuchs steht und<br />

wie sie das Ehrenamt in unserer gesellschaftlichen Entwicklung<br />

sehen.<br />

<strong>Unser</strong> Land: Sind junge Leute heute noch für die Gemeinschaft<br />

und das Helfen zu begeistern?<br />

Knott: Wir können bei unseren Feuerwehren noch<br />

einen guten Zulauf feststellen. Wir haben auch mit<br />

erheblichen finanziellen Mitteln, <strong>zum</strong> Großteil aus der<br />

Kasse unserer Feuerwehrvereine, versucht, die Jugendlichen<br />

nicht nur feuerwehrtechnisch auszubilden, sondern<br />

ihnen überörtliche Veranstaltungen zu bieten und<br />

sie an Gemeinschaft und Kameradschaft heranzuführen.<br />

Sich aufeinander verlassen können, ist gerade im<br />

Feuerwehrdienst von enormer Bedeutung. Wir bieten<br />

Skifreizeiten, Spiel ohne Grenzen, Jugendfahrradrallye,<br />

Orientierungsmarsch usw. an. An diesen Veranstaltungen<br />

beteiligten sich in den vergangenen Jahren sehr<br />

viele Jugendliche. (z. B. circa 600 Personen bei den<br />

Skifreizeiten). Leider steht allerdings dann doch eine<br />

große Anzahl später für den aktiven Dienst nicht mehr<br />

zur Verfügung.<br />

Meyer: Ich glaube ja! Junge Leute sind grundsätzlich<br />

bereit, sich ehrenamtlich zu engagieren. Sie wollen aber<br />

gefordert und gefördert werden. Ist die Aufgabe interessant<br />

gestaltet? Kann sich der oder die Jugendliche<br />

dort entfalten? Fördert es die Sozialkompetenz? Sieht<br />

der Nachwuchs die Ergebnisse seiner Arbeit? All das<br />

sind Fragen, die sich die Gesellschaft und vor allem<br />

die Vereine stellen müssen. Spricht man die Jugendlichen<br />

darauf an und hat sich vorher Gedanken über die<br />

Form der Mitarbeit gemacht, kann man ein attraktives<br />

Angebot schaffen und die Jugendlichen werden einsteigen.<br />

UL: Beobachten Sie in Ihrem Verband, dass wir eine<br />

Gesellschaft von Einzelgängern werden?<br />

Knott: Die Interessen des Einzelnen stehen mehr als<br />

früher im Vordergrund. Auch die berufliche Belastung,<br />

veränderte Arbeitszeiten (Öffnungszeiten bis 20.00<br />

Uhr) machen eine „ehrenamtliche“ Tätigkeit schwieriger.<br />

Durch berufliche Belastungen, weiter entfernten<br />

Arbeitsstätten haben viele weniger Freizeit. Dies ist aus<br />

meiner Sicht auch ein Grund, warum immer häufiger<br />

ein Ehrenamt aufgegeben wird. Solche Veränderungen<br />

müssen wir frühzeitig erkennen und nach Lösungen<br />

suchen. Das viel gelobte „Ehrenamt“ soll von der Politik<br />

nicht nur mit schönen Reden bedacht werden; es<br />

müssen Taten folgen. Die öffentlichen Arbeitgeber sind<br />

gefordert, ihre Mitarbeiter zu Feuerwehreinsätzen freizustellen<br />

und so allen anderen Arbeitgebern als Vorbild zu<br />

dienen. Glücklicherweise stehen in unserem <strong>Landkreis</strong><br />

Waldemar Knott Matthias Meyer<br />

noch viele Arbeitgeber zur Feuerwehr und lassen unsere<br />

Einsatzkräfte vom Arbeitsplatz, um zu helfen.<br />

Meyer: Einzelgänger gab es schon immer. Die breit<br />

gefächerten Arbeitszeitmodelle, lange Arbeitszeiten sind<br />

meiner Meinung nach vorgeschobene Gründe sich bequem<br />

aus der Gemeinschaft zurückzuziehen. Gerade in<br />

Zeiten der Globalisierung gibt es aber auch einen Trend<br />

zur Familie und zur Gemeinschaft. Ich beobachte, dass<br />

die Menschen gerne Sport in der Gemeinschaft treiben.<br />

Daher glaube ich nicht, dass wir uns generell zu Einzelgängern<br />

entwickeln. Es ist jedoch erforderlich, dass die<br />

Vereinsführung das Sportangebot und das Angebot über<br />

den Sport hinaus attraktiv gestaltet, um auch für die<br />

Menschen attraktiv zu sein. Gerade die Sportvereine haben<br />

mit Fitnesscentern eine direkte Konkurrenz.<br />

UL: Im Gegensatz zur Anonymität der Großstadt wird die<br />

örtliche Gemeinschaft im ländlichen Raum als ein Stück<br />

Lebensqualität empfunden. Ist dies noch so zu spüren?<br />

Knott: In kleineren Dörfern gilt dies auch heute noch:<br />

Die Vereine bilden den gesellschaftlichen Mittelpunkt.<br />

In größeren Orten wird das Anspruchsdenken immer<br />

deutlicher. Nachbarschaftshilfe kennt man in vielen neuen<br />

Siedlungen nicht mehr, hier wird die Feuerwehr als<br />

billiger Baumschneider, Wespenjäger oder als Schlüsseldienst<br />

gerufen. Eine typische „Vollkasko-Mentalität“ wird<br />

gefordert, die noch dazu nichts kosten soll.<br />

Meyer: Ja, ich glaube, dass die Gemeinschaft innerhalb<br />

der Dörfer im <strong>Landkreis</strong> größer ist als in der Stadt, aber<br />

das ist keine neue Entwicklung. Städte sind viel zu groß<br />

und unübersichtlich, um eine einzige Gemeinschaft zu<br />

sein. Die Anzahl der Personen auf dem Dorf ist überschaubar.<br />

Man trifft sich auf der Straße oder im Verein<br />

und man kennt sich. In der Stadt trifft man sich aufgrund<br />

der Größe schon seltener. Dort übernehmen hauptsächlich<br />

Vereine diese Aufgabe der Gemeinschaftsbildung.<br />

Daher ist eine intakte Vereinsstruktur für Städte noch<br />

wichtiger als für ländliche Gegenden.

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