Die Beste Zeit Nr. 16.indd - Druckservice HP Nacke KG

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DIE BESTE ZEIT Das Magazin für Lebensart Wuppertal und Bergisches Land Ausgabe 16, 2012 - 3,50 Euro Bella Italia Von der Heydt-Museum Wuppertal Christian Hellmich Von der Heydt-Kunsthalle Barmen Kuss der Freiheit Wuppertaler Literatur Biennale Nachwirkung einer Lesung Luisa Altergott Orte der Ruhe Der Mühlenhof Breckerfeld Anselm Kiefer Bundeskunsthalle Bonn Wuppertals grüne Anlagen Öffentliches Grün German Song Teo Otto Theater Remscheid Claes Oldenburg Museum Ludwig Köln Auf die Lady... Portrait Mechthild Großmann Später Besuch Elisabeth Heinemann 18695205 Neue Bücher zu Geschichte und Kunst ISSN 1

DIE BESTE ZEIT<br />

Das Magazin für Lebensart<br />

Wuppertal und Bergisches Land Ausgabe 16, 2012 - 3,50 Euro<br />

Bella Italia<br />

Von der Heydt-Museum Wuppertal<br />

Christian Hellmich<br />

Von der Heydt-Kunsthalle Barmen<br />

Kuss der Freiheit<br />

Wuppertaler Literatur Biennale<br />

Nachwirkung einer Lesung<br />

Luisa Altergott<br />

Orte der Ruhe<br />

Der Mühlenhof Breckerfeld<br />

Anselm Kiefer<br />

Bundeskunsthalle Bonn<br />

Wuppertals grüne Anlagen<br />

Öffentliches Grün<br />

German Song<br />

Teo Otto Theater Remscheid<br />

Claes Oldenburg<br />

Museum Ludwig Köln<br />

Auf die Lady...<br />

Portrait Mechthild Großmann<br />

Später Besuch<br />

Elisabeth Heinemann<br />

18695205<br />

Neue Bücher<br />

zu Geschichte und Kunst ISSN<br />

1


„<strong>Die</strong> <strong>Beste</strong> <strong>Zeit</strong> – Das Magazin für Lebensart“ erhalten Sie ab sofort:<br />

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Impressum<br />

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Erscheinungsweise: 5 – 6 mal pro Jahr<br />

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V. i. S. d. P.: HansPeter <strong>Nacke</strong><br />

Erfüllungsort und Gerichtsstand Wuppertal<br />

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© Elisabeth Heinemann<br />

Magdeburg<br />

Wege der Weltweisheit 2009<br />

Fotografi e (Ausschnitt)<br />

Gastbeiträge durch Autoren spiegeln nicht immer die Meinung des<br />

Verlages und der Herausgeber wider. Für den Inhalt dieser Beiträge<br />

zeichnen die jeweiligen Autoren verantwortlich.<br />

Kürzungen bzw Textänderungen, sofern nicht sinnentstellend, liegen<br />

im Ermessen der Redaktion. Für unverlangt eingesandte Beiträge kann<br />

keine Gewähr übernommen werden.<br />

Nachdruck - auch auszugsweise - von Beiträgen innerhalb der gesetzlichen<br />

Schutzfrist nur mit der ausdrücklichen Genehmigung des Verlages.<br />

Trotz journalistischer Sorgfalt wird für Verzögerung, Irrtümer oder<br />

Unterlassungen keine Haftung übernommen.


Editorial<br />

Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />

Dass Wuppertal Musik- und Kunststadt ist, weiß man hier im Tal. <strong>Die</strong><br />

Wuppertaler zieht es in die Oper, aber genauso auch in den Skulpturenpark<br />

Tony Craggs. Wegen der Bildenden Kunst, aber auch wegen der Konzerte,<br />

die dort gegeben werden. <strong>Die</strong> Bergische Metropole war und ist es eines der<br />

Zentren der freien und improvisierten Musik. Weltweit wird Wuppertal mit<br />

dem Tanztheater Pina Bausch in Verbindung gebracht.<br />

Nun hat die erste Literatur Biennale vom 6. bis 16. Juni gezeigt, dass<br />

Wuppertal auch Literaturstadt werden kann. Anknüpfungspunkte in<br />

der Historie gibt es genügend: <strong>Die</strong> große Lyrikerin Else Lasker-Schüler,<br />

der mutige Freiheitskämpfer und Schriftsteller Armin T. Wegner und der<br />

Sozialphilosoph und Koautor des Kommunistischen Manifests Friedrich<br />

Engels stammen aus dem Wuppertal. Und Wuppertal verfügt über eine sehr<br />

aktive und vielfältige Literaturszene. Dazu gehören der Peter Hammer<br />

Verlag, der Nordpark Verlag ebenso wie die Literaturgesellschaften. Und<br />

natürlich die Autoren. Drei seien hier stellvertretend genannt: Karl Otto<br />

Mühl, Herrmann Schulz und Michael Zeller. Doch die junge Generation<br />

drängt nach. So war es die Idee Monika Heigermosers, Leiterin des<br />

Kulturbüros, diese Potenziale in einem auch überregional ausstrahlenden<br />

Literaturfest zusammenzuführen. Von Anfang an war klar, dass man<br />

dazu über den Tellerrand des Bergischen Landes schauen musste. <strong>Die</strong><br />

gemeinsame Klammer ergab sich aus dem Blick auf die Vergangenheit und<br />

die Gegenwart. Else Lasker-Schüler, Armin T. Wegner und Friedrich Engels:<br />

So unterschiedlich ihr Leben und Werk waren, so stehen sie doch gemeinsam<br />

für die Idee der Freiheit. Daher und im Hinblick auf die revolutionären<br />

Bewegungen in der arabischen Welt einigte sich der Künstlerische Beirat<br />

nach einigen Diskussionen auf die Freiheit als Rahmenthema der ersten<br />

Wuppertaler Literatur Biennale. Mit der Literatur-Nobelpreisträgerin<br />

Herta Müller, Christoph Ransmayr, Felicitas Hoppe, Margriet de Moor und<br />

John van Düffel wurden zudem prominente Autoren eingeladen. Mehr als<br />

3.000 Menschen besuchten die insgesamt 24 Veranstaltungen der Literatur<br />

Biennale. Ein großartiger Erfolg. Mehr über die (Hinter-) Gründe erfahren<br />

Sie in dieser Ausgabe der <strong>Beste</strong>n <strong>Zeit</strong>.<br />

Auch die <strong>Beste</strong> <strong>Zeit</strong> folgt dem Prinzip einer Mischung aus lokaler und<br />

überregionaler Orientierung.<br />

So blicken wir sowohl auf die Italiensehnsucht der Deutschen im Spiegel<br />

früher Photographien und Gemälde im heimischen von der Heydt-Museum<br />

als auch auf zwei großartige Ausstellungen in den Rheinmetropolen Köln<br />

und Bonn: Im Museum Ludwig ist dem Pop Art Künstler Claes Oldenburg<br />

unter dem Titel „The Sixties“ eine großartige Retrospektive gewidmet; in<br />

der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik (Bonn) werden Werke<br />

Anselm Kiefers präsentiert.<br />

Viel Vergnügen beim Lesen wünscht<br />

Heiner Bontrup<br />

3


4<br />

Keine Angst vor Berührung<br />

Barbara Neusel-Munkenbeck und die Urne “moi“<br />

seit 1813<br />

Alles hat seine <strong>Zeit</strong>.<br />

Berliner Straße 49 + 52-54 · 42275 Wuppertal · www.neusel-bestattungen.de Tag und Nacht 66 36 74


Inhalt<br />

Ausgabe 16, 4. Jahrgang, August/September 2012<br />

Von der Heydt-Museum<br />

Sehnsucht nach Italien<br />

Bella Italia<br />

von Ulrich Pohlmann Seite 6<br />

Von der Heydt-Kunsthalle<br />

Ausstellung Christian Hellmich<br />

von Beate Eickhoff Seite 9<br />

Kuss der Freiheit<br />

Wuppertaler Literatur Biennale<br />

Rückblicke von Heiner Bontrup Seite 11<br />

Nachwirkung einer Lesung<br />

von Luisa Altergott Seite 16<br />

Orte der Ruhe<br />

Der Mühlenhof in Breckerfeld<br />

von Matthias Dohmen Seite 19<br />

Anselm Kiefer - Am Anfang<br />

Aus der Sammlung Hans Grothe<br />

Bundeskunsthalle Bonn Seite 21<br />

<strong>Die</strong>go<br />

Kurzgeschichte von<br />

Dorothea Müller<br />

Öffentliches Grün<br />

Seite 29<br />

Wuppertals grüne Anlagen<br />

von Antonia Dinnebier Seite 33<br />

German Song<br />

Teo Otto Theater, Remscheid<br />

von Anne-Kathrin Reif Seite 36<br />

The Sixties<br />

Ausstellung Claes Oldenburg<br />

Museum Ludwig, Köln Seite 38<br />

Auf die Lady<br />

Portrait Mechthild Großmann<br />

von Klaus Göntzsche Seite 43<br />

Später Besuch<br />

von Elisabeth Heinemann Seite 46<br />

Arbeitsscheuer Präsident<br />

Kurzgeschichte von<br />

Karl Otto Mühl Seite 47<br />

Annäherung an ein Porträt<br />

von Heiko Meins<br />

von Mattias Dohmen Seite 49<br />

Neue Kunstbücher<br />

Nichts als die Wahrheit<br />

Vorgestellt von Thomas Hirsch Seite 51<br />

Geschichtsbücher, Buchgeschichten<br />

vorgestellt von Mattias Dohmen Seite 53<br />

Angenagte Herzen<br />

E-Mail-Dialog im TiC-Theater Wuppertal<br />

von Frank Becker<br />

Kulturnotizen<br />

Seite 54<br />

Kulturveranstaltungen aus der Region Seite 56<br />

5


6<br />

Bella Italia –<br />

Fotografi en und Gemälde<br />

1815 – 1900<br />

aus den Sammlungen Siegert,<br />

Münchner Stadtmuseum und<br />

Von der Heydt-Museum<br />

10. Juli – 9. September 2012<br />

Giorgio Sommer<br />

Makkaronifabrik, Neapel, um 1875<br />

Albuminpapier, 20,5 x 25,4 cm<br />

Sammlung <strong>Die</strong>tmar Siegert<br />

Sehnsucht nach Italien<br />

In den vergangenen Jahren fanden in<br />

europäischen Museen immer wieder<br />

Ausstellungen statt, die der Grand Tour<br />

und der Künstlerreise nach Italien im<br />

18. und 19. Jahrhundert gewidmet<br />

waren. <strong>Die</strong> Konzeption der aktuellen<br />

Ausstellung und Publikation ist von<br />

mehreren Ideen und Fragestellungen<br />

angeregt worden. Zum einen beschäftigt<br />

sich Bella Italia mit dem wechselvollen<br />

Verhältnis von Fotografi e und<br />

Malerei im 19. Jahrhundert. Insbesondere<br />

die Fotografen aus der Pionierzeit<br />

waren in der Wahl ihrer Motive und<br />

deren pittoreske Wiedergabe nachhaltig<br />

von der zeitgenössischen Malerei<br />

und der Druckgrafi k des frühen 19.<br />

Jahrhunderts beeinfl usst. Umgekehrt<br />

veränderte sich mit der allgegenwärtigen<br />

Präsenz und Verbreitung der Fotografi<br />

e auch das Erscheinungsbild vieler<br />

Gemälde. <strong>Die</strong> Künstler reagierten auf<br />

den Detailreichtum und die Präzision<br />

der Fotografi e, aber vor allem auf deren<br />

Wirklichkeitstreue.<br />

Ein weiterer Fokus dieser Ausstellung<br />

liegt auf dem Italienbild der Deutschen<br />

im 19. Jahrhundert, wie es in zahllosen<br />

Reiseberichten überliefert worden ist.<br />

Der Fotografi e kam in diesem Zusammenhang<br />

eine besondere Aufgabe zu.<br />

Viele Reisende haben vor Ort Fotografi<br />

en von Landschaft, Bau- und Kunstwerken<br />

als Souvenir erworben und<br />

später in Erinnerungsalben zusammengestellt,<br />

wo diese Memorabilien einer<br />

Bildungs- oder Vergnügungsreise für<br />

die Nachwelt überdauerten. Auf diese<br />

Weise konnte man nicht nur den<br />

Daheimgebliebenen von den Abenteuern<br />

und Anstrengungen anschaulich<br />

berichten, sondern sich das vergangene<br />

Geschehen auch selbst ins Gedächtnis


ufen. Reisefotografi en repräsentierten im<br />

19. Jahrhundert ein wichtiges Schaufenster<br />

zur Welt, das die Wahrnehmung der<br />

Fremde ähnlich präkonditionierte wie die<br />

literarischen Reiseberichte und Guiden,<br />

die dem Touristen den Ablauf der Reise<br />

vorstrukturierten.<br />

Unter dem Eindruck des südlichen Klimas<br />

und Lichtes verwandelte sich das Reiseerlebnis<br />

oft zu einem sinnlichen Prozess<br />

der Selbstfi ndung, wie Friedrich Theodor<br />

Fischer anlässlich eines Aufenthaltes in<br />

Rom im Jahre 1839 feststellte: »Als ich<br />

[nach Italien] kam, war mein Auge noch<br />

ein ungeschliffenes Glas; jetzt fange ich<br />

an zu sehen.« Der Deutsch-Römer Hans<br />

von Marées fasste 1872 in einem Brief<br />

an Adolf von Hildebrand die Sehnsucht<br />

nach persönlicher Reifung in die Worte<br />

»Italien ist sozusagen in uns selbst.«<br />

Bei der Lektüre der Reiseberichte stößt<br />

man zwangsläufi g auf Stereotypen und<br />

Klischees, die in Bezug auf die italienische<br />

Halbinsel und ihre Bewohner existierten.<br />

Fotografi en spielten bei der Konstruktion<br />

dessen, was man nördlich der Alpen als<br />

typisch italienische Lebenskultur ansah,<br />

ebenfalls eine wichtige Rolle.<br />

Wenn man die Fotografi en und Reiseliteratur<br />

miteinander vergleicht, dann stehen<br />

diese beiden Darstellungen häufi g in<br />

einem Spannungsverhältnis, gelegentlich<br />

auch im Widerspruch zueinander. Wenn<br />

man beispielsweise dem Reisejournal<br />

von Adolf Stahr Glauben schenken darf,<br />

dann waren romantische Schwärmereien<br />

für die Antike in Rom um 1860 unberechtigt,<br />

da die Neubauten vielerorten<br />

Oswald Achenbach, Blick auf Capri, 1884, Öl auf Leinwand, Von der Heydt-Museum Wuppertal<br />

das Erscheinungsbild der Stadt bestimmten<br />

und die Trümmer des antiken bzw.<br />

mittelalterlichen Roms dem Reisenden<br />

wie ein versprengtes Skelett erschienen.<br />

<strong>Die</strong> Fotografen blendeten das moderne<br />

Leben weitgehend aus, um stattdessen<br />

ein harmonisches Gesamtbild der Stadt<br />

zu repräsentieren, ohne die täglichen Eindrücke<br />

von Lärm, Schmutz und Chaos.<br />

Neben den Besichtigungstouren zu den<br />

klassischen Sehenswürdigkeiten hielten<br />

sich die Fremden vorzugsweise dort<br />

auf, wo man anderen gleichgesinnten<br />

Reisenden begegnete. Man traf sich in<br />

den gepfl egten Touristenhotels und -restaurants.<br />

Oder im Caffè Greco in Rom<br />

und der Bierkneipe Zum Kater Hiddigeigei<br />

auf Capri, die ihren Namen dem<br />

Versepos »Der Trompeter von Säckingen«<br />

7


8<br />

von Josef Viktor von Scheffel verdankte.<br />

<strong>Die</strong>se Lokalitäten waren in Deutschland<br />

hinlänglich bekannte Zufl uchtstätten, in<br />

denen sich die leutselige Gemütlichkeit<br />

des Nordens mit italienischer Lebenskultur<br />

zu vereinen schien.<br />

Vielfach bewegten sich die Touristen auf<br />

ihren Besichtigungsreisen wie Fremdkörper<br />

durch die Städte, ohne dabei zu merken,<br />

dass sie selber bereits Gegenstand<br />

intensiver Betrachtung durch die Italiener<br />

wurden. Sie repräsentierten mit ihren<br />

exzentrisch anmutenden Verhaltensformen<br />

den »komischen« Fremden, der im<br />

populären Pfennig-Magazin im Jahre<br />

1851 in sechs verschiedene Kategorien<br />

unterteilt wurde, die zwischen dem Plattfußtouristen<br />

und »undurchdringlichen«<br />

Reisenden variierten. <strong>Die</strong> Ausstellung<br />

Bella Italia folgt der klassischen Reiseroute<br />

von Nord- nach Süditalien. Traditionelle<br />

Schwerpunkte der Italienreise<br />

setzen Venedig, Rom und die Umgebung<br />

Neapels mit ihren Sehenswürdigkeiten,<br />

die zahllose prominente und weniger<br />

bekannte Reisende in ihren Bann zogen.<br />

<strong>Die</strong> Ausstellung präsentiert 210 Originalfotografi<br />

en und Gemälde aus dem <strong>Zeit</strong>raum<br />

von 1815 bis 1900. <strong>Die</strong> Gemälde<br />

aus der Sammlung des Von der Heydt-<br />

Museums sind fast ausnahmslos in der<br />

Spätromantik, also der präfotografi schen<br />

Epoche entstanden. <strong>Die</strong> Fotografi en, von<br />

mehr als 50 der bedeutendsten in- und<br />

ausländischen Fotografen aufgenommen,<br />

stammen aus der Sammlung <strong>Die</strong>tmar<br />

Siegert und aus der Sammlung Fotografi e<br />

des Münchner Stadtmuseums.<br />

Ulrich Pohlmann<br />

Zur Ausstellung ist ein reich bebilderter<br />

Katalog (240 Seiten) im Kehrer Verlag,<br />

Heidelberg, erschienen.<br />

Buchhandelsausgabe 35 Euro,<br />

Museumsausgabe 25 Euro<br />

Öffnungszeiten:<br />

Di – So 11 – 18 Uhr, Do 11 – 20 Uhr<br />

Mo geschlossen<br />

www.von-der-heydt-museum.de<br />

Truogoli di Santa Brigida, Genua<br />

Francesco Ciappei, 1880<br />

Albuminpapier, 26,1 x 21,3 cm<br />

Münchner Stadtmuseum, Sammlung<br />

Fotografi e


Von der Heydt-Kunsthalle, Barmen<br />

bis 7. Oktober 2012<br />

The World is mine<br />

2011, Öl auf Leinwand 64 x 50 cm<br />

Courtesy Tanja Pol Galerie, München<br />

© VG Bild-Kunst, Bonn 2012<br />

Christian Hellmich<br />

Christian Hellmichs (*1977) Malerei<br />

ist präzise und salopp zugleich. <strong>Die</strong><br />

aktuelle Ausstellung in der Von der<br />

Heydt-Kunsthalle zeigt mehr als 30<br />

Arbeiten von 2006 bis zu den jüngsten,<br />

im April 2012 entstandenen Bildern.<br />

Stand zunächst die gegenständlich<br />

anmutende Darstellung von Architekturen<br />

im Zentrum seines Schaffens, so<br />

treten in neueren Bildern Figuren und<br />

Formen hinzu. Mit Hilfe imaginärer<br />

Bauzäune, Pavillons, Stationen erkunden<br />

die Bilder die Grenze zwischen dem<br />

Konkreten und dem Abstrakten, dem<br />

Wie und dem Was der Malerei. Mit<br />

einem bewusst modulhaften Zusammensetzen<br />

der Bilder verweist er auf die<br />

Konstruiertheit der Wahrnehmung und<br />

die Möglichkeiten der Malerei. Seine<br />

Arbeiten sind, wie Hellmich es beschreibt,<br />

„ein Schnitt durch das visuelle<br />

Rauschen unserer <strong>Zeit</strong>“.<br />

Der Produktionsprozess bleibt sichtbar<br />

und erzeugt Bilder, die zwischen<br />

Offenheit und Geschlossenheit vermitteln.<br />

Man fühlt sich an Versatzstücke<br />

der Realität erinnert, ohne diese konkret<br />

benennen zu können. Genau diese<br />

irritierende Präzision in der Bestimmung<br />

des Vagen zieht sich durch das gesamte<br />

bisherige Werk des Künstlers.<br />

Hellmich lotet aus, wie weit er dieses<br />

Konzept in Richtung Abstraktion treiben<br />

und trotzdem eine Art Gegenständlichkeit<br />

aufrechterhalten kann. Er schöpft<br />

dabei aus den unterschiedlichsten<br />

9


10<br />

Lift, 2011<br />

Öl auf Leinwand 40 x 30 cm<br />

Courtesy Tanja Pol Galerie, München<br />

© VG Bild-Kunst, Bonn 2012<br />

Magazin und Kulisse, 2009<br />

Öl auf Leinwand 64 x 50 cm<br />

Courtesy Tanja Pol Galerie, München<br />

© VG Bild-Kunst, Bonn 2012<br />

Still, 2011<br />

Öl auf Leinwand 150 x 95 cm<br />

Courtesy Tanja Pol Galerie, München<br />

© VG Bild-Kunst, Bonn 2012<br />

Quellen – dem eigenen Fotoarchiv über<br />

den Bildervorrat der Kunstgeschichte bis<br />

hin zu ganz profanen Discounter-Prospekten.<br />

Ziel ist eine wertfreie Nebeneinanderstellung,<br />

schließlich auch eine<br />

Neukontextualisierung verschiedener<br />

Bildwelten und -realitäten.<br />

Als Maler fordert Hellmich ein „Erkennen<br />

ohne Wiedererkennen“ heraus und<br />

spielt gekonnt mit dem Kontrast präziser<br />

Linien und abstrahierender Motivdarstellungen,<br />

mit klarer Kontur und leuchtenden<br />

Farbfl ächen, mit räumlicher Tiefe<br />

und Flachheit. Verwaiste, halbbekannte<br />

Bildräume lassen den Betrachter vor dem<br />

Bild zur Hauptfi gur werden, lassen ihn<br />

förmlich in die Szenerie hineintreten.<br />

Beate Eickhoff<br />

Katalog mit Texten von Ludwig Seyfarth<br />

und Markus Heidingsfelder, 15 Euro<br />

Öffnungszeiten:<br />

Di – So 11-18 Uhr, Mo geschlossen


Rückblicke auf die erste<br />

Wuppertaler Literatur Biennale<br />

Dicht drängen sich die Menschen in<br />

dem hinteren dunklen, weil fensterlosen<br />

Raum der „Viertelbar“, die so heißt, weil<br />

sie so klein ist und in einem Szeneviertel<br />

Wuppertals liegt. Üblicherweise verkehrt<br />

hier ein jüngeres Publikum. Aber heute ist-<br />

Literatur Biennale und da ist alles anders.<br />

Längst ist der Raum prall gefüllt und noch<br />

immer drängen Menschen – die meisten<br />

von ihnen über 50 – nach.<br />

Es ist Donnerstag, die Fußball-EM läuft<br />

und doch ist diese Veranstaltung schon<br />

lange ausgebucht.<br />

Lesebühne: Szene aus<br />

Miranda Hubers Schauspiel „Gelandet“<br />

Kuss der Freiheit<br />

Abbas Khider hatte Mut bewiesen.<br />

Bereits als 19-jähriger hat er sich für<br />

die Freiheit in seinem Heimatland Irak<br />

eingesetzt. Doch das Regime unter<br />

Saddam Hussein schlug zurück. Abbas<br />

Khider musste ins Gefängnis und wurde<br />

gefoltert. Seine Lebenserfahrungen und<br />

das alltägliche Leben von Menschen<br />

in den <strong>Zeit</strong>en der Diktatur hat er in<br />

zwei Romanen verarbeitet. Jetzt sitzt<br />

er in der Viertelbar, erzählt aus seinem<br />

Leben und liest aus seinen Werken „Der<br />

falsche Inder“ und „<strong>Die</strong> Orangen des<br />

Präsidenten“.<br />

Vampire<br />

Abbas Khider, der von weitem und<br />

bei oberfl ächlicher Betrachtung dem<br />

Fußballer Sami Khedira ähnelt, hat das<br />

Publikum mit seinem virilen Charme<br />

schnell um den Finger gewickelt. Er<br />

erzählt, wie er als Pennäler Graffi tis mit<br />

versautem Inhalt an die Schulwände<br />

schmierte und lange <strong>Zeit</strong> nicht erwischt<br />

wurde. Bis ihn jemand verriet. <strong>Die</strong> Strafe,<br />

die er dafür erhielt, sollte ein bitterer<br />

Vorgeschmack sein für das, was er dann<br />

durch die Folterknechte Saddam Husseins<br />

im Gefängnis erleiden musste. Das<br />

Publikum hängt an den Lippen des gebürtigen<br />

Irakers, genießt vielleicht auch<br />

den Ausfl ug ins Reich der Schrecken –<br />

im Bewusstsein der eigenen Sicherheit:<br />

hier in Deutschland, hier in einem Land<br />

mit freiheitlich-demokratischer Grundordnung,<br />

hier im Dunkel der Viertelbar.<br />

Khider erzählt, wie er mit Fördermitteln<br />

der Bundesrepublik nach Ägypten reisen<br />

konnte, um dort die Revolution zu unterstützen.<br />

In dem sicheren Bewusstsein,<br />

dass er, sollte es dort gefährlich werden,<br />

Schutz bei der deutschen Botschaft<br />

fi nden würde.<br />

Das sind Augenblicke, in denen sich<br />

die Schatten der Vergangenheit des<br />

eigenen Lebens und der verzweifelte<br />

Kampf der Menschen in Ägypten und<br />

Syrien um Freiheit und Würde ins Anekdotenhafte<br />

aufzulösen drohen. Und<br />

es ist der Moment, in der eine Dame<br />

– sie mag so um die 60 sein – es nicht<br />

11


12<br />

mehr aushält. Sie bittet um das Wort<br />

und erzählt mit nur mühsam kontrollierter<br />

Wut in der Stimme, dass sie<br />

erlebt habe, dass die deutsche Botschaft<br />

sich eben nicht um Angehörige ihres<br />

Staates gekümmert habe, insbesondere<br />

wenn diese politisch missliebig seien.<br />

Und sie erinnert an die unerträglichen<br />

Zustände in deutschen Asylbewerberheimen.<br />

Und an subtile Formen<br />

der Zensur im eigenen Land. Es ist<br />

ein Moment, in dem der arabische<br />

Frühling mitten in Wuppertal, in dieser<br />

Literatur Biennale, angekommen ist.<br />

Denn Freiheit, radikal, also von der<br />

Wurzel her betrachtet, ist unteilbar.<br />

Das Publikum hält den Atem an, die<br />

Moderatorin holt Luft, wohl um der<br />

Dame das Wort zu verbieten. Im Namen<br />

der Freiheit? Aber es ist auch und<br />

vor allem ein Moment der Wahrheit<br />

über Abbas Khider. Er kommt der Moderatorin<br />

zuvor, gibt der Dame Recht<br />

und berichtet von den deprimierenden<br />

Erfahrungen in den deutschen Heimen.<br />

Abbas Khider gewinnt in diesem Augenblick<br />

an Glaubwürdigkeit. <strong>Die</strong> Gefahr<br />

jener falschen deutschen Gemütlichkeit,<br />

die schon Goethe im „Faust“ karikiert<br />

hatte, ist gebannt:<br />

Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und<br />

Feiertagen, // Als ein Gespräch von Krieg<br />

und Kriegsgeschrei, // Wenn hinten, weit,<br />

in der Türkei, die Völker aufeinander<br />

schlagen. // Man steht am Fenster, trinkt ein<br />

Gläschen aus // Und sieht am Fluss hinab<br />

die bunten Schiffe gleiten; // Dann kehrt<br />

man abends froh nach Haus und segnet<br />

Fried’ und Friedenszeiten.<br />

Das ging schon zu Goethes <strong>Zeit</strong>en nicht<br />

und geht heute in einer globalisierten<br />

Welt noch weniger. Es ist Abbas Khider,<br />

der diesen Weltzusammenhang am Ende<br />

in einem schönen Bild zusammenfasst:<br />

„Wir Menschen in der arabischsprachigen<br />

Welt waren lange <strong>Zeit</strong> Vampire.<br />

Wir wagten uns nur nachts und wenn<br />

niemand von den Spitzeldiensten uns<br />

zuhören konnte, das Blut der Wahrheit<br />

zu saugen. Dann trauten sich die ersten<br />

und sagten die Wahrheit auch am hellen<br />

Tag. Und je mehr Menschen mutig<br />

wurden, umso mehr verbreitete sich der<br />

Geruch der Freiheit. Vielleicht ist der<br />

arabische Biss in die Kehle der Wahrheit<br />

ein Kuss der Freiheit für die ganze<br />

Welt.“<br />

Dauerlächeln<br />

In Lesungen wie dieser ging das Konzept<br />

der ersten Literatur Biennale auf:<br />

durch die Begegnungen mit den literarischen<br />

Protagonisten des Arabischen<br />

Frühlings Verständnis und Empathie für<br />

die Menschen in der arabischsprachigen<br />

Welt herzustellen, einer Welt, der wir<br />

oft mit Vorurteilen begegnen - insbesondere<br />

wenn es um den Islam geht. Für<br />

eine nüchterne, differenzierte und pragmatische<br />

Betrachtung der aktuellen Vorgänge<br />

in der arabischen Welt warb der<br />

Politikwissenschaftler Dr. Jochen Hippler<br />

in seinem Vortrag bei der inhaltlich<br />

überfrachteten Auftaktveranstaltung<br />

im feierlichen Mendelssohn-Saal der<br />

Stadthalle. Man solle genau hinschauen,<br />

das Bild der arabischen Welt lasse<br />

sich nicht schwarz-weiß malen: hier<br />

die guten demokratischen und weltoffenen<br />

Kräfte, dort die dumpfen, noch<br />

Herta Müller Samar Yazbek Margriet de Moor<br />

im Mittelalter lebenden reaktionären<br />

Kräfte der Muslimbrüderschaften oder<br />

eines feindseligen Islamismus. Ein Bild<br />

in vielen Grautönen käme der Wahrheit<br />

näher, so Hippler, denn demokratische<br />

Kräfte gebe es bei den religiös Überzeugten<br />

ebenso wie Partikularinteressen<br />

bei den religionsfernen und demokratiefeindlichen<br />

Kräften. Und er zeichnete<br />

ein realistisches Zukunftsszenario: Es<br />

werde noch lange dauern, bis die Länder,<br />

die sich im sogenannten Arabischen<br />

Frühling auf den Weg zu einem Mehr<br />

an Freiheit aufgemacht haben, die<br />

demokratischen und rechtsstaatlichen<br />

Standards der Westlichen Welt erreichten.<br />

Aber ein einfaches Zurück in den<br />

ehemals von westlichen Staaten tolerierten<br />

und sogar aus geostrategischen<br />

Gründen unterstützten Despoten wäre<br />

ebenso unmöglich.<br />

Dass die zur Eröffnung eingeladenen<br />

Autorin Samar Yazbek (Syrien) und der<br />

Schriftsteller Chalid Al Chamissi (Ägypten)<br />

eine andere Sicht der Dinge haben,<br />

ist naheliegend. Ihre Erfahrungen,<br />

Erlebnisse und Einschätzungen der Revolutionen<br />

vermittelten sie am Tag nach<br />

der Eröffnungsveranstaltung im intimeren<br />

Rahmen der türkischen Kultur-<br />

Kneipe ADA. <strong>Die</strong> Lesung aus Chalid al<br />

Chamissis Buch „Taxi in Kairo“ zauberte<br />

ein Dauerlächeln in das Gesicht der<br />

Zuhörer, weil es mit viel Ironie und Humor<br />

das Alltagsleben im vorrevolutionären<br />

Ägypten schildert. „Wer wissen will,<br />

unter welchen Bedingungen die Ägypter<br />

bisher zu leben hatten und warum sie<br />

die Revolution wollten, der lese dieses<br />

Buch“, schreibt Kersten Knipp in der


Frankfurter Rundschau. Der Zuhörer im<br />

ADA erfährt noch mehr: wie Literatur,<br />

Humor und Ironie zu Überlebensmitteln<br />

in schwer erträglichen <strong>Zeit</strong>en werden<br />

können. Samar Yazbek, die in ihrer<br />

Heimat Syrien Romane schrieb und als<br />

Journalistin arbeitete, dokumentierte die<br />

Protestbewegungen in ihrer Heimat. Als<br />

ihr Name auf der Todesliste der Geheimdienste<br />

auftauchte, tauchte sie ab und<br />

fl oh mit ihrer Tochter ins Ausland. Ihr<br />

Buch über ihre Erfahrungen im Gefängnis<br />

ist – wie der Titel – „ein Schrei nach<br />

Freiheit“, der bei den Zuhörern im ADA<br />

dort ankam, wo er hingehört: mitten ins<br />

Herz.<br />

Woher noch Stühle nehmen?<br />

Als der Künstlerische Beirat dieser ersten<br />

Wuppertaler Literatur Biennale zusammentraf,<br />

gab es sehr ernste und kritische<br />

Diskussionen zum Rahmenthema. Ob<br />

wohl ein solch dezidiert politisches Thema<br />

im Rahmen eines Literaturfestivals<br />

richtig verortet sei? Ob die Wuppertaler<br />

sich durch ein solches Thema – wenn<br />

hinten weit im Morgenland – bewegen<br />

lassen würden? <strong>Die</strong> Biennale hat gezeigt,<br />

dass sich die inneren und äußeren Wirklichkeiten<br />

durch nichts besser transportieren<br />

lassen als durch Literatur. <strong>Die</strong><br />

Wuppertaler haben sich bewegen lassen:<br />

Weit mehr als 3.000 Menschen kamen<br />

zu den 24 Veranstaltungen der Biennale.<br />

„Oft hatten wir das Problem, woher wir<br />

noch Stühle bekommen“, sagte Monika<br />

Heigermoser, Leiterin des Kulturbüros<br />

und Initiatorin der Literatur Biennale.<br />

Hinzu kamen 50 Schullesungen des VS,<br />

die in die Literatur Biennale eingebunden<br />

waren.<br />

Der Erfolg beruht wohl auch auf dem<br />

vom Beirat entwickelten Konzept, das<br />

Thema „Freiheit“ multiperspektivisch<br />

abzubilden. So las John van Düffel in<br />

der prall gefüllten Universitätsbibliothek<br />

aus seinem Roman „Houwelandt“, in<br />

dem es um das Ausbrechen aus verkrusteten<br />

Familienstrukturen geht. In<br />

der von der Wuppertaler Kulturjournalistin<br />

Anne Linsel sensibel moderierten<br />

Lesung mit der niederländischen<br />

Autorin Margriet de Moor portraitiert<br />

die Autorin eine junge Frau, die aus<br />

ihrer Heimat Dänemark in das Amsterdam<br />

Rembrandts reist. Ein Schrei<br />

nach Freiheit ist der Mord an ihrer<br />

Zimmerwirtin, den sie nicht bereuen<br />

kann und will. Sie wird zum Tode<br />

verurteilt. Wenige Stunden nach ihrer<br />

Hinrichtung zeichnet sie ein Rembrandt<br />

nachempfundener Maler; er will diesen<br />

Augen-Blick festhalten, den Verfall aufhalten,<br />

dem gewesenen Leben Ewigkeit,<br />

dem Tode Schönheit abtrotzen. Der<br />

Roman ist ein großartiges artistisches<br />

Spiel und zugleich ein Ringen um den<br />

Zusammenhang von Kunst und Leben.<br />

Gelungen war das Zusammenspiel von<br />

Musik und Lesung. Ein Trio für Alte<br />

Musik (Viola da Gamba, Gitarre und<br />

Cembola) entführte die Zuhörer auch<br />

atmosphärisch in die <strong>Zeit</strong> des 17. Jahrhunderts.<br />

Musik und Wort<br />

Überhaupt erwies sich die musikalische<br />

Kontextualisierung der Literatur<br />

als ein gelungener Baustein dieser<br />

ersten Wuppertaler Literatur Biennale.<br />

Besonders beeindruckend war<br />

das „Zusammenspiel“ zwischen dem<br />

Jörg Degenkolb-Deg˘erli Karl Otto Mühl Michael Zeller<br />

Bassisten und Improvisationsmusiker<br />

Harald Eller und Christoph Ramsmayr,<br />

der im Barmer Bahnhof aus seinem<br />

Roman „Morbus Kitahara“ las und die<br />

Zuschauer in eine apokalyptische Welt<br />

nach einem fiktiven Krieg entführte,<br />

in der sich die Sieger an den früheren<br />

Peinigern rächen. <strong>Die</strong> beklemmenden<br />

Stimmungen, Bilder und Geschichten,<br />

aufgebaut aus komplexen Satzkaskaden<br />

und in einer filmisch bildhaften Sprache,<br />

spiegelte Eller in seinen Bass-Soli<br />

atmosphärisch präzise wieder.<br />

Zu dem Konzept der Biennale gehörte<br />

von Anfang an, neben Großautoren<br />

wie Christoph Ransmayr, Margriet de<br />

Moor und Literaturnobelpreisträgerin<br />

Herta Müller auch den Wuppertaler<br />

Autoren Gehör zu verleihen. Denn die<br />

Wuppertaler Literaturszene war und<br />

ist lebendig. Karl Otto Mühl, Jahrgang<br />

1923, Nestor der Wuppertaler<br />

Literaten, trat im Slam Poetry Wettbewerb<br />

gegen die Enkel-Generation<br />

Jörg Degenkolb-Degerli und Andre<br />

Wiesler an. Altersunterschied: 50<br />

Jahre. Herrmann Schulz, langjähriger<br />

Leiter des Wuppertaler Peter-Hammer-<br />

Verlages, Autor zahlreicher Romane<br />

und Jugendbücher betrat ebenfalls die<br />

„Generation-Stage“ und ließ sich auf<br />

die Kunst des schnell wirksamen Wortes<br />

ein. Der Wuppertaler Schriftsteller<br />

Michael Zeller, von der Heydt- und<br />

Andreas-Gryphius-Preisträger, erörterte<br />

mit seinen Kollegen Artur Becker<br />

und Dariusz Muzer – alle drei wurden<br />

in Polen geboren – die vielfältigen<br />

Formen der Zensur im Polen des real<br />

existierenden Kommunismus.<br />

13


14<br />

Schöne Ideen<br />

Mühl und Zeller waren auch mit von<br />

der Partie, als sich die Bergische <strong>Zeit</strong>schrift<br />

für Literatur „Karussell“ in der<br />

überfüllten Galerie Epikur vorstellte.<br />

<strong>Die</strong> Wuppertaler Autorin Friederike<br />

Zelesko hatte, als sie von den Planungen<br />

der Biennale erfuhr, die schöne<br />

Idee, rechtzeitig zum Start des Festivals<br />

eine Literaturzeitschrift zu gründen.<br />

Mit fi nanzieller Unterstützung des<br />

Herausgebers der „<strong>Beste</strong>n <strong>Zeit</strong>“ und des<br />

früheren Betreibers der Galerie Epikur<br />

Hans-Peter <strong>Nacke</strong> konnte dieser Plan<br />

verwirklicht werden. <strong>Die</strong> <strong>Zeit</strong>schrift,<br />

die mit mehr als 100 Seiten eher ein Almanach<br />

wurde, hat fast alle in Wuppertal<br />

schreibenden Autoren zwischen zwei<br />

Buchdeckeln zusammengeführt und<br />

vermittelt so einen beeindruckenden<br />

Überblick über die literarische Vielfalt<br />

im Wuppertal. Unter den zahlreichen<br />

Texten fi nden sich nicht wenige literarische<br />

Juwele.<br />

So wurde der Abend – moderiert von<br />

der Wuppertaler Autorin Christiane<br />

Gibiec – ein heiteres literarisches<br />

Potpourri. Menschen setzten sich auf<br />

den Boden, weil es keine Stühle mehr<br />

gab, standen auf der Treppe, lehnten an<br />

Wänden, um den Wuppertaler Literaten<br />

zu lauschen. <strong>Die</strong> <strong>Zeit</strong>schrift soll<br />

fortgeführt und zu einer Plattform für<br />

literarische Talente Wuppertals werden.<br />

Ebenfalls eine sehr schöne Idee war es,<br />

einen Autor aus einem Werk lesen zu<br />

lassen, das leider noch immer einen<br />

Verleger sucht. Für viele war es einer der<br />

berührendsten Veranstaltungen der Bi-<br />

ennale: Thomas Hoever las aus seinem<br />

Roman “Lilli“, in dem er die Entwicklung<br />

eines Mädchens mit Down-Syndrom<br />

vom ungeliebten, vernachlässigten<br />

Kind hin zu einer selbstbestimmten und<br />

freien Persönlichkeit beschreibt. Freiheit<br />

hat eben viele Facetten. Ebenso schön<br />

war auch die Idee, Felicitas Hoppe im<br />

Namen der Freiheit in einer Haftanstalt<br />

lesen zu lassen.<br />

Besinnung auf die Wurzeln<br />

Zu Gehör kamen am historischen Ort –<br />

der Concordia – auch die drei großen<br />

historischen Gestalten der Wuppertaler<br />

Literatur: Friedrich Engels, Armin<br />

T. Wegner und Else Lasker-Schüler,<br />

jeweils wunderbar vorgetragen von Rolf<br />

Becker. <strong>Die</strong> Musik – Klavierstücke von<br />

Arnold Schönberg – passten ausgezeichnet<br />

zu diesem Nachmittag, weil<br />

Schönberg in seiner neu gefundenen<br />

Musiksprache auch aus den Erstarrungen<br />

seiner bürgerlichen Herkunft und<br />

ihrer in der Musik seiner <strong>Zeit</strong> Ausdruck<br />

fi ndenden Ästhetik ausbrechen will.<br />

Auch er vollzieht wie die Literaten den<br />

Bruch mit der bürgerlichen Welt – aber<br />

auf seine ganz eigene Weise. Hervorzuheben<br />

ist die kluge und sensible<br />

Textauswahl durch Michael Okroy, der<br />

origineller- und dankenswerter Weise<br />

nicht noch einmal die in Wuppertal<br />

schon häufi g gehörte Else Lasker-<br />

Schüler zu Wort kommen lässt, sondern<br />

einen Rezensenten, der die Lesung der<br />

Lyrikerin in ihrer Heimatstadt sehr anschaulich<br />

beschreibt und dabei das für<br />

die damalige <strong>Zeit</strong> Fremde, den neuen<br />

Ton beschreibt, aber auch die verständnislosen<br />

Reaktionen einiger <strong>Zeit</strong>genos-<br />

Lopango Ya Banka (Rap) Dariusz Muszer Hermann Schulz<br />

sen gegenüber einer Schriftstellerin, der<br />

später „Hirnerweichung“ vorgeworfen<br />

werden sollte. Für die Biennale-Macher<br />

sollte die Auseinandersetzung mit diesen<br />

literarischen Wurzeln Wuppertals<br />

zu einer Konstante des Literaturfestes<br />

werden.<br />

Blick zurück und nach vorn<br />

„Wer vieles bringt, wird manchem etwas<br />

bringen“ lässt Goethe den erfolgsorientierten<br />

und geschäftstüchtigen<br />

Schauspieldirektor im „Faust“ sagen.<br />

Goethe, der das Theater in Weimar geleitet<br />

hat, wusste, wovon er spricht. Ein<br />

Erfolgsrezept, das auch in der Jetztzeit<br />

in Wuppertal aufgegangen ist. Neben<br />

der Vielfalt der Orte – Kirchen und<br />

Kneipen, Stadthalle und Botanischer<br />

Garten, Schauspielhaus und Off-Theater<br />

– war es sicherlich auch das bunte,<br />

an verschiedenen Zielgruppen orientierte<br />

Programm der Biennale, die den<br />

Start dieses Literaturfestes zu einem<br />

grandiosen Erfolg werden ließ. Dazu<br />

gehörten Veranstaltungsformate wie<br />

Slam Poetry und HipHop-Performances<br />

im Schauspielhaus ebenso wie die<br />

Lesebühne, bei der Schauspielschüler<br />

der Folkwang Universität drei Stücke<br />

junger Dramatiker in einer szenischer<br />

Lesung vorstellten. Eine hochkarätig<br />

besetzte Jury hatte diese drei Stücke<br />

ausgewählt, in deren Zentren junge<br />

Menschen stehen, die sich gegen alle<br />

Widerstände couragiert zur Wehr<br />

setzen. Ihre Schöpfer Michael Decar,<br />

Thomas Paulmann und Miranda<br />

Huber (Kanada) haben für die existentiellen<br />

Konfl ikte ihrer Protagonisten<br />

die richtige Sprache gefunden. Gerade


die von Gerold Theobalt und Jan<br />

Niklas konzipierte Lesebühne war ein<br />

ausgezeichnetes Beispiel dafür, dass ein<br />

Literaturfestival viel mehr bieten kann<br />

als die klassische Wasserglas-Lesung.<br />

Wuppertal hat gezeigt, dass Vielfalt<br />

nicht wie so häufi g in der Festivallandschaft<br />

Beliebigkeit bedeuten muss. <strong>Die</strong><br />

Orientierung an einem Rahmenthema,<br />

der Anspruch auf Qualität und Originalität<br />

waren Schlüssel zum Erfolg. Zu<br />

einem ähnlich Eindruck kommt auch<br />

die Rheinische Post: „Literatur Biennale?<br />

Ein zu pompöser Name, denkt man<br />

– aber nur bis zum ersten Blick ins<br />

Programm. 42 Seiten ist es dick und<br />

listet (…) Namen wie Herta Müller<br />

und Christoph Ransmayr, wie Felicitas<br />

Hoppe und John van Düffel, wie Margriet<br />

de Moor und Michael Kleeberg so<br />

selbstverständlich auf, als habe die Lit.<br />

Cologne neuerdings einen bergischen<br />

Ableger. <strong>Die</strong> Literatur Biennale ist aber<br />

anders als das kölsche Spektakulum:<br />

Sie ist das unglaubliche Produkt einer<br />

Zusammenarbeit von 23 Wuppertaler<br />

Kulturinstitutionen.“<br />

<strong>Die</strong> Literatur Biennale ist großartig<br />

gestartet, sie birgt das Potenzial in<br />

sich, Wuppertal auch überregional als<br />

(Literatur-)Stadt strahlen zu lassen.<br />

Neue Medienpartner müssen gefunden<br />

werden. Kontinuität ist gefordert, aber<br />

auch der Mut, weiterhin neue und<br />

überraschende Wege zu gehen.<br />

Heiner Bontrup<br />

Foto Hermann Schulz: Fritz Kohmann,<br />

Foto David Grashoff: Thomas Winkelhagen,<br />

alle anderen Fotos: Antje Zeis-Loi<br />

von links: Christoph Ransmayr, Harald Eller<br />

<strong>Die</strong> Literatur Biennale wurde von Monika Heigermoser, Leiterin des<br />

Wuppertaler Kulturbüros, initiiert.<br />

Ihre Idee war es, die Literaturvereinigungen der Stadt sowie viele weitere<br />

Institutionen wie die Universität und die Gedok zusammen zu führen.<br />

Eher ungewöhnlich, wurde auf den Einkauf eines Festivalleiters verzichtet, was<br />

nicht nur viel Geld sparte, sondern auch die Möglichkeit der Kooperation auf<br />

„Augenhöhe“ ermöglichte. Dem Künstlerischen Beirat gehören an:<br />

Monika Heigermoser, Ruth Eising (Literaturagentin), Anne Linsel (Kulturjournalistin,<br />

Dokumentarfi lmerin und Publizistin), Gerold Theobalt<br />

(Bühnenautor, freier Dramaturg, Dozent an der Folkwang Universität),<br />

Herrmann Schulz (Schriftsteller) und Heiner Bontrup (Lehrer und Autor)<br />

Thomas Hoever David Grashoff Ernest Wichner<br />

15


16<br />

Luisa Altergott wird am 20. Oktober 1991<br />

in dem kleinen russischen Dorf Karkawino<br />

geboren. Karkawino hat nur zwei Straßen<br />

und liegt im Grenzgebiet der Mongolei und<br />

Kasachstans. <strong>Die</strong> Tochter einer Russlanddeutschen<br />

geht mit nur acht Mitschülern<br />

in eine Dorfschulklasse. In der Familie wird<br />

nur russisch gesprochen. Im Oktober 2002<br />

– Luisa ist gerade 11 Jahre alt geworden –<br />

siedelt die Familie nach Deutschland um.<br />

Zunächst in ein Wohnheim in Barmen.<br />

Dort lebt die Familie – die alleinerziehende<br />

Mutter sowie die vier Schwestern – auf<br />

engstem Raum in nur e i n e m Zimmer.<br />

Mit elf Jahren (!) muss Luisa nun die 3.<br />

Grundschulklasse besuchen. Sie fi ndet<br />

einen Lehrer, der sie fördert und so lernt<br />

sie schnell Deutsch. Danach besucht sie<br />

die Gesamtschule Else Lasker-Schüler, wo<br />

sie wegen hervorragender Leistungen in<br />

allen Fächern das 7. Schuljahr überspringen<br />

kann. Dort erwirbt sie in diesem Jahr das<br />

Abitur mit einer Durchschnittsnote von<br />

1.6. Ihre Lieblingsfächer sind Deutsch und<br />

Philosophie. Hinsichtlich ihrer Studienwünsche<br />

ist sie offen für vieles. Aber eines<br />

ist klar: „Literarisches Schreiben soll eine<br />

Konstante in meinem Leben sein!“<br />

Fremde Freiheit<br />

Nachwirkung einer Lesung<br />

Am 16. Juni 2012 las Literatur-Nobelpreisträgerin Herta Müller auf Einladung der Else-<br />

Lasker-Schüler-Gesellschaft im Rahmen der ersten WuppertalerLiteratur Biennale in der<br />

bis auf den letzten Platz gefüllten Barmer Immanuelskirche aus ihren Werken. Moderiert<br />

wurde die Lesung von dem langjährigen literarischen Wegbegleiter Ernest Wichner, Leiter<br />

des Literaturhauses Berlin. Über Ernest Wichner sagt Herta Müller, „dass wohl niemand<br />

mein Werk so gut kennt wie er“. <strong>Die</strong> sehr sensibel aufeinander abgestimmten Gespräche<br />

und Lesungen enthüllten, wie Menschen in Diktaturen wie dem Ceausescu-Regime Rumäniens<br />

sich selbst entfremdet werden. Zugleich zeigte die Lesung aber auch, wie Literatur<br />

zum Überlebensmittel in <strong>Zeit</strong>en des geistigen und seelischen Terrors werden kann.<br />

Luisa Altergott, die gerade an Gesamtschule Else Lasker-Schüler ihr Abitur gemacht hat,<br />

war bei der Lesung dabei. In einem literarischen Text verarbeitet sie den eigenen rezeptionsästhetischen<br />

Prozess und kommt gerade dadurch der verstörenden und betörenden Schönheit<br />

der Erzählweise Herta Müllers auf die Spur. (Heiner Bontrup)<br />

Heute ist der 16.06.2012, ich sage es,<br />

damit ich es nicht vergesse. Heute ist<br />

Samstag, ich sitze in einer Kirche mit<br />

hohen Decken und schlichter Verzierung,<br />

aber die Schlichtheit steht dem Raum.<br />

<strong>Die</strong> meisten Plätze sind verlassen, der<br />

Raum hat sich ebenso schnell geleert, wie<br />

er sich vor knapp zwei Stunden gefüllt<br />

hatte, eine lange Schlange hat sich vorne<br />

gebildet. Ich sehe Bücher in jeden Händen<br />

und sehe wie sie unterschreibt.<br />

Herta Müller. Nobelpreisträgerin. Talent<br />

bedarf keiner Preise, aber manchmal<br />

bedarf es Preise, um Talent erkennbar zu<br />

machen.<br />

Im Geiste umfl iegen mich Gedanken,<br />

ich habe mich immer noch nicht von dem<br />

hier Gehörten gelöst, die Befangenheit will<br />

nicht von mir weichen.<br />

Fast ist mir, als schließe ich die Augen,<br />

ich schließe sie und höre etwas in mir leise<br />

fl üstern. Unzählige Szenen werden von<br />

neuem aufgegriffen aus den Romanen<br />

„Niederungen“ „Herztier“, „Atemschaukel“.<br />

Bücher, die den Zuhörer sanft in<br />

ihren Bann ziehen.<br />

Auch mich hat der Bann erfasst und lässt<br />

die Szenen des Abends vor meinen Augen<br />

zu Bildern werden, die sich zu Wellen<br />

zusammenschließen und zu Wind und<br />

Blättern und mich ins Unbekannte ziehen,<br />

wo ich nicht Ich bin, wo niemand Ich ist,<br />

wo der Leser und der Erzähler und das<br />

Erzählte zusammenfallen.<br />

So sind es nicht meine Szenen und auch<br />

nicht meine Geschichten. Es sind Figuren,<br />

Schatten erzählter Worte, aber hier und<br />

jetzt sind sie ein Teil von mir.<br />

Ich sehe die kleinen Mäuse neben dem<br />

Kissen auf dem Bett, ihre rosige Haut, die<br />

kaum gelernt hat zu atmen. Ich sehe ihn,<br />

der die Mäuse in seinem Bett entdeckt. Ihn,<br />

den Deportierten, den zu Zwangsarbeit in<br />

einem Arbeitslager in der Ukraine verurteilten.<br />

Den Verlorenen, den Vergessenen.<br />

<strong>Die</strong> Mäuse, ein Herzschlag aus Glas und<br />

Porzellan, ein Hauch von Dasein und Leben,<br />

in dieser Welt, in der das Atmen einer<br />

Strafe gleicht und Leben einem Verbrechen.<br />

Doch seine Augen leuchten, beinah<br />

so, als ob er es nicht weiß.<br />

Ich fühle, wie er sich leise freut und sich<br />

umschaut und denkt auserwählt worden<br />

zu sein. Ich fühle die Liebe dieser Figur,<br />

die ein Schatten aus einer Geschichte ist<br />

und ein Teil von mir, vor allem fühle ich<br />

aber, dass er ein junger Mann ist, der ein<br />

Kind zu sein wünscht und beinah ein<br />

Kind zu sein glaubt und dass er nun mit<br />

einem Augenblick begreift, dass diese<br />

Mäuse bald fressen müssen. Hier, auf<br />

trockenem Boden, wo nur Hunger und<br />

Verzweifl ung erwächst.<br />

Wo Menschen zum Nichts verenden,<br />

wo niemand erwünscht ist und niemand<br />

willkommen.<br />

Er weiß, dass er die Mäuse nicht behalten<br />

kann. Und es schmerzt, auch wenn es<br />

ein stiller Schmerz ist, ein vermummter.<br />

Und sogleich bin ich das Kind, das er zu<br />

sein wünscht, seine Gedanken werden<br />

zu meinen. Um ein Kind zu sein, genügt<br />

der Wunsch allein nicht mehr, die <strong>Zeit</strong><br />

nimmt keine Wünsche an. <strong>Die</strong>se Mäuse<br />

können und dürfen nicht leben. Ich fühle<br />

die Kleinen, wie ich sie trage, etwas hat<br />

mich stumm gemacht, ich trage sie und<br />

lasse los und versuche nicht daran zu denken,<br />

wohin sie fallen, und beinahe sehe ich<br />

es doch.


Ein anderes Bild, verschwommen,<br />

umschattet, ergreift sodann Besitz von<br />

mir. Ich sehe das Kätzchen, das der Gefangene,<br />

als er noch ein Kind war, in die<br />

Ecke getrieben hat und wie es nach dem<br />

Fremden faucht. Ich fühle, wie das Herz<br />

der Fremden sich für einen Augenblick<br />

zusammenzieht und ich sehe die ausgestreckte<br />

Hand und wie die Zähne des<br />

Kätzchens sich in sein Fleisch bohren und<br />

nicht loslassen. Ein leiser Stich durchfährt<br />

mich, mich, die ich zur Fremdem werde,<br />

zu Worten auf Papier. Ich bin nicht die<br />

Figur, und dennoch sind es beinah meine<br />

Finger, die sich um den kleinen Hals<br />

schließen und zudrücken. Es sind nur<br />

Augenblicke, bloß Sekunden, in denen<br />

ich nicht anders kann und mich Bitterkeit<br />

umschließt. Und dann ist es auch<br />

schon zu spät. Wenn man geben will und<br />

wird gebissen … die wahre Wunde ist<br />

dann nicht zusehen. Doch wie viel ist die<br />

Liebe wert, wenn sie den anderen nicht<br />

erreicht und kann es gar zu viel der Liebe<br />

geben? Vor allem wenn man gar nicht<br />

weiß, was Liebe ist und gar nicht weiß,<br />

was man bewirken kann …<br />

Das Bild verblasst, ein anderes drängt<br />

sich mir auf. Ich sehe, wie die alte Russin<br />

die Suppe auf den Tisch stellt und wie<br />

der Gefangene, der ich bin und doch<br />

nicht ich, die Suppe verschlingt. Ich sehe<br />

die zwei Hühner auf dem Stuhl. Ich sehe<br />

den Sohn der alten Russin, der in der<br />

Fremde ist. Ich sehe, wie der Gefangene<br />

unwohl auf dem Stuhl verharrt. Wie<br />

er die Last der Sehnsucht dieser alten<br />

Frau fühlt, die ihr Eigenkind zu sehen<br />

wünscht. In ihren Augen spiegelt sich<br />

sein Spiegelbild, er ist es nicht, nach<br />

dem das Herz ihr schreit. Ich sehe, wie<br />

er fühlt zwei Personen in einem zu sein<br />

und es ihn zerreißt, da schon er selbst<br />

zu sein zu viel ist. Ich sehe, wie die alte<br />

Russin ihm das Taschentuch reicht, das<br />

einem Schatz gleich entgegengenommen<br />

wird. Ich sehe, wie er fühlt, dass es zu<br />

viel ist. Ich sehe das Huhn, das auf dem<br />

Rückweg an ihm vorbei läuft. Ich sehe<br />

ihn, der zu einem Klumpen aus Leim<br />

zerfällt. Er, der ein Zaun ist, ein Schatten,<br />

ein Gegenstand. Formlos, unsichtbar,<br />

vergänglich, bewegungslos und<br />

stumm. Er, der verkommen ist, zu Etwas<br />

Seelenlosem Totem. <strong>Die</strong> Schönheit, die<br />

das Taschentuch birgt, schmerzt, es<br />

macht bewusst, welch Hässlichkeit einen<br />

umgibt. Doch zugleich ist es die Naht,<br />

die einen an die Hoffnung bindet.<br />

Ich habe das Bild der Großmutter vor<br />

mir, die sagt, dass man zurückkehrt,<br />

dann klammert sich die Hand erneut an<br />

das Taschentuch, sacht, weil es zu kostbar<br />

ist. Und ich fühle das leise Versprechen,<br />

dass dieses Taschentuch meine Zukunft<br />

ist und mein Schicksal.<br />

Ich sehe die Frau, die am Telefon steht<br />

und lautlos schluckt, doch laut genug,<br />

dass sie ertappt zu sein glaubt, mit einer<br />

Hand geht sie über ihren Hals und senkt<br />

für einen Augenblick den Kopf. Ihr<br />

Blick huscht zur Seite, fällt auf zerrissene<br />

Briefumschläge und neueingegangene<br />

Post. Eine Sekunde lang stockt ihr der<br />

Atem, sie braucht den Inhalt gar nicht<br />

erst zu lesen. Fast hört sie die Drohbriefe<br />

leise lachen, als hätten sie gewonnen. Am<br />

Ohr hängt immer noch der Hörer, doch<br />

sie vernimmt nichts mehr. Ihre Freundin<br />

kommt. Weshalb, warum, fragt der<br />

Verstand, und wie? Doch das Herz hat<br />

Klebeband und hört es nicht.<br />

Ich sehe, wie sie kommt und sie ihr<br />

glauben will. Auch als sie sagt, sie wurde<br />

hergeschickt und dass sie sie nicht verrät.<br />

Sie will ihr glauben und sie tut es nicht.<br />

Und weil sie es nicht tut, schließt sie<br />

die Augen. <strong>Die</strong> Hände krallen sich nach<br />

Halt, meine Hände, ihre Hände, ich<br />

bin sie und sie ist ich. Dinge, denen ich<br />

mich nicht stelle, die gibt es nicht. Also<br />

lasse ich sie alleine. Vor dem Auge ziehen<br />

sich Fäden zu einem Band zusammen,<br />

die Fäden reißen, fügen sich zusammen,<br />

greifen ineinander. Und sodann zerfl ießt<br />

das Band in Bilder aus Farben, die darauf<br />

beharren nicht nur Erinnerungen zu sein.<br />

Ich sehe den Schlüssel, mein Herz vergisst<br />

für einen Augenblick zu schlagen,<br />

meine Beine stolpern zu der Tür, der<br />

Schlüssel passt. Eine Mauer hat sich aufgebaut.<br />

Ich lasse sie den Koffer packen,<br />

wir stehen da und sehen uns nicht an. Sie<br />

will bleiben, auch ich will, dass sie bleibt<br />

und dennoch muss sie gehen. Sie weint<br />

nicht, der Kopf steht wie auf Steinen,<br />

auf den Lippen brennen Worte und sie<br />

schweigt. Auch sie versteht, dass Worte<br />

hier nichts mehr bedeuten. Sie geht, ich<br />

schicke sie zurück und schicke ein Stück<br />

von mir mit ihr und ein Stück von ihr<br />

bleibt hier zurück.<br />

Ich sehe Bilder um Bilder in mir schwören.<br />

Bilder, die ich nur sehen, doch nicht<br />

beschreiben will. Ich sehe ein Leben, das<br />

nicht meines ist und das sich meiner Vorstellung<br />

beinah ganz entzieht. Ich kenne<br />

nicht das Gefühl, in einem Dorf erdrückt<br />

zu werden. Einen Staat, der Bücher zu<br />

Feinden erklärt, einen Staat, der Andersdenkende<br />

fürchtet und entsorgt. Es lebt,<br />

atmet und wächst, ein Ungeheuer, das<br />

sich in Kleider fremder Freiheit zwängt<br />

und das Unrecht zum Gesetz sich macht.<br />

Es lebt, aber ich kenne es nicht.<br />

Es ist ein Bild, das in mir erwächst, wie<br />

die Bilder der erzählten Geschichten. Es<br />

bleibt meiner Vorstellung überlassen, was<br />

ich denke. Und Vorstellen heißt nicht<br />

Erleben, Vorstellen heißt nicht Verstehen,<br />

aber es heißt, verstehen zu wollen<br />

und nichts anderes zählt, die Alternative<br />

ist Augen schließen.<br />

Herta Müller. Lesen. Schreiben. Menschen<br />

die Wahrheit aufzuzeigen, die eigene<br />

Wahrheit, sodass sie im Geiste eines<br />

jeden zu neuer Wahrheit münden kann.<br />

<strong>Die</strong> Autogrammstunde neigt sich dem<br />

Ende, ich nenne meinen Namen und<br />

schaue zu, wie sie unterschreibt. Im<br />

Grunde ist sie für mich eine Fremde, und<br />

dennoch empfi nde ich es nicht so. Ich<br />

fühle nur die Bilder.<br />

Buchstaben erheben sich zu Wellen,<br />

Wasser, das mit sanfter Entschlossenheit<br />

auf Felsen prallt, auf Stein der Jahrhunderte<br />

und zerschellt. Giganten aus Stein<br />

ragen aus kalter Erde hervor und türmen<br />

sich zu Riesen, doch den Wellen wachsen<br />

Flügel und aus Wasser werden Diamanten.<br />

Kein Stein kann Wasser je bezwingen<br />

und niemals beugt es sich Giganten.<br />

Es sind nicht bloße Worte auf Papier.<br />

Luisa Altergott<br />

17


Mühlenhof Breckerfeld Alles original: <strong>Die</strong> Bockwindmühle, das<br />

Gerade die kleinste der neun Städte im<br />

benachbarten Ennepe-Ruhr-Kreis ist<br />

eine Reise wert. Weithin sichtbar, bildet<br />

die Bockwindmühle ein Wahrzeichen<br />

der Gemeinde, die etwas mehr als 9.000<br />

Einwohner zählt und aus dem kleineren<br />

Ortsteil Waldbauer und dem größeren<br />

Breckerfeld besteht. <strong>Die</strong> alte Hansestadt<br />

liegt an der Grenze zum Märkischen<br />

Sauerland, verfügt über einen historischen<br />

Ortskern mit Wehrmauer und hat einige<br />

besuchenswerte Kirchen. Bekannt ist weit<br />

über die Grenzen des staatlich anerkannten<br />

Erholungsortes die Glörtalsperre.<br />

Fotos: Stadt Breckerfeld, Wikipedia<br />

Orte der Ruhe<br />

Herzstück des Mühlenhofs Breckerfeld,<br />

stand ursprünglich in Beeskow bei Frankfurt<br />

an der Oder, wo sie 1846 erbaut wurde.<br />

150 Jahre später wurde sie dann ab- und<br />

dort aufgebaut, wo sie heute steht. Zur<br />

Ausstattung zählen zwei Kammräder, ein<br />

Sackaufzug und ein Steinhebekran. Zwei<br />

der vier Flügel sind mit Segeltuch bespannt,<br />

die anderen sind so genannte Jalousiefl ügel.<br />

Aus der Bauernschaft Ostönnen im<br />

Kreis Soest stammt der Backspeicher mit<br />

Backstube, Küche und „Altenteilerstuben“,<br />

in denen zu früheren <strong>Zeit</strong>en die nicht mehr<br />

aktiven Familienmitglieder einer Bauernfamilie<br />

ihre letzten Jahre verbrachten.<br />

Ebenfalls Kreis-Soester Ursprungs sind der<br />

Kornspeicher und das Bienenhaus.<br />

Eine weitere Attraktion: das Backhaus,<br />

das anno 1775 im westmünsterländischen<br />

Heiden als Dreiständerhaus erbaut wurde.<br />

Bis kurz nach dem Ersten Weltkrieg lebten<br />

hier die Bauersleute mit Gesinde und Tieren<br />

unter einem Dach. Auch das Backhaus,<br />

in dessen Erdgeschoss sich ein Krämerladen<br />

befi ndet, wurde vor nunmehr 16 Jahren<br />

ab- und in Breckerfeld wieder aufgebaut.<br />

Im Laden gibt es frisches Mühlenbrot,<br />

Vollkorn- und Müslibrot, Stuten, Schinken,<br />

Hausmacherwurst und Käse zu kaufen.<br />

Im ersten Stock befi ndet sich ein<br />

Selbstbedienungscafé mit zivilen Preisen.<br />

Im Backspeicher gleich nebenan existiert<br />

ein Restaurant, das sich auf jeden Fall zu<br />

besuchen lohnt und das dem Gast eine<br />

den beengten Verhältnissen angepasste<br />

Karte mit nahrhaften wie wohlschmeckenden<br />

Speisen präsentiert: Waffeln und<br />

Pfannkuchen, Sauerbraten und Rouladen,<br />

Wurstplatten und die klassische bergische<br />

Kaffeetafel, von der es in einem Bericht auf<br />

der Internetseite reisen.ciao.de heißt, dass<br />

man dafür „mindestens einen Tag hungern<br />

sollte“, sind zu empfehlen. Backhaus wie<br />

Backspeicher stehen voll mit alten Möbeln<br />

beziehungsweise Mobiliar aus den 1950er-<br />

Jahren.<br />

Der Mühlenhof ist mit öffentlichen<br />

Verkehrsmitteln, aber natürlich auch mit<br />

dem Auto erreichbar (kostenlose Parkplätze).<br />

<strong>Die</strong> Öffnungszeiten: Mittwoch und<br />

Donnerstag sowie am Wochenende und an<br />

19


20<br />

Ausfl ugtipp<br />

<strong>Die</strong> Fachbuchhandlung<br />

Baedecker, Friedrich-Ebert-<br />

Straße 31 (Elberfeld),<br />

www.baedecker-buecher.de,<br />

Tel. 0202/305011, empfi ehlt<br />

für Wanderungen rund um<br />

Breckerfeld den Wanderführer<br />

„20 Wanderungen im Ennepe-<br />

Ruhr-Kreis“ von Jörg Mortsiefer,<br />

erschienen im Droste<br />

Verlag. Im engeren Umkreis<br />

von Breckerfeld sind allein drei<br />

schöne Rundwanderungen<br />

beschrieben. Kartenskizzen im<br />

Buch runden die Touren ab.<br />

Das Buch kostet 9.95 Euro<br />

Feiertagen von 12 bis 20 beziehungsweise<br />

22 Uhr.<br />

Einen Besuch lohnt auch die Alte<br />

Schmiede. Fast 400 Jahre alt, diente sie bis<br />

zu ihrer Umwidmung der Herstellung von<br />

Kleineisenteilen, sprich Feuerzangen, Zirkeln<br />

oder Kohlenschaufeln. Mitte der 1960er-<br />

Jahre renoviert, profi lierten Maria und Helmut<br />

Kühne ihre Gaststätte mit Steaks aus<br />

dem Schmiedefeuer, Waffeln, Irish Coffee<br />

und fränkischem Wein. Der lukullische Ort<br />

ist dienstags bis samstags von 14 bis 18 Uhr<br />

geöffnet.<br />

Wer vor dem guten Essen oder auch<br />

danach wandern möchte, verfügt an der<br />

Schnittstelle von Ruhrgebiet, Bergischem<br />

Land und Sauerland über ein reichliches<br />

Angebot, wozu nicht zuletzt die höchste<br />

Erhebung des Ennepe-Ruhr-Kreises und des<br />

gesamten Ruhrpotts gehört, der 442 Meter<br />

hohe Wengeberg. Um die alte Hansestadt<br />

herum locken etwa 100 Kilometer Rundwanderwege<br />

mit 19 Streckenführungen. Jede<br />

Menge Infos fi nden sich auf der sehr schön<br />

gestalteten und übersichtlichen Website<br />

ennepe-ruhr-tourismus.de, auf der auch die<br />

Städte des EN-Kreises vorgestellt werden,<br />

nämlich Ennepetal,Gevelsberg, Hattingen,<br />

Herdecke, die Kreisstadt Schwelm, Sprockhövel,<br />

Wetter (Ruhr), Witten und eben<br />

Breckerfeld. Wer es ausführlich liebt, ist mit<br />

dem vom Heimatverein herausgegebenen<br />

Festbuch „Breckerfeld 600 Jahre Stadt“ gut<br />

bedient. Es ist übrigens in dem Jahr erschienen,<br />

das der Stadt den Mühlenhof bescherte.<br />

Matthias Dohmen<br />

<strong>Die</strong> topografi sche Karte Hagen /<br />

Gevelsberg, Iserlohn, Witten, Blatt 17,<br />

im Maßstab 1:25.000, ist für Touren<br />

im Gebiet empfehlenswert.<br />

<strong>Die</strong> Stadt Hagen liegt im Zentrum der<br />

Karte, Breckerfeld im unteren Drittel.<br />

Erschienen im Geo-Center Verlag mit<br />

der Kartografi e des Landesvermessungsamtes<br />

NRW.<br />

<strong>Die</strong> Karte kostet 7,95 Euro


Werke aus dem Privatbesitz<br />

Hans Grothe<br />

Noch bis 16. September 2012 in<br />

der Kunst- und Ausstellungshalle<br />

der Bundesrepublik Deutschland<br />

in Bonn<br />

Shebirat Ha Kalim<br />

1990, Blei, Glas, Kleid, Asche und<br />

Frauenhaar auf Holz, 380 x 250 x 35 cm<br />

Privatbesitz Familie Grothe<br />

© Anselm Kiefer, 2011, courtesy Stiftung<br />

für Kunst und Kultur e.V., Bonn<br />

Am Anfang – Anselm Kiefer<br />

Anselm Kiefer schuf im Laufe seiner<br />

künstlerischen Produktion seit Ende der<br />

60er Jahre systematisch seinen eigenen<br />

labyrinthischen Kosmos, was ihm bis heute<br />

erlaubt, existenziellen philosophischen<br />

Fragen nach den Mythen, der christlichen<br />

Religion, der jüdischen Mystik, der Geistesgeschichte,<br />

der Natur, der Musik und<br />

der Literatur in bildnerischen Strategien<br />

nachzugehen und sie immer wieder neu<br />

oder in anderen Zusammenhängen zu<br />

komponieren.<br />

In der Ausstellung werden 24 teilweise<br />

mehrteilige, großformatige Werke aus den<br />

Jahren 1978 bis 2012 aus dem Privatbesitz<br />

der Familie Grothe gezeigt. Weltweit<br />

einmalig ist dieses größte Werkkonvolut<br />

in einer privaten Sammlung. <strong>Die</strong> Auswahl<br />

des Sammlers belegt – auch in der<br />

Ergänzung um neu erworbene skulpturale<br />

Werke – die Einzigartigkeit von Anselm<br />

Kiefers Werk. <strong>Die</strong> ausgestellten Gemälde<br />

und Skulpturen belegen exemplarisch die<br />

umfassende Themenvielfalt bei Kiefer<br />

21


und bieten vielfältige Assoziationsmöglichkeiten: Themen,<br />

die seinen persönlichen ‚Bild-Gedächtnis-Kosmos‘ spiegeln<br />

und die er durch Erinnerungen und Spurensetzungen<br />

refl ektiert und interpretiert.<br />

Anselm Kiefers epische Werke sind durch ihre ungewöhnliche<br />

Materialwahl geprägt, die die inhaltliche Aussage<br />

unterstützt: Dick aufgetragene Farbschichten, Erde, Blei,<br />

Lack, Pfl anzen, Kleidung oder Haare sowie skulpturale<br />

Applikationen – wie Boote oder Flugzeuge – lassen die Arbeiten<br />

über den zweidimensionalen Bildraum hinausgreifen<br />

und die Grenze zwischen Bild und Skulptur erweitern.<br />

Kiefer sucht die Geschichte hinter der Geschichte: „Ich mache<br />

ein Loch und gehe hindurch.“ <strong>Die</strong>ser Ansatz beinhaltet<br />

auch das Prozesshafte von<br />

Geschichte und Gedächtnis<br />

/ Erinnerungen,<br />

gekoppelt mit der subjektiven<br />

Interpretation, dem<br />

sehr persönlichen, freien<br />

Gebrauch, der individuellen<br />

Mythologie und der<br />

eigenen künstlerischen<br />

Geste. So zeigen Werke<br />

in der vom Künstler mit<br />

inszenierten Ausstellung<br />

wie 20 Jahre Einsamkeit,<br />

1971/91, oder Volkszählung<br />

(Leviathan),<br />

1987–1989, viel von<br />

Kiefers persönlicher, innerer<br />

Haltung, während die<br />

für die Ausstellung speziell<br />

dem Raum angepasste, spiralförmige Skulptur Bavel Balal<br />

Mabul (Babel, Sprachverwirrung, Sintfl ut), 2012, mehr auf<br />

die Themenvielfalt und -vernetzung bei Kiefer verweist.<br />

Katalog zur Ausstellung<br />

Am Anfang – Anselm Kiefer.<br />

Werke aus dem Privatbesitz Hans Grothe<br />

Eine Kooperation mit der Stiftung Kunst und Kultur e.V.<br />

200 Seiten mit 5 Klapptafeln, Format: 24,5 x 28 cm<br />

Preis: 32 Euro, Buchhandelsausgabe bei Wienand, Köln<br />

ISBN 978-3-86832-104-3<br />

Öffnungszeiten<br />

Di und Mi: 10 bis 21 Uhr, Do bis So: 10 bis 19 Uhr<br />

Fr für Gruppen ab 9 Uhr geöffnet, Mo geschlossen<br />

www.bundeskunsthalle.de<br />

Wege der Weltweisheit: <strong>Die</strong> Hermannsschlacht<br />

1978/1991, Holzschnitt auf Papier, 400 x 580 cm<br />

Privatbesitz Familie Grothe, © Anselm Kiefer, 2011,<br />

courtesy Stiftung für Kunst und Kultur e.V., Bonn<br />

23


Ausstellungsansicht Am Anfang, Anselm Kiefer – © Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland – Foto: David Ertl<br />

24


26<br />

Anselm Kiefer ist einer der bedeutendsten<br />

internationalen Künstler unserer <strong>Zeit</strong>. Seine<br />

epischen Werke faszinieren nicht zuletzt<br />

durch ihre ungewöhnliche Materialwahl,<br />

die die inhaltliche Aussage unterstützt:<br />

Dick aufgetragene Farbschichten, Erde,<br />

Blei, Lack, Pfl anzen, Kleidung oder Haare<br />

lassen die Arbeiten über den zweidimensionalen<br />

Bildraum hinausgreifen.<br />

Parallel zur dOCUMENTA 13 in Kassel<br />

präsentiert die Bundeskunsthalle in Bonn<br />

auf über 2000 m² wichtige Werke des 1945<br />

geborenen Künstlers aus dem Privatbesitz<br />

Familie Grothe.<br />

Von den Arbeiten Anselm Kiefers hat sich<br />

Hans Grothe 2005 beim Verkauf seiner<br />

umfangreichen Sammlung nicht getrennt,<br />

da die Faszination des Sammlers für die<br />

einzigartige künstlerische Haltung Kiefers<br />

ungebrochen über die Jahrzehnte anhielt.<br />

Erstmalig wird in der Bundeskunsthalle<br />

dieses größte Werkkonvolut aus einer privaten<br />

Sammlung fast vollständig präsentiert.<br />

Eine Auswahl der wichtigsten Werke aus<br />

drei Jahrzehnten wurde mit dem Schwerpunkt<br />

auf der 2000er-Dekade getroffen –<br />

hier belegen Bildensembles aus den Jahren<br />

2010 und 2011 Kiefers großes Interesse<br />

am Thema des Panoramas. Es dominieren<br />

christlich-jüdische und mythologische Themen<br />

im Gegensatz zu den frühen Bildern<br />

und Ensembles vor der Übersiedlung des<br />

Künstlers nach Frankreich vor 20 Jahren,<br />

die sich mit der deutschen Vergangenheit<br />

und Mythologie befassen. Das oft beschriebene<br />

Pathos in Kiefers Werken erscheint in<br />

diesen neuen Arbeiten eigentümlich gebrochen,<br />

zurückgenommen und neutralisiert.<br />

Voyage au bout de la nuit, 2001<br />

Öl, Emulsion, Mischtechnik und Blei auf<br />

Leinwand, 385 x 560 cm<br />

Privatbesitz Familie Grothe<br />

© Anselm Kiefer, 2011, courtesy Stiftung<br />

für Kunst und Kultur e.V., Bonn


28<br />

Robert Fleck verlässt Bundeskunsthalle<br />

<strong>Die</strong> Vorwürfe an den Intendanten der<br />

Bonner Bundeskunsthalle waren hart. Mit<br />

der Präsentation von Werken des Künstlers<br />

Anselm Kiefer, die ausschließlich aus der<br />

Privatsammlung Grothe stammen, hat die<br />

Kritik an Robert Fleck einen Höhepunkt<br />

erreicht.<br />

Am Montag wurde bekannt, dass Fleck<br />

das Haus Ende kommenden Jahres verlassen<br />

wird. Der Vertrag werde in gegenseitigem<br />

Einvernehmen nicht mehr über 2013 verlängert,<br />

teilte ein Sprecher von Kulturstaatsminister<br />

Bernd Neumann (CDU) in Berlin mit.<br />

Fleck wolle sich verstärkt seiner Lehrtätigkeit<br />

an der Düsseldorfer Kunstakademie widmen.<br />

Wieder wird ein neuer Intendant für die<br />

Bundeskunsthalle gesucht, die der Bund mit<br />

jährlich rund 16,5 Millionen Euro fi nanziert.<br />

Nach einem Bericht des Bundesrechnungshofes,<br />

der der Leitung der Kunsthalle<br />

wirtschaftliche Fehler und Versäumnisse im<br />

Umgang mit Bundesmitteln vorgehalten hatte,<br />

hatte 2007 Intendant Wenzel Jacob sein<br />

Amt eingebüßt. Unter seiner Ägide hatte sich<br />

das Haus mit zahlreichen Eigenproduktionen<br />

internationales Renommee erworben und zu<br />

einem Besuchermagneten entwickelt.<br />

Fleck löste 2009 den zwei Jahre zuvor eilig<br />

berufenen Interimsintendanten Christoph<br />

Vitali ab. Da waren die Besucherzahlen schon<br />

in den Keller gerutscht. <strong>Die</strong> Bundeskunsthalle<br />

sei ein Haus unter den ersten zehn Häusern<br />

der Welt, sagte Fleck beim Amtsantritt. Es sei<br />

ein Haus, das eine kulturpolitische Funktion<br />

habe. „Wenn man die überantwortet<br />

The art of tool making<br />

bekommt, ist das mit die tollste Aufgabe, die<br />

einem eigentlich übertragen werden kann.“<br />

Kritiker meinen, das habe er nicht geschafft.<br />

International beachtete Ausstellungen<br />

seien ihm schon seit längerem nur in Ausnahmefällen<br />

gelungen, hieß es in der „Süddeutschen<br />

<strong>Zeit</strong>ung“. <strong>Die</strong> „Frankfurter Allgemeine<br />

<strong>Zeit</strong>ung“ spricht im Zusammenhang mit<br />

der Kiefer-Schau von einem Skandal. Es sei<br />

in der Bundeskunsthalle inzwischen üblich<br />

geworden, einzelnen Sammlern ein Denkmal<br />

zu setzen, statt ihre Kollektionen sorgsam<br />

in einen kunsthistorischen Zusammenhang<br />

einzugliedern.<br />

Bei der Vorstellung der Kiefer-Ausstellung<br />

hatte Fleck erklärt, es sei die bedeutendste<br />

Retrospektive seit 1991. Allerdings waren Teile<br />

der Grothe-Sammlung von Oktober 2011<br />

bis Februar 2012 in der Sammlung Frieder<br />

Burda in Baden-Baden ausgestellt. Auch das<br />

Wiener Essl Museum zeigt in diesem Jahr<br />

eine umfangreiche Ausstellung<br />

Kritik gab es aber auch zuvor. So wurde<br />

eine lange angekündigte Ausstellung von<br />

Rosemarie Trockel kurzerhand ohne Begründung<br />

abgesagt. Selbst an der erfolgreichen<br />

Max-Liebermann-Ausstellung gab es Beanstandungen.<br />

<strong>Die</strong> Kenner bemängelten das<br />

Fehlen wichtiger Bilder aus dem Werk der<br />

Künstlers.<br />

Felix Heyder / dpa


Dorothea Müller<br />

lebt und arbeitet in Wuppertal.<br />

Mitglied im Verband Deutscher Schriftsteller<br />

(VS) , Arbeitsgebiete: Lyrik, Prosa,<br />

Theaterszenen, Texte für Kinder und<br />

mit Kindern. (Kinderschreibwerkstatt,<br />

Buchprojekt: „Ich und du“, interkulturelles<br />

Kinderbuch, 2003).<br />

Buchveröffentlichungen:<br />

„Netz über dem Abgrund“,<br />

„Als der Supermarkt noch Tante Emma hieß“.<br />

Weitere Veröffentlichungen in <strong>Zeit</strong>ungen,<br />

<strong>Zeit</strong>schriften, Anthologien, Rundfunk<br />

(WDR).<br />

<strong>Die</strong>go<br />

Als erstes waren mir seine Hände aufgefallen.<br />

Sensible Hände und doch<br />

kraftvoll, langfi ngrig mit kurz geschnittenen<br />

Nägeln. Er hatte sie in einer<br />

zärtlich anmutenden Geste seinem Sohn<br />

entgegen gestreckt, um ihn willkommen<br />

zu heißen.<br />

Erschrocken versuchte ich die Tränen<br />

zurück zu halten, die mir unvermutet in<br />

die Augen geschossen waren, zusammen<br />

mit einem schmerzlichen Ziehen, das<br />

jäh meinen ganzen Körper erfasst hatte.<br />

Ich verspürte das drängende Verlangen,<br />

mich in diese Hände zu schmiegen, um<br />

in ihnen, wie in einer Höhle, Zufl ucht<br />

zu fi nden.<br />

Sekunden später, als wir einander vorgestellt<br />

wurden, hatte ich mich wieder in<br />

der Gewalt und versuchte ein Lächeln,<br />

das zurückhaltend erwidert wurde.<br />

Ich war gekommen um mir die Bilder<br />

anzusehen, von denen der Sohn erzählt<br />

hatte. Möglicherweise konnte das ein<br />

oder andere für eine geplante Sammelausstellung<br />

geeignet sein.<br />

Nachdem der Sohn sich verabschiedet<br />

hatte, führte der Maler mich in das Atelier,<br />

das neben der kleinen Wohnung<br />

über den Hof lag. <strong>Die</strong>go, wie er seine<br />

Werke signierte, zeigte mir schweigend<br />

seine Leinwände. Viele der Bilder<br />

waren großformatig, von politischen<br />

oder sozialkritischen Themen geprägt,<br />

andere dagegen erinnerten an Miniaturen.<br />

Stillleben lagerten neben Porträts,<br />

surrealistische neben abstrakten Werken,<br />

dazwischen zartfarbene Aquarelle.<br />

Erstaunlich viele Bilder waren unvollendet,<br />

so, als hätte er mitten in der Arbeit<br />

den Pinsel niedergelegt, um etwas<br />

anderes zu beginnen.<br />

Ich stellte ihm einige Fragen, die er aber<br />

kaum beantwortete. Das war eigenartig<br />

und verwirrend, konnte aber an möglichen<br />

Sprachdefi ziten liegen. Darum<br />

verabschiedete ich mich schnell, nicht<br />

ohne das Versprechen, von mir hören<br />

zu lassen. Mit dem Sohn als Dolmetscher<br />

und Moderator würde wir wohl<br />

zu einer Verständigung kommen.<br />

29


30<br />

Unvermutet traf ich <strong>Die</strong>go wenige Tage<br />

später in der Fußgängerzone unserer<br />

Stadt. Er schien sich über unsere<br />

Begegnung zu freuen, und so lud ich<br />

ihn spontan in das kleine Eiscafe am<br />

Marktplatz ein, das später ein häufi ger<br />

Treffpunkt für uns werden sollte.<br />

Vor dem Cafe spielte sich eine groteske<br />

Szene zwischen einem älteren Paar ab,<br />

über die wir herzlich lachen mussten.<br />

Er begann von seinen Eltern zu<br />

erzählen, seiner Kindheit in der kleinen<br />

Stadt, wo er in den Staub des Hofes mit<br />

einem Stock seine ersten Zeichnungen<br />

geritzt hatte, begleitet vom Lachen seines<br />

Vaters. Sie waren zu arm gewesen,<br />

um Papier und Stifte zu besitzen.<br />

Ich war überrascht und erfreut, dass<br />

er unsere Sprache so gut beherrschte.<br />

Kaum einmal suchte er nach dem passenden<br />

Wort. So fl oss seine Erzählung<br />

dahin, und entführte mich in die Sonne<br />

und zu dem Duft seines Landes.<br />

Doch allzu schnell brachte mich der<br />

Terminkalender wieder in meinen<br />

Alltag zurück.<br />

Am nächsten Abend fand ich in<br />

meinem Briefkasten die wunderschöne<br />

Zeichnung eines Schmetterlings, der<br />

mich zu einem Abendessen bei <strong>Die</strong>go<br />

einlud. Heute denke ich manchmal<br />

über die Symbolik dieses Motivs nach.<br />

Damals fand ich es einfach nur entzückend.<br />

<strong>Die</strong>go war ein ausgezeichneter Koch.<br />

Der Tisch, mit Blumen und Kerzen<br />

geschmückt, zeugte von Geschmack<br />

und Gastlichkeit. Lediglich eine Schale<br />

mit überreifen Bananen, die auf der<br />

Fensterbank stand, störte das perfekte<br />

Ambiente. Der Duft des köstlichen<br />

Essens aber übertönte schon bald den<br />

unangenehmen Geruch er schon fast<br />

schwarzen Früchte, und ließ sie auch<br />

mich vergessen. Wie so Vieles, was ich<br />

vielleicht nicht vergaß, aber beiseite<br />

legte während der <strong>Zeit</strong>, in der <strong>Die</strong>go<br />

immer tiefer in mein Leben drang, und<br />

ich in das seine.<br />

Noch nie in meinem Leben hatte ich<br />

so viel Zuwendung, Fürsorge und<br />

Zärtlichkeit erfahren. Ich, die ohne<br />

Vater aufgewachsen war, fand in ihm<br />

all das, was ich lebenslang entbehrt und<br />

gesucht hatte. Und mehr als das.<br />

Aber auch ich konnte ihm helfend beistehen.<br />

Es war mir nicht lange verborgen<br />

geblieben, dass die banalen Dinge<br />

des Alltags ihm Schwierigkeiten bereiteten.<br />

So faszinierend die Gespräche mit<br />

ihm waren, die mir neue Sichtweisen<br />

zeigten, niemals belehrend, aber unendlich<br />

bereichernd, so erschreckte mich<br />

andererseits seine Unfähigkeit, den<br />

einfachsten Ordnungsregeln zu folgen.<br />

Ungeöffnete Rechnungen fanden sich<br />

zwischen <strong>Zeit</strong>schriften und Buchseiten,<br />

Mahnungen wurden ignoriert, Briefe<br />

und Anfragen nicht beantwortet.<br />

Nach und nach übernahm ich für<br />

diesen Teil seines Lebens die Führung.<br />

Er ließ mich gewähren, ja, er schien<br />

dankbar zu sein, wenn ich vertrackte Situationen<br />

entschärfte, Dinge klärte und<br />

erledigte, zu denen er nicht in der Lage<br />

war, oder die ihm lästig erschienen.<br />

Dank meiner Beziehungen konnte ich<br />

ihm zu einigen Aufträgen verhelfen und<br />

ebnete ihm manche Wege, indem ich<br />

ihn mit einfl ussreichen Leuten bekannt<br />

machte. <strong>Die</strong> Dinge entwickelten sich<br />

gut und versprachen, noch besser zu<br />

werden.<br />

Zwischen uns hatten sich schon bald<br />

einige Rituale entwickelt. Niemals<br />

zuvor hatte ich so vertraut, mich einem<br />

anderen Menschen so geöffnet. <strong>Die</strong>go<br />

hatte eine besonderen Namen für mich.<br />

Wenn er in bestimmten Momenten,<br />

ohne es zu bemerken, in seine Muttersprache<br />

wechselte, bekam dieser Name<br />

eine besondere Melodie, voller Harmonie<br />

und Wärme.<br />

Einmal, als unsere Körper schweißnass<br />

neben einander lagen und unser Atem<br />

sich noch nicht beruhigt hatte, sprach<br />

<strong>Die</strong>go plötzlich von Trennung. Erst als<br />

seine Tränen und Küsse mich wieder<br />

berührten, konnte ich mich aus der<br />

schweigenden Erstarrung lösen.<br />

Am nächsten Tag empfi ng mich eine<br />

Blumen geschmückte Wohnung.<br />

Inmitten der blühenden Pracht thronte<br />

eine Pierrot-Puppe. Schwarz glänzte<br />

die Träne im weißen Maskengesicht.<br />

<strong>Die</strong>gos Umarmung glich eher einer<br />

Umklammerung.<br />

Bis heute bin ich nicht sicher, ob ich<br />

die Zeichen nicht sah, oder sie nicht<br />

zu deuten wusste. Zwar spürte ich<br />

zeitweise ein diffuses Unbehagen, das<br />

sich aber nicht manifestierte, sondern<br />

durch unsere leidenschaftliche, enge<br />

Beziehung, die fast symbiotische Züge<br />

angenommen hatte, verdeckt wurde.<br />

All diese Gefühle überrollten mich fast,<br />

waren beglückend und stark. Es war,<br />

als würde ein inneres Leuchten mich<br />

erfüllen.<br />

<strong>Die</strong>go war ebenso erfüllt, schien in<br />

einem Schaffensrausch. Es entstanden<br />

zahlreiche Bilder, ausdrucksstark und<br />

beeindruckend. Bald sollte seine erste<br />

Einzelausstellung stattfi nden, deren<br />

Ankündigung in der Presse bereits ein<br />

großes Echo gefunden hatte.<br />

Während <strong>Die</strong>go wie besessen gemalt<br />

hatte, hatte ich alle erforderlichen Gespräche<br />

und Verhandlungen geführt.<br />

<strong>Die</strong>gos Stimmung, die häufi g großen<br />

Schwankungen unterworfen war, wechselte<br />

immer häufi ger zwischen Euphorie<br />

und Resignation, Selbstzweifeln und<br />

Überheblichkeit. War er kurz zuvor<br />

noch der zärtliche Freund oder leidenschaftliche<br />

Geliebte gewesen, begegnete<br />

er mir plötzlich verschlossen und ablehnend,<br />

fast so, als sei ich ihm zuwider.<br />

In dieser <strong>Zeit</strong> begann ich, Beruhigungsmittel<br />

zu nehmen, um den emotionalen<br />

Wechselbädern gewachsen zu sein, und<br />

um meine Arbeit weiterhin verrichten<br />

zu können. Arbeit, die sich zu einem<br />

nicht unerheblichen Teil auf <strong>Die</strong>gos<br />

Karriere bezog.<br />

Zwei Tage vor einer wichtigen Pressekonferenz,<br />

die <strong>Die</strong>gos Teilnahme<br />

erforderte, war er verschwunden.


Der Zustand der Wohnung ließ auf<br />

einen wütenden und hastigen Aufbruch<br />

schließen. Er hatte keine Nachricht<br />

hinterlassen. Anrufe bei Freunden und<br />

Bekannten blieben ohne Ergebnis. Der<br />

Sohn befand sich schon seit vielen Monaten<br />

in den Staaten. Von ihm waren<br />

weder Rat noch Auskunft zu erwarten.<br />

In mir wechselten sich Sorge, Panik<br />

und Wut ab. Um mich abzulenken,<br />

und meinem inneren Aufruhr Herr zu<br />

werden, begann ich am nächsten Tag<br />

Ordnung in das Chaos der Wohnung<br />

zu bringen.<br />

Eine kostbare Vase lag zerbrochen am<br />

Boden, das Blumenwasser hatte die<br />

Seiten mehrerer Bücher durchtränkt,<br />

zerrupfte Blüten und faulig riechende<br />

Blütenstängel bildeten ein trauriges<br />

Stillleben.<br />

In der Küche lag alles <strong>Beste</strong>ck auf dem<br />

Tisch, als wären die Schubladen achtlos<br />

ausgekippt worden, um Salat und Obst<br />

unter sich zu begraben.<br />

Ich hatte ihn nicht kommen hören. Erst<br />

als er im Türrahmen stand, spürte ich<br />

seine Gegenwart und drehte mich um.<br />

Mit einem schiefen Lächeln und ausgebreiteten<br />

Armen kam er auf mich zu.<br />

Zum ersten Mal drehte ich mich von<br />

ihm weg und entzog mich seiner Umarmung.<br />

Wie eine plötzliche Eruption brachen<br />

Worte und Sätze aus ihm heraus. Flüsternd,<br />

schreiend, zischend schrie er mir<br />

Beleidigungen entgegen, Worte voller<br />

Erniedrigung, demütigende Worte,<br />

die in die Schwärze des Gedächtnisses<br />

gefallen sind. Nur die Gefühle wirbelten<br />

in einem roten Feuerstrom heiß durch<br />

Kopf und Körper.<br />

Da war kein Denken mehr, nur dieser<br />

rote Wirbel in und außer mir. Ich weiß<br />

nicht, wie das Messer in meine Hand<br />

kam. Rot der Feuerstrom, rot, rot wie<br />

das Blut, das viele Blut, und <strong>Die</strong>go am<br />

Boden.<br />

Unsere Kulturförderung<br />

ist gut für die Sinne.<br />

Schweigend legte der Anwalt das letzte<br />

Blatt, von dem er abgelesen hatte, auf<br />

den vor ihm liegenden Aktenstapel.<br />

Der Vorsitzenden Richter schob den<br />

Ärmel seiner Robe zurück und verkündete<br />

eine einstündige Verhandlungspause.<br />

<strong>Die</strong> Angeklagte wurde aus dem Gerichtssaal<br />

geführt. Sie hielt das Gesicht<br />

hinter den Händen verborgen.<br />

Hoch über dem Gerichtsgebäude fl og<br />

am strahlend blauen Himmel eine Formation<br />

Wildgänse Richtung Süden.<br />

Dorothea Müller<br />

Sparkassen-Finanzgruppe<br />

Kunst und Kultur prägen die gesellschaftliche Entwicklung. <strong>Die</strong> Sparkassen-Finanzgruppe ist der größte nicht-staatliche Kulturförderer<br />

Deutschlands. Auch die Stadtsparkasse Wuppertal ist ein wichtiger Partner für Kunst und Kultur in unserer Stadt. Das ist gut für<br />

die Kultur und gut für Wuppertal. www.sparkasse-wuppertal.de<br />

Sparkasse. Gut für Wuppertal.<br />

S<br />

31


Öffentliches Grün braucht<br />

Öffentlichkeitsarbeit<br />

links: Platanenallee im Nordpark<br />

unten: Blick vom Weyersbuschturm<br />

Wuppertals grüne Anlagen<br />

Mit Gartencharme hat Wuppertal noch<br />

selten von sich reden gemacht. Erinnert<br />

sich doch Mancher, der die Stadt besucht<br />

hat, nur an die große Anzahl von Bahnhöfen<br />

oder Autobahnabfahrten und hat<br />

das lange Tal als Abfolge städtebaulicher<br />

Sünden und Löcher in Erinnerung. Doch<br />

gerade in dieser Stadt verbergen sich<br />

Freiräume ungeahnter Größe und Bedeutung.<br />

Wer die „Talachse“ B 7 verlässt und<br />

die Höhen erwandert, fi ndet nicht nur<br />

versteckte Haus- und Villengärten und<br />

zahllose Kleingartensiedlungen. Ausgedehnte<br />

Parkanlagen und Wälder überraschen,<br />

die die Stadt mit einem grünen<br />

Kranz umgeben.<br />

Zu verdanken ist dies einerseits dem<br />

früh zu wirtschaftlicher Kraft gelangten<br />

Bürgertum, Stichwort „Frühindustrialisierung“.<br />

Andererseits gehörte der Gegensatz<br />

von elenden Lebensbedingungen weiter<br />

Bevölkerungsteile und außerordentlichem<br />

sozialem Engagement zur Konstellation,<br />

aus der die ungewöhnliche Größe des öffentlichen<br />

Grüns in Wuppertal herrührt.<br />

Wird der grüne „Schatz“ Wuppertals<br />

von der Bevölkerung auch stark genutzt,<br />

so fehlt doch die rechte Wertschätzung<br />

in der Stadt. So ist der Förderverein<br />

Historische Parkanlagen Wuppertal e.V.<br />

vor einigen Jahren angetreten, Aufklärungsarbeit<br />

zu leisten. Der Bau einer<br />

Tiefgarage ausgerechnet, brachte eine<br />

Gruppe von Bürgern zum Nachdenken<br />

über Geschichte und Bedeutung der<br />

anscheinend einfach gegebenen Freiräume<br />

in der Großstadt an der Wupper. Aus<br />

der Empörung über neue Bauten in und<br />

am De Weerth Garten wuchs bald die<br />

Erkenntnis, dass eine reiche Gartenkultur<br />

die Stadt nicht weniger prägt als die<br />

industrielle Vergangenheit.<br />

<strong>Die</strong> intensive Suche nach der Vergangenheit<br />

des De Weerth Gartens führte<br />

33


34<br />

in Archive, zu <strong>Zeit</strong>zeugen und Familiendynastien.<br />

Es stellt sich heraus, dass<br />

hier einst der erste Landschaftsgarten<br />

im Wuppertal angelegt worden war. Der<br />

vermögende Elberfelder Rentier Peter de<br />

Weerth hatte sich für die Anlage seines<br />

Gartens eine Kapazität geholt, Peter Joseph<br />

Lenné den Älteren. <strong>Die</strong> Recherche<br />

lieferten interessante Erkenntnisse über<br />

das Wirken des Bonner Hofgärtners, der<br />

in der Gartenkunst-Forschung bislang<br />

kaum mehr denn als Vater des berühmten<br />

Preußischen Hofgärtners gleichen<br />

Namens beachtet worden ist.<br />

Schon bald konnten die Ergebnisse<br />

in Vorträgen und Ausstellungen der<br />

Öffentlichkeit näher gebracht werden.<br />

Schließlich entstand die Idee, die reiche<br />

Geschichte des einst privaten Gartens<br />

und heutigen Stadtparks vor Ort zu erzählen.<br />

2006 stellte der Verein sechs Tafeln<br />

auf, für die das Grafi kbüro Neisser<br />

Zöller ein Corporate Design mit hohem<br />

Wiedererkennungswert erfand. Fruchtbar<br />

hat sich auch die Zusammenarbeit<br />

mit dem Gartenamt entwickelt, das die<br />

privat initiierte Öffentlichkeitsarbeit für<br />

öffentliches Grün zu schätzen weiß.<br />

<strong>Die</strong> Vereinsaktivitäten dehnten sich<br />

auf weitere Parks aus, und so erschien<br />

2006 erstmals die patentgefaltete Karte<br />

„Wuppertals grüne Anlagen. Freiräu-<br />

me, Stadtparks, Naturerlebnisse“. 33<br />

Anlagen laden jederzeit griffbereit in<br />

der Handtasche zum Parkbesuch ein.<br />

Nachdem die ersten 10.000 Exemplare<br />

bald verteilt waren, erschien 2010 eine<br />

aktualisierte Aufl age. Auch in einer Stadt<br />

nämlich, die sich gern als Looser präsentiert,<br />

tut sich in Sachen Grün durchaus<br />

Neues und das gleich spektakulär. Mit<br />

der Nordbahntrasse ist ein noch im Bau<br />

befi ndlicher Rad- und Wanderweg in<br />

die Karte aufgenommen worden, der an<br />

die bürgerschaftliche Tradition im Tal<br />

auf neue Weise anknüpft und auf einer<br />

breiten Beteiligung basiert. Von hohem<br />

Niveau ist der Skulpturenpark Waldfrieden,<br />

den der Bildhauer Tony Cragg in<br />

seiner Wahlheimat Wuppertal ins Leben<br />

gerufen hat. Seine Stiftung geht nach<br />

furiosem Anfang bereits auf Erweiterungskurs.<br />

– Keine Frage also, dass die<br />

beiden grünen Neuzugänge nun in der<br />

Karte zu fi nden sind.<br />

Inzwischen sind auch in anderen Parkanlagen<br />

Tafeln aufgestellt worden: 2007<br />

Hardt, 2009 Hohenstein und Nordpark.<br />

Das erarbeitete Wissen wird außerdem<br />

in Führungen und Vorträgen sowie in<br />

Texten weitergegeben.<br />

Mit dem Projekt, Parkführer zu veröffentlichen,<br />

erlangt die Arbeit des<br />

Vereins eine neue Qualität. Anlässlich<br />

des 200-jährigen Jubiläums des Landschaftsgartens<br />

Hardt erschien die erste<br />

Broschüre, für die Rose Wörner, Grand<br />

Dame der deutschen Gartendenkmalpfl<br />

ege, den Text verfasste. Daraus ist<br />

die Reihe „Wuppertals grüne Anlagen“<br />

erwachsen, für die sich die Wuppertaler<br />

Edition Köndgen begeistern ließ.<br />

Im letzten Jahr erschienen die beiden<br />

Führer „Waldanlage Nordpark“, der die<br />

Faltkarte beiliegt, und „Grüne Meile<br />

Lüntenbeck“. Im Herbst wird der Band<br />

„Wasserreich Mirker Hain“ die großartige<br />

Parkanlage am Vogelsangbach und<br />

ihre Umgebung vorstellen.<br />

<strong>Die</strong> reichen Hinterlassenschaften, die<br />

die Nachforschungen über Peter de<br />

Weerth im Privatbesitz einer weitverzweigten<br />

Familie zutage förderten, gaben<br />

Anstoß zur Ausstellung „Von Tugend<br />

und Glück. <strong>Die</strong> private Welt des Bürgers<br />

1815 – 1850“. In Zusammenarbeit<br />

mit dem Bergischen Geschichtsverein<br />

brachten 2009/2010 erstmals vier<br />

Einrichtungen eigene Beiträge in eine<br />

Kooperation ein: Von der Heydt-Museum,<br />

Historisches Zentrum Wuppertal,<br />

Citykirche Elberfeld und Museum für<br />

Völkerkunde.<br />

So hat sich aus Aufbegehren gegen Investorenpolitik<br />

ein weites Feld von Aktivitäten<br />

entwickelt, Wissen über Grün-


Gartenruine Lilienthal<br />

anlagen in Wuppertal zu erarbeiten und<br />

öffentlich zu verbreiten. Ziel ist es dabei,<br />

auf Grün aufmerksam zu machen und<br />

Interesse für seine Vielfalt zu wecken,<br />

Lobbypolitik im besten Sinne. Grüne<br />

Anlagen unterscheiden sich nicht nur<br />

durch gestalterische Moden, sondern<br />

erzählen immer auch Naturgeschichten,<br />

Stadt-, Familien- und Sozialgeschichten.<br />

So gibt es über öffentliche Parkanlagen,<br />

Villen- und Kleingärten viel zu erzählen.<br />

<strong>Die</strong> ehrenamtliche Öffentlichkeitsarbeit<br />

des Vereins Historische Parkanlagen<br />

Wuppertal erfreut sich der Unterstützung<br />

durch Spender und Sponsoren,<br />

für die Brigitte Alexander mit den<br />

abgeschlossenen Projekten wirbt. <strong>Die</strong><br />

Produkte mit dem einheitlichen Erscheinungsbild<br />

von Neisser Zöller haben Stil,<br />

und so fi nden die Veröffentlichungen<br />

auf Papier, Alu oder im Internet viele<br />

Unterstützer, die Material und Herstellung<br />

dankenswerterweise mit kleinen<br />

und großen Beträgen fördern.<br />

Als Dach wurde die Bezeichnung „Wuppertals<br />

grüne Anlagen“ gewählt, um den<br />

Blick auf die Gartenkunst, aber auch<br />

darüber hinaus zu lenken. <strong>Die</strong> Bandbreite<br />

reicht so von Parks und Gärten über<br />

Gärtnereien, Friedhöfe und Tiergärten<br />

bis zu Wäldern, Wegen und Brachfl<br />

ächen. Ein locker geknüpftes Netzwerk<br />

fördert den Austausch zwischen<br />

verschiedenen Akteuren und fi ndet<br />

gelegentlich zu gemeinsamen Aktionen<br />

zusammen. Klaus-Günther Conrads<br />

organisiert die „Offene Gartenpforte“,<br />

Dirk Fischer widmet sich den Wuppertaler<br />

Beiträge zur „Straße der Gartenkunst<br />

zwischen Rhein und Maas“. Auch<br />

Zusammenarbeit mit anderen Vereinen<br />

hat sich als produktiv erwiesen, vom<br />

Bergischen Geschichtsverein und Rheinischem<br />

Verein für Denkmalpfl ege und<br />

Landschaftsschutz über den Förderverein<br />

des Botanischen Gartens bis zu<br />

einzelnen Bürgervereinen. <strong>Die</strong> Internetseite<br />

www.wuppertals-gruene-anlagen.de<br />

ist im Aufbau.<br />

Jede Menge Kommunikationsarbeit und<br />

eine gehörige Portion Forscherdrang<br />

haben Wuppertals grünen Anlagen<br />

eine erhöhte öffentliche Wahrnehmung<br />

erobert. Dabei ist es gelungen, unterschiedliche<br />

Medien zu nutzen und<br />

verschiedene gesellschaftliche Kreise<br />

einzubeziehen. Neben den Besitzern und<br />

Nutzern von grünen Anlagen konnten<br />

zahlreiche Vereine, Wohnungsbaugesellschaften<br />

und Unternehmen für die<br />

Öffentlichkeitsarbeit gewonnen werden.<br />

Antonia Dinnebier<br />

links und oben:<br />

Einweihungsfeier Tafeln de Weerth-Garten<br />

linke Seite:<br />

WDR am Hohenstein<br />

links außen:<br />

Spielplatz Weyersbuschturm<br />

35


36<br />

<strong>Die</strong> Rezension erschien zuerst am 5. Juni<br />

2012 im Remscheid er General-Anzeiger<br />

„Es ist ein Weinen in der Welt, als ob<br />

der liebe Gott gestorben wär...“. Schier<br />

grenzenlose Traurigkeit und Verlorenheit<br />

spricht aus den Zeilen des Gedichts von<br />

Else Lasker-Schüler. Und wer sie schon<br />

einmal für sich gelesen - mithin „innerlich“<br />

gehört - hat, der hat ihnen vermutlich<br />

einen entsprechend dunkelschweren Ton<br />

verliehen. Doch Caroline Keufen spricht sie<br />

ganz hell und mit einem Lächeln.<br />

German Song beeindruckte<br />

Immer wieder schenkt die Schauspielerin<br />

und Regisseurin der literarischen<br />

Performance „German Song“ den<br />

Gedichten einen überraschend hellen,<br />

leichten Klang. Ein gekonnter Kunstgriff,<br />

denn die Irritation erzeugt eine<br />

unterschwellige Spannung, von der<br />

man als Zuhörer gepackt wird, ohne<br />

sogleich zu wissen warum.<br />

Es geht um die dunkelste <strong>Zeit</strong> deutscher<br />

Geschichte<br />

Und das zieht sich durch diesen<br />

Abend: Worte, Klänge, Tanz, Licht<br />

und Bilder in wandfüllenden Projektionen,<br />

collagenhaft zusammengesetzt,<br />

schaffen eine dichte Atmosphäre,<br />

wecken Gefühle, erzeugen wechselnde<br />

Stimmungen und unterlaufen damit<br />

eventuell vorhandene intellektuelle<br />

Barrieren zur Abwehr schwer erträglicher<br />

Inhalte.<br />

Denn leichte Kost sind die nicht,<br />

soviel ist schon im ersten Moment<br />

klar, wenn noch im Bühnendunkel<br />

ein markerschütternder Schrei ertönt.<br />

Ein Schrei aus dem Schützengraben,<br />

vielleicht, der Schrei eines Mannes,<br />

den seine grausamen Erlebnisse bis in<br />

die Träume verfolgen. Es geht um die<br />

dunkelste <strong>Zeit</strong> deutscher Geschichte<br />

(„der Tod ist ein Meister aus Deutschland“),<br />

um Schuld, die sich ebenso<br />

wenig abwaschen lässt wie das Blut im<br />

Blaubart-Märchen, um Verblendung,<br />

wenn ein 16-Jähriger sich freiwillig<br />

zur Waffen-SS meldet und in seinem<br />

Kriegstagebuch von russischen Soldaten<br />

als „Futter für mein MG“ spricht.<br />

Und am Ende auch darum, dass von<br />

solcher Art Verblendung auch der<br />

Terror unserer Tage lebt.<br />

Aber es geht auch darum, was<br />

Poesie, Kunst und Musik vermag: Unsagbares<br />

auszudrücken und zugleich<br />

Gegenwelten zu Grausamkeit und<br />

Gewalt zu schaffen. „Ich will in das<br />

Grenzenlose“ heißt es in Else Lasker-<br />

Schülers Gedicht „Meinwärts“, und<br />

dazu öffnet sich lichtblau und weit<br />

der Himmel, zieht ein Vogel vorbei,<br />

und wenn die Worte verklungen sind,


im Teo Otto Theater<br />

tragen der Tanz der phantastischen Chrystel Guillebeaud<br />

und die sachten Piano- und Percussionklänge die Zuschauer<br />

weit hinaus in den ersehnten hellen, freien Raum.<br />

Trotz einiger kleiner technischer Unstimmigkeiten bei<br />

der Uraufführung am Sonntag im Teo Otto Theater, die<br />

gelegentlich die Intensität schwächten: <strong>Die</strong>ser Abend bot<br />

eine große Dichte an Eindrücken, die sich anschicken,<br />

noch lange nachzuklingen.<br />

Anne-Kathrin Reif<br />

<strong>Die</strong> Akteure<br />

German Song ist eine Ensembleleistung von:<br />

Heiner Bontrup (Autor/Sprecher),<br />

Ulrike Müller (Autorin),<br />

Caroline Keufen (Sprecherin/Regie), Andreas Ramstein (als Sprecher<br />

eingesprungen für Hans Richter),<br />

Faith Iyere (Sprecherin/Gesang),<br />

Chrystel Guillebeaud (Tanz),<br />

Charles Petersohn (Flügel, Syntheziser), <strong>Die</strong>trich Rauschtenberger<br />

(Schlagwerk, Saxophon) und Wasiliki Noulesa (Videobühnenbild).<br />

37


38<br />

The Sixties – Ausstellung Claes Oldenburg<br />

22.Juni bis 30.September 2012<br />

im Museum Ludwig, Köln<br />

<strong>Die</strong> großangelegte Ausstellung im Museum<br />

Ludwig bietet den bislang umfassendsten<br />

Überblick zu Oldenburgs künstlerischem<br />

Werdegang von den späten 1950er bis in<br />

die Mitte der 1970er Jahre, angefangen<br />

mit den historisch bedeutenden Installationen<br />

„The Street“ und „The Store“ sowie<br />

den parallel entstandenen Happenings,<br />

über die verschiedenen Soft-, Hard-,<br />

Ghost- und Giant-Versions seiner Objektskulpturen<br />

der 1960er Jahre bis hin zu den<br />

Zeichnungen und Collagen öffentlicher<br />

Monumente. Einen weiteren Schwerpunkt<br />

bildet die Konzeptualisierung seines<br />

Ansatzes in den 1970er Jahren, in deren<br />

Zentrum das „Mouse Museum“ steht, ein<br />

begehbares Miniaturmuseum in Form einer<br />

„Geometric Mouse“, für das Oldenburg<br />

seit den späten 1950er Jahren insgesamt<br />

381 Gegenstände: Souvenirs, Kitschobjetke<br />

und Ateliermodelle gesammelt hat.<br />

Shoestring Potatoes, Spilling from a Bag,<br />

1966, Leinen gefüllt mit Kapok, Leim, bemalt<br />

mit Acryl, 274,3 x 132,1 x 101,6 cm<br />

Collection Walker Art Center,<br />

Minneapolis; Schenkung der<br />

T. B. Walker Foundation, 1966<br />

© Claes Oldenburg<br />

Claes Oldenburg (*1929 in Stockholm)<br />

zählt zu den großen Namen der amerikanischen<br />

Pop Art. Seine zumeist an<br />

banalen Alltagsgegenständen orientierten<br />

Skulpturen bergen stets ein Überraschungsmoment,<br />

seien es nun die<br />

überdimensional großen Lichtschalter<br />

oder Eishörnchen aus schlaffen, gefütterten<br />

Stoffen oder seine monumentalen<br />

Außenskulpturen in zahlreichen Metropolen<br />

der Welt.<br />

Riesige, ca. zwei Meter lange Pommes<br />

frites fallen aus einer Tüte von der<br />

Decke des Ausstellungsraums, ein riesiges<br />

Tortenstück und ein ca. 3,5 Meter langes<br />

Eishörnchen aus schlaffem Stoff liegen<br />

auf Sockeln, wie auf einem riesigen Bett<br />

im Ausstellungsraum. Ein Eishörnchen<br />

aus Kunststoff befi ndet sich auch auf dem<br />

Dach eines Kölner Einkaufszentrums am<br />

Neumarkt. Mit derartigen Monumenten<br />

im öffentlichen Raum, die in zahlreichen<br />

Metropolen der Welt zu fi nden sind, ist<br />

Claes Oldenburg einer großen Zahl von<br />

Menschen bekannt geworden.<br />

Claes Oldenburg (*1929 in Stockholm)<br />

ist einer der Hauptvertreter der<br />

amerikanischen Pop Art. Er gehört zu<br />

einer Generation von Künstlern, die<br />

sich um 1960 auf die Fahnen geschrieben<br />

hatte, die Kunst aus ihren elitären<br />

Kreisen zu befreien, sie auf radikale Weise<br />

populär und lebensnah zu machen. Mit<br />

schöpferischem Elan propagierte er eine<br />

neue Kunst, die „trieft, die schwer ist und<br />

stumpf und plump und süß und blöd wie<br />

das Leben selbst“.<br />

<strong>Die</strong> Ausstellung im Museum Ludwig<br />

bietet nun den bislang umfassendsten<br />

Überblick zu Oldenburgs künstlerischem<br />

Werdegang von den späten 1950er bis in<br />

die Mitte der 1970er Jahre. Mit zahlreichen,<br />

nur selten in dieser Dichte zu<br />

sehenden Exponaten und Werkensembles,<br />

beleuchtet sie die Entstehungsgeschichte<br />

seines künstlerischen Vokabulars - angefangen<br />

mit den historisch bedeutenden<br />

Installationen: „The Street“, ein Figurenensemble<br />

aus Pappkarton, Sackleinen,<br />

<strong>Zeit</strong>ungspapier und anderen<br />

gebrauchten Materialien, das<br />

von Graffi ti<br />

inspirierte<br />

Darstellungen<br />

der Schattenseiten<br />

Manhattans aufgreift


oben: Lipstick (Ascending) on Caterpillar<br />

Tracks, installiert auf der Beinecke Plaza,<br />

Mai 1969 bis März 1970, Oldenburg van<br />

Bruggen Studio, Foto Shunk-Kender ©<br />

Roy Lichtenstein Foundation<br />

links: Monument for Yale University: Giant<br />

Traveling and Telescoping Lipstick with<br />

Cangeable Parts in Three Stages of Extension<br />

– Modell, 1969, Pappe und Leinen,<br />

versteift mit Leim; besprüht mit Lackfarbe<br />

und beschichtet mit Schellack<br />

Raupenfahrzeug: 14 x 41,9 x 74,9 cm<br />

Lippenstift Phase 1: 10,2 x 21,6 x 26 cm<br />

Lippenstift Phase 2: 36,8 x 21,6 x 26 cm<br />

Lippenstift Phase 3: 59,7 x 21,6 x 26 cm<br />

Foto: David Heald (Guggenheim Found.)<br />

39


40<br />

Two Cheeseburgers, with Everything (Dual Hamburgers), 1962, Jute, getränkt in Gips, bemalt mit Lackfarbe 17,8 x 37,5 x 21,8 cm,<br />

Museum of Modern Art, New York; Philip Johnson Fund, © Claes Oldenburg<br />

U.S.A. Flag, 1960, Musselin getränkt in Gips über Drahtgestell, bemalt mit Lackfarbe, 61 x 76,2 x 8,9 cm, National Gallery of Art,<br />

Washington; Schenkung John und Mary Pappajohn, © Claes Oldenburg


und „The Store“, eine Installation von<br />

1961 in seinem New Yorker Laden-Atelier,<br />

in dem er nachgebildete Gebrauchsgegenstände,<br />

überwiegend Kleidungsstücke und<br />

Esswaren wie „White Shirt“, „Brown Jacket<br />

„ oder „Pastry Case“ präsentierte.<br />

Seit 1963 begann Oldenburg die Serie<br />

„The Home“, für die er Haushaltsgegenstände<br />

in verschiedenen Größen und unterschiedlichen<br />

Materialien als Soft-, Hard,<br />

Giant- und Ghost Versionen anfertigte.<br />

Damals entdeckte Oldenburg Vinyl als<br />

Werkstoff und entwarf Gegenstände mit<br />

makellosen Oberfl ächen, denen allerdings<br />

die Spannkraft fehlt und die von der<br />

Schwerkraft zu Boden gezerrt werden. Ein<br />

Ventilator, dessen Flügel schlapp herabhängen,<br />

eine Toilette, die in sich zusammen<br />

sinkt, ein riesiger Mixer, der schlaff von der<br />

Decke hängt. <strong>Die</strong> alltäglichen Gegenstände<br />

wirken plötzlich fremd und überraschend.<br />

Da sie ihrer Funktion enthoben sind,<br />

lenken sie den Blick auf die Form.<br />

Einen Höhepunkt der Ausstellung bildet<br />

das „Mouse Museum“, ursprünglich für<br />

die documenta 5 (1972) geschaffen, das<br />

385 kuriose Gegenstände und Ateliermodelle<br />

präsentiert, die Claes Oldenburg<br />

über Jahre hinweg gesammelt hat. Ein<br />

Kugelschreiber in Form eines Frauenbeins,<br />

eine überdimensionierte Zahnbürste, ein<br />

Tortenstück aus Plastik. Derartige Dinge<br />

bilden eine begehbare Schausammlung<br />

von Oldenburgs Motivquellen.<br />

Floor Cone (1962) vor der Dwan Gallery,<br />

Los Angeles, 1963<br />

Oldenburg van Bruggen Studio,<br />

Foto: Dennis Hopper © Claes Oldenburg<br />

41


42<br />

Teils unbekanntes Archivmaterial wie<br />

die „Clippings“, Ausschnitte aus Magazinen,<br />

deren Motive sich später in skulpturalen<br />

Werken wiederfi nden und von<br />

Oldenburg selbst gedrehte Super-8 -Filme<br />

sowie Filmdokumentationen seiner<br />

Happenings bereichern die Ausstellung<br />

weiterhin.<br />

<strong>Die</strong> Ausstellung wurde von Achim<br />

Hochdörfer für das mumok Wien konzipiert,<br />

weitere Europastation ist das Guggenheim<br />

Museum Bilbao. Anschließend<br />

reist sie weiter ins Museum of Modern<br />

Art New York und ins Walker Art Center.<br />

Im Museum Ludwig Köln, das auch als<br />

größter Leihgeber fi rmiert, wird sie vom<br />

22. Juni bis 30. September 2012 zu sehen<br />

sein. Kurator für das Museum Ludwig ist<br />

Dr. Stephan <strong>Die</strong>derich.<br />

<strong>Die</strong> Ausstellung wird unterstützt von<br />

der Peter und Irene Ludwig Stiftung, der<br />

Commerzbank-Stiftung sowie der Terra<br />

Foundation for American Art.<br />

www.museum-ludwig.de<br />

Giant Soft Fan, 1966-67<br />

Vinyl gefüllt mit Schaumstoff, Leinen,<br />

Holz, Metall, Kunststoff Fan, approximately<br />

/ ca. 305 x 149,5 x 157,1 cm,<br />

Gesamtlänge mit Schnur 739,6 cm<br />

The Museum of Modern Art, New York.<br />

The Sidney and Harriet Janis Collection<br />

Photo: mumok, © Claes Oldenburg<br />

links:<br />

Soft Dormeyer Mixer, 1965 , Vinyl, Kapok<br />

Holz, Aluminiumrohre, Elektrokabel und<br />

Gummi 79.7 x 51.1 x 30.5 cm<br />

Whitney Museum of American Art, New<br />

York Purchase, with funds from the Howard<br />

and Jean Lipman Foundation, Inc. / Ankauf<br />

ermöglich durch die Howard and Jean<br />

Lipman Foundation, Foto: mumok / Jerry<br />

L. Thompson © Claes Oldenburg<br />

rechts:<br />

Soft Toilet, 1966, Holz, Vinyl, Kapok, Draht,<br />

Acrylglas auf Metallständer und bemaltem<br />

Holzsockel , 144,9 x 70,2 x 71,3 cm,<br />

Whitney Museum of American Art, New<br />

York 50th Anniversary, Schenkung Mr. und<br />

Mrs. Victor W. Ganz anlässlich des 50-jährigen<br />

<strong>Beste</strong>hens, Foto: Sheldan C. Collins<br />

© Claes Oldenburg


… und doch nicht in der<br />

Gosse gelandet<br />

Mechthild Großmann<br />

Szenenfoto aus „Two cigarettes in the<br />

dark“, Aufführung des Wuppertaler Tanztheater<br />

Pina Bausch aus den 80er Jahren<br />

Foto: Günter Krings<br />

Auf die Lady …<br />

An ihrer Medienpräsenz in Wuppertal gab es<br />

eigentlich nichts zu mäkeln. Der Name<br />

Mechthild Großmann kam vor allem immer<br />

wieder ins Gespräch, wenn es um Pina<br />

Bausch ging. Der populäre Münsteraner<br />

ARD-Tatort an sich und ihre eher kleine, aber<br />

sehr wirkungsvolle Rolle als Staatsanwältin<br />

Wilhelmine Klemm im Besonderen waren<br />

ein weiterer, sehr zwingender Grund für<br />

eine Folge über Mechthild Großmann in der<br />

<strong>Beste</strong>-<strong>Zeit</strong>-Serie über die Schauspieler und<br />

Sänger, deren Karrieren eng mit dem Namen<br />

Wuppertal verbunden sind und waren. Zumal<br />

Mechthild Großmann zur Kategorie der<br />

Künstler zählt, über die man in der Öffentlichkeit<br />

trotz eines beachtlichen Bekanntheitsgrades<br />

im Grunde eher wenig als viel wusste.<br />

Das machte sie keineswegs unsympathisch, den<br />

Autor aber umso neugieriger. Nach den spannenden<br />

Erfahrungen der ersten Serie aus den<br />

Jahren 2002/2003 ging es um die Strategie,<br />

Frau Großmann von der aktiven und unbedingt<br />

wichtigen persönlichen Präsenz beim<br />

Gespräch zu überzeugen. <strong>Die</strong>sem Wunsch zu<br />

Hilfe kam eine Information des Rundschau-<br />

Kollegen Stefan Seitz. Er hatte Mechthild<br />

Großmann bei einer Premiere im Opernhaus<br />

gesehen und das bedeutete: sie war wohl in<br />

der Stadt. Das Netzwerk wurde verdichtet:<br />

Rundschau-Redaktionsleiter Hendrik Walder<br />

telefonierte mit der Tanztheater-Pressechefi n<br />

Ursula Popp und bat um Kontaktaufnahme<br />

mit der Künstlerin und den Hinweis, sie<br />

gehöre doch nun ganz sicher in dieser Serie.<br />

Machen wir es kurz: das war ein Volltreffer<br />

und wenig später meldete sich Mechthild<br />

Großmann tatsächlich am Handy. Sie war<br />

am Zuge. Das Treffen für das Gespräch wurde<br />

sehr kurzfristig vereinbart. Etwas aufgeregt<br />

(was ansonsten eher selten vorkommt) wurde<br />

an der vereinbarten Schelle eines Hauses an<br />

der Wittensteinstraße in Unterbarmen geklingelt.<br />

Mechthild Großmann erschien, entsorgte<br />

noch etwas Hausmüll und dann ging es in<br />

Richtung Toelleturm zu einem sehr angenehmen<br />

Gespräch auf die Terrasse des Restaurants<br />

„Zur alten Bergbahn“. Mechthild Großmann<br />

war „im Kasten.“<br />

43


44<br />

Achtzehn Jahre lang hat Mechthild Großmann<br />

in Wuppertal gewohnt. Sie hat in<br />

dieser Stadt gelebt, gelitten, genossen und<br />

mit Pina Bausch und ihrer Compagnie<br />

des Tanztheaters die Welt bereist. Im<br />

Jahre 1997 ist die in Münster geborene<br />

Schauspielerin nach Hamburg gezogen.<br />

Dort lebt sie im Stadtteil Uhlenhorst.<br />

Im Deutschen Schauspielhaus gegenüber<br />

dem Hamburger Hauptbahnhof (dem<br />

mit 1192 Plätzen größten deutschen<br />

Sprechtheater) ist sie anlässlich der Verleihung<br />

des renommierten Henry Nannen-<br />

Preise 2011 mit einer Lesung aufgetreten.<br />

Mechthild Großmann wird gern und<br />

oft für Lesungen gebucht. Kein Wunder,<br />

bei dem Bass. Der hat seine Ursache in<br />

verknorpelten Kiefer-und Stirnhöhlen,<br />

festgestellt von einem Arzt bei einer<br />

Untersuchung im Teenager-Alter wegen<br />

einer starken Erkältung. <strong>Die</strong> tiefe Stimme<br />

hat einen ihrer Deutschlehrer zu der<br />

Bemerkung veranlasst: „Du landest in<br />

der Gosse.“ Der Pädagoge irrte. <strong>Die</strong> tiefe<br />

Stimme der ausgebildeten Schauspielerin<br />

Mechthild Großmann hat – das konnte<br />

nicht ausbleiben – zu vielen Rollen von<br />

Figuren im Rotlichtmilieu geführt. Wobei<br />

einem nicht einmal Insider verraten<br />

können, ob Prostituierte bevorzugt tiefe<br />

Stimmen haben müssen. <strong>Die</strong> Stimme<br />

ist neben etlichen anderen unverwechselbaren<br />

Attributen das Markenzeichen<br />

der Rolle mit dem Namen Wilhelmine<br />

Klemm. Das ist die oftmals zu wirklichkeitsfremden<br />

<strong>Zeit</strong>en und in ebensolchem<br />

Outfi t an Tatorten auftauchende, stets<br />

vom Leben und dem Alltag gezeichnet<br />

wirkende Staatsanwältin im Münsteraner<br />

Tatort. Mit Axel Prahl als Kommissar<br />

Thiel und Jan Josef Liefers als komischer<br />

Gerichtsmediziner Professor Karl-Friedrich<br />

Boerne. Und seiner aus Remscheid<br />

stammenden, kleinwüchsigen Assistentin<br />

ChristTine Urspruch als „Alberich“. Es ist<br />

Deutschlands beliebtester Tatort geworden<br />

mit Einschaltquoten von über 11<br />

Millionen und selbst eine Wiederholung<br />

„Fluch der Mumie“ am Pfi ngstsonntag<br />

2011 sahen noch sagenhafte 6,3 Millionen<br />

Menschen. Mechthild Großmann<br />

ist von Beginn des Münsteraner Tatortes<br />

dabei und die Rolle der Staatsanwältin<br />

bestand „eigentlich nur darin, dass sie<br />

rauchte.“ Mechthild Großmann hat für<br />

das Profi l gesorgt.<br />

Mechthild Großmann mit Axel Prahl. Szenenfoto aus Tatort Münster, 2003. Foto: WDR<br />

Mechthild Großmann mit dem Schauspieler Sierk Radzei<br />

Doch alle ARD-Tatorte, „Berlin Alexanderplatz“<br />

mit der Legende Rainer Werner<br />

Fassbinder „Nirgendwo in Afrika“ mit<br />

der dafür Oscar-preisgekrönten Regisseurin<br />

Caroline Link und unzählige andere<br />

Auftritte dieser Frau mit ihren vielen<br />

Gesichtern und Gebärden verblassen,<br />

wenn es um Pina Bausch geht.<br />

Obwohl die künstlerische Arbeit von<br />

Mechthild Großmann in Wuppertal keineswegs<br />

auf Pina Bausch beschränkt war<br />

und ist. Sie spielte im „Faust“ die Rolle<br />

der Marthe Schwerdtlein, die Hauptrolle<br />

in „Mutter Courage“ und wurde für ihr<br />

Ein-Personen-Stück „Wo meine Sonne<br />

scheint“ gefeiert.


<strong>Die</strong> Frau, die im Jahre 1975 eher<br />

plötzlich und unerwartet in das Leben<br />

von Mechthild Großmann trat, ist am<br />

30.Juni 2009 nicht nur aus ihrem Leben,<br />

sondern hoch verehrt und geachtet aus<br />

dem von Menschen in aller Welt geschieden:<br />

Pina Bausch. Unser Gespräch<br />

für diesen Text auf der Terrasse des<br />

Restaurants „Zur Alten Bergbahn“ in<br />

den Barmer Anlagen begann mit einem<br />

„Zum Wohle“ und dem Blick nach oben<br />

„auf die Lady.“ Schnelle Rückblende in<br />

das Jahr 1975. Mechthild Großmann<br />

spielte am Württembergischen Staatstheater<br />

in Stuttgart, zuvor in Bremen<br />

bei Kurt Hübner und am Bochumer<br />

Schauspielhaus. Der vom Thalia-Theater<br />

aus Hamburg nach Wuppertal gewechselte<br />

Kurzzeit-Intendant Hanno Lunin<br />

hatte am Schauspielhaus an der Kluse das<br />

Schiller-Trauerspiel „Kabale und Liebe“<br />

auf dem Spielplan, Premiere war am<br />

17.Januar 1976. Peter Striebeck führte<br />

Regie, Mechthild Großmann war für<br />

die Rolle der „Lady Milford“ vorgesehen.<br />

Gerd Mayen spielte die Rolle des<br />

Präsidenten von Walter, Erich Leukert<br />

den Hofmarschall von Kalb und Siemen<br />

Rühaak den Ferdinand. Auch der seit<br />

Jahren in vielen TV-und Bühnenproduktionen<br />

engagierte Siemen Rühaak zählte<br />

in seiner einzigen Rolle im Wuppertaler<br />

Schauspielhaus als „Ferdinand“ zur Besetzung<br />

des Schiller-Klassikers mit dem<br />

Bühnenbild von Hanna Jordan.<br />

Eher zufällig ist dabei Pina Bausch<br />

aufgetaucht und heute sagt Mechthild<br />

Großmann ehrlich: „Ich kannte sie nicht,<br />

war auch nie einem Stück von ihr gewesen.<br />

Sie suchte eine Sängerin und hat gefragt,<br />

ob ich das könnte. Schließlich habe<br />

ich den Surabaya Johnny von Brecht<br />

gewählt. Man musste mir aber den Text<br />

geben. Ich habe mich hinter dem Notenständer<br />

verkrochen und noch ein Bein<br />

hochzogen, damit man mich nicht sehen<br />

konnte.“ <strong>Die</strong> Kurzfassung: „Dann hat<br />

sie gefragt: wollen wir es versuchen?“ Für<br />

die damals 28-Jährige begann ein anderes<br />

Leben, als sie es jemals plante und gegen<br />

die Warnung von Kollegen „Im Ballett<br />

sieht dich kein Schwein mehr.“ Auch das<br />

war ein Irrtum.<br />

1979 ist Mechthild Großmann Bürgerin<br />

Wuppertals geworden. Immer mit Wohnungen<br />

in fußläufi ger Entfernung zu<br />

„Pinas Nest“ am Fingscheid in Unterbarmen.<br />

Weltweit unterwegs und gefeiert.<br />

Mit unzähligen kleinen und großen<br />

Erinnerungen. In Paris traf sie nach einer<br />

Vorstellung den damaligen Opern-Intendanten<br />

Rolf Liebermann wieder. 1968<br />

war er Intendant der Hamburger Staatsoper.<br />

Dort hatte Mechthild Großmann<br />

1968 in einer Tannhäuser-Inszenierung<br />

von Harry Meyen eine kleine Rolle, die<br />

der Studentin eine dankbar genommene<br />

Abendgage von 800 DM brachte. Mit<br />

Pina Bausch trat Mechthild Großmann<br />

in der Mailänder Scala auf und hat auf<br />

der großen Scala-Bühne einige wenige<br />

Zeilen gesungen. Sie traute sich auf der<br />

Bühne viel zu “denn bei Pina war ich<br />

mir immer sicher. Trotzdem habe ich<br />

mich bemüht, nur Dinge zu tun, die<br />

ich richtig kann. Dafür habe ich alles<br />

benutzt: den Kopf, die Haare, die Arme,<br />

die Beine und wenn ich Menschen<br />

spiele, dann muss man sie auch riechen<br />

können.“<br />

Zum Ende: die Todesnachricht der<br />

großen Pina Bausch hat ihr in Hamburg<br />

ihr Freund, der Tänzer Professor Lutz<br />

Förster telefonisch überbracht. Etliche<br />

Stunden vor der Information an die<br />

Öffentlichkeit. Trotzdem geht das Leben<br />

mit Pina Bausch weiter. Zu besonderen<br />

Anlässen trägt Mechthild Großmann<br />

ein Kleidungsstück von Pina Bausch.<br />

Eine leichte, sehr chice dunkle Jacke.<br />

Bei unserem Gespräch hat sie diese Jacke<br />

getragen. Auf die Lady.<br />

Klaus Göntzsche<br />

45


46<br />

Später Besuch<br />

Alter Friseurmeister<br />

<strong>Die</strong> Eingangspforte führt mich in eine andere Welt. Seltsame Stille umfängt mich.<br />

Aus meinem Alltag kehre ich zurück in dieses Haus, das Altenheim am Rande der Stadt.<br />

Ein Jahr ist vergangen. Ich erinnere mich an meine Fototermine, an die Gespräche und Begegnungen mit den Menschen, die hier wohnten.<br />

Sie leben nicht mehr.<br />

Ich nehme den Fahrstuhl in die dritte Etage, werfe einen Blick durch geöffnete Türen.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Zeit</strong> scheint sich zu verstecken. Zwischen Möbeln, Blumen und Fotoalben.<br />

An diesem Ort treffen sich Vergangenheit und Gegenwart.<br />

Meine Gedanken lasse ich treiben.<br />

Der Raum neben dem Speisesaal gehört einer vornehmen alten Dame, ehemals Primaballerina eines großen Theaters, das Zimmer gegenüber<br />

einem Friseurmeister, der begeistert über seine Arbeit redet. <strong>Die</strong> Nachbarin berichtet über ihre Flucht aus Ostpreußen im Winter 1945, die sie<br />

als junge Frau überstehen musste. Eine Bildhauerin, stark von Krankheit gezeichnet, kann ihre Gefühle nicht mehr in Worte fassen. Ihre Augen<br />

und Hände sprechen. Bald pendelt sie zwischen Wachen und Schlaf.<br />

Ich sehe die Heimbewohner vor mir. Ihre Freude, ihre Trauer. Sie haben geliebt, gelitten, gekämpft und geträumt. So wie wir.<br />

Erinnerungen werden mitgenommen auf die Reise in die Nacht. Manchmal ist es ein langsamer Abschied.<br />

Mit meinen Fotografi en habe ich versucht, Augenblicke ihres Lebens zu bannen, ihnen Dauer zu verleihen.<br />

In Ihren Gesichtern spiegelt sich gelebtes Leben. Jede Falte erzählt eine Geschichte.<br />

Einige Geschichten trage ich in mir. Ich bewahre sie.<br />

Vor dem Fenster pfeift nun ein kalter Wind. Nachdenklich verlasse ich dieses Gebäude, das mir durch meine Besuche vertraut geworden ist.<br />

<strong>Die</strong> Momente, die ich mit den alten Menschen verbringen konnte, kehren nicht wieder.<br />

Alles ist in Bewegung, an eine bestimmte <strong>Zeit</strong> gebunden. Das zu akzeptieren, fällt mir schwer. Neue Bewohner sind eingezogen. Wie lange<br />

werden sie bleiben...<br />

Foto und Text: Elisabeth Heinemann


Elisabeth Heinemann<br />

geboren in Zittau als Tochter von<br />

Pia-Monika Nittke und Willy Jähnig<br />

aufgewachsen in Meißen und Magdeburg,<br />

Schulzeit in Magdeburg (Abitur)<br />

Pädagogik-Studium in Erfurt (Kunst und<br />

Russisch), verheiratet, zwei Kinder<br />

seit 1993 Beschäftigung mit Fotografi e<br />

seit 1996 freiberufl iche Tätigkeit als<br />

Fotografi n<br />

zahlreiche Ausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen<br />

sowie Preise bei Fotowettbewerben<br />

Arbeit am Ausstellungsprojekt „außer<br />

gewöhnlich (Künstlerportraits)<br />

gemeinsames Ausstellungsprojekt „<strong>Die</strong><br />

Feinheit des Sehens” mit dem Maler und<br />

Grafi ker Willy Jähnig<br />

Veröffentlichungen (Auswahl)<br />

1999<br />

fotografi sche Gestaltung des Gedichtbandes<br />

„Poetic Allegories”, Pennsylvania, USA<br />

mit Prof. Claude R. Foster, Lyrik, und<br />

Pia-Monika Nittke, Nachdichtung und<br />

Vertonung<br />

2002<br />

Kalender „Von Frauen und Katzen” mit<br />

Gedichten von Torsten Olle<br />

2003<br />

Lyrik-Foto-Band „schon morgen ist alles<br />

anders”- mit Dorothea Iser<br />

2003<br />

Fotografi en für den Gedichtband „Trügerische<br />

Ruhe” von Pia-Monika Nittke<br />

2004<br />

Fotografi en für die Anthologie „Herz über<br />

Kopf”<br />

2005<br />

„Alte Liebe” - mit Dorothea Iser und<br />

Marcus Waselewski<br />

2005<br />

„Lebenswege Magdeburger Frauen in<br />

Porträts und Texten”<br />

2006 und 2009<br />

Fotografi en für die Gedichtbände „Zwölf<br />

Monde” und „Zwischentöne” von Pia-<br />

Monika Nittke<br />

2010<br />

Fotografi en für das Buchprojekt „<strong>Die</strong><br />

Facetten des Alter(n)s” von Prof. Gerd K.<br />

Schneider<br />

Weitere Informationen:<br />

www.elisabeth-heinemann.de<br />

Arbeitsscheuer Präsident<br />

„Zum ersten Male habe ich ihn in der<br />

Volkshochschule gesehen, im Philosophiekursus“,<br />

sagte seine Frau zu mir, als er<br />

gestorben war. „Er kam etwas später, ging<br />

an der Wand vorsichtig an den Sitzreihen<br />

vorbei, damit er niemanden anstieß, und<br />

da dachte ich: „Wat fürn lev Männeken!<br />

Den musste haben.“<br />

Damals waren beide etwa fünfzig Jahre<br />

alt, fi el mir ein. Es muss um 1966 herum<br />

gewesen sein.<br />

Er war etwa Vierzig, als ich ihn kennenlernte.<br />

Das war in einem Sprachkurs der<br />

Volkshochschule. Er war, wie man bei uns<br />

sagt, ein schmales Handtuch, nicht groß,<br />

immer bereit, in der Mitte ein wenig<br />

einzuknicken. Sein Gesicht war wie das<br />

eines Alien, falls Sie schon einen gesehen<br />

haben, tief liegende Augen, blass, dicke<br />

Brille, wenig Haare, ein kleiner Kopf, aber<br />

ein höfl iches Gesicht.<br />

Das war der Präsident, wie wir ihn also<br />

nannten, so liebten ihn alle, vor allem<br />

wegen seiner Diskretion und Bescheidenheit.<br />

Er konnte von sich behaupten, noch<br />

nie im Leben einen Beruf ausgeübt zu<br />

haben, aber er lebte in einem interessanten,<br />

alten Haus, das er von seinen Eltern<br />

geerbt hatte. Wovon er lebte? Ich glaube,<br />

er bekam eine kleine Waisenrente – als<br />

Beamtenkind -, denn die Ärzte hatten ihn<br />

von Jugend auf als arbeitsunfähig zertifi -<br />

ziert, als Neurastheniker.<br />

Und doch habe ich nie erlebt, dass er<br />

krank war. Oder schwach, denn das war<br />

er eigentlich auch nicht, bei unseren<br />

stundenlangen Spaziergängen hielt er<br />

tapfer mit.<br />

Ich denke nicht, dass dies der Diagnose<br />

der Ärzte widersprechen muss. Ein<br />

Simulant war er sicherlich nicht. Vielleicht<br />

hatte er gelernt, das zu tun, was er<br />

aushielt, vielleicht auch nur das, was er<br />

gerne tat und bei dem nicht die Gefahr<br />

des Versagens bestand.<br />

Manche meinten, er sei einfach arbeitsscheu,<br />

ein Mann, der bei seinen Eltern<br />

lebte, vormittags in die Stadt ging und im<br />

Schaukasten die <strong>Zeit</strong>ung las, einen langen<br />

Mittagsschlaf machte, dann einen kleinen<br />

Spaziergang, dann mit angespanntem Ge-<br />

sicht in seinem Zimmer vor dem Radio<br />

saß. Er sammelte außerdem Schiffsmodelle.<br />

<strong>Die</strong> standen in Regalen ringsum im<br />

Zimmer.<br />

An dieser Stelle muss ich einschieben,<br />

dass in kurzer Folge seine altgewordenen<br />

Eltern starben. Er blieb jeweils einige Tage<br />

von Gemeinsamkeiten fern, dann tauchte<br />

er wieder auf. Man merkte ihm nicht an,<br />

ob ihn der Tod der Menschen, die ihn<br />

sein Leben lang beschützt hatten, sehr<br />

getroffen hatte.<br />

Eines Tages kam er auch zu uns in den<br />

TURM. Für diesen Kreis brauchten wir<br />

eines Tages, als es schon mit der TURM-<br />

Arbeit zu Ende ging, einen Vorsitzenden,<br />

und er ließ sich tatsächlich überreden,<br />

diesen Posten zu übernehmen.<br />

Seitdem nannten wir ihn „Präsident“.<br />

Wir beide sahen uns oft. Mir kam das<br />

entgegen, denn ich war in dieser <strong>Zeit</strong> viel<br />

allein und war es nicht gerne. Er war so<br />

anhänglich und anpassungswillig, dass ich<br />

ihn sozusagen überall mitnehmen konnte,<br />

die Leute gewöhnten sich daran, dass er<br />

mich häufi g begleitete. Eine merkwürdige<br />

Kumpanei. Selten versuchte er, seinen<br />

Willen oder seine Wünsche durchzusetzen,<br />

aber es wäre falsch, zu sagen, dass<br />

man ihn nicht als Person respektierte.<br />

Schließlich war er ja ein durch und durch<br />

anständiger, bürgerlicher Mensch.<br />

Eine Führungsrolle übernahm er nie,<br />

auch nicht im TURM. Das wäre zu viel<br />

verlangt gewesen von einem Menschen,<br />

der nicht glaubte, im sozialen Gefüge<br />

irgendeine Rolle zu spielen. Er blieb<br />

bescheiden, und nie ließ er sich korrumpieren<br />

oder zu Liebedienereien hinreißen.<br />

Und noch eine Eigenschaft von ihm:<br />

Er sprach so gut wie nie von sich, aber<br />

er zeigte ein intensives Interesse an den<br />

Äußerungen anderer Leute.<br />

Es war meine <strong>Zeit</strong> langer und fast täglicher,<br />

gemeinsamer Spaziergänge. An den<br />

Wochenenden wurden Wanderungen daraus.<br />

Vielleicht wollte auch ich das Leben<br />

aufschieben. Es war auch die <strong>Zeit</strong> unserer<br />

Freundschaft. Er nahm Anteil an meinem<br />

Leben, ich an seinem.<br />

47


48<br />

Was uns hauptsächlich verband, waren<br />

die unzähligen langen Abendspaziergänge,<br />

die Wanderungen an Samstagen und<br />

Sonntagen – lehmgelbe Wege, Zäune,<br />

glitzernde Kuhaugen, spiegelnde Weiher,<br />

die geheimnisvolle grüne und bemooste<br />

Schönheit von Lichtungen, weiße Wolken,<br />

unter denen der Sommerwind fächelte;<br />

sprachlose Wanderungen meistens,<br />

aber ich behaupte, sie verbanden uns, die<br />

wir widerstands- und konfl iktlos miteinander<br />

durch die <strong>Zeit</strong> wanderten. Denn es<br />

vergingen Jahre.<br />

Tagsüber war ich im Büro einer mittelgroßen<br />

Versandfi rma, diktierte Briefe auf<br />

ein Gerät und kümmerte mich um die<br />

Werbung. <strong>Die</strong> bestand hauptsächlich<br />

aus Postwurfsendungen, die wir zunächst<br />

in meiner Abteilung kouvertierten. Aber<br />

das hielt uns alle sehr auf, und es war gut,<br />

dass ich einen ungewöhnlichen Einfall<br />

hatte.<br />

Nachdem ich mir die Genehmigung vom<br />

Geschäftsführer besorgt hatte, fragte ich<br />

den Präsidenten, ob er die Arbeit des<br />

Werbeversands nicht bei sich zu Hause<br />

erledigen könne, gegen Bezahlung,<br />

versteht sich. Der magere, blasse Präsident<br />

erkannte, dass er keine Aufseher und<br />

keine Kritiker haben würde, und er traute<br />

sich das Adressensammeln und Einschätzen<br />

von vermuteten Abnehmern zu, das<br />

Versenden natürlich auch.<br />

Aus dem angeblich arbeitsscheuen<br />

Präsidenten war bald eine hoch motivierte<br />

Arbeitskraft geworden. Niemand<br />

in der Firma arbeitete so präzise wie er.<br />

Bald war er die erste Adresse für jeden<br />

Mitarbeiter, wenn der etwas Detailliertes<br />

über Branchen oder Firmen und<br />

deren Umsätze oder Bedarf erfahren<br />

musste – der Präsident verfügte bald<br />

über eine Fülle von Wirtschaftsinformationen.<br />

Sobald er sich eingearbeitet hatte, wurde<br />

er auch sozial aktiv. Er verabredete sich<br />

mit einer zarten, leisen Lehrerin aus dem<br />

TURM – klingt merkwürdig, aber solche<br />

gab es – und traf sich einige Male mit ihr<br />

im Café. Er hat mir nie erzählt, was sie<br />

besprachen, aber es muss Missverständnisse<br />

gegeben haben, ich weiß aus einer<br />

kurzen Begegnung, dass sie ein empfi ndliches<br />

Seelchen war und sonst niemals<br />

Männer traf.<br />

Aber für den Präsidenten war es ein tiefes<br />

Erlebnis. Ein Mensch war durch ihn<br />

bewegt worden, vielleicht enttäuscht, vielleicht<br />

sogar erschüttert. Und er hatte das<br />

auf dem Gewissen! Ich tat mein <strong>Beste</strong>s,<br />

um ihn davon zu überzeugen, dass diese<br />

Lehrerin völlig ungeeignet für eine Gemeinschaft<br />

war. Ich weiß aber nicht, ob<br />

ihn irgend jemand überhaupt von irgend<br />

etwas überzeugen konnte. Er versteckte<br />

sich ja sein Leben lang auf eine unerhört<br />

höfl iche Art.<br />

Aber er hatte doch einen weiteren Schritt<br />

ins Leben getan, denke ich. Er hatte zu<br />

tun, er wurde gebraucht, er musste hier<br />

hin und dort hin – aber vor allem hatte<br />

er gefühlt, dass ein Mensch ein Vulkan ist,<br />

der ausbrechen kann. Und starke Gefühle<br />

können unerträglich sein. Das alles war<br />

vorher für ihn anders gewesen.<br />

Jetzt macht meine Erinnerung einen<br />

Sprung, der Präsident ist nicht mehr im<br />

Blickfeld, sondern die Szenen, in denen<br />

mein Lebens- und Berufsweg eine andere<br />

Richtung einschlug. Ich wechselte die<br />

Firma und zog in eine andere Stadt.<br />

Ich habe noch zu berichten, dass mein<br />

arbeitsscheuer, blasser, magerer, dünnknochiger<br />

Präsident in dem Jahr meiner<br />

Abwesenheit zum Leiter der EDV-Abteilung<br />

ernannt worden war und endlich<br />

sozialversichert. Mit Unterschriftsberechtigung.<br />

Ich glaube, er war der zuverlässigste<br />

und eifrigste Mitarbeiter geworden,<br />

dieser Eigenbrötler, der bis vor kurzem<br />

den Status Waisenkind innehatte; er, der<br />

nie direkt widersprach, der niemanden<br />

bewertete, der sich für zu unwichtig hielt,<br />

um zu erwarten, dass sich jemand um ihn<br />

kümmerte, er, dieser unendlich liebenswerte<br />

Mensch.<br />

Übrigens hatte er geheiratet. Eine ebenfalls<br />

dünnknochige, kleine Schneidermeisterin.<br />

Sie wurden ein glücklich turtelndes,<br />

betuliches Paar, er und die Frau, die, wie<br />

schon erwähnt, bei seinem ersten Anblick<br />

gedacht und gefühlt hatte: Wat fürn lev<br />

Männeken. Den musste haben.<br />

Schließlich hatte er aufhören müssen zu<br />

arbeiten, und nun war er krank, schlimmer<br />

noch, er war halbseitig gelähmt.<br />

Er hatte einen Schlaganfall gehabt, und<br />

danach verschlechterte sich sein Zustand<br />

rasch. Schließlich konnte er nicht mehr<br />

sprechen.<br />

Ich hörte davon. Als ich anrief, sagte mir<br />

seine Frau, dass ich ihn besuchen dürfe.<br />

Ich fuhr hin und fand ihn in seinem<br />

riesigen Ledersessel in einem kleinen<br />

Wohnzimmer. Es war im Reihenhaus<br />

seiner verstorbenen Eltern, ein Haus aus<br />

der <strong>Zeit</strong> vor dem ersten Weltkrieg, und<br />

die Zimmer waren sehr klein. Er war immer<br />

noch das kleine, graue Männlein mit<br />

den großen, wasserblauen Alien-Augen.<br />

Sprach nicht, blickte nur vor sich hin.<br />

Ich merkte, ich konnte nur mit seiner<br />

Frau sprechen, der Präsident schien aber<br />

aufmerksam zuzuhören. Ich sah aber, dass<br />

die beiden sich mühelos verständigten.<br />

Ob sie die ganze Pfl ege übernahm, ob ein<br />

Pfl egedienst kam, erfuhr ich nicht.<br />

Irgendwann sagte seine Frau etwas<br />

Hoffnungsvolles zu ihm, ich versuchte es<br />

auch, erinnerte an die alten <strong>Zeit</strong>en, wo<br />

wir Abend für Abend Gesundheitsspaziergänge<br />

machten, aber auch wundervolle<br />

Wochenend-Wanderungen. <strong>Die</strong> Wiesenwege<br />

im Bergischen Land tauchten auf,<br />

verlorene Paradiese, und dem Präsidenten<br />

rollten einige Tränen die Wangen herab.<br />

Ich nahm ihn in den Arm, drückte ihn<br />

an mich, und verabschiedete mich. Er sah<br />

mich stumm an, und dann liefen Tränen<br />

über sein Gesicht. Weinen konnte er<br />

noch.<br />

An der Haustür sagte ich zu seiner Frau<br />

etwas über die Kraft, die sie jetzt brauche<br />

– aber sie unterbrach mich: „Wir sind<br />

aber glücklich. Es ist so schön, dass ich<br />

ihn noch habe.“<br />

Ich war beschämt. Ich sah, hier gab es<br />

etwas, das stärker war als das Schlimmste.<br />

Karl Otto Mühl


Annäherungen an ein Porträt<br />

von Heiko Meins<br />

Einer, der sich engagiert.<br />

Neugierig geblieben ist und gerne seine<br />

Kenntnisse weitergibt an Kollegen und<br />

Freunde, Auszubildende oder –<br />

Stichwort Junioruni – an Kinder:<br />

Heiko Meins, geboren am 21. März 1969<br />

in Vohwinkel, arbeitet bei den Wuppertaler<br />

Stadtwerken (WSW), in deren Betriebsrat<br />

er seit der letzten Wahl Sitz und<br />

Stimme hat.<br />

Elektroniker, Geocacher, Dozent<br />

Im Westen der Stadt ist er aufgewachsen:<br />

Nach dem Besuch der Grundschule<br />

Elfenhang und der Hauptschule Alte<br />

Dorfstraße ging er bei den WSW in die<br />

Lehre, die er als Elektroanlageninstallateur<br />

und Energieanlagenelektroniker<br />

abschloss. Im Unternehmen durchlief<br />

er verschiedene Abteilungen und ist<br />

momentan als technischer Sachbearbeiter<br />

in der „Planung und Projektierung<br />

Strom“ beschäftigt. So gehörte es zu<br />

seinen Aufgaben, den voraussichtlichen<br />

Strombedarf der neuen Justizvollzugsanstalt<br />

in Ronsdorf zu ermitteln und zu<br />

überprüfen, welche neuen Leitungen<br />

zu bauen waren, damit nicht am Tag X<br />

die Lichter in der JVA an- und in der<br />

Umgebung ausgingen.<br />

Dabei kam ihm seine Weiterbildung<br />

zum staatlich geprüften Techniker<br />

(Fachrichtung Elektrotechnik) zugute,<br />

die er 2001 beendete. <strong>Die</strong>se Qualifi kation<br />

ist mit dem Fachabitur verbunden.<br />

Zwei Jahre zuvor hatte er schon die<br />

Berechtigung erworben, selber auszubilden.<br />

Kindern Grundkenntnisse der Elektronik<br />

zu vermitteln, macht ihm großen<br />

Spaß. Bisher hat er als Dozent an der<br />

Junioruniversität sieben bis zehn Jahre<br />

Auf der Weihnachtsfreier der SPD Heckinghausen-Heidt<br />

Foto: David Mintert<br />

alte Mädchen und Jungen auf eine Reise<br />

in die Elektrotechnik mitgenommen.<br />

„Wie kommt der Strom in die Steckdose?“<br />

hieß die Ausgangsfrage. Warum<br />

bleiben Haare am Kamm hängen? Das<br />

Phänomen kennt jeder, die Erklärung<br />

ist eine andere Sache. Heiko Meins<br />

demonstriert an einem Luftballon, an<br />

dem ein Wollschal gerieben wird, wie<br />

sich Elektronen bilden: Styroporkügelchen<br />

bleiben jetzt an dem Ballon<br />

hängen, die vorher, also ohne Reibung<br />

mit dem Schal, nicht gehaftet hätten.<br />

Komplexe Vorgänge anschaulich zu<br />

machen, ist sein Anspruch. <strong>Die</strong> Kinder<br />

sollen „keine Angst, aber Respekt“ vor<br />

technischen Abläufen haben, die ja auch<br />

bei Fehlbenutzung gefährlich werden<br />

können. Sein jüngster Kurs über Mikrocontrollerprogrammierung<br />

richtet sich<br />

an Zehn bis 14-Jährige. Mikrocomputer<br />

stecken heutzutage in jeder Waschmaschine<br />

oder jedem Handy, das Interesse<br />

ist schnell geweckt.<br />

<strong>Die</strong> Arbeit für die Junioruni ist ehrenamtlich.<br />

„Sie gibt mir sehr viel.“ Aus<br />

„Spaß an der Freude“ ist Meins auch<br />

Schöffe geworden. Einmal im Monat<br />

nimmt er an einer Gerichtsverhandlung<br />

teil. Bei der Konstellation „ein Richter,<br />

zwei Schöffen“ kann es durchaus<br />

49


50<br />

vorkommen, dass die Beisitzer den<br />

ausgebildeten Juristen überstimmen.<br />

Bei einem seiner letzten Fälle ging es<br />

um den <strong>Die</strong>bstahl von Thermomixgeräten,<br />

in denen, der Leser ahnt es schon,<br />

ebenfalls ein kleiner Mikrocomputer<br />

steckt, der ausgelesen werden kann und<br />

Auskünfte darüber gibt, wie lange solch<br />

ein innovativer Küchenhelfer benutzt<br />

worden ist und ob es sich beispielsweise<br />

um ein Vorführgerät handelt. Aus<br />

diesem „Fall“ lässt sich unter Weglassung<br />

von Namen und Daten durchaus<br />

lebendiger Unterricht gestalten.<br />

Nicht meckern, sondern anpacken,<br />

könnte sein Lebensmotto heißen, und<br />

so ließ er sich auch nicht lange bitten,<br />

als ihm sein SPD-Ortsverein nahelegte,<br />

für die Bezirksvertretung Heckinghausen<br />

zu kandidieren. Über seine Arbeit<br />

in dem Gremium berichtet er kontinuierlich<br />

auf seiner eigenen Internetseite<br />

www.heiko-meins.de. Erfreut konnte er<br />

bei einem der letzten – regelmäßig stattfi<br />

ndenden – Informationsstände seiner<br />

Partei feststellen, dass Öffentlichkeitsarbeit<br />

zu bestimmten <strong>Zeit</strong>en aufmerksam<br />

registriert wird: „Ihr seid die Einzigen,<br />

die sich auch, wenn keine Wahlen angesagt<br />

sind, blicken lassen.“<br />

Dem umtriebigen Meins sind auch<br />

in seiner Freizeit schweißtreibende<br />

Geocaching: beim Klettern (Nordpark<br />

Wuppertal) Foto: Michael <strong>Die</strong>derichs<br />

Tätigkeiten nicht fremd. Gemeinsam<br />

mit seiner Lebensgefährtin Claudia<br />

Schmidt, die im Einzelhandel beschäftigt<br />

ist, geht er regelmäßig in die<br />

Tanzschule: Standard und Latein sind<br />

die Disziplinen. Beide leben seit sieben<br />

Jahren zusammen. Dritter im Bunde ist<br />

eine Katze namens „Pünktchen“. Und<br />

beide frönen einer weitgehend noch<br />

unbekannten Lieblingsbeschäftigung,<br />

dem Geocaching.<br />

Dabei handelt es sich um eine „Schnitzeljagd<br />

per Satellit“, wie es in einer<br />

Reportage heißt, die in der WSW-<br />

Mitarbeiterzeitschrift „Kontakt“<br />

erschienen ist. Heiko Meins wurde zu<br />

diesem Zweck auf die Hardt begleitet,<br />

wo er mittels eines „Cashes“ und eines<br />

GPS-Empfängers eine kniffl ige Aufgabe<br />

zu bewältigen hatte. Das Gerät, das<br />

der Verarbeitung des global positioning<br />

systems, das vielen Autofahrern vom Navi<br />

her ein Begriff ist, dient, sieht aus wie<br />

ein in die Jahre gekommenes Handy und<br />

ist das wichtigste Werkzeug des „Schatzsuchers“.<br />

<strong>Die</strong> Koordinaten des Caches holt sich<br />

der Interessent von bestimmten Seiten<br />

im Internet, die www.geocaching.de oder<br />

ähnlich heißen. Ein Geocache ist in der<br />

Regel ein wasserdichter Behälter, in dem<br />

sich ein Logbuch, in das sich der Besucher<br />

einträgt, und kleine Gegenstände<br />

befi nden, beispielsweise eine CD oder<br />

DVD oder ein Buch, die man herausnimmt<br />

beziehungsweise tauscht.<br />

<strong>Die</strong> Kunst besteht darin, das Versteck zu<br />

fi nden, in dem der Cache deponiert ist.<br />

Bei komplizierteren Aufgaben müssen<br />

Koordinaten ermittelt werden, die zu<br />

weiteren Caches führen. <strong>Die</strong>ses moderne<br />

Schatzsucherspiel ist vor allem in den<br />

nordeuropäischen Ländern Dänemark,<br />

Finnland, Schweden und Norwegen<br />

stark verbreitet. Weltweit existieren 1,6<br />

Millionen „aktive Caches“, darunter<br />

über 200.000 in der Bundesrepublik.<br />

Heiko Meins arbeitet derzeit selbst an<br />

der Installierung eines solchen Verstecks,<br />

das, so viel verrät er schon jetzt, „mit der<br />

Geschichte Wuppertals“ zu tun hat.<br />

Für den Motorradfahrer und Jogger, der<br />

17 Jahre beim Deutschen Roten Kreuz<br />

tätig war, ist die moderne Schatzsuche<br />

„genau das richtige Hobby, weil ich<br />

dabei meine Leidenschaft für Technik,<br />

Elektronik und Informationsverarbeitung<br />

mit dem Bedürfnis, mich nach der<br />

Arbeit in der freien Natur zu bewegen,<br />

verbinden kann“. Hauptsache, man<br />

kann sich orientieren.<br />

Matthias Dohmen<br />

Geocaching in einem Einbahntunnel am Dahler Berg (Eisenbahnstrecke stillgelegt)<br />

Foto: Heiko Meins (Selbstauslöser)


Neue Kunstbücher<br />

Nichts als die Wahrheit<br />

vorgestellt von Thomas Hirsch<br />

Robert Capa, der als Endre Friedmann<br />

1913 in Budapest geboren wurde, ist eine<br />

Legende. Bis heute gilt er als der wichtigste,<br />

vielleicht einzig wirklich bekannteste<br />

Kriegsfotograf, auch weil er selbst seinem<br />

Metier zum Opfer gefallen ist, als er 1954<br />

in Indochina auf eine Mine trat. Capa fotografi<br />

erte für Agenturen den Spanischen<br />

Bürgerkrieg, die japanische Invasion<br />

in China, den Zweiten Weltkrieg und<br />

die Kriege in Palästina und Indochina.<br />

Zu einer <strong>Zeit</strong>, als die Fotokamera noch<br />

schweres Gepäck war, hat Capa Ikonen<br />

der Kriegsberichterstattung geschaffen.<br />

Aber er war auch Lebemann und Frauenheld.<br />

Eine gute, aus dem Französischen<br />

übersetzte und von Knesebeck verlegte<br />

Biographie von Bernard Lebrun und<br />

Michel Lefebvre geht all dem akribisch<br />

Bernard Lebrun, Michel Lefebvre: Auf den<br />

Spuren von Robert Capa, 264 S. mit 200<br />

üwg. s/w-Abb., Hardcover, 26 x 21,5 cm,<br />

Knesebeck, 39,95 Euro<br />

nach und versucht die Widersprüche und<br />

die Konsequenzen herauszuarbeiten. Vor<br />

allem ordnet sie Capa in seine <strong>Zeit</strong> ein<br />

und stellt den kulturellen Kontext her, in<br />

dem sich Capa virtuos bewegte. Und sie<br />

zeigt, dass Capa über die Kriegsberichterstattung<br />

hinaus das gesellschaftliche<br />

Leben und zeitgeschichtliche Ereignisse<br />

meisterlich fotografi ert hat. Das Buch<br />

konzentriert sich auf die <strong>Zeit</strong> in Paris, wo<br />

Capa Wohnsitz und Atelier hatte, welches<br />

nun gesichtet wurde. Hilfreich ist gewiss<br />

auch zu sehen, wie Capas Fotografi en in<br />

den Magazinen publiziert wurden. Schade<br />

ist, dass im Buch die eigentlichen und die<br />

begleitenden Fotografi en gleich behandelt<br />

werden und vor allem deshalb nur wenig<br />

von der Energie der eigentlichen Bilder<br />

rüberkommt. Aber: Gut und lebhaft<br />

geschrieben!<br />

Hier hilft ein anderes Buch weiter.<br />

Robert Capa, 96 S. mit 33 s/w und 10<br />

Farbabb., Hardcover, 36 x 26,5 cm, Stern<br />

Portfolio <strong>Nr</strong>. 66. TeNeues, 18,- Euro<br />

TeNeues hat in seiner Reihe der Stern<br />

Portfolio zu den großen Fotografen nun<br />

den Band zu Robert Capa aufgelegt. Dort<br />

ist Robert Capa nahezu ausschließlich<br />

Kriegsberichterstatter. <strong>Die</strong> Bilder haben<br />

nun die Größe und Wucht, um etwas von<br />

dem Schockierenden zu vermitteln, das<br />

sie zum <strong>Zeit</strong>punkt ihrer Veröffentlichung,<br />

inmitten der Konfl ikte, zweifelsohne<br />

besaßen. Zumal durch die doppelseitigen<br />

Aufnahmen erschließt sich, was die Qualität<br />

von Capas Fotos ausmacht, die genau<br />

die Sekunde festhalten, die berührt. Und<br />

in anderen Aufnahmen wendet er sich<br />

den Details am Rande zu. Beide Bücher<br />

zusammen runden das Wissen um Capa.<br />

Vielleicht ist der Schweizer Fotograf und<br />

Maler Jakob Tuggener (1904-1988) in<br />

seiner Intensität dem verwandt. Seine<br />

s/w-Bildfolge „Fabrik“ enthält nicht nur<br />

Maschinen- und Fabrikaufnahmen sondern<br />

zeigt auch die Arbeiter in ganzseitigen<br />

Porträts sowie Ansichten der Natur,<br />

und zwar in einer expressiv subjektiven<br />

Bildsprache, die etwas unterschwellig<br />

Bedrohliches besitzt: Es war das Jahr 1943<br />

und die Schweiz produzierte unbehelligt<br />

Waffen für den Zweiten Weltkrieg. Tuggener<br />

hat riesige Zahnräder aus der Nähe<br />

aufgenommen, eine Lokomotive verschwindet<br />

im Rauch, die hoch aufragende<br />

Backsteinfront einer Fabrikhalle nimmt<br />

das ganze Format ein. Aber plötzlich<br />

bahnt sich die Gischt eines Gebirgsbaches<br />

einen Weg zwischen den Felsen.<br />

<strong>Die</strong> Dramaturgie ist – wie die Bilder<br />

selbst – meisterlich. Aber kaum jemand<br />

in der Schweiz wusste beim Erscheinen<br />

die Kritik zu verstehen, schon bald geriet<br />

das Buch in Vergessenheit. Großartig,<br />

dass es endlich mit Unterstützung der Jak<br />

Tuggener Stiftung als Faksimile bei Steidl<br />

wieder aufgelegt wurde, schon die Haptik<br />

des Papiers, welche das Schwarz vertieft,<br />

ist ein Genuss.<br />

Tuggener selbst sprach übrigens von einem<br />

„Bildepos“, das und seine Hinwendung<br />

zu Fragen der Zivilisation hat er mit dem<br />

so ganz anderen Künstler Dan Graham<br />

gemeinsam. <strong>Die</strong> Fotografi e ist der<br />

wahrscheinlich am wenigsten bekannte<br />

Teil von Grahams Werk, das vor allem<br />

Objekte, Installationen und popkultur-<br />

und gesellschaftsanalytische Texte umfasst.<br />

Jak Tuggener, Fabrik, Ein Bildepos der<br />

Technik, 104 S. mit 95 s/w Abb., Leinen<br />

mit Schutzumschlag, 30 x 22 cm, Steidl,<br />

Faksimile der Originalausgabe von 1943,<br />

65,- Euro<br />

51


52<br />

Dan Graham’s New Jersey, englisch, 192 S.<br />

mit 110 Farbabb., geb. in Leinen, 26 x 19<br />

cm, Lars Müller Publishers, 45,- Euro<br />

Damit gehört Dan Graham (geb. 1942) zu<br />

den einfl ussreichsten US-amerikanischen<br />

Künstlern. Ein Fokus seiner Arbeit liegt auf<br />

den Riten und Formen des Bürgerlichen.<br />

Das ist nun auch das Thema der farbfotografi<br />

schen Serien „Homes for America“,<br />

die Graham in der zweiten Hälfte der<br />

1960er Jahre aufgenommen hat, und des<br />

inhaltlich daran anschließenden Projektes<br />

„Dan Graham’s New Jersey“ aus dem Jahr<br />

2006. Beides fasst nun ein grandioses Buch<br />

zusammen, für das er eine konzentrierte dialogische<br />

Auswahl getroffen hat – mitunter<br />

kehren die frühen Orte und Motive später<br />

wieder. Zu sehen sind gutbürgerliche Einfamilienhäuser,<br />

Plätze und Straßensituationen<br />

an der urbanen Peripherie, wobei sich<br />

Graham für Oberfl ächen, Fassaden und<br />

Architekturstrukturen interessiert. In den<br />

frühen Fotografi en geht er extrem nahe<br />

heran und arbeitet mit Unschärfen und<br />

Spiegelungen. 2006 ist es immer noch der<br />

gleiche Blick, der banale Funktionalitäten<br />

fokussiert, aber Graham wahrt nun mehr<br />

die Übersicht und zeigt das Ganze. Übrigens<br />

hat Graham einzelne der Fotografi en<br />

kommentiert, lapidar, trocken. Fotografi e<br />

ist hier kein autarkes Ereignis, sondern<br />

kontextorientiertes Medium zur Analyse.<br />

Das Buch aber, das Lars Müller Publishers<br />

daraus gemacht hat, gehört (obzwar leider<br />

nur in Englisch) mit zu den schönsten<br />

und besten auf dem Kunstbuch-Markt der<br />

letzten <strong>Zeit</strong>.<br />

Was ist aus der „eigentlichen“ Fotografi e<br />

geworden, die im 19. Jahrhundert mit<br />

dem Anspruch angetreten ist, in einzelnen<br />

prägnanten Bildern aufrichtig nichts als die<br />

Wahrheit zu vermitteln? Bei Capa ist sie<br />

von einer bestimmten Intention gesteuert<br />

(und unterliegt bei ihm sogar der Vermutung<br />

gestellter Aufnahmen), bei Tuggener<br />

Cindy Sherman, Das Frühwerk 1975-<br />

1977, 374 S. mit 240 Duplex- und 44<br />

Farbabb., geb. mit Schutzumschlag, 28,5 x<br />

23 cm, Hatje Cantz, 58,- Euro<br />

Kultur, Information und Unterhaltung im Internet<br />

Täglich neu – mit großem Archiv<br />

Literatur – Musik – Bühne – Film – Feuilleton – Museen – Comic – Fotografi e – Reise<br />

Unabhängig, werbefrei und ohne Maulkorb<br />

www.musenblaetter.de<br />

verfügt sie über einen Subtext, der das<br />

fotografi sch Ansichtige in Frage stellt. Mit<br />

der Autonomie als Kunstform und der Nobilitierung<br />

konzeptueller Verfahren aber ist<br />

alles möglich. Dan Graham behandelt die<br />

Fotografi e als Referenzmaterial. Und Cindy<br />

Sherman (geb. 1954) setzt sie bewusst<br />

zur Camoufl age ein: Sie ist Regisseurin,<br />

Kostümbildnerin und Akteurin vor und<br />

hinter der Kamera. Sie inszeniert Bilder,<br />

die bedeutungsschwanger, erzählerisch und<br />

verstörend sind. Einziger Gegenstand ihrer<br />

Aufnahmen ist sie selbst in Verkleidungen,<br />

auch die Anmutung als Bild wechselt –<br />

dazu hat Sherman ein Repertoire entwickelt,<br />

das immer weitere Kreise zieht. Wie<br />

sehr dieses schon zu Beginn ihres künstlerischen<br />

Tuns ausdifferenziert ist, das zeigt<br />

nun der Werkkatalog der Jahre 1975-77,<br />

erschienen bei Hatje Cantz. Das Frühwerk<br />

wird hier minutiös aufgeblättert; zu sehen<br />

sind Cutouts inszenierter, verkleideter Figuren,<br />

die nun an der Ausstellungswand ein<br />

Theaterstück aufführen, wobei Sherman<br />

selbst alle Rollen einnimmt. Es gibt Tableau<br />

mit Porträts, die sich unmittelbar aufeinander<br />

beziehen, oder sukzessive Serien ein<br />

und derselben fotografi erten Person, wobei<br />

lediglich Körperhaltung und Mimik differieren.<br />

Vieles aus dem späteren Programm<br />

ist schon da zu sehen und deswegen ist<br />

dieses Buch so wichtig für die Rezeption<br />

von Shermans weltweit geschätztem Werk.<br />

Auch ihre soziokulturellen Themen liegen<br />

bereits vor; mit diesen behandelt Sherman<br />

Fragen der weiblichen Identität und der<br />

Entstehung von Klischees und Rollenbildern<br />

in unserer Gesellschaft und geht<br />

der emotionalen Wirkung fotografi scher<br />

Bilder nach. Fotografi e erweist sich bei ihr<br />

als indirektes Medium, ohne an Direktheit<br />

einzubüßen – aus diesem brisanten Wechselverhältnis<br />

erwächst bedeutende Kunst.


Geschichtsbücher, Buchgeschichten<br />

Vorgestellt von Matthias Dohmen<br />

Einen zu Unrecht vergessenen deutschen<br />

Spitzenpolitiker stellt Dr. Hildegard Wehrmann<br />

in ihrer wissenschaftlichen Biographie<br />

„Hermann Pünder“ vor. Der in Trier<br />

geborene Jurist war schon in frühen Jahren<br />

Staatssekretär unter Luther, Marx, Müller<br />

und Brüning sowie Regierungspräsident<br />

in Münster, in der jungen Bundesrepublik<br />

dann Oberbürgermeister von Köln<br />

und Oberdirektor der Bizone respektive<br />

Trizone. In der Weimarer <strong>Zeit</strong> Mitglied<br />

der Zentrumspartei, gehörte er nach 1945<br />

zu den Mitbegründern der CDU und<br />

engagierte sich an exponierter Stelle für<br />

Europa. Nach dem 20. Juli 1944 wurde er<br />

verhaftet und in den Konzentrationslagern<br />

Buchenwald und Dachau drangsaliert. Zu<br />

unterschiedlichen <strong>Zeit</strong>en gehörte er dem<br />

nordrhein-westfälischen Landtag, dem<br />

Deutschen Bundestag und dem Europaparlament<br />

an. Sohn seiner <strong>Zeit</strong>, sah er die<br />

„bolschewistische Weltanschauung“ als fulminante<br />

Bedrohung gerade des westlichen<br />

Deutschland. Auch wenn das ständige<br />

Einrücken von Zitaten den Lesefl uss mitunter<br />

hemmt: Dem beachtenswerten Werk<br />

ist eine große Verbreitung zu wünschen.<br />

Hildegard Wehrmann, Hermann Pünder<br />

(1888-1976). Patriot und Europäer, Essen:<br />

Klartext 2011 (= Düsseldorfer Schriften<br />

zur Neueren Landesgeschichte und zur<br />

Geschichte Nordrhein-Westfalens, Bd. 85).<br />

523 S., 49,95 Euro<br />

Der Wahrheit eine Gasse. In seiner außergewöhnlich<br />

materialreichen und auch<br />

noch gut geschriebenen Untersuchung<br />

„Nicht ermittelt“ weist der Historiker<br />

und Journalist Dr. Stefan Klemp nach,<br />

dass trotz erwiesener systematisch begangener<br />

Gräueltaten „Angehörige der<br />

Ordnungspolizei und insbesondere von<br />

Polizeibataillonen systematisch von einer<br />

Strafverfolgung ausgenommen worden<br />

sind“. Einer dieser Schergen schrieb<br />

1941 über seine Verwendung an einem<br />

osteuropäischen Schauplatz an seine Frau:<br />

„<strong>Die</strong> Juden werden gänzlich ausgerottet.<br />

Liebe Hannah, mach dir keine Gedanken<br />

drüber. Es muss sein. Und dem Rüdiger<br />

nichts davon erzählen, später mal.“ Des<br />

Sohnes Altersgenossen ging es weniger<br />

kommod: „Helm. F. und ich haben einen<br />

Juden und jeder eine Jüdin, die eine ist<br />

15 und die andere 19 Jahre alt, die eine<br />

heißt Eide und die andere Chahwa. <strong>Die</strong><br />

machen für uns alles, was wir wollen“<br />

(sämtliche Zitate S. 7 f.).<br />

Es kam im Westen, dem Eldorado hoher<br />

und höchster NS-Polizeioffi ziere, zu<br />

ganzen 17 Verurteilungen, in der DDR<br />

dagegen zu 26 (S.10). Das wird zu gerne<br />

vergessen.<br />

Stefan Klemp, „Nicht ermittelt“. Polizeibataillone<br />

und die Nachkriegsjustiz – Ein<br />

Handbuch, Essen: Klartext 22011 (= Villa<br />

ten Hompel, Bd. 5). 601 S., 39,95 Euro<br />

Ein Tabuthema, gewiss. Aber ein Autor,<br />

der als international renommierter<br />

Palliativmediziner und in der Philosophie<br />

von Seneca bis Schopenhauer bewanderter<br />

Mann „Über das Sterben“ schreibt<br />

und, wie es schon im Vorwort heißt, den<br />

Menschen „ein Stück weit“ die „Angst vor<br />

einem qualvollen Sterben“ nehmen will,<br />

weil Panik zu einer Art sich selbst erfüllender<br />

Voraussage werde, wie es Prof. Dr.<br />

Gian Domenico Borasio in seinem Vorwort<br />

formuliert.<br />

Das Buch ist im besten Sinne populärwissenschaftlich<br />

und bietet desungeachtet<br />

einen Anmerkungsapparat sowie eine<br />

Liste nützlicher Internetseiten. Nicht das<br />

Sterben sei das Problem, zitiert er eine<br />

britische Ärztin, sondern „festzustellen,<br />

dass man nicht gelebt hat“.<br />

„Was wissen wir über das Sterben?“, heißt<br />

das erste Kapitel. Der Autor beschäftigt<br />

sich ferner mit den Orten, an denen man<br />

zu Tode kommt (Krankenhäuser, Hospize,<br />

zu Hause), mit den Dingen, die der<br />

Mensch am Lebensende benötigt (medizinische<br />

Therapie, psychosoziale Begleitung,<br />

spirituelle Begleitung, allem gemeinsam:<br />

Kommunikation), Vorsorge, Sterbehilfe<br />

und dem „Geschenk der Palliativmedizin“.<br />

Gian Domenico Borasio, Über das Sterben.<br />

Was wir wissen – Was wir tun können –<br />

Wie wir uns darauf einstellen, München:<br />

Beck 2012.207 S., 17,95 Euro<br />

53


54<br />

Daniel Glattauers E-Mail-Dialog<br />

„Gut gegen Nordwind“<br />

im TiC-Theater Wuppertal<br />

Regie: Ralf Budde<br />

Bühne: Iljas Enkaschew<br />

Kostüme: Wiebke Fichte<br />

Besetzung:<br />

Petra Koßmann als Emmi Rothner<br />

und André Klem als Leo Leike<br />

unten links:<br />

Petra Koßmann als Emmi Rothner<br />

unten rechts:<br />

André Klem als Leo Leike<br />

Fotos: Martin Mazur<br />

Angenagte Herzen<br />

Nicht neu, aber originell<br />

Es ist im <strong>Zeit</strong>alter der E-Post offenbar<br />

beinahe unmöglich, ein <strong>Zeit</strong>schriften-<br />

Abonnement zu kündigen, zumindest<br />

wenn man sich konsequent bei der<br />

elektronischen Adresse vertippt. Das<br />

passiert Emmi Rothner (Petra Koßmann),<br />

als sie das LIKE-Magazin abbestellen will<br />

und durch einen permanenten Tippfehler<br />

immer wieder im PC-Postfach des Kommunikationsberaters<br />

und Sprachpsychologen<br />

Leo Leike (André Klem) landet. <strong>Die</strong><br />

gleichermaßen charmant unterhaltsame<br />

wie dramatisch überzeugende Geschichte,<br />

die Daniel Glattauer aus der nicht<br />

gänzlich neuen Idee („The Shop around<br />

the Coner“/“E-Mail for you“) entwickelt<br />

hat, wurde von Ralf Bude mit sicherer<br />

Hand auf zweigeteilter Bühne im Wuppertaler<br />

TiC-Theater in Szene gesetzt.<br />

Aus dem anfangs schnippischen, wenn<br />

auch neugierigen Austausch von Belanglosigkeiten<br />

entsteht bald ein reger Dialog<br />

zweier Menschen, die sich nicht kennen,<br />

aber ganz offenbar das Bedürfnis haben,<br />

sich jemandem zu öffnen. Spitzfi ndig,<br />

wortreich, humorvoll, ironisch – ja, auch<br />

frivol, entwickelt sich das ewige Spiel der<br />

Geschlechter, wobei Emmi jene ist, die<br />

dabei die Köder auslegt, welche von Leo<br />

zu gerne geschluckt werden.<br />

Petra Koßmann zieht alle Register<br />

Ist Emmi wirklich verheiratet, wie sie im<br />

Moment der ersten Möglichkeit einer<br />

wirklichen Begegnung behauptet? Hat<br />

sie Angst vor einem „richtigen“ Kontakt?<br />

Und schiebt das zum Schutz vor? Es sieht<br />

ganz so aus, denn natürlich ist sie nicht<br />

verheiratet, mutmaßt der Zuschauer,<br />

die Zuschauerin, werden doch Emmis<br />

Avancen beim zweiten Anlauf intimer,<br />

erotischer. Leo hingegen räumt seine<br />

Schwachstelle, seine „Ex“ Marlene offen<br />

ein, die ihm auch jetzt noch im Kopf<br />

herumspukt. Wer und was beide aber<br />

sind, wissen sie geschickt voreinander<br />

zu verbergen, wobei Emmi den Schleier<br />

dichter hält als Leo. Während Leos<br />

verliebtes Emmi-Dossier wächst, spielt


Emmi ihr Spiel – durchaus durchtrieben<br />

und gelegentlich sogar ein bißchen<br />

perfi de. Petra Koßmann, eine brillante<br />

Charakterdarstellerin, deren „Fräulein<br />

Else“, „Iphigenie“, „Camille Claudel“<br />

oder die „Blanche“ in „Endstation Sehnsucht“<br />

noch vital in Erinnerung sind, zog<br />

alle Register der Schauspielkunst, ließ<br />

dabei die tiefe Emotionalität erkennen,<br />

die in der scheinbaren Leichtigkeit des<br />

Stoffes liegt. So wie ihre Emmi ziemlich<br />

durchtrieben ihr Mail-Gegenüber Leo<br />

bei gelegentlichem Wechsel des Kräfteverhältnisses<br />

über die entscheidenden<br />

Strecken des Stückes führt, hatte auch<br />

Petra Koßmann mit brillanter Sprache,<br />

Körpersprache und Mimik stets den<br />

Faden des Geschehens in der Hand. Ob<br />

schmelzend sehnsuchtsvoll oder verführerisch<br />

lockend, fordernd zornig oder<br />

melancholisch betrübt, verzagt ängstlich<br />

oder forsch geradeaus, provozierend<br />

erotisch oder abwartend zögerlich – sie<br />

beherrscht nicht nur ihren (linken) Teil<br />

der Bühne (Iljas Enkaschew).<br />

Angenagte Herzen<br />

Fast unmerklich entwickelt sich der elektronische<br />

Flirt zu einer wenn auch berührungslosen,<br />

aber doch handfesten Affäre<br />

mit unverhüllten erotischen Begehrlichkeiten,<br />

schäumender Eifersucht, vorbehaltlosen<br />

Liebesgeständnissen „Leo, Sie sind<br />

phantastisch gut gegen Nordwind!“ und<br />

unverhüllten Angeboten – wobei die<br />

erotischen Impulse genauso wie die kalten<br />

Duschen von Emmi ausgehen. <strong>Die</strong> dramatische<br />

Wendung tritt mit einer aus dem<br />

Off gelesenen Mail von Emmis Ehemann<br />

Bernhard an Leo ein Er existiert tatsächlich,<br />

ebenso wie offenbar die Kinder des<br />

Paares. Doch hier gelingt es Glattauer nicht<br />

ganz, die eigene Vorgabe spritziger Intelligenz,<br />

mit der er den Stoff angegangen ist,<br />

zu halten – es wird verstörend kitschig,<br />

wenn auch notwendig für die Katharsis.<br />

Leos Lage wird unhaltbar. André Klem<br />

vermittelt den Schockzustand, in den Leo<br />

dadurch tritt, nachvollziehbar. Doch auch<br />

trotz seines festen Entschlusses, von Emmi<br />

zu lassen, die für die Phase des ersten<br />

Erschreckens ebenfalls Abstand zu nehmen<br />

vorhat, läßt sich Leo erneut auf das Spiel<br />

mit dem Feuer ein, erliegt der – Verzeihung<br />

meine Damen – typisch weiblichen Manipulation<br />

Emmis in typisch – Verzeihung<br />

meine Herren – männlicher Bereitschaft,<br />

sich verführen, überreden zu lassen. <strong>Die</strong><br />

verhängnisvolle Affäre steuert unter großer<br />

Spannung auf eine Entscheidung zu…<br />

Dramatisches Kammerspiel<br />

Ralf Budde hat das sich dramatisch zuspitzende<br />

Kammerspiel auf der originellen<br />

Bühne in großer Dichte umgesetzt und<br />

dabei vor allem mit Petra Koßmann, einer<br />

mit allen Wassern gewaschenen Schauspielerin<br />

einen wirklichen Glücksgriff<br />

getan. Gelegentliche Unsicherheiten bei<br />

ihrem Partner André Klem werden sich in<br />

der Praxis der Aufführung abschleifen.<br />

Weitere Informationen unter:<br />

www.tic-theater.de<br />

Frank Becker<br />

55


56<br />

Bei Vermögensübertragungen<br />

geht es immer<br />

um die Fragen, ob, wie, wann<br />

und an wen Sie Ihr Vermögen<br />

übertragen wollen. Wir unterstützen<br />

Sie, Ihre persönlichen<br />

Ziele der lebzeitigen und/oder<br />

letztwilligen Vermögensübertragung<br />

konkret zu ermitteln.<br />

Wir stellen sicher, dass die Umsetzung<br />

Ihrer Übertragungsziele<br />

steueroptimiert erfolgt, die<br />

rechtlich-formalen Wirksamkeitsvoraussetzungen<br />

eingehalten<br />

werden und sorgen auch auf<br />

Wunsch für flexible künftige<br />

Anpassungsmöglichkeiten.<br />

Dr. Jörg Steckhan<br />

RA/WP/StB<br />

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RINKE TREUHAND GmbH Wirtschaftsprüfungs-/Steuerberatungsgesellschaft<br />

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www.rinke.eu Unternehmensberatung – Steuerberatung – Wirtschaftsprüfung<br />

Kulturnotizen<br />

Museum Ludwig<br />

Ausstellung David Hockney<br />

27. Oktober 2012 - 3. Februar 2013<br />

Seine Swimmingpool-Paintings gehören<br />

zu den populärsten Bildformeln der<br />

1960er Jahre. Als schillernde Figur des<br />

„Swinging London“ und Bildchronist<br />

eines coolen Californian Way of Life<br />

wurde David Hockney weltbekannt, aber<br />

auch mit seinen einfühlsamen Porträts,<br />

meisterhaften Stillleben oder Lanschaftsgemälden,<br />

Fotocollagen, Bühnenbildern<br />

und intelligenten Verarbeitungen<br />

kunstgeschichtlicher Phänomene hat er<br />

seit Jahrzehnten einen Platz unter den<br />

bedeutendsten Künstlern der Gegenwart.<br />

David Hockney „The Arrival of Spring in<br />

Woldgate, East Yorkshire in 2011 (Twenty<br />

Eleven) - 2 January 2011!“ (1 Zeichnung<br />

aus einem 52 -teiligen Werk), Zeichnung<br />

auf Papier 144,14 x 107,95 cm<br />

© David Hockney<br />

Öffnungszeiten<br />

<strong>Die</strong>nstag bis Sonntag: 10 – 18 Uhr, jeden<br />

ersten Donnerstag im Monat: 10 – 22 Uhr<br />

www.museum-ludwig.de<br />

Museum Folkwang<br />

Im Farbenrausch - Munch, Matisse<br />

und die Expressionisten<br />

29. September 2012 - 13. Januar<br />

2013<br />

Das Museum Folkwang widmet<br />

einem der spannendsten Kapitel der<br />

Kunst des frühen 20. Jahrhunderts eine<br />

einzigartige Ausstellung. Sie stellt erstmals<br />

die „Fauves“, die sogenannten Wilden in<br />

der französischen Kunst, Henri Matisse,<br />

André Derain, Maurice de Vlaminck, den<br />

Norweger Edvard Munch und die jungen<br />

deutschen und russischen Expressionisten<br />

wie Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel,<br />

Alexej von Jawlensky, Wassily Kandinsky,<br />

Gabriele Münter und Franz Marc einander<br />

gegenüber. <strong>Die</strong> Fauves vollzogen eine<br />

grundlegende Neuerung, sie defi nierten<br />

in ihren Bildern das Verhältnis zwischen<br />

Natur und Kunst neu und ließen den<br />

Bildraum aus dem kraftvollen Zusammenwirken<br />

der Farben entstehen.<br />

Max Pechstein<br />

Sitzendes Mädchen / Sitzender weiblicher<br />

Akt, 1910, Staatliche Museen zu Berlin,<br />

Nationalgalerie<br />

© 2012 Pechstein, Hamburg/Tükendorf<br />

© Foto: Staatliche Museen zu Berlin,<br />

Nationalgalerie, Roman März<br />

André Derain, Vue de Collioure, 1905,<br />

Collioure. Das Dorf und das Meer<br />

Museum Folkwang, Essen<br />

© VG Bild-Kunst, 2011<br />

© Foto: Museum Folkwang, 2011<br />

Öffnungszeiten:<br />

Di bis So 10-20 Uhr, Fr 10-22.30 Uhr<br />

Montags geschlossen<br />

www.museum-folkwang.de/ausstellungen


im Skulpturenpark Waldfrieden, Wuppertal<br />

KUNST. MUSIK. NATUR.<br />

Im vierten Jahr bietet die Konzertreihe<br />

KlangArt im Skulpturenpark in der<br />

Sommerzeit 2012 mit sieben Konzerten<br />

in internationaler Besetzung ein Spektrum<br />

von zeitgenössischem Jazz, Improvisierter<br />

Musik und Weltmusik.<br />

Konzerte im August<br />

Samstag 18. > 19 Uhr > OPEN AIR ><br />

Jazz goes HipHop <<br />

SQUEEZEBAND<br />

Chico Freeman, Saxofon - Dany Martinez,<br />

Gitarre - Michel Alibo, Bass - Nino G., Beatbox<br />

- Reto Weber Schlagzeug, Perkussion<br />

<strong>Die</strong> „Squeezeband“ ist ein Projekt des<br />

Schweizer Perkussionisten Reto Weber. Mit<br />

dem Vocalisten NINO G, der zur Weltklasse<br />

der Beatboxszene gehört, hat er das<br />

Squeezeprojekt auf einen neuen Level gehoben.<br />

Er lud weitere seiner Freunde ein, allen<br />

voran Chico Freeman aus den USA. Neu in<br />

der Squeezeband sind auch der Gitarrist und<br />

Komponist Dany Martinez aus Cuba sowie<br />

Michel Alibo aus Martinique am Bass.<br />

Sonntag 19. > 19 Uhr > OPEN AIR<br />

> Ukuba Noma Unkungabi <<br />

JASPER VAN’T HOF‘s PILI PILI<br />

Jasper van‘t Hof Keyboards, Piano - Tutu<br />

Puoane, Gesang - Tineke Postma, Saxofon<br />

- Vasile Darnea, Violine - Anton Peisakhov<br />

Cello - Nic Thijs, Bass - Dra Diarra, Perkussion,<br />

Kora<br />

Der niederländische Pianist und Komponist<br />

Jasper van’t Hof verfolgt ein besonderes<br />

Interesse an afrikanischer Musik, das zur<br />

Zusammenarbeit mit afrikanischen Musikern<br />

und zur Gründung der Gruppe „Pili<br />

Pili“ führte.<br />

www.skulpturenpark-waldfrieden.de<br />

Kunstsammlung NRW<br />

Thomas Schütte – Wattwanderung<br />

noch bis zum 9. September 2012<br />

K21 Ständehaus<br />

Das Werk Wattwanderung setzt sich<br />

aus 138 einzelnen Radierungen zusammen,<br />

die auf einer Spannleine aufgehängt<br />

sind. Der Titel unterstreicht die Idee<br />

des Wanderns und des Entdeckens. Das<br />

Bildnis des Meeres assoziiert Ebbe und<br />

Flut, die Bewegung von einem Bild zum<br />

anderen. <strong>Die</strong> Motive bestehen zum großen<br />

Teil aus Portraits, Frauen und Blumen,<br />

Themen, die sich seit vielen Jahren wie<br />

Leitfäden durch das Oeuvre von Thomas<br />

Schütte (geboren 1954, lebt in Düsseldorf)<br />

ziehen. <strong>Die</strong> einzelnen Blätter verstehen<br />

sich auch als eine Art Tagbuch, in<br />

dem der Künstler 2001 die dramatischen<br />

und die banalen Geschehnisse des Alltags<br />

festhält.<br />

Thomas Schütte, Wattwanderung, No. 122,<br />

2001, Kupferstich, 32 x 44 cm, Kunstsammlung<br />

Nordrhein-Westfalen, erworben<br />

2004, © VG Bild-Kunst, Bonn 2012<br />

Foto: © Kunstsammlung NRW<br />

Viele der Radierungen sind mit Wörtern<br />

untermalt. Durch diese Wortspiele<br />

wirft der Künstler ernste Themen und<br />

Fragen auf: „Desaster des Friedens“, „Wie<br />

sieht eine Seele aus“, „Ground zero wie<br />

geht es weiter“ oder „Atmen nicht vergessen“.<br />

<strong>Die</strong> unterschiedlichen Bilder und<br />

Wörter lösen Assoziationen aus; Bilder aus<br />

der eigenen Welt werden wachgerufen.<br />

Durch die Reise zwischen den Bildern<br />

entfaltet sich die passive Bildanschauung<br />

zu einer aktiven Bildaufnahme, in der der<br />

Betrachter selbst Position zu beziehen hat.<br />

Öffnungszeiten:<br />

dienstags bis freitags 10.00-18.00 Uhr<br />

samstags, sonntags, feiertags<br />

www.bundeskunsthalle.de<br />

11.00-18.00 Uhr<br />

montags geschlossen<br />

www.bundeskunsthalle.de<br />

Sinfonieorchester Wuppertal<br />

Das Orchester wird 150 Jahre alt und<br />

spielt, was die Gäste hören wollen: In der<br />

neuen Saison gibt es viele Überraschungen.<br />

Bei der Vorstellung des Programms für<br />

die Saison 2012/2013: Chef-Dirigent<br />

Toshiyuki Kamioka mit Gerald Hacke,<br />

Nicola Hammer und Martin Schacht vom<br />

„Education-Team“ der Sinfoniker (von<br />

links nach rechts) Foto: Uwe Schinkel<br />

Im Jubiläumsjahr gibt’s sechs statt der<br />

sonst üblichen fünf Kammerkonzerte.<br />

Neben einem Gastspiel in Mailand (27.<br />

Februar) sind auch sechs Sonderauftritte<br />

in der Heimat geplant – darunter ein<br />

Konzert, in dem Abonnenten mitspielen<br />

(2. Februar).<br />

Los geht’s mit einem Paukenschlag:<br />

Das große Festkonzert soll am Samstag,<br />

15. September, um 20 Uhr in der Stadthalle<br />

über die Bühne gehen – mit Stücken<br />

57


58<br />

Kulturnotizen<br />

von Richard Wagner (Meistersinger-<br />

Ouvertüre) und Ludwig van Beethoven<br />

( Sinfonie <strong>Nr</strong>. 5 c-Moll op. 67). Beendet<br />

wird der Festreigen an der frischen Luft:<br />

Bei einer Open-Air-Gala soll sich der<br />

Laurentiusplatz am 13. Juli 2013 in eine<br />

große Bühne verwandeln.<br />

Schon einen guten Monat zuvor gibt<br />

es einen weiteren Grund zum Feiern: Mathias<br />

Christian Kosel komponiert eigens<br />

für das Wuppertaler Orchester ein neues<br />

Stück, das „Pan“ heißt und im neunten<br />

Sinfoniekonzert (2. und 3. Juni 2013)<br />

vorgestellt wird.<br />

Bundeskunsthalle Bonn<br />

Pixar – 25 Years of Animation<br />

Fr 6. Juli 2012 - So 6. Januar 2013<br />

Abb.: © Disney/Pixar<br />

Ab Sommer ist es soweit: Mit Nemo<br />

and Friends kommen zum ersten Mal<br />

die Helden von Pixars weltbekannten<br />

Animationsfi lmen nach Deutschland und<br />

machen ein halbes Jahr lang Station in der<br />

Bonner Bundeskunsthalle. <strong>Die</strong> Ausstellung<br />

bietet die seltene Gelegenheit, einen Blick<br />

hinter die Kulissen des kalifornischen<br />

Filmkonzerns zu werfen, der 1995 mit<br />

dem ersten vollständig computeranimierten<br />

Film 'Toy Story' riesige Erfolge feierte.<br />

Mit intelligentem Humor, feinem Gespür<br />

für Charaktere und immer brandneuer<br />

Animationstechnik gelingt es den PIXAR-<br />

Machern seit Jahren, ein Film-Highlight<br />

nach dem anderen zu produzieren. Für die<br />

bisher 12 Spiel- und diversen Kurzfi lme<br />

hat das Studio bereits 14 Oscars erhalten<br />

und war für 36 weitere nominiert.<br />

Dabei steht besonders die Arbeitsweise<br />

von Pixar mit über 500 Skizzen, Grafi ken,<br />

Farbzeichnungen und Skulpturen im<br />

Fokus. Zu den Höhepunkten der Ausstellung<br />

zählen das Artscape, ein Kinoraum,<br />

in dem Originalzeichnungen digital zum<br />

Leben erweckt werden und das Zoetrop,<br />

eine Art rotierendes Daumenkino. Besonders<br />

das junge Publikum dürfte sich auf<br />

eine Begegnung mit den Protagonisten aus<br />

'Ratatouille', 'Das große Krabbeln' und<br />

'Cars' freuen!<br />

Museumsmeile Bonn<br />

Friedrich-Ebert-Allee 4 53113 Bonn<br />

Öffnungszeiten:<br />

dienstags bis freitags 10.00-18.00 Uhr<br />

samstags, sonntags, feiertags<br />

www.bundeskunsthalle.de<br />

Theaterfest<br />

der Wuppertaler Bühnen<br />

am 8. und 9. September 2012<br />

Unser Theaterfest, mit dem wir die neue<br />

Spielzeit 2012/2013 eröffnen, fi ndet an<br />

einem Wochenende statt, an dem zugleich<br />

einige andere Feste gefeiert werden: am 8.<br />

und 9. September gratulieren die Wuppertaler<br />

ihrem Stadtteil Unterbarmen und<br />

der Friedrich-Engels-Allee zu ihrem 200.<br />

Geburtstag, feiern das Geschichtsfest und<br />

veranstalten am Samstagabend unter dem<br />

Titel „Flanieren auf der Allee“ ein autofreies<br />

Straßenfest. Der 9. September ist zudem der<br />

Tag des offenen Denkmals. Das Opernhaus<br />

markiert das Ende der Allee, es ist gleichzeitig<br />

ein „offenes Denkmal“ und mit einigem<br />

Recht Teil der Geschichte Wuppertals.<br />

Also nehmen wir an allen Festen teil. Am<br />

Samstag ab 14:00 Uhr lässt sich das Theater<br />

hinter die Kulissen schauen und zeigt dabei<br />

alles, was es kann: Maskenvorführungen,<br />

Kostümherstellung (inkl. Kostümversteigerung),<br />

Technikvorführungen, Beleuchtungsshows,<br />

Tonpräsentationen etc. Am Abend,<br />

wenn fl aniert wird, laden wir zu musikalischen<br />

Abstechern in historische Gebäude<br />

entlang der Allee ein. Und am Sonntag<br />

öffnen wir unser Denkmal für zahlreiche<br />

Führungen und berichten über die bewegte<br />

Geschichte des Theaters in Wuppertal und<br />

des Gebäudes in Barmen.<br />

Großes Kino an der Gathe:<br />

TALFLIMMERN – Freiluftkino<br />

im August<br />

<strong>Die</strong> Freiluftkino-Reihe in der Alten<br />

Feuerwache verspricht wieder einen guten<br />

Mix aus Mainstream und Anspruch.<br />

Mark Tykwer und Mark Rieder sind<br />

beiden Macher der „Talfl immern“-Reihe<br />

die schon die 15. Aufl age erlebt.<br />

Am 7. Juli hieß es das erste Mal „Film<br />

ab!“ – mit dem Oscar-gekrönten Meisterwerk<br />

„The Artist“.<br />

Steven Spielbergs Comic-Adaption<br />

„<strong>Die</strong> Abenteuer von Tim und Struppi“<br />

(16. August ) dürften an der Gathe<br />

ebenso ihr Publikum fi nden wie Andreas<br />

Dresens anspruchsvolles Drama „Halt auf<br />

freier Strecke“ (11. Juli) oder „The Lady“,<br />

das von Amnesty International am 24.<br />

August präsentierte Porträt der birmanischen<br />

Friedensnobelpreisträgerin Aung<br />

San Suu Kyi.<br />

Auch eine Vorpremiere ist wieder<br />

dabei: „Le Skylab – Familientreffen“ von<br />

Julie Delpy am 5. August. Dazu steht<br />

am 15. August mit „Buschka entdeckt<br />

Deutschland“ eine der im Moment angesagtesten<br />

Independent-Reportagen der<br />

Republik auf dem Spielplan. Regisseur<br />

Jörg Buschka wird seine Improvisations-<br />

Dokumentation selbst an der Gathe<br />

vorstellen – unterstützt vom Wuppertaler<br />

Musiker Sascha Gutzeit, der ab 22 Uhr<br />

das Publikum mit Live-Musik auf den<br />

Film einstimmt.<br />

<strong>Die</strong> Abendkasse ist an den jeweiligen<br />

Veranstaltungsabenden ab 20 Uhr geöffnet.<br />

Alles dazu und das volle Programm<br />

gibt es auf:<br />

www.talfl immern.de<br />

Freilichtbühne im Innenhof der Alten<br />

Feuerwache in der Elberfelder Nordstadt,<br />

Gathe 6, 42107 Wuppertal


Öffnungszeiten: Fr von 15 – 22 Uhr | Sa von 11 – 15 Uhr | Eintritt frei | Schloss Lüntenbeck | 42327 Wuppertal | www.schloss-luentenbeck.de<br />

KA<br />

RUS<br />

SELL<br />

Bergische<br />

<strong>Zeit</strong>schrift für<br />

Literatur<br />

Ausgabe 1/2012<br />

9,00 Euro<br />

Wuppertaler Literatur Biennale 2012<br />

TANZ ANZ TRÄUM TRÄUME<br />

Jugendliche tanzen „Kontakthof“ von Pina Bausch.<br />

Das Buch zum Film von Anne Linsel und Ulli Weiss<br />

Verlag <strong>HP</strong> <strong>Nacke</strong> Wuppertal, 2011<br />

120 Seiten, 23 x 17 cm, Softcover<br />

ISBN 978-3942043-81-6, 19,80 Euro<br />

Verlag <strong>HP</strong> <strong>Nacke</strong> <strong>KG</strong><br />

Friedrich-Engels-Allee 122<br />

42285 Wuppertal -<br />

Telefon 0202 - 28 10 40<br />

verlag@hpnackekg.de<br />

Götterspeise<br />

14. / 15. September 2012<br />

Kulinarische Meile Schloss Lüntenbeck<br />

1<br />

NEU<br />

zur Wuppertaler Literatur Biennale 2012<br />

Prosa | Lyrik | Essay<br />

von Marlene Baum, Eugen Egner,<br />

Christiane Gibiec, Arnim Juhre,<br />

Karl-Otto Mühl, Karla Schneider,<br />

Hermann Schulz, Andreas Steffens,<br />

Michael Zeller u. v. a.<br />

Karussell | Bergische <strong>Zeit</strong>schrift für Literatur<br />

<strong>Nr</strong>. 1/2012 – 115 Seiten, 9.– Euro –<br />

ab Juni im Buchhandel<br />

Herausgeber: Verband Deutscher Schriftsteller (VS),<br />

Region Bergisch Land und die Autorengemeinschaft<br />

Literatur im Tal mit freundlicher Unterstützung<br />

durch Kulturbüro der Stadt Wuppertal<br />

Verlag <strong>HP</strong> <strong>Nacke</strong> Wuppertal<br />

ISBN 978 - 3 - 942043 - 85 - 4<br />

59


Der Tipp für alle<br />

ab 60<br />

Mit dem BärenTicket sind Sie im ganzen<br />

VRR-Gebiet unterwegs, rund um die Uhr und<br />

in der 1. Klasse.<br />

Weitere Infos im MobiCenter<br />

Tel.: 0202 569-5200<br />

www.wsw-online.de<br />

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