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Bauerngärten in Niederösterreich - Institut für ökologischen ...

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Krisensituationen gibt es meist im Sommer. Wenn<br />

Arbeiten von allen Seiten auf die Bäuer<strong>in</strong>nen here<strong>in</strong>brechen,<br />

bleibt zuwenig Zeit <strong>für</strong> den Garten.<br />

Besonders im We<strong>in</strong>viertel empfanden mehr als zwei<br />

Drittel der befragten Bäuer<strong>in</strong>nen die betrieblichen<br />

Arbeiten als Konkurrenz zum Garten. Vor allem der<br />

We<strong>in</strong>garten und alle Arbeiten, die mit der Herstellung<br />

von We<strong>in</strong> zu tun haben, haben am Betrieb absoluten<br />

Vorrang. Auch das Feld muss der Gartenarbeit<br />

vorgezogen werden. In den anderen Vierteln wurden<br />

die landwirtschaftlichen Arbeiten als wichtig, nur bei<br />

wenigen Bäuer<strong>in</strong>nen aber als Konkurrenz zum Garten<br />

gesehen. Die Heuernte, die Versorgung der Tiere<br />

und die Stallarbeit haben aber immer Vorrang vor<br />

dem Garten.<br />

Garten als Zeitvertreib <strong>für</strong> die Frauen<br />

(me<strong>in</strong>en die Männer...)<br />

Es fehlt meist nicht nur an der Zeit, sondern auch<br />

am nötigen Verständnis vieler Männer. Diese sehen<br />

den Garten nicht als Arbeitsplatz, sondern als Zeitvertreib<br />

<strong>für</strong> die Frauen und wenn gerade im Sommer<br />

ke<strong>in</strong>e Zeit ist, so hat ihrer Me<strong>in</strong>ung nach auch der<br />

Garten zu warten. Die Frauen s<strong>in</strong>d dann h<strong>in</strong>- und<br />

her gerissen zwischen den Arbeiten am Hof und<br />

können die Gartenarbeit meist nicht im gewünschten<br />

Ausmaß ausüben. Der Garten wird so erst bewirtschaftet,<br />

„wenn Zeit ist“, oder wenn die anderen<br />

Arbeiten erledigt s<strong>in</strong>d. Entweder früh am Morgen,<br />

oder spät am Abend f<strong>in</strong>den die meisten Frauen zum<strong>in</strong>dest<br />

e<strong>in</strong> wenig Zeit <strong>für</strong> ihren Garten.<br />

E<strong>in</strong> weiterer Grund, um aus dem <strong>in</strong>neren Gleichgewicht<br />

zu geraten ist, wenn die Energien und Mühen<br />

der vielen Gartenarbeit ke<strong>in</strong>e Früchte tragen und<br />

Abbildung 68: Allzulange Regenperioden und Naturgewalten<br />

lassen die Gärtner<strong>in</strong>nen verzweifeln<br />

nicht zu den gewünschten Ergebnissen führen. Das<br />

Selbstvertrauen s<strong>in</strong>kt, die Kraft schrumpft und die<br />

Entschlossenheit wächst, den Garten doch nicht<br />

mehr so <strong>in</strong>tensiv bewirtschaften zu wollen. Diese<br />

negativen Erfahrungen s<strong>in</strong>d aber spätestens im Frühjahr<br />

wieder vergessen, wenn über den W<strong>in</strong>ter neue<br />

Energien getankt wurden und die Freude, endlich<br />

wieder im Garten arbeiten zu dürfen, überhand<br />

nimmt.<br />

E<strong>in</strong> weiterer unangenehmer, unberechenbarer Faktor<br />

ist das Wetter, oder auch Unwetter (Tabelle 21 und<br />

Tabelle 22). Naturgewalten treffen immer wieder die<br />

Gärten. Wenn der Hagel die Salatpflanzen regelrecht<br />

zerfetzt und die Blätter der Zucch<strong>in</strong>i verstümmelt,<br />

heftiger W<strong>in</strong>d den zwei Meter hohen Rittersporn<br />

am Beg<strong>in</strong>n se<strong>in</strong>er schönsten Blüte umknickt oder<br />

den lieb gewonnen Zwetschkenbaum entwurzelt,<br />

s<strong>in</strong>d auch die Gärtner<strong>in</strong>nen betroffen und traurig.<br />

Wenn dann allzu heftiger und lang anhaltender<br />

Regen alles unter Wasser setzt oder den Garten gar<br />

wegschwemmt, ist das e<strong>in</strong> großer Schock. Unglauben<br />

und Hilflosigkeit, aber auch Zorn über diese Vorkommnisse,<br />

s<strong>in</strong>d die Reaktionen.<br />

Das Ausräumen aller Risken funktioniert im Garten<br />

nicht. Wenn die Anforderungen, die der Garten<br />

an die Frauen stellt, zwar manchmal als belastend<br />

wahrgenommen werden, so wird dies aber nur<br />

zeitlich begrenzt empfunden. Über die vielen Jahre,<br />

die sie die Gärten schon bewirtschaften, haben die<br />

Gärtner<strong>in</strong>nen auch im Umgang mit Schwierigkeiten<br />

Erfahrung gesammelt und ihre eigene Urteilskraft<br />

gestärkt. So wird aus den eigenen Fehlern gelernt<br />

und durch die Freude, die die Frauen mit ihren Gärten<br />

haben, fühlen sie sich kompetent <strong>für</strong> alle - auch<br />

unausweichlichen - Herausforderungen des Gartens.<br />

Kaum e<strong>in</strong> Ereignis kann die erfahrenen Gärtner<strong>in</strong>nen<br />

aus der Fassung br<strong>in</strong>gen – zu Verzweiflung und<br />

Hass oder gar zur Aufgabe des Gartens würden diese<br />

Schwierigkeiten laut Aussagen der Frauen ke<strong>in</strong>esfalls<br />

führen.<br />

Tabelle 21: Probleme, die die Bäuer<strong>in</strong>nen (n=98,<br />

Mehrfachantworten) bei der Gartenarbeit ansprechen<br />

Probleme %-Anteil<br />

Schnecken 38<br />

Sonstige Schädl<strong>in</strong>ge 35<br />

Wetter 20<br />

Unkraut 14<br />

Sonstiges 17<br />

Tabelle 22: Die am häufigsten genannten unangenehmen<br />

Seiten des Gärtnerns (n=161, Mehrfachantworten)<br />

Unangenehmes %-Anteil<br />

Unkraut, Jäten, Scheren 39<br />

Schädl<strong>in</strong>ge 23<br />

nichts 12<br />

ke<strong>in</strong> Erfolg, Pflanzen werden nichts 9<br />

Wetter: Unwetter, Regen, Frost 9<br />

Trockenheit, Gießen 8<br />

Arbeit an sich 5<br />

Hitze, Sonne 3<br />

best. Arbeiten: 3<br />

Sonstiges 3<br />

Abbildung 69: Die Freude mit der Verantwortung <strong>für</strong><br />

den Garten ist am Gesichtsausdruck zu erkennen<br />

Gründe <strong>für</strong> e<strong>in</strong>e Aufgabe des Gartens<br />

Die Gärtner<strong>in</strong>nen s<strong>in</strong>d immer wieder herausgefordert,<br />

selber zu denken, selber zu handeln, selber zu<br />

entscheiden und selber zu fühlen. Das Gestalten des<br />

eigenen Lebens lassen sie sich <strong>in</strong> diesem Arbeitsbereich<br />

nicht nehmen, auch wenn die Versuchungen,<br />

diese Verantwortung <strong>für</strong> den Garten abzugeben, groß<br />

s<strong>in</strong>d. So s<strong>in</strong>d es nicht die Schwierigkeiten, die der<br />

Garten immer wieder mit sich br<strong>in</strong>gt, oder die Angst,<br />

die Arbeiten nicht bewältigen zu können, welche die<br />

Frauen veranlassen würden, ihr Gärtner<strong>in</strong>nendase<strong>in</strong><br />

an den Nagel zu hängen. Es s<strong>in</strong>d auch nicht andere<br />

Menschen, die gärtnern nur als Sp<strong>in</strong>nerei und<br />

Zeitaufwand betrachten oder der Reiz der Geschäfte,<br />

die billiges Gemüse verkaufen. Auch nicht die<br />

Apotheken, die e<strong>in</strong>e große Auswahl an Mitteln und<br />

Tabletten anbieten oder Medien, die uns berieseln,<br />

und viele andere so genannte „Annehmlichkeiten“<br />

der heutigen Zeit, die zum Konsumieren <strong>in</strong> allen<br />

Lebensbereichen e<strong>in</strong>laden. E<strong>in</strong>zig und alle<strong>in</strong> aus gesundheitlichen<br />

Gründen würden die meisten Frauen<br />

die Gartenarbeit aufgeben. Zeitmangel, zuviel Arbeit<br />

und eventuell anhaltende Misserfolge s<strong>in</strong>d nur <strong>für</strong><br />

e<strong>in</strong>ige wenige Frauen Argumente <strong>für</strong> die Aufgabe des<br />

Gartens (Tabelle 23).<br />

Tabelle 23: Gründe, die zur Aufgabe des Bauerngartens<br />

führen könnten (n=171 Bäuer<strong>in</strong>nen, Mehrfachantworten)<br />

Gründe %-Anteil<br />

Schlechte Gesundheit, Krankheit 72<br />

nichts 10<br />

Zeitmangel, Zu viel Arbeit 6<br />

Ke<strong>in</strong> Erfolg (Schnecken, Hochwasser, ...) 5<br />

Sonstiges 6<br />

Der Garten als Brücke zu den Mitmenschen<br />

Die Frauen würden die Gartenarbeit nur „gezwungen“<br />

aufgeben. Sie s<strong>in</strong>d mit der Entscheidung, e<strong>in</strong>en<br />

Garten zu bewirtschaften, zufrieden und fühlen sich<br />

wohl. Trotz diesem Wohlfühlen und dem Selbstbewusstse<strong>in</strong>,<br />

mit dem sie die Gärten bewirtschaften,<br />

s<strong>in</strong>d die Frauen sehr bescheiden geblieben. Sie prahlen<br />

nicht, dass ihr Garten der schönste und größte<br />

sei. Sie behaupten, obwohl sie wahre Meister<strong>in</strong>nen<br />

und Expert<strong>in</strong>nen s<strong>in</strong>d, auch nicht, dass ihr Garten<br />

vollkommen sei. Im Gegenteil. Sie s<strong>in</strong>d sehr zurückhaltend<br />

<strong>in</strong> der Darstellung ihrer eigenen Arbeit und<br />

empf<strong>in</strong>den – wie sie sagen - ihren eigenen Garten<br />

weder als Vorzeigeobjekt noch <strong>in</strong>teressanter als andere<br />

Gärten.<br />

Dass der Garten <strong>für</strong> sie etwas Besonderes ist, das<br />

wissen und sagen sie. Aber dass es auch <strong>für</strong> jemand<br />

anderen e<strong>in</strong>e Besonderheit bedeutet, das wird kaum<br />

ausgedrückt. So waren viele der Bäuer<strong>in</strong>nen erstaunt<br />

und überrascht, dass sie und ihr Garten <strong>für</strong> Erhebungen<br />

zu e<strong>in</strong>er wissenschaftlichen Arbeit ausgewählt<br />

wurden. Die Frauen waren nicht nur erstaunt,<br />

sondern auch hilfsbereit und zuvorkommend. Sie<br />

haben sich die Zeit genommen – oft auch mehrere<br />

Stunden – zu erzählen und Fragen zu beantworten.<br />

Die Gastfreundschaft g<strong>in</strong>g soweit, dass selbst hergestellte<br />

Marmeladen, Zucch<strong>in</strong>ikuchen und dergleichen<br />

mehr nicht nur zur Jause aufgetischt wurden,<br />

sondern vielfach auch frisch Geerntetes vom Garten<br />

mit Freude mitgegeben wurde.<br />

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