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Bauerngärten in Niederösterreich - Institut für ökologischen ...

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e<strong>in</strong>e zusätzliche Funktion als Heilpflanze, Symbolpflanze<br />

im Brauchtum oder Duftpflanze. Es wurden<br />

<strong>in</strong>sgesamt nur e<strong>in</strong>ige wenige Arten angebaut, und<br />

diese wurden gebraucht. Diese Notwendigkeit, ja<br />

sogar Abhängigkeit, von dem leben zu müssen, was<br />

auf den Feldern und im Garten produziert wurde,<br />

ist heute nicht mehr gegeben. So werden heute viele<br />

neue Pflanzenarten alle<strong>in</strong> wegen ihrer Schönheit<br />

angebaut. Viele Gärtner<strong>in</strong>nen bestätigen, dass sie<br />

mehr Zierpflanzen wie ihre Vorgänger<strong>in</strong>nen besitzen.<br />

In den heutigen Gärten ist zwar nach wie vor<br />

nur „Nützliches“ anzutreffen, – weil auch die Freude<br />

am Schönen nützlich ist – allerd<strong>in</strong>gs s<strong>in</strong>d es heute<br />

vermehrt Pflanzenarten, die nicht unmittelbar zum<br />

Überleben notwendig s<strong>in</strong>d.<br />

Abbildung 47: Zierpflanzen gew<strong>in</strong>nen an Bedeutung<br />

Blumen s<strong>in</strong>d <strong>für</strong> die Frauen die idealen Pflanzen, um<br />

sich immer wieder <strong>in</strong>s Träumen versetzen zu können.<br />

Blumen anderer Gegenden oder Landschaften<br />

s<strong>in</strong>d da besonders reizvoll. Wenn nach e<strong>in</strong>em Urlaub<br />

<strong>in</strong> Tirol e<strong>in</strong>e Wurzel von e<strong>in</strong>em Eisenhut von e<strong>in</strong>er<br />

Almwanderung mitgenommen wird, oder von der<br />

Wirt<strong>in</strong>, bei der man gewohnt hat, liebevoll e<strong>in</strong> paar<br />

Samen von Astern mitgegeben wurden, dann wird<br />

ihnen im eigenen Garten e<strong>in</strong> zu Hause geschaffen.<br />

Beim Anblick dieser Pflanzen wird auch noch nach<br />

Jahren an diese Zeit zurückgedacht oder zurückgeträumt.<br />

Die Wirklichkeit wird so ganz leicht, und<br />

immer, wenn die Frauen die Lust danach verspüren,<br />

zur Fantasiewelt.<br />

Die Blumen, und darunter meist die mehrjährigen<br />

Blütenstauden, s<strong>in</strong>d auch diejenigen Pflanzen, die oft<br />

mit persönlicher Bedeutung belegt s<strong>in</strong>d. So werden<br />

diese mit Personen, von denen sie stammen, <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung<br />

gebracht. Die mehrjährigen Stauden s<strong>in</strong>d<br />

deswegen sehr gut geeignet <strong>für</strong> diese Verb<strong>in</strong>dungen,<br />

weil sie meist leicht als Steckl<strong>in</strong>ge, Ausläufer oder<br />

Abbildung 48: Sonnenblumen strahlen den Frauen im<br />

Garten freundlich entgegen<br />

geteilte Wurzelballen mitgegeben werden können<br />

und Jahr <strong>für</strong> Jahr wiederkommen, ohne dass viel<br />

Arbeit geleistet werden muss. Viele dieser Blumen<br />

s<strong>in</strong>d so von der Vorgänger<strong>in</strong> noch immer im Garten<br />

anzutreffen oder wurden von Mutters Garten mitgenommen.<br />

Die meisten Frauen kommen heute weiter<br />

herum als früher, und tauschen bzw. verschenken<br />

gehören nach wie vor zu den Tugenden e<strong>in</strong>er Gärtner<strong>in</strong>.<br />

Viele Frauen s<strong>in</strong>d der Überzeugung, dass die<br />

Pflanzen, die getauscht, und die Pelzer, die gestohlen<br />

wurden, besser wachsen, da sie schon über Jahre<br />

h<strong>in</strong>weg <strong>in</strong> der Region angebaut werden. Auch Saatgut<br />

von Blumen, das ohne viel Aufwand produziert<br />

werden kann, ist sehr beliebt und wird gerne von<br />

überallher mitgenommen.<br />

Abbildung 49: Die Pflanzenart, die h<strong>in</strong>ter diesen Samen<br />

steckt, ist e<strong>in</strong> Geheimnis der Bäuer<strong>in</strong><br />

Aber nicht nur Blumen, auch Gemüse, Gewürz- und<br />

Heilkräuter werden heute <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er größeren Artenanzahl<br />

von den Frauen angebaut. War man früher<br />

darauf angewiesen, das Saatgut selber zu produzieren<br />

oder zur Not vom Nachbarn oder e<strong>in</strong>em anderen<br />

Bauern aus der Region zu beziehen, so gibt es heute<br />

die Möglichkeit, mit wenig Zeit- und Geldaufwand<br />

Saat- und Pflanzgut im Handel zu kaufen. Die Auswahl<br />

an Pflanzenarten ist grenzenlos. Dies hat zu<br />

e<strong>in</strong>er starken Zunahme der Pflanzenartenvielfalt<br />

beim Gemüse, den Gewürz- und Heilkräutern, aber<br />

nicht unbed<strong>in</strong>gt der Menge an Pflanzen <strong>in</strong> den Gärten<br />

geführt.<br />

Gekauft wird Saat- oder Pflanzgut von denjenigen<br />

Arten, die nicht leicht selber zu vermehren s<strong>in</strong>d. Dies<br />

s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> erste L<strong>in</strong>ie Gemüse und Salatarten, die erst<br />

im zweiten Jahr, nachdem sie überw<strong>in</strong>tert wurden,<br />

Samen produzieren. Für viele dieser Arten fehlt das<br />

Wissen, wie sie vermehrt werden können, aber auch<br />

das Interesse und die Zeit dies auch durchzuführen.<br />

Weil die Frauen mit der Qualität des Saatgutes aus<br />

dem Handel und vor allem mit der ständigen Verfügbarkeit<br />

zufrieden s<strong>in</strong>d, gönnen sie sich diese Bequemlichkeit<br />

und lagern diesen Teil der Selbstversorgung<br />

vor allem im Gemüsebereich aus. Anders sieht<br />

dies bei den mehrjährigen Stauden und Sträuchern<br />

sowie bei Blumensaatgut aus. Dies kommt entweder<br />

geschenkt <strong>in</strong> den Garten oder wird e<strong>in</strong>mal gekauft<br />

und dann immer wieder selber vermehrt.<br />

Abbildung 50: Nur wenige Frauen produzieren Gemüsesaatgut<br />

Die Bäuer<strong>in</strong>nen arbeiten <strong>in</strong> den Gärten nach ihren<br />

Möglichkeiten. Wenn man alle erhobenen Pflanzen<br />

aller Gärten mite<strong>in</strong>ander vergleicht, so ist zu erkennen,<br />

dass trotz der Möglichkeit, Saat- und Pflanzgut<br />

<strong>in</strong> unbegrenzter Vielfalt käuflich erwerben zu können,<br />

56 % der Pflanzen nicht über diesen Weg <strong>in</strong> den<br />

Garten gekommen s<strong>in</strong>d. Der größte Teil der „nicht<br />

gekauften“ Pflanzen wird durch geschenktes, oder<br />

von Vorgänger<strong>in</strong> übernommenes bzw. durch eigene<br />

Vermehrung selber produziertes Saat- und Pflanzgut<br />

abgedeckt.<br />

Ob <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Garten wenige oder viele Pflanzenarten<br />

gedeihen und ob die Pflanzen mit oder ohne<br />

Geld erworben wurden, es gibt ke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige Frau,<br />

die noch nie e<strong>in</strong>e neue Pflanzenart ausprobiert hat.<br />

Offenheit gegenüber fremden und neuartigen Pflanzen<br />

ist den Bäuer<strong>in</strong>nen nicht unbekannt. Gerade<br />

dieses Fremde ist das, was die Frauen immer wieder<br />

fasz<strong>in</strong>iert und das alltägliche und alljährliche Gärtnern<br />

spannend macht. Allen Frauen ist geme<strong>in</strong>sam,<br />

dass die Neugierde gerade im Garten immer wieder<br />

ausgelebt wird. In Bezug auf die Auswahl der Arten<br />

s<strong>in</strong>d die Frauen mutig und zeigen ihren Eigens<strong>in</strong>n<br />

und ihre persönlichen Interessen. Viel versprechende<br />

Abbildungen <strong>in</strong> Katalogen oder Samenpackungen:<br />

Wen packt da nicht die Neugierde? Es wird ausprobiert,<br />

ob die e<strong>in</strong>e oder andere exotisch kl<strong>in</strong>gende und<br />

wunderschön anzuschauende Pflanze nicht auch im<br />

eigenen Garten e<strong>in</strong> zu Hause f<strong>in</strong>den könnte. Ob und<br />

wie lange sich die neuen Arten dann <strong>in</strong> den Gärten<br />

halten, ist wiederum etwas anderes. So können sich<br />

meist nur diejenigen Arten behaupten, die nicht<br />

schwierig <strong>in</strong> der Kultivierung s<strong>in</strong>d. Mit dieser flexiblen<br />

Gestaltung wird von den Frauen das Bedürfnis<br />

nach Neuem, noch nicht Erprobtem ohne viel Aufwand<br />

immer wieder befriedigt. Hier kann auf neuartige<br />

Moden genauso Rücksicht genommen werden<br />

wie auf e<strong>in</strong>e zeitgemäße Ernährung oder spontane<br />

Mitbr<strong>in</strong>gsel.<br />

Das Wechselspiel zwischen Neuem und Bewährtem<br />

ist verantwortlich da<strong>für</strong>, dass jeder Garten se<strong>in</strong>e<br />

eigene kreative Note durch die Arbeit e<strong>in</strong>er jeden<br />

Gärtner<strong>in</strong> bekommt. Flexibilität und Offenheit <strong>für</strong><br />

neue Pflanzenarten s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>gebettet <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Bewirtschaftungsform,<br />

die über e<strong>in</strong>en langen Zeitraum<br />

beibehalten wurde.<br />

Abbildung 51: Jeder Garten hat se<strong>in</strong>e eigene kreative<br />

Note<br />

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