Bauerngärten in Niederösterreich - Institut für ökologischen ...
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7.1. Die Geschichte der Gärtner<strong>in</strong>nen<br />
und der Gärten<br />
Als K<strong>in</strong>d mit allen S<strong>in</strong>nen den Garten<br />
erobern<br />
Für viele der aktiven Gärtner<strong>in</strong>nen ist der Beg<strong>in</strong>n<br />
ihrer persönlichen Gartengeschichte <strong>in</strong> der K<strong>in</strong>dheit<br />
zu suchen (Tabelle 9). Die Möglichkeit, der Mutter<br />
im Garten mitzuhelfen und dabei mit allen S<strong>in</strong>nen<br />
den Garten zu erobern, waren <strong>für</strong> die heutigen Gärtner<strong>in</strong>nen<br />
Erlebnisse, die ihr Interesse zum Garten<br />
nachhaltig bee<strong>in</strong>flusst und gefestigt, vielleicht überhaupt<br />
geweckt haben. Die K<strong>in</strong>dheitser<strong>in</strong>nerungen<br />
s<strong>in</strong>d immer mit Gefühlen verbunden. Dementsprechend<br />
lebendig und bildhaft erzählen die Frauen von<br />
früheren Zeiten.<br />
Viele Bäuer<strong>in</strong>nen schwärmen so noch heute davon,<br />
dass sie e<strong>in</strong> eigenes Beet im Garten, manchmal sogar<br />
e<strong>in</strong>en eigenen kle<strong>in</strong>en Garten hatten, wo sie experimentieren<br />
und anbauen durften. Auch wenn die<br />
Ernte dabei oft nicht die größte war, so war der Stolz<br />
groß, wenn die eigenen Karotten vom eigenen Beet<br />
verzehrt wurden. Diese schmeckten ganz besonders<br />
gut. Stolz waren sie auch auf Pflanzen, die sie von<br />
e<strong>in</strong>er Wanderung aus der freien Natur oder von<br />
Nachbarsgarten mitgenommen hatten, und dass diese<br />
Pflanzen <strong>in</strong> ihrem Garten gut anwuchsen und sich<br />
vermehrten.<br />
Abbildung 38: Das Interesse am Garten wird <strong>in</strong> der<br />
K<strong>in</strong>dheit geweckt<br />
E<strong>in</strong>e besondere Ehre und Freude war es, wenn Blumensträuße<br />
oder Blumenkörbe an Feiertagen von<br />
den K<strong>in</strong>dern mit <strong>in</strong> die Kirche genommen werden<br />
durften. So waren der Korb mit den Pf<strong>in</strong>gstrosen, die<br />
zu Fronleichnam bei der Prozession auf die Straße<br />
gestreut wurden, und der „Palmbuschn“ zu Ostern<br />
<strong>für</strong> sie etwas ganz besonderes, wovon die Bäuer<strong>in</strong>nen<br />
auch heute noch erzählen.<br />
Abbildung 39: Auch heute noch nehmen die K<strong>in</strong>der<br />
Körbe mit verschiedenen Blumen zu Fronleichnam<br />
mit zur Prozession<br />
Die Gartenerlebnisse aus der K<strong>in</strong>dheit s<strong>in</strong>d aber<br />
nicht immer nur mit positiven Er<strong>in</strong>nerungen besetzt.<br />
Pflanzen, die nicht anwachsen wollten, und Samen,<br />
die nicht keimten, s<strong>in</strong>d genauso im Bewusstse<strong>in</strong> verankert<br />
wie die Strenge der Mutter, wenn alles nach<br />
ihren Vorschriften passieren musste. Laut Aussagen<br />
der Frauen haben die negativen Erlebnisse das Interesse<br />
am Thema Garten aber nicht geschmälert.<br />
Die Frauen erzählen auch, dass die Mütter die Bewirtschaftung<br />
der Gärten mit Selbstverständlichkeit<br />
durchführten. Der Garten war Teil des Hofes, und es<br />
wurde laut Aussagen der Bäuer<strong>in</strong>nen nie h<strong>in</strong>terfragt,<br />
ob überhaupt und warum e<strong>in</strong> Garten zu bewirtschaften<br />
sei. Dieses Selbstverständnis wurde den heutigen<br />
Gärtner<strong>in</strong>nen <strong>in</strong>s Leben mitgegeben und hat bei<br />
der e<strong>in</strong>en oder anderen Frau dazu beigetragen, dass<br />
sie sich ohne viel Vorkenntnisse, aber selbstbewusst<br />
zutraute, e<strong>in</strong>en eigenen Garten zu bewirtschaften.<br />
E<strong>in</strong>ige Frauen me<strong>in</strong>en, dass die K<strong>in</strong>dheit und die<br />
Erlebnisse im Garten <strong>für</strong> sie nicht nur das Interesse<br />
<strong>für</strong> den Garten, sondern die Liebe zur Natur geweckt<br />
haben.<br />
22 23<br />
Tabelle 9:<br />
Wann wurde das Interesse<br />
zum Garten geweckt (n=159)?<br />
%-Anteil<br />
K<strong>in</strong>dheit bis 10 Jahren 40<br />
Jugend 10-19 Jahre 26<br />
Erwachsen: ab 20 oder ab Heirat 33<br />
Sonstiges 1<br />
Die Verb<strong>in</strong>dung der nachfolgenden Jugendzeit mit<br />
dem Thema Garten ist <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie von denjenigen<br />
Frauen angesprochen worden, die e<strong>in</strong>e Schule zum<br />
Thema Gartenbau besucht haben. Die Gartenerfahrungen<br />
dieser Zeit werden meist sehr sachlich und<br />
weniger emotional wie der „Garten aus der K<strong>in</strong>dheit“<br />
von den Frauen dargestellt. Die Jugendzeit wird<br />
von weniger Frauen als Interessenswecker empfunden<br />
(Tabelle 9).<br />
Für viele Frauen ist der Garten erst im Erwachsenenalter<br />
<strong>in</strong>s Bewusstse<strong>in</strong> gerückt. Dieses langsame Wecken<br />
des Interesses hängt auch mit der Art und Weise<br />
der Übernahme des meist schon auf dem Hof vorhandenen<br />
Gartens zusammen. Wie diese Übernahme<br />
<strong>in</strong> <strong>Niederösterreich</strong>ischen Höfen vor sich geht, ist als<br />
Teil der Geschichte der Gärtner<strong>in</strong>nen, aber auch der<br />
Gärten anzusehen.<br />
Garten übernehmen<br />
Wenn e<strong>in</strong>e junge Frau auf e<strong>in</strong>en Hof heiratet, s<strong>in</strong>d<br />
meist e<strong>in</strong> Garten als auch e<strong>in</strong>e Schwiegermutter, die<br />
den Garten bewirtschaftet, anwesend. Diese Gärten<br />
und ihre Bewirtschafter<strong>in</strong>nen s<strong>in</strong>d oft schon über<br />
Jahrzehnte „e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>geschworenes Team“. Nach der<br />
Heirat müssen so nur e<strong>in</strong> Drittel der Frauen sofort<br />
die Bewirtschaftung bzw. Weiterbewirtschaftung des<br />
Gartens übernehmen. Hauptverantwortlich <strong>für</strong> die<br />
Gartenarbeit ist <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie e<strong>in</strong>e Frau, auch wenn<br />
zwei Frauen am Hof s<strong>in</strong>d. Das alle<strong>in</strong>e verantwortlich<br />
se<strong>in</strong> <strong>für</strong> den Garten stellt <strong>für</strong> die Frauen ke<strong>in</strong>e Belastung<br />
dar, im Gegenteil, sie s<strong>in</strong>d oft froh, wenn ihnen<br />
niemand <strong>in</strong>s Handwerk pfuscht. Allerd<strong>in</strong>gs heißt<br />
das nicht, dass sie es nicht gerne sehen, wenn ihnen<br />
bei der Gartenarbeit geholfen wird. So haben die<br />
meisten der befragten heutigen Gärtner<strong>in</strong>nen den<br />
Garten nicht von e<strong>in</strong>em Tag auf den anderen von<br />
ihren Schwiegermüttern übernommen, sondern als<br />
„Hilfskraft“ immer wieder nach den vorgegebenen<br />
Anweisungen der „regierenden Gärtner<strong>in</strong>nen“ e<strong>in</strong>ige<br />
Jahre im Garten mitgearbeitet. Die Übernahme des<br />
Gartens und die Verantwortung <strong>für</strong> die Bewirtschaftung<br />
erfolgte meist erst Jahre später (Tabelle 10).<br />
Tabelle 10<br />
Wie wurde der Garten übernommen : (n=172) %-Anteil<br />
fließend, nach e<strong>in</strong>igen Jahren der Mithilfe 48<br />
abrupt 28<br />
sonstiges 10<br />
ke<strong>in</strong>e Angabe 14<br />
Die Gründe da<strong>für</strong>, dass nur e<strong>in</strong>e Frau verantwortlich<br />
<strong>für</strong> den Garten ist, s<strong>in</strong>d vielfältig. Für manche junge<br />
Frau bleibt – bed<strong>in</strong>gt durch die vielen Tätigkeiten<br />
im Haus und am Hof oder durch e<strong>in</strong>e außerlandwirtschaftliche<br />
Berufstätigkeit – ke<strong>in</strong>e Zeit <strong>für</strong> den<br />
Garten oder es ist gar ke<strong>in</strong> Interesse <strong>für</strong> die Bewirtschaftung<br />
vorhanden. Manchmal fehlt den jüngeren<br />
Frauen nach ihrer eigenen E<strong>in</strong>schätzung auch der<br />
Mut, im Garten mitzuwirken, weil der bestehende<br />
Garten oft „übergeht vor lauter Reichtum an gut<br />
gedeihenden Pflanzen“. Gefühlsmäßig glauben sie<br />
dann, dass unter den kritischen Blicken der langjährig<br />
gesammelten Erfahrungen der Altgärtner<strong>in</strong> ihre<br />
ungeübten Versuche wahrsche<strong>in</strong>lich nicht fruchten<br />
würden und gar nichts wachsen würde. So gibt es<br />
nur wenige „mutige“ Frauen, die nicht so lange warten<br />
wollen, bis die Schwiegermutter nicht mehr garteln<br />
kann oder will, die sich zusätzlich zu dem schon<br />
vorhandenen Garten e<strong>in</strong>en eigenen, neuen Garten<br />
angelegt haben. Allerd<strong>in</strong>gs gibt es auch Höfe, wo es<br />
gar ke<strong>in</strong>e Nachfolger<strong>in</strong> <strong>für</strong> die Bewirtschaftung des<br />
Gartens gibt.<br />
Abbildung 40: Langjährige Erfahrungen machen viele<br />
Frauen zu meisterhaften Gärtner<strong>in</strong>nen