8. Beschlussabteilung Aktenzeichen: B8-124/11 ... - Bundeskartellamt

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- 42 - grierte Energieversorgungsunternehmen, die sowohl das Verteilnetz betreiben, als auch Letztverbraucher mit Erdgas beliefern, nicht zu einer rechtlichen Entflechtung verpflich- tet, soweit an das Verteilnetz weniger als 100.000 Kunden unmittelbar oder mittelbar angeschlossen sind. Die Energieversorgungsunternehmen, die aufgrund der geringen Größe des Netzes rechtlich vertikal integriert sind, könnten dann mittels hoher Netzentgelte den Bereich des Erdgasvertriebs quersubventionieren und ein geringes Preisniveau bei SLP- und RLM-Kunden festsetzen. Potentielle Konkurrenten werden dadurch am Eintritt in das Netzgebiet gehindert, die Möglichkeiten eines Lieferantenwechsels für Letztverbraucher beschränkt. Eine zunehmende Zersplitterung der Verteilnetze kann für neue Anbieter zudem eine Marktzutrittsschranke bedeuten, da diese mit einer immer größeren Zahl von Netzbetreibern Lieferantenrahmenverträge abschließen müssen und kleinere Netze weniger stark reguliert sind. Bundeskartellamt und Bundesnetzagentur haben deshalb in ihrem gemeinsamen Leitfaden zur Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen und zum Wechsel des Konzessionsnehmers darauf hingewiesen, dass Verteilernetze unterhalb einer gewissen Größenordnung unter bestimmten Bedingungen Effizienznachteile beim Netzbetrieb und einen erhöhten Regulierungsaufwand nach sich ziehen können, was zu höheren Kosten für die Netznutzer führen und den Wettbewerb auf den Vertriebsmärkten hemmen kann. 72 (100) Schließlich könnten auch die im bundesweiten Vergleich sehr hohen Netzentgelte im Saarland eine zusätzliche Marktzutrittsschranke für neue Anbieter und damit einen möglichen Grund für die geringe Wechselquote in dem von dem Fusionsvorhaben betroffe- 73 nen Gebiet darstellen. Eine Studie des Verbraucherportals Verivox vom September 2010 belegt, dass vor allem das Saarland von hohen Netzentgelten geprägt ist. Während die durchschnittlichen Netzentgelte bei der Versorgung von Haushaltskunden im Bundesdurchschnitt 1,49 Cent/kWh betrugen, entsprachen diese im Saarland 1,96 Cent/kWh. Damit lagen die Netzentgelte um 0,7 Cent/kWh höher als in Niedersachsen, welches mit 1,26 Cent/kWh die geringsten durchschnittlichen Netzentgelte aufwies. Ähnliche Unterschiede weisen auch die Netzentgelte bei der Versorgung von RLM-Kunden mit Erdgas auf. Nach einer Studie des Bundesverbands der Energie-Abnehmer e.V. 74 vom April 2011 bestehen bundesweit zwischen einzelnen Netzbetreibern Preisdifferen- 72 Gemeinsamer Leitfaden von Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt zur Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen und zum Wechsel des Konzessionsnehmers vom 15.10.2010, abrufbar unter http://www.bundeskartellamt.de/wDeutsch/download/pdf/Diskussionsbeitraege/101215_Leitfaden_Konze ssionsrecht_BNetzA-BKartA.PDF. 73 http://www.verivox.de/presse/starkes-ost-west-gefaelle-bei-kaufkraft-und-netzgebuehren-56696.aspx 74 VEA, Bundesverband der Energie-Abnehmer e.V., Netznutzungsentgeltvergleich Gas I/2011 für leistungsgemessene Kunden, Stichtag 1. April 2011.
- 43 - zen von über 620%. So liegen die Netzentgelte für RLM-Kunden mit einem jährlichen Verbrauch von 5.000 MWh und einer maximalen Stundenmenge von 2,5 MWh in Nie- dersachsen zwischen 0,36 und 1,09 Cent/kWh, in Rheinland-Pfalz zwischen 0,33 und 1,20 Cent/kWh und im Saarland zwischen 0,45 und 1,36 Cent/kWh. Für Energieversorger mit bundesweit einheitlichen Tarifen sind die Anreize sehr gering, auch in Gebiete mit hohen Netzentgelten zu liefern, da ihre Vertriebsmarge erheblich geschmälert wird. (101) Letztendlich bewirken die erheblichen Preisdifferenzen in den Netzentgelten eine bundesweit sehr heterogene Anbieter- und Tarifstruktur. Während zu Beginn des Jahres 2011 in weiten Teilen Deutschlands, vornehmlich in Bayern und Baden-Württemberg, 90 Lieferanten oder mehr tätig waren, waren es in Teilen des Saarlandes maximal 50 Anbieter. 75 Der günstigste lokale Anbieter bei der Erdgasversorgung von Haushaltskunden im Saarland verlangte laut der Studie des Verbraucherportals Verivox 76 6,46 Ct/KWh, der in Bremen ansässige preisgünstigste lokale Anbieter nur 5,06 Ct/kWh. (102) Insgesamt hält die Beschlussabteilung es trotz einer positiven Tendenz zu mehr Wettbewerb in den einzelnen Netzgebieten für geboten, den Markt für die Belieferung von SLP-Kunden und den Markt für die Belieferung von RLM-Kunden mit Erdgas durch regionale und lokale Weiterverteiler nach wie vor nach dem etablierten Liefergebiet des regionalen bzw. lokalen Weiterverteilers abzugrenzen. Denn eine Marktdurchdringung, die zu einer bundesweit homogeneren Marktstruktur führen und eine weiter als netzbezogen gefasste Marktabgrenzung rechtfertigen würde, hat nach Einschätzung der Beschlussabteilung noch nicht in ausreichendem Maße stattgefunden. c) Keine Entstehung oder Verstärkung marktbeherrschender Stellungen (103) Das Gasverteilnetz der ESW Netz erstreckt sich auf die Stadt Landau in der Pfalz, sowie die umliegenden Gemeinden. In diesem Netz wurden im Jahr 2010 insgesamt 581 GWh ausgespeist. 77 Davon entfielen auf die Ausspeisung an SLP-Kunden […] GWh und auf die Ausspeisung an RLM-Kunden […] GWh. ESW Gasvertrieb selbst lieferte im Jahr 2010 insgesamt […] GWh Erdgas an SLP-Kunden und […] GWh Erdgas an RLM- Kunden in diesem Netzgebiet. Sie verfügt damit auf dem Markt für die Belieferung von SLP-Kunden mit Erdgas durch regionale und lokale Weiterverteiler über einen Marktan- 75 Verivox GmbH/Kreutzer Consulting GmbH, Energiemarkt aktuell, Januar 2011, S. 47; zitiert nach Monopolkommission 2011, Sondergutachten 59 „Energie 2011: Wettbewerbsentwicklung mit Licht und Schatten“, Abb. 3.10, S. 78. 76 http://www.verivox.de/presse/starkes-ost-west-gefaelle-bei-kaufkraft-und-netzgebuehren-56696.aspx 77 http://www.esw-netz.de/de/Netzstrukturdaten1.htm.
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