8. Beschlussabteilung Aktenzeichen: B8-124/11 ... - Bundeskartellamt

- 17 -
rungen im Markt reagieren kann. Der wirtschaftliche Erfolg einer strukturierten Beschaf-
fung und das erfolgreiche Führen eines eigenen Bilanzkreises setzen jedoch einen ho-
hen organisatorischen Aufwand, ein umfangreiches Know-How der zuständigen Mitar-
beiter, sowie anfängliche Investitionen, z.B. in für die Abwicklung benötigte Soft- und
Hardware, voraus. Zunächst muss im Rahmen einer strukturierten Beschaffung der
kurz- und mittelfristige Gasbedarf kontinuierlich ermittelt werden, da der Bilanzkreisver-
antwortliche gem. KoV IV Anlage 4 § 12 29
die zu übertragenden stündlichen Gasmengen
am virtuellen Handelspunkt jeweils bis 14.00 Uhr des Vortrages der Lieferung beim
Marktgebietsverantwortlichen zu nominieren hat. Der Bilanzkreisverantwortliche ist zum
Einen gem. § 22 Abs. 3 GasNZV verpflichtet, innerhalb einer Bilanzierungsperiode, die
einem Gastag entspricht, für eine ausgeglichene Bilanz zu sorgen (Tagesbilanzierung).
Zum Anderen sollen im Rahmen eines untertätigen Ausgleichsystems die Einspeisun-
gen für jede Stunde den Ausspeisungen entsprechen, um Instabilitäten im Netz zu verhindern.
Für eine nach der Saldierung und Anwendung der gewährten Toleranzen verbleibende
Über- oder Unterspeisung innerhalb des Stundenrasters hat der Bilanzkreisverantwortliche
an den Marktgebietsverantwortlichen einen Strukturierungsbeitrag zu
zahlen (§ 17 Anlage 4 KoV IV). Benötigt der Marktgebietsverantwortliche externe Regelenergie,
um physische Differenzen zwischen Ein- und Ausspeisung auszugleichen, und
reichen die Erlöse aus positiver Ausgleichsenergie und Strukturierungsbeiträgen nicht
aus, um die Kosten für negative Ausgleichsenergie zu decken, werden die verbleibenden
Kosten auf die Bilanzkreisverantwortlichen im Marktgebiet umgelegt (§ 29 S. 2
GasNZV).
(47) Da insbesondere kleinere Stadtwerke den hohen personellen und organisatorischen
Aufwand, den eine strukturierte Beschaffung erfordert, nicht leisten können, bieten über-
regionale und regionale Ferngasgesellschaften, darunter auch die Enovos Deutschland,
Dienstleistungen und 24/7-Services für lokale und regionale Weiterverteiler an, etwa die
Bedarfsanalyse und die Entwicklung einer Beschaffungsstrategie, Prognoseerstellungen
des Tagesbedarfs, Portfoliomanagement, die Bestellung von Speicheranlagen, die
Überwachung der Abweichungen zwischen Ist-Verbrauch und Prognosewerten oder ein
komplettes Bilanzkreismanagement. Durch die Inanspruchnahme dieser Dienstleistun-
gen erhalten lokale und regionale Weiterverteiler die Möglichkeit, mit einem realisierba-
ren Aufwand an den Entwicklungen der Gasmärkte zu partizipieren, da sie beispielswei-
29 Kooperationsvereinbarung zwischen den Betreibern von in Deutschland gelegenen Gasversorgungsnetzen
vom 30. Juni 2011 (KoV IV), Anlage 4 – Geschäftsbedingungen für den Bilanzkreisvertrag.