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II. Strukturen und Lebenswelten<br />

Sarit Hadad in vibrierendem Rhythmus von ihrem geliebten Tel<br />

Aviv singt, ist dies weniger zirpende Melancholie als das kra�volle<br />

Plädoyer für eine moderne Metropole, die sich ihrer Verletzlichkeit<br />

sehr wohl bewusst ist. Ganz zu schweigen von dem<br />

Lied »Boker Tow, Iran« (Guten Morgen, Iran) des israelischen<br />

Rockstars Aviv Geffen, worin der beinahe rührende Versuch unternommen<br />

wird, für die Hit-Länge von dreieinhalb Minuten irrationalen<br />

Hass zu analysieren und mit klugen Argumenten zu<br />

überwinden. (Übrigens: Der Bruder seiner Großmu�er war der<br />

israelische Generalstabschef, Verteidigungs- und Außenminister<br />

Mosche Dayan.)<br />

254<br />

Leben an der Oberfläche?<br />

Leben also all die leichthändig konsumierenden Zivilisten,<br />

die bis vor Kurzem und jetzt wieder in der Beiruter Innenstadt<br />

abends auf und ab flanieren, in einer anderen, weniger nachdenklichen<br />

Welt? Der mehrfache Beirut-Besucher erinnert sich<br />

vor diesem Hintergrund vor allem an zwei ein wenig bizarre<br />

Vorkriegsszenen, die ihm typisch erschienen. Sein Vorhaben, die<br />

Flüchtlingslager Sabra und Schatila aufzusuchen, löste unter seinen<br />

libanesischen Bekannten lediglich nervöses Gelächter aus:<br />

Weshalb diese Orte, so die Frage, schließlich hausten dort ja nur<br />

»schmutzige Palästinenser«, obwohl Ariel Scharon auf ewig verflucht<br />

sei dafür, 1982 Tausende dieser Helden ermordet zu haben.<br />

(Die Tatsache, dass es der libanesische Christ Elie Hobeika war,<br />

der – nach dem Krieg sinnigerweise Minister für Flüchtlinge und<br />

Behinderte – mit seinen Milizen das Morden in die Tat umsetzte,<br />

spielte innerhalb dieser krausen Logik keinerlei Rolle.)<br />

Andere Tageszeit, anderer Ort: In einem Hamam im von<br />

Sympathisanten der Amal-Partei bewohnten Schiitenviertel Beiruts<br />

herrscht die von Istanbul bis Kairo übliche Damp�adstille;<br />

im hinteren Teil des türkischen Bades jedoch gedämp�es Keuchen<br />

und wechselseitiges Fummeln zweier junger Männer unter<br />

leinernen Lendentüchern; dann plötzlich, des hereingeschneiten<br />

Fremden gewahr werdend, die reichlich pubertär ausgelebte Homosexualität<br />

sofort kaschierend in radebrechendem Englisch:<br />

»I have so many girlfriends, I have a wife!« Rein individuelle

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