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Judentum und jüdische Religion<br />
mit seinen zwölf Monaten, sieben Wochentagen und dem Sabbat<br />
(Samstag) als Ruhetag bestimmte das Zeitbewusstsein. Jiddisch<br />
als Alltagssprache und Hebräisch für Religion und Gelehrsamkeit<br />
trennten die Juden des osteuropäischen Schtetl (jiddisch: Städtchen)<br />
von ihren Nachbarn. Auf dem Land waren Juden als Pächter,<br />
Händler und o� als Vermi�ler zwischen den verschiedenen<br />
Bevölkerungsgruppen des Russischen Reiches tätig. In den Städten<br />
dominierten sie in einer wirtscha�lich schwach entwickelten<br />
Umgebung nicht selten Handel und Handwerk. Durch ihre Gemeindeorganisation<br />
sowie durch gemeinsame Tradition und Herkun�<br />
blieb die Judenheit Osteuropas weitgehend autonom, solange<br />
sie die Forderungen der Staatsmacht erfüllte.<br />
Wilna, das »Jerusalem des Ostens«, wurde zum Sinnbild für<br />
die Ausstrahlungskra� des Ostjudentums. Israel Ben Elieser<br />
(1698-1760), genannt Baal Schem Tow (hebr.: Meister des guten<br />
Namens), und seine Schüler begründeten dort eine Schule des<br />
traditionellen Studiums der Thora und der mündlichen Überlieferung.<br />
Im heutigen Weißrussland entstanden bedeutende<br />
Rabbinerschulen. Die mystische Erneuerungsbewegung des<br />
»Chassidismus« (von hebr. Chasid, der Fromme) verbreitete<br />
sich seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert in den jüdischen Gemeinden<br />
der Ukraine, Polens, Weißrusslands, Russlands und<br />
Österreichs. Der Rabbi (hebr.: mein Herr, mein Meister; jiddisch:<br />
Rebbe), Führer der Gemeinde in religiösen Dingen, wurde zur<br />
sprichwörtlichen Instanz in allen lebenskundlichen Fragen und<br />
verkörperte, als Figur mit chuzpe, die Schlauheit und den Witz im<br />
Umgang mit nichtjüdischen Nachbarn wie mit den Behörden.<br />
In Russland schränkte 1835 eine Verordnung die Siedlungsfreiheit<br />
der Juden auf den sogenannten Ansiedlungsrayon ein, bestehend<br />
aus mehreren westlichen und südlichen Gouvernements<br />
des Zarenreiches. Während dort einerseits die Masse der traditionell<br />
lebenden und überdurchschni�lich anwachsenden jüdischen<br />
Bevölkerung unter ärmlichsten Verhältnissen existierte, boten<br />
sich für gebildete Juden andererseits durchaus Aufstiegschancen<br />
im russischen Staatsapparat und auf dem wirtscha�lichen Sektor<br />
sowie im bis ins 19. Jahrhundert kaum ausgeprägten Bürgertum.<br />
Das Russische Reich wurde in den folgenden Jahrzehnten immer<br />
wieder zum Schauplatz von antijüdischen Pogromen und Antisemitismus<br />
bis in höchste Regierungskreise, auf der anderen Seite<br />
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