Geteilte Erfahrungen - LAG Mobile Jugendarbeit/Streetwork Baden ...
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<strong>Geteilte</strong> <strong>Erfahrungen</strong> -<br />
<strong>Mobile</strong> <strong>Jugendarbeit</strong> als<br />
Wegweiser und Brückenbauer<br />
in parallelen Welten<br />
Dokumentation der<br />
Jahrestagung<br />
<strong>Mobile</strong> <strong>Jugendarbeit</strong> 2011<br />
21. bis 23. März 2011<br />
im KVJS-Tagungszentrum Gültstein
Inhaltverzeichnis<br />
Seite<br />
Vorwort 4<br />
Irma Wijnvoord, KVJS<br />
Irmgard Fischer-Orthwein, KVJS<br />
<strong>Geteilte</strong> <strong>Erfahrungen</strong> – <strong>Mobile</strong> <strong>Jugendarbeit</strong> 5<br />
als Wegweiser und Brückenbauer in parallelen Welten<br />
Clemens Beisel, <strong>LAG</strong> <strong>Mobile</strong> <strong>Jugendarbeit</strong><br />
Wie Medien Jugendliche ansprechen 8<br />
- am Beispiel von Germany’s Next Topmodel<br />
Prof. Dr. Jan-Oliver Decker, Universität Passau<br />
Eine Gesellschaft rückt auseinander<br />
- die künftigen Bedingungen der <strong>Jugendarbeit</strong> 49<br />
Prof. Dr. Dr. h.c. Stefan Hradil, Universität Mainz<br />
„Trainierst Du noch oder spritzt Du schon?“<br />
-Konsum leistungssteigernder Substanzen zum Thema machen 88<br />
Prof. Dr. med. Dr. jur. Heiko Striegel, Anti-Doping Beauftragter<br />
des LSV <strong>Baden</strong>-Württemberg, Mannschaftsarzt des VfB Stuttgart<br />
Jugendliche in verschiedenen Welten 127<br />
Klaus Farin, Archiv der Jugendkulturen<br />
Impressionen vom Markt der Möglichkeiten 135<br />
Workshop 1: 137<br />
Brücken zur „Parallelwelt Politik“ bauen:<br />
Politikberatung durch <strong>Mobile</strong> <strong>Jugendarbeit</strong><br />
Patrick Differt, <strong>Mobile</strong> Jugendberatung Metzingen<br />
Matthias Reuting, Diakonisches Werk Württemberg e.V.<br />
Workshop 2: 141<br />
„Parallelwelt Internet“: Zur Faszination und<br />
Selbstdarstellung im Computerspiel und Web 2.0<br />
Esther Wiechers, Offene und <strong>Mobile</strong> <strong>Jugendarbeit</strong> Ladenburg<br />
Christiane Bollig, <strong>Mobile</strong> <strong>Jugendarbeit</strong> Reutlingen<br />
Moderation: Achim Spannagel, Drogenhilfe Ulm
Workshop 3: 168<br />
Jugendbanden und Gangs - Attraktivität für junge Menschen<br />
• Zusammenfassung des Workshops<br />
Rüdiger Schilling, Kriminalprävention Polizei Pforzheim<br />
168<br />
• Jugendkriminalität 2010/2011<br />
Stadtteilgruppen in Stuttgart<br />
Wir sind nicht vorbereitet – Jugendkrawalle in Frankreich<br />
Willi Pietsch, Polizeipräsidium Stuttgart<br />
170<br />
Workshop 4<br />
Vereine und Verbände - niedrigschwellige<br />
Sportangebote entwickeln<br />
214<br />
• Programm „Integration durch Sport“<br />
Kai Nörrlinger, Württembergische Sportjugend e.V.<br />
214<br />
• Jump – Junge Menschen mit Power<br />
Norbert Vollmer, TV Rottenburg<br />
224<br />
• Was zeichnet „niedrigschwellige Angebote“ aus?<br />
Zusammenfassung der Diskussionsergebnisse<br />
Workshop 5 238<br />
Kompetent in Parallelwelten:<br />
„Schattenwirtschaft“ als kreative Quelle für berufliche Perspektiven<br />
Uwe Buchholz, <strong>Mobile</strong> <strong>Jugendarbeit</strong> der Stadt Karlsruhe<br />
Volker Kugel, <strong>Mobile</strong> <strong>Jugendarbeit</strong> Weinheim<br />
Matthias Reuting, Diakonisches Werk Württemberg e.V.<br />
Workshop 6 247<br />
Migration – Integration – Interkulturelle Kommunikation<br />
Frank Dölker, M.A. Intercultural Communication, Fulda<br />
Workshop 7 251<br />
"Fußball ist unser Leben!?"<br />
Literaturhinweis und Link zu weiterführenden Infos<br />
Christian Schmidt, VfB Stuttgart, Leiter der Fanbeauftragten<br />
Workshop 8 252<br />
„Bloß nicht Mainstream“ -Jugendkulturen stellen sich vor<br />
Eva Gebauer, <strong>Mobile</strong> <strong>Jugendarbeit</strong> Karlsruhe<br />
Christiane Hillig, <strong>LAG</strong>-Servicestelle<br />
2
Vorwort<br />
<strong>Mobile</strong> <strong>Jugendarbeit</strong> erreicht unterschiedlichste Gruppierungen und Szenen junger Menschen,<br />
die sich zunehmend in „parallelen Welten“ bewegen: Die Lebenswirklichkeiten verschiedener<br />
Bevölkerungsgruppen entfernen sich immer weiter voneinander. Die virtuelle<br />
Welt des Internets gewinnt an Bedeutung. Lebensweltorientierte <strong>Mobile</strong> <strong>Jugendarbeit</strong> steht<br />
vor der Herausforderung, in Kontakt mit sehr verschiedenen Szenen zu treten und dabei<br />
auch als Vermittlerin in und zwischen diesen „parallelen Welten“ wirksam zu werden.<br />
Die Jahrestagung 2011 setzte sich damit auseinander, wie die jungen Menschen selbst mit<br />
„parallelen Welten“ und komplexen Anforderungen umgehen, welche Strategien sie zwischen<br />
Provokation, Ausstieg, Abgrenzung und Anpassung entwickeln, welche Wege die <strong>Mobile</strong><br />
<strong>Jugendarbeit</strong> findet, um zukünftig die Chancen ihrer verschiedenen Adressatinnen und<br />
Adressaten auf Anerkennung, gesellschaftliche und ökonomische Teilhabe zu verbessern.<br />
Als Tagungsauftakt zeigte Prof. Dr. Jan-Oliver Decker wie Medien Jugendliche ansprechen.<br />
Prof. Dr. Stefan Hradil stellte anhand empirischer Befunde aus Forschungen zu sozialer Ungleichheit<br />
dar, wie sich in einer Gesellschaft, die „auseinander rückt“, die Bedingungen für<br />
benachteiligte Jugendliche und damit auch für die <strong>Mobile</strong> <strong>Jugendarbeit</strong> verändern. Klaus<br />
Farin betrachtete Jugendkulturen insbesondere unter dem Gesichtspunkt vorhandener Ressourcen<br />
und Potentiale in Abgrenzung zum Mainstream. Der Konsum leistungssteigernder<br />
Substanzen war im Mittelpunkt des Abendvortrags von Dr. Heiko Striegel.<br />
Zahlreiche Workshops nahmen unterschiedliche „Parallelwelten“ in den Blick mit dem Ziel,<br />
Handlungswissen zu erweitern und dieses für die Praxis <strong>Mobile</strong>r <strong>Jugendarbeit</strong> nutzbar zu<br />
machen.<br />
Insgesamt gab die Tagung vielseitige Einblicke und wir hoffen, mit dieser Dokumentation<br />
weitere Impulse für den Arbeitsalltag geben zu können.<br />
Irma Wijnvoord<br />
Irmgard Fischer-Orthwein<br />
Kommunalverband für Jugend und Soziales<br />
<strong>Baden</strong>-Württemberg<br />
Dezernat Jugend- Landesjugendamt
<strong>Geteilte</strong> <strong>Erfahrungen</strong> - <strong>Mobile</strong> <strong>Jugendarbeit</strong> als Wegweiser und Brückenbauer<br />
in parallelen Welten<br />
Der Sozialarbeiter als Brückenbauer? Also Architekt, Statiker oder Ingenieur. Riecht nach einer<br />
gehörigen Gehaltserhöhung für uns..., na ja aber wer die neuen TVÖD SuE-Gruppen kennt und<br />
vielleicht bei einer unserer letzten Fachtage war, der weiß ja, das Gehaltserhöhungen in weiter ferne<br />
sind. Ich wechsle lieber das Thema...<br />
Das wir Brückenbauer im übertragenen Sinne sind, stellt wohl kaum jemand in Frage. Nicht nur in<br />
unserer täglichen Arbeit, auch in Gemeinwesensprojekten, die wir gemeinsam mit unseren<br />
Adressaten - initiieren sorgen wir dafür, dass Bürger Einblicke in die Lebenswelten unser Klienten<br />
kriegen und dass unsere Adressaten Einblicke in die Welt ihres Gemeinwesens bekommen.<br />
Ohne uns zu sehr auf die Schulter klopfen zu wollen, aber da basteln wir zum Teil Konstrukte, so<br />
denkwürdig und interessant wie die Brooklyn Bridge in New York oder die Golden Gate Bridge in San<br />
Francisco. Hört sich vielleicht erst mal größenwahnsinnig an, aber...<br />
...woran messe ich das?<br />
Clemens Beisel<br />
Landesarbeitsgemeinschaft<br />
<strong>Mobile</strong> <strong>Jugendarbeit</strong>/<strong>Streetwork</strong><br />
<strong>Baden</strong>-Württemberg<br />
Vor Kurzem spazierten ein paar Gemeinderäte über eine der besagten - von MJAlern und ihren<br />
Adressaten erbauten - Brücken. Gebaut aus einem hundert Prozent lebensweltorientierten Material:<br />
Das Stahlkonstrukt der Brücke aus zweieinhalb Stunden Videomaterial. Zu einem 15-minütigen bruchund<br />
bombensicheren Rahmen zusammengeschweißt. Die Aussagen der Jugendlichen: hartes,<br />
ehrliches und massives Betongemisch. Eine stabile Brücke.<br />
Als die Gemeinderäte über der Brücke waren, kamen Aussagen wie: „Mensch, das die Jungs sich so<br />
vernünftig ausdrücken können.“ Oder: „Die sprechen ja fließend Deutsch.“<br />
Abends habe ich mir die „Brücke“ also das Video selber noch mal angeschaut und mir die Aussagen<br />
der Gemeinderäte noch mal durch den Kopf gehen lassen.<br />
Mir wurde klar:<br />
Diese Brücke ist gefühlte 100 km lang! Denn die Welten sind weiter auseinander, als ich gedacht<br />
habe. Logisch wir MOBILEN spazieren jeden Tag über diese von uns selbst errichteten Brücken und
wir fühlen uns sicher. Für uns sind die Brücken stabil: Kein Wackeln, kein bröckeln und selbst wenn<br />
man von der Brücke fallen würde, landet man weich. Zumindest würde man sich nicht schlimm<br />
verletzen....<br />
Die gleiche Brücke, eine andere Sichtweise: Die Sicht der Ladenbesitzerin, die sich täglich über<br />
Jugendliche aufregt, die bei Regen und Kälte Unterschlupf unter ihrem Vordach suchen. Ihre Kunden<br />
bleiben weg, weil sie Angst haben. Angst vor der Bomberjacken tragenden, aufgepumpten Meute.<br />
So sieht sie die Brücke:<br />
Die Brücke - Ein klappriges Konstrukt, wie wir sie nicht mal aus dem furchterregendsten<br />
Hochseilgarten kennen. Morsche Holzlatten, einige fehlen schon, kein Geländer, nur ein altes,<br />
modriges Seil anstatt. Keine Absicherung und darunter? Lodernde Lava und Höllenfeuer. Okay,<br />
übertrieben. Aber zumindest ein tiefer Abgrund mit reißendem Fluss. Und da drüber gehen, um die<br />
Lebenswelt der Jugendlichen kennen zu lernen? Da sagt die Ladenbesitzerin – wie viele andere auch:<br />
Nein danke!<br />
Da sag ich: Doch. Muss sein. Kommen sie mit!<br />
Für die Jugendlichen sehen die Brücken, die in die Schule, in die Ausbildung oder zum „superbausparer<br />
Spießerreihenhaus“ führen auch nicht besser aus!<br />
Die Bretter ihrer Brücken sind mit einem schleimigen, glitschigen 4-Komponenten Hartz aus Alkohol,<br />
Drogen, Gewalt und Vorurteilen überzogen. Im Abgrund sehen sie die Dornen der<br />
Bedarfsgemeinschaften und Langzeitarbeitslosigkeit gepaart mit den spitzigen Stacheln der<br />
Perspektivlosigkeit. Und als wäre dies nicht genug: Ein Sturz von der Brücke bedeutet zudem, dass<br />
man die hohen Berge aus Bürokratie in Form von Anträgen und Ämtergängen alleine wieder<br />
hochkraxeln muss.<br />
Was ich mit diesen Metaphern zeigen will:<br />
Zum einen:<br />
Wir brauchen noch viel mehr Brücken! Und die Brücken müssen stabil, dreispurig in jede Richtung,<br />
super beschildert und bombensicher sein!<br />
Und zum anderen:<br />
Nur Brückenbauen reicht nicht! Und nur Wegweiser sein reicht auch nicht!<br />
Wir müssen beide Seiten an der Hand nehmen und über die Brücken begleiten. Wir müssen beiden<br />
Seiten die Angst vor den Brücken nehmen. Oft auch nicht nur einmal! Wir müssen den Dialog<br />
zwischen den Parallelwelten fördern und Integration bewirken. Dann werden unsere Adressaten<br />
feststellen, dass nicht jeder Gang über die Brücke im Hartz IV Sumpf endet und die Menschen auf der<br />
anderen Seite werden feststellen, dass unsere Adressaten keine menschenfressenden Orks sind. Die<br />
meisten zumindest nicht...<br />
Beziehungsarbeit und Niederschwelligkeit sind hier die Schlagworte mit denen wir arbeiten müssen.
Vorurteilslosigkeit, Akzeptanz und ein respektvoller Umgang sind die Werkzeuge oder das „Veschber“,<br />
welches wir den Brückengängern mitgeben müssen. Für jeden Gang. Für jeden Tag und für jede<br />
Person, die sich auf den Weg macht...<br />
Und wenn jemand meint, dass man nicht über diese Brücken gehen muss, dass diese Brücken nicht<br />
wichtig sind und sie oder er unsere Arbeit nicht wertschätzt. Seien es unsere Adressaten, die<br />
Gemeinderäte, die Ladenbesitzer, die Kommunen und viele mehr, dann muss man den einen<br />
antworten:<br />
Schon mal was vom demografischen Wandel gehört? Wir brauchen jeden Jugendlichen.<br />
Und unseren Adressaten: Du willst eine Perspektive? Du träumst vom Reihenhaus? Vom einem Ende<br />
der Anträge und Ämtergänge? Dann nutze die Brücken!<br />
Und deswegen brauch es uns und noch viele mehr, die Brücken bauen und diese für die breite Masse<br />
begehbar machen.<br />
Ich wünsche allen Teilnehmern, allen Referenten und allen Workshopleitern eine tolle Jahrestagung<br />
und sage Danke an Irma Wijnvoord, deren letzte Jahrestagung als Organisatorin dies ist: Du wirst uns<br />
immer ein willkommener Gast sein.<br />
Danke auch an Christiane Bollig, Esther Wiechers, Christiane Hillig, Uwe Buchholz, Matthias Reuting<br />
(jetzt Diak.) und Eddy Götz, die neben Irma im Orgateam der Jahrestagung waren.<br />
Und ich sage: „Hallo und herzlich willkommen!“ zu Frau Fischer-Orthwein, der Nachfolgerin von Irma.<br />
Nu aber genug von mir. Viel Spaß bei der Jahrestagung im Namen der <strong>LAG</strong>!!!<br />
Clemens Beisel
Wie Medien<br />
Jugendliche<br />
ansprechen –<br />
das Beispiel<br />
Germany’s Next<br />
Topmodel<br />
Jan-Oliver Decker<br />
(Passau)
Germany’s Next Topmodel<br />
(GNTM)<br />
• Lifestyle-Reality-TV-<br />
Format<br />
• performativ:<br />
Inszenierung nicht<br />
alltäglicher Lebenswelten<br />
mit nicht-prominenten<br />
Personen<br />
• narrativ:<br />
pseudo-dokumentarische<br />
Bewährungssituationen<br />
GNTM 2 (2007),<br />
v. l. n. r. Heidi Klum, die Siegerin Barbara Meier<br />
und die Zweitplatzierte Anne-Kathrin Wendler
Maria Beckmann und Krokodil, Challenge und Job für Apollo-<br />
Optik in GNTM 4 (2009)
GNTM 6 (2011) Rebecca und Anna-Lena (Foto: Rankin)
(0. Einleitung)<br />
1. Rolle der Jury<br />
Vortragsgliederung<br />
2. Rituale aus semiotischer Sicht<br />
3. In Medien inszenierte Rituale<br />
4. Das Jury-Ritual als Harmonisierung<br />
von ‚Rolle vs. Person‘<br />
5. Schönheit als Ergebnis von Körperarbeit<br />
6. Adaption des melodramatischen Narrativs<br />
7. Mentalitätsgeschichtliche Funktion
Die Jury von GNTM 6 (2011): Creative Director Thomas Hayo,<br />
Heidi Klum, Designer Thomas Rath
Die Jury von GNTM 4 (2009), v. l. n. r. Rolf Scheider, Heidi Klum,<br />
Peyman Amin
Catwalk-Ritual am Ende jeder Episode:<br />
Freude bei Olivia Berman, GNTM 4 (2009), Verzweifelung bei<br />
Sarah Knappik GNTM 3 (2008)
Heidi Klum im November<br />
2009 auf dem Laufsteg der<br />
Dessous-Modenschau von<br />
Victorias Secret vier Monate<br />
nach der Geburt des vierten<br />
Kindes
Jennifer Hof, Gewinnerin der dritten Staffel von GNTM 3 (2008) zu<br />
Beginn und am Ende der Show
GNTM 4 (2009),<br />
o. u. u. mit der Gewinnerin Sara<br />
Nuru
(0. Einleitung)<br />
1. Rolle der Jury<br />
Vortragsgliederung<br />
2. Rituale aus semiotischer Sicht<br />
3. In Medien inszenierte Rituale<br />
4. Das Jury-Ritual als Harmonisierung<br />
von ‚Rolle vs. Person‘<br />
5. Schönheit als Ergebnis von Körperarbeit<br />
6. Adaption des melodramatischen Narrativs<br />
7. Mentalitätsgeschichtliche Funktion
Rituale aus semiotischer Sicht<br />
• sich performativ ereignende Zeichensysteme<br />
• hoch konventionalisierte, uneigentliche Bedeutung<br />
• Abbilden zentraler kultureller Werte und Normen<br />
• Herstellen sozialen Sinns über das Alltägliche hinaus
primäre<br />
Zeichensysteme<br />
Ritual: Stufe zweiter semiotischer Modellbildung<br />
sekundäres<br />
Zeichensystem<br />
primäre<br />
kulturelle<br />
Bedeutung<br />
Stufe erster semiotischer Modellbildung<br />
durch primäre Zeichensysteme,<br />
bspw. Mimik, Gestik, Proxemik, Kinesik,<br />
Sprache, Musik, Ikonografie, Rhetorik<br />
usw.<br />
sekundäre<br />
kulturelle<br />
Bedeutung<br />
Rituale können als<br />
Zeichensysteme zur<br />
Klasse der nach<br />
Jurij M. Lotman<br />
sekundären<br />
modellbildenden<br />
semiotischen<br />
Systeme gezählt<br />
werden.
Semiosphäre 1<br />
Jugend Reife<br />
Ritual<br />
Reales kulturelles Kontinuum, bspw. Lebensweg der Person<br />
Transition<br />
Soziale Sphäre 1 Soziale Sphäre 2<br />
Semiosphäre 2
(0. Einleitung)<br />
1. Rolle der Jury<br />
Vortragsgliederung<br />
2. Rituale aus semiotischer Sicht<br />
3. In Medien inszenierte Rituale<br />
4. Das Jury-Ritual als Harmonisierung<br />
von ‚Rolle vs. Person‘<br />
5. Schönheit als Ergebnis von Körperarbeit<br />
6. Adaption des melodramatischen Narrativs<br />
7. Mentalitätsgeschichtliche Funktion
primäre<br />
Zeichensysteme<br />
Medium: Stufe zweiter semiotischer Modellbildung<br />
sekundäres<br />
Zeichensystem<br />
primäre<br />
kulturelle<br />
Bedeutung<br />
Stufe erster semiotischer Modellbildung<br />
durch primäre Zeichensysteme,<br />
bspw. Mimik, Gestik, Proxemik, Kinesik,<br />
Sprache, Musik, Filmbild, Ikonografie,<br />
Rhetorik usw.<br />
sekundäre<br />
kulturelle<br />
Bedeutung<br />
Medien wie<br />
Literatur und Film<br />
können ebenfalls<br />
nach Jurij M.<br />
Lotman zu den<br />
sekundären<br />
modellbildenden<br />
semiotischen<br />
Systeme gezählt<br />
werden.
Zum semiotischen Status von in Medien<br />
inszenierten Ritualen<br />
• Fernsehshows und Rituale = sekundäre semiotische<br />
Systeme<br />
• sekundärer Bedeutungsaufbau durch Verarbeitung<br />
primärer semiotischer Systeme<br />
• In Fernsehshows inszenierte Rituale kondensieren und<br />
verdichten die in den von jeder Fernsehshow<br />
konstruierten, sekundären paradigmatischen<br />
Vorstellungs- und Bedeutungsräume.<br />
• Genau so wie die sekundäre Fernsehshow mittelbar<br />
primäre kulturelle Realität verarbeitet, genau so<br />
verarbeitet das in der Fernsehshow inszenierte Ritual<br />
diese spezifische Realität der Show auf einer<br />
übergeordneten, repräsentierenden Ebene.
(0. Einleitung)<br />
1. Rolle der Jury<br />
Vortragsgliederung<br />
2. Rituale aus semiotischer Sicht<br />
3. In Medien inszenierte Rituale<br />
4. Das Jury-Ritual als Harmonisierung<br />
von ‚Rolle vs. Person‘<br />
5. Schönheit als Ergebnis von Körperarbeit<br />
6. Adaption des melodramatischen Narrativs<br />
7. Mentalitätsgeschichtliche Funktion
Sara Nuru ist endlich GNTM 4 (2009)<br />
r. Tamara Busch wird nicht mehr GNTM 4 (2009)<br />
Sara Knappik GNTM 3 (2008)<br />
macht keine gute Figur
Übernahme vorgefertigter personexterner Rollenmerkmale<br />
altes alltägliches<br />
Leben<br />
Ritual<br />
Reales kulturelles Kontinuum, bspw. Lebensweg der Person<br />
≈<br />
Demütigung<br />
serialisierte<br />
Transition<br />
≈<br />
neues emphatisches<br />
Leben in Modelwelt<br />
Reifung der individuellen Persönlichkeit durch freigelegte Potenziale
Jennifer Hof, Gewinnerin von<br />
GNTM 3 (2008) zu Beginn und am<br />
Ende der Show
(0. Einleitung)<br />
1. Rolle der Jury<br />
Vortragsgliederung<br />
2. Rituale aus semiotischer Sicht<br />
3. In Medien inszenierte Rituale<br />
4. Das Jury-Ritual als Harmonisierung<br />
von ‚Rolle vs. Person‘<br />
5. Schönheit als Ergebnis von Körperarbeit<br />
6. Adaption des melodramatischen Narrativs<br />
7. Mentalitätsgeschichtliche Funktion
Die Jury von GNTM 6 (2011): Creative Director Thomas Hayo,<br />
Heidi Klum, Designer Thomas Rath
Marie Nasemann (r.)<br />
als Siegerin einer<br />
Challenge aus GNTM<br />
4 (2009)
Beispiel<br />
„Die Entscheidungen Staffel 3“<br />
GNTM 3 (2008)
(0. Einleitung)<br />
1. Rolle der Jury<br />
Vortragsgliederung<br />
2. Rituale aus semiotischer Sicht<br />
3. In Medien inszenierte Rituale<br />
4. Das Jury-Ritual als Harmonisierung<br />
von ‚Rolle vs. Person‘<br />
5. Schönheit als Ergebnis von Körperarbeit<br />
6. Adaption des melodramatischen Narrativs<br />
7. Mentalitätsgeschichtliche Funktion
All That Heaven Allows<br />
(USA 1955 Douglas Sirk)<br />
Ein Herz spielt falsch<br />
(BRD 1953, Rudolf Jugert)
Skizze des melodramatischen Erzählmodells<br />
bürgerlicher Raum<br />
väterlicher<br />
Herkunftsraum<br />
Normanerkennung<br />
Zielraum<br />
domestizierte<br />
Erotik<br />
soziales Außen<br />
Normverstoß<br />
gewünschte erotische<br />
Autonomie<br />
Leiden<br />
Normeinübung<br />
Transitionsraum<br />
Sanktionsraum
Beispiel<br />
„Emotionen über Emotionen“<br />
GNTM 4 (2009) – Das Special
Skizze des melodramatischen Erzählmodells<br />
bürgerlicher Raum<br />
väterlicher<br />
Herkunftsraum<br />
Normanerkennung<br />
Zielraum<br />
domestizierte<br />
Erotik<br />
soziales Außen<br />
Normverstoß<br />
gewünschte erotische<br />
Autonomie<br />
Leiden<br />
Normeinübung<br />
Transitionsraum<br />
Sanktionsraum
Übernahme vorgefertigter personexterner Rollenmerkmale<br />
altes alltägliches<br />
Leben<br />
Ritual<br />
Reales kulturelles Kontinuum, bspw. Lebensweg der Person<br />
≈<br />
Demütigung<br />
serialisierte<br />
Transition<br />
≈<br />
neues emphatisches<br />
Leben in Modelwelt<br />
Reifung der individuellen Persönlichkeit durch freigelegte Potenziale
(0. Einleitung)<br />
1. Rolle der Jury<br />
Vortragsgliederung<br />
2. Rituale aus semiotischer Sicht<br />
3. In Medien inszenierte Rituale<br />
4. Das Jury-Ritual als Harmonisierung<br />
von ‚Rolle vs. Person‘<br />
5. Schönheit als Ergebnis von Körperarbeit<br />
6. Adaption des melodramatischen Narrativs<br />
7. Mentalitätsgeschichtliche Funktion
Arbeit am<br />
Körper von<br />
Maria<br />
Beckmann<br />
GNTM 4 (2009)
Die drei Finalistinnen aus GNTM 4 (2009),<br />
v. l. n. r. Marie Nasemann, Mandy Bork<br />
und die Gewinnerin Sara Nuru
Beispiel<br />
„Lena Gercke siegt“<br />
GNTM 1 (2006) – Das Beste aus Staffel 1–3<br />
Bonusmaterial, Sedcard Shooting, 05:30–06:14
Jennifer Hof, Gewinnerin von<br />
GNTM 3 (2008) zu Beginn und<br />
am Ende der Show
Wie Medien<br />
Jugendliche<br />
ansprechen –<br />
das Beispiel<br />
Germany’s Next<br />
Topmodel<br />
Jan-Oliver Decker<br />
(Passau)
„Germany’s Next<br />
Topmodel –<br />
Initiation durch<br />
Domestikation.<br />
Zur Konstruktion der<br />
schönen Person in<br />
Castingshows“<br />
Jan-Oliver Decker<br />
(Kiel/Passau)
„Trainierst Du noch oder spritzt Du schon“<br />
Konsum leistungssteigernder Substanzen<br />
zum Thema machen<br />
Heiko Striegel<br />
Medizinische Universitätsklinik Tübingen<br />
SpOrt Medizin Stuttgart GmbH<br />
www.sport-medizin.eu
Die Ausgangssituation…<br />
� Doping im Leistungs- und Hochleistungssport<br />
� Doping im Freizeit- und Fitness-Sport<br />
� Gesundheitsökonomische und volkswirtschaftliche<br />
Relevanz<br />
� Studien zum Doping im Leistungssport<br />
� Studien zum Doping im Freizeit- und Fitness-Sport
Doping im Leistungssport<br />
� Nur wenige Studien weltweit<br />
� Studie von Scarpino et al.<br />
Lancet, 1990; 336: 1048-1050:<br />
Dopingprävalenz: 11 % bis 27 %
Doping im Freizeit-Sport - Studienübersicht<br />
Untersuchungskollektiv<br />
Gesamtpopulation (USA)<br />
Bodybuilder (Schweden)<br />
Fitness-Studio Mitglieder (UK)<br />
Fitness-Studio Mitglieder (USA)<br />
Schulsportler (Frankreich)<br />
Dopingprävalenz<br />
M 0,9%, F 0,1%<br />
M 38,4%, F 9%<br />
M 9,1%, F 2,3%<br />
M 23%, F3%<br />
M 5%, F 2%<br />
Referenz<br />
Yesalis et al. (1993)<br />
JAMA 270: 1217-1221<br />
Linström et al. (1990)<br />
J Intern Med 227: 407-411<br />
Korkia et al. (1997)<br />
Int J Sports Med 18:<br />
557562<br />
Kanayama et al. (2001)<br />
Psychother Psychosom<br />
70: 137-140<br />
Laure et al. (2004)<br />
Int J Sports Med 25: 133-<br />
138
Zusammenhang zwischen Doping und Drogen<br />
Signifikante Korrelation zwischen Dopingsubstanzkonsum und Konsum<br />
legaler und illegaler Drogen<br />
(DuRant et al., 1993; Nilsson et al., 1995;<br />
Yesalis et al., 1993)<br />
Signifikante Korrelation zwischen Dopingsubstanzkonsum und Konsum<br />
illegaler Drogen<br />
(Wichstrom et al., 2001)<br />
Signifikante Korrelation zwischen Dopingsubstanzkonsum und Konsum<br />
legaler Drogen<br />
(Laure et al., 2004)
Doping im deutschen Fitness-Sport<br />
• Befragt wurden anhand eines Fragebogens Sportler im<br />
Fitness-Studio<br />
• Es wurden insgesamt 1802 Fragebögen in 113 Fitness-Studios<br />
verteilt (Gesamtmitgliederzahl 90 100).<br />
• Die Anzahl der Fragebögen betrug 2% der jeweiligen<br />
Mitgliederzahl des Studios.<br />
• Die Fragebögen wurden durch nach genauer Instruktion<br />
(Verteilung entsprechend der Geschlechts-, Alters-,<br />
Trainingshäufigkeits-, und Trainingsaltersstruktur des jeweiligen<br />
Studios) über die Betreiber bzw. Trainer an die Sportler verteilt.<br />
• Der Fragebogenrücklauf betrug n=621 (34,4%). Davon waren<br />
390 Männer (62,8%) und 321 Frauen (37,2%)
Allgemeine Daten<br />
Variable<br />
Männer<br />
Frauen<br />
Anthropometrische Daten<br />
Alter [J]<br />
Größe [cm]<br />
Gewicht [kg]<br />
Ausbildung<br />
Keine<br />
Lehre<br />
Studium<br />
Keine Antwort<br />
Kein Doping<br />
315 (80.8%)<br />
222 (96.1%)<br />
33 ± 11<br />
175.7 ± 9.0<br />
73.9 ± 16.1<br />
55 (10.2%)<br />
317 (59.1%)<br />
158 (29.4%)<br />
7 (1.3%)<br />
Doping<br />
75 (19.2%)<br />
9 (3.9%)<br />
33 ± 8<br />
1.78 ± 8.2<br />
87.1 ± 20.0<br />
6 (7.1%)<br />
64 (71.5%)<br />
17 (20.2%)<br />
1 (1.2%)
Angewandte Substanzen<br />
Substanzen<br />
Anabole Steroide (AAS)<br />
Nur Clebuterol<br />
Nur Stimulantien<br />
AAS und andere Substanzen<br />
Clenbuterol und andere Substanzen<br />
Art der Verabreichung n (%)<br />
Oral<br />
Parenteral<br />
Oral and parenteral<br />
24 (35.3)<br />
9 (13.2)<br />
35 (51.5)<br />
1<br />
2 bis 4<br />
> 4<br />
n (%)<br />
37 (55.2)<br />
9 (13.4)<br />
1 (1.5)<br />
19 (28,4)<br />
1 (1.5)<br />
Anzahl der Substanzen<br />
Fitness sports<br />
n (%)<br />
27 (39.7)<br />
29 (42.6)<br />
12 (17,5)
Einzelbeispiel
Informationsquellen<br />
eigenes Literaturstudium<br />
Männer<br />
Frauen<br />
Informationsquellen der<br />
Dopingsubstanzen<br />
Hausarzt<br />
Sportarzt<br />
Trainer<br />
andere Sportler<br />
Eltern<br />
Partner<br />
Freunde<br />
Internet<br />
sonstige<br />
0 10 20 30 40 50
Bezugsquellen<br />
andere Sportler<br />
Trainer<br />
Schw arzmarkt<br />
Arzt (Inland)<br />
Arzt (Ausland)<br />
Apotheke (mit Rezept/Inland)<br />
Apotheke (mit Rezept/Ausland)<br />
Apotheke (ohne Rezept/Inland)<br />
Apotheke (ohne Rezept/Ausland)<br />
andere<br />
0 10 20 30 40 50%
Dopingsubstanzkonsum - Gründe<br />
Andere<br />
Variable<br />
Verbessertes Aussehen<br />
Kraftzuwachs<br />
Sportliche Erfolge<br />
Verbesserte<br />
Ausdauerleistung<br />
Leistungsstagnation<br />
Frauen (n=231)<br />
39.0%<br />
6.9%<br />
20.4%<br />
17.8%<br />
10.4%<br />
3.0%<br />
Männer (n=390)<br />
45.1%<br />
42.6%<br />
23.9%<br />
18.5%<br />
18.2%<br />
4.6%
Dopendenprofil<br />
100<br />
50<br />
30<br />
10<br />
5<br />
3<br />
1<br />
0.5<br />
0.3<br />
0.1<br />
Odds Ratio Odds Lower Odds Upper<br />
Nationalität<br />
AlKohol<br />
Abitur<br />
Trainingsjahre<br />
BMI<br />
Body-<br />
Building<br />
Trainingsfrequenz<br />
Kokain
Drogenkonsumentenprofil<br />
100<br />
50<br />
30<br />
10<br />
5 3<br />
1<br />
0.5<br />
0.3<br />
01<br />
Odds Ratio Odds Lower Odds Upper<br />
Kinder<br />
Studium<br />
Rauchen<br />
Alkohol<br />
Doping
5-Jahres Follow-Up Befragung<br />
• Befragt wurden anhand eines Fragebogens Sportler im<br />
Fitness-Studio<br />
• Es wurden insgesamt 1461 Fragebögen in 84 Fitness-Studios<br />
verteilt (Gesamtmitgliederzahl 73 000).<br />
• Die Anzahl der Fragebögen betrug 2% der jeweiligen<br />
Mitgliederzahl des Studios.<br />
• Die Fragebögen wurden durch nach genauer Instruktion<br />
(Verteilung entsprechend der Geschlechts-, Alters-,<br />
Trainingshäufigkeits-, und Trainingsaltersstruktur des jeweiligen<br />
Studios) über die Betreiber bzw. Trainer an die Sportler verteilt.<br />
• Der Fragebogenrücklauf betrug n=438 (30,0%). Davon waren<br />
287 Männer (65,5%) und 151 Frauen (34,5%)
5-Jahres Follow-Up Befragung<br />
• Reduktion der Zahl der Dopenden auf 10,8 %<br />
• Erhöhung der Zahl der Drogenkonsumenten um 8,4 % auf 24,3 %<br />
• Anteil der aus dem Gesundheitswesen stammenden<br />
Dopingsubstanzen reduziert sich um 11,9 % auf 36,2 %<br />
• Ärzte weiterhin die am häufigsten genannte Informationsquelle in<br />
Bezug auf Dopingsubstanzen<br />
• Rechtliche Schwierigkeiten wegen illegalen Drogen: 6,5 % aller<br />
Befragten<br />
• Rechtliche Schwierigkeiten wegen Dopings: 0,3 % aller Befragten
Problematik sensibler Fragestellungen<br />
� Problematik sensibler Fragestellungen<br />
� Befragungstechniken:<br />
� Persönliche Befragung<br />
� Anonymer Fragebogen<br />
� Randomized-Response-Technique (RRT)
Durchführung der RRT<br />
� 2 Fragen (eine sensible und eine allgemeine Frage)<br />
� identische Antwortmöglichkeiten<br />
� Untersucher weiß nicht, auf welche Frage der<br />
Proband antwortet<br />
� Dokumentation der Antwort („Ja“ oder „Nein“)<br />
� Berechnung der Wahrscheinlichkeit, mit der ein<br />
Proband auf die sensible Frage mit „Ja“ geantwortet<br />
hat
RRT-Untersuchung in Fitness-Studios<br />
• Befragt wurden anhand der RRT-Technik Sportler im Fitness-<br />
Studio<br />
• Es wurden insgesamt 500 Sportler in 49 Fitness-Studios befragt.<br />
• Die Anzahl der Befragten betrug 1% der jeweiligen Mitgliederzahl<br />
des Studios.<br />
• Befragung zu unterschiedlichen Tageszeiten entsprechend der<br />
Mitgliederstruktur in den jeweiligen Fitness-Studios
Allgemeine Daten RRT-Befragung<br />
Variable<br />
Männer<br />
Frauen<br />
Anthropometrische Daten<br />
Alter [J]<br />
Größe [cm]<br />
Gewicht [kg]<br />
RRT<br />
347 (69.4%)<br />
153 (30.6%)<br />
32 ± 11<br />
176.4 ± 9.1<br />
75.96 ± 15.0<br />
Fragebogen<br />
390 (62.8%)<br />
231 (37.2%)<br />
33.6 ± 10.6<br />
176.0 ± 9.0<br />
75.7 ± 17.3
Ergebnisse der Befragungen<br />
Vergleich der Ergebnisse der Befragung mittels<br />
anonymer Fragebögen und der Befragung mittels der<br />
Randomized Response Technique<br />
Variable<br />
Doping „ja“<br />
Illegale Drogen „ja“<br />
Kokain „ja“<br />
Rauchen „ja“<br />
Alkohol „ja“<br />
Anonyme<br />
Fragebögen<br />
13,5 %<br />
15,9 %<br />
4,7 %<br />
30,0 %<br />
77,8 %<br />
Randomized<br />
Response<br />
Technique<br />
12,5%<br />
41,3 %<br />
14,6 %<br />
27.5 %<br />
69,6 %
Leistungssportler: RRT-Befragung<br />
F-Kader<br />
E-Kader<br />
D-Kader<br />
kein Kader<br />
A-Kader B-Kader<br />
C-Kader<br />
D/C-Kader<br />
Gesamt (n=480) Männer (n=301) Frauen (n=179)<br />
Alter (Jahre) 16,7 (16,4 - 17,0) 16,7 (16,2 - 17,0) 16,7 (16,2 - 17,2)
Leistungssportler in Deutschland<br />
Doping<br />
Illegale Drogen<br />
Prävalenz<br />
6,8 %<br />
8,8 %<br />
95 % CI<br />
2,7 - 10,9<br />
4,5 - 13,1
Eliteschulen des Sports<br />
• Prävalenz des Dopings in Schulen<br />
• Möglichkeiten der Dopingprävalenz in<br />
Schulen und deren Effektivität
RRT-Untersuchung in Eliteschulen des Sports<br />
• Befragt wurden anhand der RRT-Technik Schüler der<br />
Klassenstufen 8 und 9 an Eliteschulen des Sports<br />
(Realschulen und Gymnasien)<br />
• Es wurden insgesamt 344 Sportler in 4 Schulen<br />
befragt.<br />
• Die Befragung fand nach gründlicher Aufklärung über<br />
die Art der Befragung und die Definition der<br />
Parameter statt.
RRT-Untersuchung - Ergebnisse
Interventionsmaßnahme Interventionsmaßnahmen - Studienpopulation<br />
� 4 Eliteschulen des Sports in <strong>Baden</strong>-Württemberg:<br />
� Wirtemberg-Gymnasium (Stuttgart)<br />
� Linden-Realschule (Stuttgart)<br />
� Helmholtz-Gymnasium (Heidelberg)<br />
� Johannes-Kepler-Realschule (Heidelberg)<br />
� Gesamt 393 Schüler und Schülerinnen<br />
� Klassenstufe 8 und 9<br />
� In jeweils einer Klassenstufe (2 Klassen, Sportprofil<br />
und Kontrollklasse) wurde interveniert, die andere<br />
stand als Kontrollklasse zur Verfügung
Interventionsmaßnahme Interventionsmaßnahmen - Studienpopulation<br />
Anzahl<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
Klasse 8 Intervention Klasse 9 Intervention Klasse 8 Kontrolle Klasse 9 Kontrolle
Interventionsmaßnahme Interventionsmaßnahmen - Methodik<br />
� im Rahmen von 12 Schulstunden wurden Schüler und<br />
Schülerinnen mittels geeigneter Unterrichtsmaterialien in<br />
folgenden Themen aufgeklärt:<br />
� Nahrungsergänzungsmittel<br />
� Medikamente/Medikamentenmissbrauch<br />
� Doping:<br />
� Verbotsliste<br />
� Dopingfallen<br />
� Dopingkontrolle<br />
� Risiken und Nebenwirkungen von Dopingsubstanzen<br />
� Ethische Aspekte
Interventionsmaßnahme Interventionsmaßnahmen - Evaluation<br />
� Einstellungs- und Wissensanalyse (anonymer<br />
Fragebogen) vor und nach den Interventionen<br />
� Fragebogen umfasste 21 Items, die anhand einer<br />
Lickert-Skala zu beantworten waren<br />
� Kontrollgruppe beantwortete gleichen Fragebogen<br />
auch zweimal im gleichen Abstand wie<br />
Interventionsgruppe
Interventionsmaßnahme Interventionsmaßnahmen - Evaluationsergebnisse<br />
Einstellungsanalyse<br />
• 7 der 21 Items umfassten die Einstellungsanalyse<br />
• 3 der 7 Items zeigen signifikante Unterschiede (Frage<br />
4, 5 und 7) in der Differenz auf<br />
• Signifikanter Unterschied im Rahmen der kompletten<br />
Einstellungsanalyse zwischen T1 und T2 und der<br />
Kontroll- und Interventionsgruppe<br />
�Positiver Erfolg des Unterrichts auf die Einstellung<br />
der Schüler in Bezug auf Doping
Interventionsmaßnahme Interventionsmaßnahmen - Evaluationsergebnisse<br />
Mittelwert<br />
2,15<br />
2,1<br />
2,05<br />
2<br />
1,95<br />
1,9<br />
1,85<br />
1,8<br />
Einstellungsanalyse<br />
vorher nachher<br />
Kontrollgruppe<br />
Interventionsgruppe
Interventionsmaßnahme Interventionsmaßnahmen - Evaluationsergebnisse<br />
Wissensanalyse<br />
• 14 der 21 Items umfassten die Wissensanalyse<br />
• 9 der 14 Items signifikante Unterschiede (Frage 8, 9,<br />
13, 14, 15, 16, 17, 18 und 20) in der Differenz<br />
• Hoch signifikanter Unterschied im Rahmen der<br />
kompletten Wissensanalyse zwischen T1 und T2 und<br />
der Kontroll- und Interventionsgruppe<br />
�Positiver Erfolg des Unterrichts auf den Kenntnisstand<br />
der Schüler in Bezug auf Doping
Interventionsmaßnahme Interventionsmaßnahmen - Evaluationsergebnisse<br />
Mittelwert<br />
3,7<br />
3,6<br />
3,5<br />
3,4<br />
3,3<br />
3,2<br />
3,1<br />
3<br />
Wissensanalyse<br />
vorher nachher<br />
Kontrollgruppe<br />
Interventionsgruppe
Interventionsmaßnahme Interventionsmaßnahmen<br />
Schlussfolgerung - Schlussfolgerungen<br />
1. Die Ergebnisse der RRT - Befragung zeigen, dass der<br />
Konsum von Dopingsubstanzen und Drogen bereits im<br />
Alter von 13 bis 16 Jahren ein nicht zu unterschätzendes<br />
Problem darstellt<br />
�Anti-Doping Präventionsmaßnahmen somit wichtig<br />
2. Signifikante bzw. hoch signifikante Ergebnisse der<br />
Einstellungs- bzw. Wissensanalyse zeigen, dass der<br />
Unterricht ein positiver Erfolg in Bezug auf Doping bei den<br />
Schülern und Schülerinnen war<br />
�somit ist es sinnvoll, dass Präventionsmaßnahmen in<br />
Form eines strukturierten Unterrichts anhand von<br />
altersgerechten Unterrichtsmaterialien durchgeführt wird<br />
3. Derzeit Erstellung von Unterrichtsmaterialien
Materialien Interventionsmaßnahmen<br />
Schlussfolgerung<br />
– www.highfive.de
Materialien Interventionsmaßnahmen<br />
Schlussfolgerung<br />
– www.dsj.de
Materialien Interventionsmaßnahmen<br />
Schlussfolgerung<br />
– www.dopinginfo.de
Vielen Dank für Ihre<br />
Aufmerksamkeit!
Jugendliche in verschiedenen Welten – Ressourcen und Potentiale<br />
Vortrag von Klaus Farin am 23. März 2011 bei der Jahrestagung <strong>Mobile</strong><br />
<strong>Jugendarbeit</strong>/<strong>Streetwork</strong> in Herrenberg-Gültstein<br />
Eine notwendige Vorbemerkung:<br />
Fast alles, was wir über „die Jugend“ und deren Kulturen wissen, wissen wir aus den<br />
Medien. Medien sind aber vor allem an dem Extremen und dem Negativen interessiert. Sie<br />
leben nun einmal davon, stets das Außergewöhnliche, Nicht-Alltägliche in den Vordergrund<br />
zu rücken und zur Normalität zu erheben: Drei betrunkene Rechtsradikale, die „Sieg heil!“<br />
grölend durch ein Dorf laufen, erfahren so eine bundesweite Medienresonanz; eine<br />
Jugendgruppe, die sich monatelang aktiv gegen Rassismus und Rechtsextremismus<br />
engagiert, ist in der Regel kaum der Lokalzeitung ein paar Zeilen wert. Die „gute Nachricht“<br />
ist keine. Und was nicht in den Medien stattfindet, gibt es nicht. Zudem neigen<br />
Popularmedien in Zeiten härterer Konkurrenzkämpfe um Auflagen und Einschaltquoten<br />
dazu, ihre Themen weiter zuzuspitzen. „Keine Jugendgewalt“ oder „immer weniger“ Gewalt<br />
ist auch kein Thema. Und so heißt es tagtäglich: „Immer mehr“ Jugendgewalt, „immer<br />
brutaler“ die Täter. Da ist Sensation statt Information gefragt, immer schneller, immer<br />
schriller, immer billiger. Da veröffentlicht das Kriminologische Forschungsinstitut Hannover<br />
eine 131-seitige Studie "Jugendliche als Opfer und Täter von Gewalt" (Baier u. a. 2009),<br />
deren Hauptfazit lautet: Jugendgewalt und Jugendkriminalität insgesamt sind in den letzten<br />
zehn Jahren zurückgegangen. Auf acht Seiten dieser Studie behaupten sie: 3,8 Prozent der<br />
Neuntklässler seien Mitglied in rechtsextremen Organisationen. In absolute Zahlen<br />
umgerechnet und die Siebt-, Acht- und Zehntklässler mitberücksichtigt, bedeutete dies, dass<br />
etwas mehr als 100.000 unter 18-Jährige in Deutschland organisierte Rechtsextreme sind –<br />
schon ein kurzer kritischer Blick offenbart eigentlich, dass dies gar nicht sein kann (nur zum<br />
Vergleich: Der Verfassungsschutz kommt in seinen alljährlichen Berichten konstant auf eine<br />
Größenordnung von 2-3 Prozent dieser Zahl.). Dennoch wird dieser hanebüchene Unsinn in<br />
den nächsten Tagen zum in der Regel unreflektierten Hauptthema der Berichterstattung über<br />
diese Studie, der Rest ist vergessen.<br />
Dieser kurze Exkurs zu Beginn sollte noch einmal in Erinnerung rufen, dass das, was wir<br />
glauben, über „die Jugend“ zu wissen, nicht unbedingt der Realität entspricht, sondern der<br />
veröffentlichten Realität, dem, was Medien aus der unendlichen Fülle täglicher Ereignisse<br />
auf Basis ihrer eigenen subjektiven Perspektive und Interessenlage für uns vorsortieren und<br />
auf die Agenda setzen. Medien präsentieren uns nur einen kleinen – negativen! – Ausschnitt<br />
von „Jugend“ (zudem mit oft haarsträubend schlecht recherchierten „Fakten“, vgl. etwa Farin<br />
2001, S. 233-256), den wir pars pro toto nehmen.<br />
1
Dass diese Botschaft von der ewig schlimmeren Jugend auf so fruchtbaren Boden<br />
fällt, ist allerdings kein neuer Trend: Seit Sokrates vor mehr als 2.000 Jahren heißt es über<br />
jede Jugend, sie sei schlimmer, respektloser, konsumtrotteliger, unpolitischer, unengagierter<br />
als die letzte – sprich: wir selbst. Dies ist jedoch mehr einer gnädigen Rosarot-Zeichnung<br />
unserer eigenen Jugendphase geschuldet. Nehmen wir nur einmal als Beispiel die<br />
berühmten „68er“, die nachfolgenden Generationen seitdem stets als leuchtendes Vorbild<br />
vorgehalten werden: scheinbar eine ganze Generation auf den Barrikaden, politisiert und<br />
engagiert, Aktivisten einer sexuellen und kulturellen Revolution. In der Realität gingen<br />
damals nur 3-5 Prozent der Studierenden demonstrierend auf die Straße und die BRAVO-<br />
Charts der Jahre 1967 bis 1970 verzeichnen als mit großem Abstand beliebtesten Künstler<br />
der Jugend jener Jahre nicht die Rolling Stones, Jimi Hendrix oder die Doors, sondern Roy<br />
Black.<br />
Es waren Minderheiten, die sich damals engagierten, auch wenn es ihnen gelang,<br />
einer ganzen Generation ihren Stempel aufzudrücken. Nicht anders ist es heute: Die<br />
Mehrheit jeder Generation ist bieder, spießig, konsumtrottelig und unengagiert. Das ist bei<br />
den Jungen kaum besser als bei den Alten. Es sind immer Minderheiten, die etwas bewegen<br />
(wollen) und dabei manchmal sogar die Gesamtgesellschaft verändern.<br />
Jugendkulturen: eine den Mainstream prägende Minderheit<br />
Etwa 20 Prozent der Jugendlichen in Deutschland gehören aktiv und engagiert<br />
Jugendkulturen an; sie sind also Punks, Gothics, Emos, Skinheads, Fußballfans,<br />
Skateboarder, Jugger, Rollenspieler, Cosplayer, Jesus Freaks usw. und identifizieren sich<br />
mit ihrer Szene. Minderheiten, sicherlich, die allerdings – am deutlichsten sichtbar im Musik-<br />
und Modegeschmack – die große Mehrheit der Gleichaltrigen beeinflussen. Rund 70 Prozent<br />
der übrigen Jugendlichen orientieren sich an Jugendkulturen. Sie gehören zwar nicht<br />
persönlich einer Jugendkultur an, sympathisieren aber mit mindestens einer<br />
jugendkulturellen Szene, besuchen am Wochenende entsprechende Szene-Partys, Konzerte<br />
oder andere Events, hören bevorzugt die szene-eigene Musik, wollen sich aber nicht<br />
verbindlich festlegen. Jeder Szene-Kern wird so von einem mehr oder weniger großen<br />
Mitläuferschwarm umkreist, der zum Beispiel im Falle von Techno/elektronischer Musik und<br />
HipHop mehrere Millionen Jugendliche umfassen kann. So sind die Aktiven der<br />
Jugendkulturen wichtige opinion leader oder role models ihrer Generation.<br />
Musik ist für fast alle Jugendlichen so ziemlich das Wichtigste auf der Welt. So ist<br />
auch die Mehrzahl der Jugendkulturen, von denen heute die Rede ist, musikorientiert:<br />
Techno, Heavy Metal, Punk, Gothics, Indies; auch Skinheads gäbe es nicht ohne Punk und<br />
Reggae/Ska; selbst für die Angehörigen der Boarderszenen, eigentlich ja eine Sportkultur,<br />
spielt Musik eine identitätsstiftende Rolle. Dabei geht es nie nur um Melodie und Rhythmus,<br />
sondern immer auch um Geschichte, Politik, grundlegende Einstellungen zur Gesellschaft,<br />
die nicht nur die Texte und Titel der Songs/Tracks vermitteln, sondern auch die Interviews,<br />
Kleidermarken, nonverbalen Gesten und Rituale der KünstlerInnen. Musik ist für viele<br />
Jugendliche, vor allem, aber nicht nur denen in Szenen, ein bedeutender Teil der<br />
Identitätsfindung.<br />
Der Körper als Performanceraum<br />
„Alle Menschen sind gleich.“ Eine tolle Utopie. Doch wollen wir das wirklich? So sein wie<br />
Nachbarin Müller und Lehrer Meier, die eigenen Eltern oder die Alpha-Männchen in Aldous<br />
Huxleys „Schöne neue Welt“? Wohl kaum. Vor allem Jugendliche rund um die Pubertät nicht,<br />
deren gesamtes Trachten eigentlich danach ausgerichtet ist, gerade nicht so zu sein wie alle<br />
anderen, ihren eigenen Weg, ihre eigene Persönlichkeit zu finden. Doch was tun, wenn<br />
Standes- und andere traditionell definierte Grenzen in der modernen, individualisierten<br />
Mittelschichtgesellschaft nicht mehr existieren? Der Rückzug auf die letzte Bastion der<br />
individuellen Selbstgestaltung ist angesagt: den Körper. Die bewusste Selbstinszenierung<br />
des Körpers als Visitenkarte des eigenen Ich wird gesamtgesellschaftlich und für alle<br />
Generationen immer wichtiger.<br />
Jugendliche gehen naturgemäß weiter als Erwachsene – Grenzen sprengen, um<br />
Grenzen zu erkennen, ist ihr Privileg; noch am unteren Ende der gesellschaftlichen<br />
2
Karriereleiter stehend, ist der Körper oft ohnehin ihr einziges Mittel zur Selbstinszenierung.<br />
Sie haben zudem vor den Erwachsenen einen einmaligen Vorsprung: Sie entsprechen in<br />
Zeiten eines ausufernden Jugendkultes von Natur aus dem Ideal, müssen sich nicht erst<br />
durch Styling „verjüngen“. Und sie sind körperlich fitter: Techno-Raves, Ollis auf dem<br />
Skateboard, Black-Metal-Konzerte oder auch Hooliganismus funktionieren mit Menschen<br />
über 30 nicht mehr so gut …<br />
Jugendkulturen sind Körperkulturen. Für die Angehörigen der jugendkulturellen Stämme<br />
bedeutet der Körper mehr als die naturgegebene Basis für ein oberflächliches Repertoire an<br />
Verhaltensweisen und Kostümierungen. Für sie stellt er einen komplexen Performanceraum<br />
dar, ein hoch differenziertes semantisches System, das der Außenwelt, so sie denn in der<br />
Lage ist, den Code zu entschlüsseln, von den persönlichen Ideen und Träumen, vom<br />
Selbstbewusstsein und Wissen seiner Träger erzählt.<br />
Arroganz und Offenheit, Introvertiertheit und Kontaktfreude, Aggressivität und<br />
sexuelle Orientierung und vieles mehr drücken sich in der Körpersprache aus: in der Haltung<br />
der Hände und der Art des (Nicht-)Lächelns ebenso wie in der Auswahl der Tätowierungen<br />
(ein strahlendes Clownsgesicht – kindlich-naiv oder bösartig?, eine bluttriefende Axt, ein<br />
Peace-Zeichen, ein Kreuz – aufrecht oder auf den Kopf gestellt, ein Hakenkreuz). Der<br />
Körperstil buhlt um Aufmerksamkeit oder will unangenehme Aufmerksamkeit von seinem<br />
Träger ablenken, signalisieren: Ich bin nur ein harmloser, mit Sicherheit niemals aus meiner<br />
Rolle fallender, braver Bürger.<br />
Während Mode und die gesamte Körpergestaltung bei den „Stinos“ („Stinknormalen“)<br />
der (erwachsenen) Mehrheitsgesellschaft vorrangig das Ziel verfolgt, sie bei einer möglichst<br />
großen Zahl von MitbürgerInnen als attraktiv, sympathisch und anpassungsfähig erscheinen<br />
zu lassen, verfolgt der Körperstil der jugendlichen Szene-Angehörigen das gegenteilige Ziel:<br />
Er soll ihnen Respekt und Attraktivität innerhalb des eigenen Stammes verleihen, den<br />
langweiligen, spießigen Rest der Welt jedoch verschreckt auf Distanz halten.<br />
Dabei hat jede Jugendkultur ihre eigene Weise entwickelt, dieses Ziel zu erreichen,<br />
ihre Szene-Identität in Körpersprache zu übersetzen. Da fast alle Jugendkulturen männlich<br />
dominiert sind, wird in diesem Zusammenhang die hohe Bedeutung des Geschlechtes<br />
offensichtlich.<br />
Körper und Geschlecht<br />
Männer des 21. Jahrhunderts haben es wirklich schwer. Das einzige, was sie Zehntausende<br />
von Jahren über die Frauen gestellt hat – ihre Körperkraft – ist nicht mehr gefragt. In Zeiten,<br />
in denen die Mehrzahl aller Jobs von computergesteuerten Maschinen erledigt werden und<br />
zwei Drittel aller Arbeitnehmer in „Weiße-Kragen”-Branchen beschäftigt sind, wird der „kleine<br />
Unterschied” bedeutungslos. Selbst die letzten Bastionen der Männlichkeit – Bundeskanzler,<br />
Militär, Polizei und Fußball – sind gefallen.<br />
Das Gesellschaftssystem, in dem wir leben, bietet einem Großteil der Männer einen<br />
adäquaten Ersatz für die unnütz gewordene Körperkraft: Macht. Doch nicht alle können<br />
daran partizipieren. Die Machtlosen haben verschiedene Möglichkeiten, die Gefährdung ihrer<br />
Männerrolle (Ernährer, Beschützer) zu kompensieren. Eine Variante ist die demonstrative<br />
Inszenierung von Männlichkeit. Gewalt, aber auch andere risikobehaftete Lebensweisen,<br />
zum Beispiel der Besitz/Diebstahl eines PKWs, extrem gefährliches Fahren, exzessiver<br />
Alkohol- und anderer Rauschmittelkonsum, sind „Beweise” für Männlichkeit. Je knapper die<br />
ökonomischen, sozialen und Bildungsressourcen, desto mehr reduziert sich die Installation<br />
von Männlichkeit auf Risiko- und Kampfbereitschaft, Gewalt- und andere Kriminalität – auf<br />
den Einsatz und die Inszenierung des eigenen Körpers.<br />
Hooligans, Extremsport, U-Bahn-Surfen, Migranten- und Neonazi-Gangs sind so<br />
gesehen hinter den Kulissen verschiedene Facetten des immergleichen Bildes: Rituale zur<br />
Inszenierung traditioneller Männlichkeit, Formen des männlichen Körpererlebens. So sind<br />
etwa „Hooliganschlachten“ weniger ernsthafte, auf Feindbildern beruhende<br />
Gewalthandlungen, sondern im Kern ritualisierte Schaukämpfe. Hier versuchen männliche<br />
Großstadtjugendliche auf traditionelle Art, Körpergrenzen zu sprengen, das Ende ihrer<br />
Jugendphase hinauszuzögern.<br />
3
Der Kick des Risikos<br />
Den Körper herauszufordern, „zu spüren, dass man noch lebt“, ist eine der spannendsten<br />
Herausforderungen in einer großstädtischen, bürokratisierten Welt, in der man gegen alles<br />
präventiv versichert scheint und reale Risiken scheinbar nicht mehr existieren. So<br />
inszenieren Jugendliche sich den notwendigen Kick eben selbst: „Ich brauche immer einen<br />
Kick. Jeder Jugendliche hat das. Das gehört zum Leben dazu. Ein Kick ist gefährlich, etwas<br />
Heimliches oder Verbotenes. Das Herz muss einem in die Hose rutschen, man fängt an zu<br />
zittern oder kriegt Schweißausbrüche oder das Herz fängt an total zu klopfen, der Puls ist auf<br />
500. Lebensgefährlich muss es sein. Ich muss wissen, dass da irgendwas passieren kann.<br />
Aber trotzdem muss ich auch wissen, dass das sicher ist, dass da nix so schlimm ist, dass<br />
es tödlich enden kann oder dass das meinen Rest des Lebens verändert. Wenn Jugendliche<br />
keinen Kick haben, kosten sie ihr Leben gar nicht aus. Was sollen sie denn später<br />
erzählen?” (Julia, 15, in: Tuckermann/Becker, S. 9f.) Aufregend soll es sein, aber letztendlich<br />
doch eine Inszenierung wie beim Bungeejumping, ein (Rollen-)Spiel, das es (pubertierenden)<br />
Jugendlichen ermöglicht, wenigstens für einen kurzen Moment aus der für sie vorgesehenen<br />
Rolle zu fallen, nicht mehr Kind, sondern Vamp, nicht mehr brave Schülerin, sondern „bitch“<br />
oder „Schlampe“ zu sein. Die 13-Jährige mit dem „Schlampe“-T-Shirt oder dem<br />
bauchnabelfreien Top oder dem "Bill fick mich"-(darunter ihre Handy-Nummer)-Transparent<br />
beim Tokio-Hotel-Konzert signalisiert scheinbar sexuelle Verruchtheit und will in der Realität<br />
eher kuscheln und reden. Doch mit dem trotzigen (sexualisierten) Outfit hält sie sich die<br />
Utopie offen, eines Tages doch Vamp statt treu sorgende Hausfrau, Popstar wie Madonna<br />
oder Lady GaGa statt Arzthelferin zu werden – zumindest für eine kurze, aufregende Saison.<br />
Die Explosion der Stile und Zeichen<br />
Jugendkulturen erwecken heute bei den meisten Menschen – übrigens oft auch bei<br />
Jugendlichen selbst – einen sehr diffusen Eindruck: Scheinbar gibt es davon immer mehr, in<br />
immer schnelleren Intervallen, in immer schrilleren Präsentationsformen. Sicherlich ist es<br />
richtig, dass heute im Vergleich zu den 50er, 60er, 70er Jahren sehr viele Jugendkulturen<br />
existieren, deren Angehörige zudem nicht mehr leicht einzuordnen sind. Gab es zu meiner<br />
Jugendzeit – ich bin Jahrgang 1958 – eigentlich nur die Mofa-Cliquen, die Fußball-Fans, die<br />
Hardrock/Heavy-Metal-Fans, uns Langhaarige und die Spießer von der Jungen Union, und<br />
jeder hat sein Gegenüber gleich beim Äußeren erkannt und einordnen können, so existieren<br />
heute einige hundert Stilvariationen und Untergruppen – da gibt es nicht den Heavy-Metal-<br />
Fan, sondern den Black Metaller und den Thrash Metaller und den New-Wave-of-British-<br />
Heavy-Metal-Fan und eben auch noch die Traditionalisten von der Deep-Purple-Fraktion<br />
usw., nicht den Techno-Fan, sondern rund ein Dutzend Techno-Spielarten von Gabber bis<br />
Goa. Und deren Angehörige erfüllen zudem nicht immer unsere visuellen Erwartungen und<br />
Vorurteile: Da ist der Popper mit dem Silberköfferchen in Wirklichkeit ein anarchistischer<br />
Computerhacker, der rassistische Neonazi kommt langzottelig und im Style von Lemmy von<br />
Motörhead daher. Die zentrale Botschaft heutiger Jugendkulturen scheint zu sein: Wenn du<br />
glaubst, mich mit einem Blick einschätzen zu können, täuscht du dich gewaltig. Oder<br />
andersherum: Wer wissen möchte, was sich hinter dem bunten oder auch schwarzen Outfit<br />
verbirgt, muss schlicht mit dem Objekt der Begierde reden.<br />
Die Vielfalt der gegenwärtigen Jugendkulturen entsteht zum einen dadurch, dass nichts mehr<br />
verschwindet: Fast alle Jugendkulturen, die es jemals gab, ob Swing Kids oder Rock'n'Roller,<br />
Hippies oder Mods, existieren heute noch: Sie sind vielleicht nicht mehr so groß, so<br />
bedeutend, so medienwirksam wie zur Zeit ihrer Geburt, aber sie leben.<br />
Wenn man sich die großen Szenen der Gegenwart ansieht, stellt man schnell fest,<br />
dass mitnichten alljährlich neue bedeutende Jugendkulturen entstehen. Die größte<br />
Jugendkultur der 90er Jahre war ohne Zweifel Techno. Bis zu fünf Millionen – jede/r vierte<br />
Unter-Dreißigjährige – identifizierte sich seinerzeit mit dieser elektronischen Musik-Party-<br />
Kultur. Doch Techno entstand bereits 1988/89 und hat Vorläufer (z. B. House), die weitere<br />
zehn Jahre zurückreichen. Heute ist HipHop – Oberbegriff für Graffiti, Tanz (Breakdance<br />
bzw. B-Boying/-Girling) und die Musik: Rap/MCs, DJing – weltweit die mit Abstand größte<br />
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Jugendkultur. Mit keinem anderen Musikgenre wird so viel Umsatz bei Unter-<br />
Zwanzigjährigen gemacht, in jeder Stadt in Deutschland – sei sie noch so klein – existieren<br />
HipHop-Kids. Doch auch HipHop ist keine Erfindung der späten 90er Jahre, sondern bereits<br />
Anfang der 70er Jahre in der Bronx/New York geboren worden. Bereits 1979 erschien auch<br />
auf dem deutschen Markt die erste HipHop-Single „Rapper’s Delight“ von der Sugarhill<br />
Gang. Punk – eine weitere der historisch bedeutenden „Stammkulturen“ (nicht von der<br />
Menge her: Punk ist ein Minderheitenphänomen mit wenigen hunderttausend Szene-<br />
Angehörigen, aber von der Kreativität und dem Einfluss auf andere Szenen her) – entstand<br />
1975/76. Die Skateboarder lassen sich bis auf die Surfer der 50er/60er Jahre zurückführen<br />
(Beach Boys!), und auch die ersten wirklichen Skateboards tauchten in Kalifornien bereits<br />
Ende der 50er Jahre auf, das erste fabrikgefertigte Skateboard kam 1963 auf den (US-<br />
)Markt. Gothics – früher auch Grufties, Dark Waver, New Romantics etc. genannt – erlebten<br />
ihre Geburt bereits um 1980/81 als Stilvariante des Punk: eine introvertierte, melancholische<br />
neue Blüte, geprägt vor allem von Jugendlichen mit bildungsbürgerlichem familiären<br />
Hintergrund, denen Punk zu „aggressiv“ und zu „prollig“ war. Die ersten Emos, eine<br />
scheinbar neue Jugendkultur des 21. Jahrhunderts, wurden in Wahrheit schon Mitte der 80er<br />
Jahre als musikalisch "melodiösere", ich-bezogenere (EMOtional) Abspaltung der Hardcore-<br />
Szene gesichtet (Kultbands: Rites of Spring, Fugazi etc.). Das typische Kennzeichen<br />
heutiger Jugendkulturen scheint zu sein, dass sie alt sind.<br />
Dass dies nicht jedem sofort auffällt, liegt an einem Stilprinzip, das sich seit den 90er Jahren<br />
als dominant herausgebildet hat: Crossover. Der ständige Stilmix, die Freude an der<br />
"Bricolage" (Claude Lévi-Strauss), dem Sampling eigentlich unpassender Stilelemente zu<br />
immer neuen, bunteren (oder eben düsteren) Neuschöpfungen. Dies gilt sowohl für die Mode<br />
als auch für die Musik: Aus Punk und Heavy Metal entstehen Hardcore und Grunge, Punk<br />
und Techno gemischt ergibt Prodigy, Body Count vereint HipHop und Heavy Metal, der<br />
Musiktherapeut Guildo Horn macht mit nur einem Schuss Ironie aus spießiger<br />
Schlagermusik Jugendkultpartys.<br />
Man kann sich Jugendkulturen bildlich wie ein Meer vorstellen: Es regnet selten neue<br />
Jugendkulturen, aber innerhalb des Meeres mischt sich alles unaufhörlich miteinander.<br />
Immer wieder erfasst eine große (Medien-)Welle eine Jugendkultur, die dann für eine kurze<br />
Zeit alle anderen zu dominieren scheint wie Techno in den Neunzigern und derzeit (noch)<br />
HipHop. Doch die Küste naht und auch die größte Welle zerschellt. Das Wasser verdampft<br />
dabei jedoch nicht, sondern es fließt wieder ins offene Meer zurück – zersprengt in viele<br />
kleine Jugendkulturen, artverwandt und doch verschieden.<br />
Diese ständige Vermischung hat insgesamt die Grenzen zwischen den Szenen seit<br />
den 90er Jahren deutlich offener gestaltet. Selbstverständlich ist jeder Szene-Angehörige<br />
immer noch zutiefst davon überzeugt, der einzig wahren Jugendkultur anzugehören<br />
(Arroganz ist seit jeher ein wichtiges Stilmittel von Jugendkulturen), doch die Realität zeigt:<br />
Kaum jemand verbleibt zwischen dem 13. und 20. Lebensjahr in einer einzigen Jugendkultur;<br />
typisch ist der regelmäßige Wechsel: Heute Punk, in der nächsten Saison Gothic, ein Jahr<br />
später vielleicht Skinhead oder Skateboarder. Oder gleich Punk und Jesus Freak,<br />
Skateboarder und HipHopper etc. Oder: An diesem Wochenende Gothic, am nächsten Brit-<br />
Popper, der Montag gehört der Liebsten, am Mittwoch geht's ins Fitnessstudio, am Freitag<br />
zur THW-Jugend. Oder auch zur Jungen Gemeinde. Für eine wachsende Gruppe der<br />
Jüngeren ist eine Identität, eine Rolle zu wenig. Ambivalenz und Flexibilität sind die<br />
Lebensprinzipien immer mehr jüngerer Menschen, nicht Heimatverbundenheit und eine<br />
starre Identität. Was der (Arbeits-)Markt ihnen zwangsweise lehrt, pflanzt sich in den<br />
selbstbestimmten Freizeitwelten fort.<br />
Zwischen Rebellion und Markt<br />
Wo Jugendkulturen sind, ist die Industrie nicht fern. Denn so unterschiedlich all diese<br />
Szenen auch sein mögen, sie haben eins gemeinsam: Jugendkulturen sind grundsätzlich vor<br />
allem Konsumkulturen. Sie wollen nicht die gleichen Produkte konsumieren wie der Rest der<br />
Welt, sondern sich gerade durch die Art und Weise ihres Konsums von dieser abgrenzen;<br />
5
doch der Konsum vor allem von Musik, Mode, Events ist ein zentrales Definitions- und<br />
Identifikationsmerkmal von Jugendkulturen.<br />
Will man ein neues Produkt auf dem Markt platzieren, muss es zunächst einmal<br />
auffallen. Spektakulär daherkommen. Es muss scheinbar noch nie Dagewesenes<br />
präsentieren. Das bedeutet, so paradox es auch klingen mag: Je rebellischer eine<br />
Jugendkultur ausgerichtet ist, desto besser lässt sie sich vermarkten. Nicht die Partei- oder<br />
Verbandsjugend, nicht der Kirchenchor oder der Schützenverein, sondern Punks und<br />
Gothics, Skateboarder und HipHopper, Emos und Cosplayer sind die wahren Jungbrunnen<br />
für die Industrie. Denn schließlich lässt sich nur das Neue verkaufen, nicht die Hosen und<br />
CDs von gestern. „Konservative“ Jugendliche, die sich aktuellen Trends verweigern, die kein<br />
Interesse daran haben, sich von den Alten abzugrenzen, die nicht stets die neue Mode<br />
suchen, sondern gerne mit Vati Miles Davis oder die Stones hören, mit Mutti auf der<br />
Wohnzimmercouch bei der ARD in der letzten Reihe sitzen, statt im eigenen Zimmer ihre<br />
eigenen Geräte und Programme zu installieren, und bereitwillig die Hosen des großen<br />
Bruders auftragen, statt sich vierteljährlich mit den jeweils neuen Kreationen einzudecken,<br />
sind der Tod der jugendorientierten Industrie.<br />
Vielleicht ist dies einer der deutlichsten Generationenbrüche: Jugendliche haben mit großer<br />
Mehrheit ein positives Verhältnis zum Markt, sie lieben die moralfreie Kommerzialisierung<br />
ihrer Welt. Sie wissen: Ohne die Industrie keine Musik, keine Partys, keine Mode, keinen<br />
Spaß. Sie fühlen sich – anders als von ihrer üblichen erwachsenen Umgebung – zu Recht<br />
von der Industrie geliebt und respektiert. Schließlich gibt diese Milliarden Euro jährlich aus,<br />
nur um sie zu umwerben, ihre Wünsche herauszufinden und entsprechende Produkte auf<br />
den Markt zu bringen.<br />
Selbstverständlich verläuft der Prozess der Kommerzialisierung einer Jugendkultur<br />
nicht, ohne Spuren in dieser Jugendkultur zu hinterlassen und sie gravierend zu verändern.<br />
Die Verwandlung einer kleinen Subkultur in eine massenkompatible Mode bedingt eine<br />
Entpolitisierung dieser Kultur, eine Verallgemeinerung und damit Verdünnung ihrer zentralen<br />
Messages: So mündete der „White Riot“ (The Clash) der britischen Vorstadtpunks in der<br />
neugewellten ZDF-Hitparade; HipHop, ursprünglich eine Partykultur afro- und<br />
latinoamerikanischer Ghettojugendlicher gegen den weißen Rassismus, mutierte zu einem<br />
Musik-, Mode- und Tanzstil für jedermann; aus dem illegalen, antikommerziellen<br />
Partyvergnügen der ersten Techno-Generation wurde ein hochpreisiges Disco-Eventangebot<br />
etc.<br />
Die Industrie – Nike, Picaldi, Sony, MTV und wie sie alle heißen – erfindet keine<br />
Jugendkulturen. Das müssen immer noch Jugendliche selbst machen, indem sie eines<br />
Tages beginnen, manchmal unbewusst, sich von anderen Gleichaltrigen abzugrenzen,<br />
indem sie etwa die Musik leicht beschleunigen, die Baseballkappe mit dem Schirm nach<br />
hinten tragen oder nur noch weiße Schnürsenkel benutzen – „Wir sind anders als ihr!" lautet<br />
die Botschaft, und das wollen sie natürlich auch zeigen. Das bekommen nach und nach<br />
andere Jugendliche mit, oft über erste Medienberichte, manche finden es cool und machen<br />
es nach. Eine „Szene“ entsteht. Die nun verstärkt einsetzenden Medienberichte<br />
schubladisieren die neue Jugendkultur, machen Unerklärliches ein Stück weit erklärlicher,<br />
heben zu stigmatisierende und/oder vermarktbare Facetten hervor, definieren die<br />
Jugendkultur (um) und beschleunigen den Verbreitungsprozess. Ab einer gewissen<br />
Größenordnung denkt auch die übrige Industrie – allen voran die Mode- und die<br />
Musikindustrie – darüber nach, ob sich diese neue Geschichte nicht irgendwie kommerziell<br />
ausbeuten lässt. Aus einer verrückten Idee wurde eine Subkultur, wird nun eine Mode, ein<br />
Trend.<br />
artificial tribes<br />
Jugendkulturen sind also teuer, zeitintensiv und mitunter extrem anstrengend. Szene-<br />
Angehörige müssen ständig auf dem Laufenden sein über die neuen „Hits" und Moden ihrer<br />
Kultur, regelmäßig „präsent" sein, nicht nur bei den wichtigen Highlights wie die normalen<br />
Konsumenten; sie müssen zu Beginn oft eine eigene Sprache aus Worten, Gesten, Ritualen<br />
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und äußeren Kennzeichen lernen, deren Grammatik und Vokabular nirgendwo schriftlich<br />
fixiert ist, aber doch genau eingehalten werden muss, um mit den anderen Eingeweihten<br />
adäquat kommunizieren zu können und nicht gleich als uninformierter Mitläufer dazustehen.<br />
Warum eigentlich die ganze Mühe, was macht Jugendkulturen für Jugendliche so attraktiv?<br />
Jugendkulturen ordnen die nicht nur von Jugendlichen als immer chaotischer empfundene<br />
Welt. Sie sind Beziehungsnetzwerke, bieten Jugendlichen eine soziale Heimat, eine<br />
Gemeinschaft der Gleichen. Wenn eine Gothic-Frau aus München durch Hamburg oder<br />
Rostock läuft und dort einen anderen Gothic trifft, wissen die beiden enorm viel über sich.<br />
Sie (er)kennen die Musik-, Mode-, politischen und eventuell sexuellen Vorlieben des<br />
anderen, haben mit Sicherheit eine Reihe derselben Bücher gelesen, teilen ähnliche<br />
ästhetische Vorstellungen, wissen, wie der andere zum Beispiel über Gewalt, Gott, den Tod<br />
und Neonazis denkt. Und falls die Gothic-Frau aus München eine Übernachtungsmöglichkeit<br />
in Hamburg oder Rostock sucht, kann sie mit hoher Sicherheit davon ausgehen, dass ihr der<br />
andere weiterhilft, selbst wenn die beiden sich nie zuvor gesehen haben. Jugendkulturen<br />
sind artificial tribes, künstliche Stämme und Solidargemeinschaften, deren Angehörige<br />
einander häufig bereits am Äußeren erkennen (und ebenso natürlich ihre Gegner). Sie füllen<br />
als Sozialisationsinstanzen das Vakuum an Normen, Regeln und Moralvorräten aus, das die<br />
zunehmend unverbindlichere, entgrenzte und individualisierte Gesamtgesellschaft<br />
hinterlässt.<br />
Und: Jugendkulturen sind trotz aller Kommerzialisierung zumindest für die<br />
Kernszene-Angehörigen vor allem eine attraktive Möglichkeit des eigenen kreativen<br />
Engagements. Denn weil die Kommerzialisierung ihrer Freizeitwelten auch negative Folgen<br />
hat und die Popularisierung ihrer Szenen ein wichtiges Motiv der Zugehörigkeit zu eben<br />
diesen Szenen aushebelt – nämlich die Möglichkeit, sich abzugrenzen –, schafft sich die<br />
Industrie automatisch eine eigene Opposition, die sich über den Grad ihrer Distanz zum<br />
kommerziellen Angebot definieren: Wenn alle bestimmte Kultmarken tragen, trage ich eben<br />
nur No-Name-Produkte. Sag mir, welche Bands auf MTViva laufen, und ich weiß, welche<br />
Bands ich garantiert nicht mag.<br />
Wer wirklich dazugehören will, muss selbst auf dem Skateboard fahren, nicht nur die<br />
„richtige“ teure Streetwear tragen, selbst Graffiti sprühen, nicht nur cool darüber reden, selbst<br />
Musik machen, nicht nur hören, usw. Es sind schließlich die Jugendlichen selbst, die die<br />
Szenen am Leben erhalten. – Auch hier sind es wieder Minderheiten, doch diese gehören oft<br />
zu den Kreativsten ihrer Generation. Sie organisieren die Partys und andere Events, sie<br />
produzieren und vertreiben die Musik, sie geben derzeit in Deutschland (trotz der<br />
zunehmenden Bedeutung des Internets immer noch) mehrere tausend szene-eigene, nichtkommerzielle<br />
Zeitschriften – sog. Fanzines – mit einer Gesamtauflage von mehr als einer<br />
Million Exemplaren jährlich heraus. Für sie sind Jugendkulturen Orte der Kreativität und der<br />
Anerkennung, die sie nicht durch Geburt, Hautfarbe, Reichtum der Eltern etc. erhalten,<br />
sondern sich ausschließlich durch eigenes, freiwilliges, selbstbestimmtes und in der Regel<br />
ehrenamtliches Engagement verdienen.<br />
Noch nie waren so viele Jugendliche kreativ engagiert wie heute – in jeder Stadt in<br />
Deutschland gibt es heute RapperInnen, B-Boys und -Girls, SprayerInnen und DJs.<br />
Tausende von Jugendlichen produzieren Woche für Woche an ihren PCs Sounds – der<br />
einzige Lohn, den sie dafür erwarten und bekommen, ist Respekt. Noch nie gab es so viele<br />
junge Punk-, Hardcore-, Metal-Bands wie heute. Das Web 2.0 ist nicht nur ein Ort der<br />
Jugendgefährdung, sondern auch ein Tummelplatz enormer jugendkultureller Aktivitäten, mit<br />
denen bereits 14-, 15-, 16-Jährige eine Medienkompetenz zeigen und sich erwerben, über<br />
die manch hauptberuflicher Jugendschützer nicht ansatzweise verfügt. Auch die<br />
Sportszenen jenseits der traditionellen Vereine – von den Boarderszenen über Parcours bis<br />
zu den Juggern – boomen.<br />
Doch noch nie war die Erwachsenenwelt derart desinteressiert an der Kreativität ihrer<br />
„Kinder". Respekt ist nicht zufällig ein Schlüsselwort fast aller Jugendkulturen. Respekt,<br />
Anerkennung ist das, was Jugendliche am meisten vermissen, vor allem von Seiten der<br />
Erwachsenen. Viele Erwachsene, klagen Jugendliche, sehen Respekt offenbar als<br />
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Einbahnstraße an. Sie verlangen von Jugendlichen, was sie selbst nicht zu gewähren bereit<br />
sind, und beharren eisern auf ihre Definitionshoheit, was anerkennungswürdig sei und was<br />
nicht: Gute Leistungen in der Schule werden belohnt, dass der eigene Sohn aber auch ein<br />
exzellenter Hardcore-Gitarrist ist, die Tochter eine vielbesuchte Emo-Homepage gestaltet,<br />
interessiert zumeist nicht – es sei denn, um es zu problematisieren: Bleibt da eigentlich noch<br />
genug Zeit für die Schule? Musst du immer so extrem herumlaufen, deine Lehrer finden das<br />
bestimmt nicht gut ...<br />
Dabei weiß jeder gute Lehrer/jede gute Lehrerin, welche SchülerInnen am meisten<br />
Stress verursachen: die Gleichgültigen, die, die sich für gar nichts interessieren, die keine<br />
Leidenschaft kennen, für nichts zu motivieren sind. Schule braucht heute nicht nur motivierte<br />
LehrerInnen, sondern auch engagierte, kreative, selbstbewusste SchülerInnen. Leider haben<br />
immer noch sehr, sehr viele Jugendliche wenig Anlass und Chancen, Selbstbewusstsein zu<br />
erwerben. Viele fühlen sich schon mit 13, 14 Jahren "überflüssig" in dieser Gesellschaft. Und<br />
die Schule ist offenbar oft nicht in der Lage bzw. willens, da gegenzusteuern. Sie hat es bis<br />
heute strukturell nicht verstanden, eine Anerkennungskultur zu entwickeln, die SchülerInnen<br />
für gute Leistungen belohnt statt für Versagen bestraft und herabwürdigt. Deshalb werden<br />
Jugendkulturen immer wichtiger: Hier können Jugendliche einmal selbst erfahren, dass in<br />
ihnen noch etwas steckt, dass sie kreative Fähigkeiten haben, die ihnen ihre Umwelt selten<br />
zutraut – bis sie sich selbst auch nichts mehr zutrauen.<br />
Literatur:<br />
Baier, D./Pfeiffer, C./Simonson, J./Rabold, S. (2009): Jugendliche in Deutschland als Opfer<br />
und Täter von Gewalt : Erster Forschungsbericht zum gemeinsamen Forschungsprojekt des<br />
Bundesministeriums des Innern und des KFN (KFN-Forschungsbericht; Nr.: 107). Hannover:<br />
KFN; http://www.kfn.de/versions/kfn/assets/fb107.pdf.<br />
Farin, Klaus (2001): „Die mit den roten Schnürsenkeln …" Skinheads in der<br />
Presseberichterstattung; in: Farin, Klaus (Hrsg.): Die Skins. Mythos und Realität. Bad Tölz:<br />
Thomas Tilsner.<br />
Farin, Klaus (2011): Jugendkulturen in Deutschland. Bonn: Bundeszentrale für politische<br />
Bildung, Reihe ZeitBilder.<br />
Farin, Klaus (2008): Über die Jugend und andere Krankheiten. Essays und Reden 1994-<br />
2008. Berlin: Archiv der Jugendkulturen.<br />
Tuckermann, Anja/Becker, Nikolaus (1999): Horror oder Heimat? Jugendliche in Berlin-<br />
Hellersdorf. Bad Tölz/Berlin: Thomas Tilsner/Archiv der Jugendkulturen.<br />
Wickenhäuser, Ruben Philipp (2010): jugger. Der Sport aus der Endzeit. Berlin: Archiv der<br />
Jugendkulturen.<br />
www.jugendkulturen.de<br />
www.jugendszenen.com<br />
Klaus Farin, geb. 1958; Fachautor, Dozent, Initiator und langjähriger Leiter des Berliner<br />
Archiv der Jugendkulturen e.V. 1 , Fidicinstraße 3, 10965 Berlin.<br />
klaus.farin@jugendkulturen.de<br />
1 Das Berliner Archiv der Jugendkulturen e.V. (www.jugendkulturen.de) sammelt – als einzige<br />
Einrichtung dieser Art in Europa – authentische Zeugnisse aus den Jugendkulturen selbst, aber auch<br />
wissenschaftliche Arbeiten, Medienberichte etc., und stellt diese der Öffentlichkeit in seiner<br />
Präsenzbibliothek kostenfrei zur Verfügung. Darüber hinaus betreibt das Archiv der Jugendkulturen<br />
eine umfangreiche Jugendforschung, berät Kommunen, Institutionen, Vereine etc., bietet im Rahmen<br />
des Projektes www.culture-on-the-road.de bundesweit Schulprojekttage und Fortbildungen für<br />
Erwachsene an und publiziert eine eigene Buchreihe mit ca. sechs Titeln jährlich.<br />
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Impressionen<br />
vom Markt der Möglichkeiten
Workshop 1<br />
Brücken zur „Parallelwelt Politik“ bauen:<br />
Politikberatung durch <strong>Mobile</strong> <strong>Jugendarbeit</strong><br />
Impulsreferat<br />
Patrick Differt, <strong>Mobile</strong> Jugendberatung Metzingen, Hilfe zur Selbsthilfe e.V.<br />
Moderation und Dokumentation<br />
Matthias Reuting, Diakonisches Werk Württemberg<br />
1 Ausgangssituation<br />
Der Workshop knüpfte an das Schwerpunktthema der Jahrestagung 2010 an: Prof. Dr.<br />
Günter Rieger (Duale Hochschule BW Stuttgart) hatte im Hauptvortrag „Politisierung als<br />
professionelle Herausforderung in der <strong>Mobile</strong>n <strong>Jugendarbeit</strong>“ beschrieben und dabei<br />
insbesondere Soziallobbying, Politikberatung und politische Bildung als Möglichkeiten<br />
herausgearbeitet (Präsentation zum Vortrag unter www.lagmobil.de/cms/uploads/dokus/rieger_politisierung_als_professionelle_herausforderung.pdf).<br />
Politikberatung kann dabei als Tauschgeschäft verstanden werden, bei dem <strong>Mobile</strong><br />
<strong>Jugendarbeit</strong> Expertise, Legitimation und Umsetzung im Tausch gegen Information,<br />
Entscheidung und Ressourcen bietet. Durch Politikberatung können die Interessen der<br />
AdressatInnen vertreten und ihre politische Beteiligung gefördert werden. Gleichzeitig ist sie<br />
mit Risiken verbunden, „verwickelt“ zu werden auf Kosten der parteilichen Haltung für die<br />
AdressatInnen.
Als Themen, für die Adressat/innen der <strong>Mobile</strong>n <strong>Jugendarbeit</strong> bedarf an Unterstützung durch<br />
Soziallobbying deutlich machen, wurden von den Workshop-Teilnehmer/innen beispielhaft<br />
benannt:<br />
2 Soziallobbying für Adressat/innen der MJA durch Politikberatung –<br />
<strong>Erfahrungen</strong> aus der Praxis (Impulsreferat von Patrick Differt)<br />
2.1 Kommunale Politikberatung: Akteure und Aufgaben<br />
Wer sind die Akteure?<br />
- Bürger<br />
- Landkreis<br />
- Gemeinderat<br />
- Stadtverwaltung<br />
- Schule<br />
- Klientel<br />
- Polizei/Justiz<br />
- Netzwerk AK Praktiker<br />
- AK Kinder- und Jugendhilfe<br />
- Presse<br />
<strong>Mobile</strong> <strong>Jugendarbeit</strong> ist Spezialist für Anliegen der Kommune bezüglich<br />
- jugendspezifischen Themen<br />
- Umgang mit dem Klientel<br />
- Lebenswelt Jugendlicher<br />
<strong>Mobile</strong> <strong>Jugendarbeit</strong> kann Übersetzer sein (= Alleinstellungsmerkmal):<br />
Jugendliche ↔ Kommune<br />
Kommune ↔ Jugendliche<br />
Dimensionen von Politikberatung durch <strong>Mobile</strong> <strong>Jugendarbeit</strong><br />
- Vertretung und Durchsetzung der Interessen unserer Klientel auf kommunaler Ebene<br />
als eigener Anspruch bei der Politikberatung<br />
- Konzeptionelle Beratung bei der Umsetzung und Durchführung von Angeboten und<br />
Projekten der Kommune<br />
- Einbringen der jugendspezifischen Themen bei der Stadtentwicklung
2.2 Politikberatung – ein konfliktträchtiges Feld<br />
Häufig ringt MJA gleichzeitig um Anerkennung ihrer Kompetenz<br />
Gefahr der Übertragung von Konflikten unserer Klientel auf uns. Parteilichkeit<br />
- als Problem der Vermittlung dieses Begriffs<br />
- Ablehnung einer parteilichen Haltung beim Gegenüber<br />
Unsere Klientel hat häufig Konflikte mit verschiedensten Akteuren in der Kommune:<br />
- mit der Schule<br />
- mit der Polizei<br />
- mit der Verwaltung…<br />
2.3 Strategien kommunaler Politikberatung<br />
Ausgangsbasis: Klientel<br />
- ist isoliert in der Kommune<br />
- wird negativ wahrgenommen<br />
� Gefahr der Isolierung der MJA im Konflikt (vor allem bei Vertretung der Interessen der<br />
Klientel)<br />
Gegenmittel: Netzwerkarbeit:<br />
- formelle Ebene<br />
- informelle Ebene<br />
„Kannst Du Deine Gegner nicht besiegen, mache sie zu Deinen Freunden.“<br />
2.4 Öffentlichkeitsarbeit/Pressearbeit<br />
Formen und Inhalte:<br />
- Darstellung der Arbeit<br />
- Probleme immer „diplomatisch sehen“<br />
- Projektarbeit mit Klientel, Einbindung der Bürger<br />
- Aktionen im Gemeinwesen<br />
� Folgen von Skandalisierungen beachten<br />
� Gesamtwahrnehmung der Akteure beachten (Empfindlichkeiten der Kommunalpolitik,<br />
Instrumentalisierung vermeiden)<br />
2.5 Netzwerkarbeit<br />
Möglichkeiten und Anforderungen:<br />
- Kooperationsvereinbarungen<br />
- Konflikte offen ansprechen und entpersönlichen, d.h. Sachebene suchen<br />
- Polizei immer formell einbinden<br />
- Gesichtswahrung aller Beteiligten beachten<br />
- Sorgfältig entscheiden, in welchem Rahmen etwas thematisiert wird: unter vier<br />
Augen? Im Netzwerk?<br />
- Berührungspunkte suchen<br />
- Sich (vorher) versichern, wie es andere sehen<br />
- Bündnispartner suchen (Smalltalk nutzen)<br />
- „informelles Netzwerk“ aufbauen und nutzen<br />
Anforderungen:<br />
� immer Lösungsvorschläge parat haben; sorgfältig entscheiden, wann sie im<br />
informellen Netzwerk diskutiert werden; es müssen „eigene Lösungen“ bleiben.<br />
� Partner zur Umsetzung suchen (eigentliche Beratung)<br />
� Dinge, die schief gehen, nicht wegreden (� Glaubwürdigkeitsverlust)
3 Möglichkeiten und Handlungsempfehlungen für Politikberatung durch MJA<br />
Ergebnisse der Diskussion<br />
Herausforderungen in der Politikberatung durch <strong>Mobile</strong> <strong>Jugendarbeit</strong>:<br />
Im Mittelpunkt der Diskussion stand die Frage, wie <strong>Mobile</strong> <strong>Jugendarbeit</strong> Soziallobbying für<br />
ihre AdressatInnen durch Politikberatung effektiv leisten und dabei „Verwicklungsfallen“<br />
umgehen kann. Thematisiert wurden dabei insbesondere<br />
- unterschiedliche kommunalpolitische Rahmenbedingungen wie auch besondere<br />
Anforderungen im städtischen und ländlichen Raum,<br />
- das Spannungsfeld, gleichzeitig Lobbyarbeit für die Interessen der Zielgruppen und<br />
für die eigene Arbeit leisten zu müssen,<br />
- sinnvolle Rollenverteilungen auf verschiedenen Trägerebenen.<br />
Als Handlungsempfehlungen für die Praxis wurden herausgearbeitet:<br />
� Isolierung vermeiden – Netzwerke aufbauen, pflegen und nutzen<br />
� spezifische Potenziale im ländlichen Raum nutzen (z.B. „kurze Wege“ in Politik und<br />
Verwaltung)<br />
� verschiedenste Jugendbeteiligungsformen nutzen<br />
� konkrete Lebensverhältnisse in den Vordergrund rücken<br />
� „gute Chemie“ zu Schlüsselpersonen nutzen<br />
� deutlich machen, dass es um „unsere Jugend“ geht<br />
� Grenzen akzeptieren, sich nicht verbiegen<br />
� echte Formen der Anerkennung für Jugendliche und ihre Interessen einfordern<br />
� Geduld und Standing bewahren<br />
� selbstbewusst ins Tauschgeschäft gehen: Wir haben etwas anzubieten!
<strong>LAG</strong> MJA/<strong>Streetwork</strong>-Jahrestagung 2011<br />
Workshop 2:<br />
Parallelwelt ”Internet”<br />
Zur Faszination und Selbstdarstellung im<br />
Web 2.0 und im Computerspiel<br />
Referentinnen:<br />
Esther Wiechers &<br />
Christiane Bollig<br />
Moderation:<br />
Achim Spannagel
● Social Web<br />
Gliederung des Workshops<br />
– Unterwegs im Social Web<br />
– WER nutzt Soziale Netzwerke? (Zielgruppen)<br />
– WIE stellen sich Nutzer/Innen dar? (Inszenierung)<br />
– Zur Faszination der Präsentation<br />
● Computerspiele<br />
– Zur Nutzung von PC-Spielen<br />
– Formen und Gengres von Spielen<br />
– Chancen und Risiken<br />
– Zur Faszination der Spielewelten
Zur Selbstdarstellung in der<br />
„Social Media Landscape“
Fahrplan<br />
1. Unterwegs im Social Web<br />
– WAS meint Social Media?<br />
– WER nutzt Soziale Netzwerke? (Zielgruppen)<br />
– WIE stellen sich Nutzer/Innen dar?<br />
(Inszenierung)<br />
2. Zur Faszination der Präsentation<br />
– Motive und Ursachen<br />
– Chancen und Risiken
1. Unterwegs im Social Web
Unterwegs im Social Web ...<br />
● Was meint Social Media im Web?<br />
Social Media ist ein Schlagwort bzw. ein<br />
Überbegriff, unter dem Soziale Netzwerke und<br />
Netzgemeinschaften verstanden werden, die<br />
als Plattform zum gegenseitigen Austausch von<br />
Meinungen, Eindrücken und <strong>Erfahrungen</strong><br />
(sowie von Informationen) dienen.
Unterwegs im Social Web ...<br />
● Darunter versteht man Anwendungen, wie<br />
– Foren<br />
– Weblogs<br />
– Micro Blogs (Twitter)<br />
– Soziale Netzwerke (Facebook)<br />
– Wikis (Wikipedia)<br />
– Auskunftsportale (GuteFrage.net)<br />
– Social Bookmark-Portale (Delicious)<br />
– Photo-/Video-/Musik-Sharing-Portale (Youtube)
Unterwegs im Social Web ...<br />
● Was bietet das Social Web?<br />
Passiv nutzen oder aktiv mitgestalten:<br />
Unterhaltung (Musik, Film und vieles mehr)<br />
Information und Wissen<br />
Kommunikation und Interaktion<br />
Spiele
Unterwegs im Social Web ...<br />
● Wer hat einen Internetzugang?<br />
Nahezu alle Jugendlichen (98%) leben in<br />
Haushalten, die einen Internetzugang haben -<br />
52% haben einen eigenen Internetzugang (2011)<br />
● Wer nutzt das Internet?<br />
Die meisten Jugendlichen, die einen<br />
Internetzugang haben, nutzen diesen auch<br />
täglich/mehrfach die Woche.<br />
Bei Jugendlichen (zwischen 12-14 und 19 Jahren)<br />
erfolgt die Internet-Nutzung relativ unabhängig von<br />
Alter, Geschlecht, Bildungshintergrund, kultureller<br />
Prägung und sozialer Herkunft.
Sinus-Milieus 2007: 14-19 Jährigen – Medienverhalten Online<br />
Die Angaben in % stehen<br />
für den Anteil der Internet-Nutzer<br />
in dem jeweiligen Milieu.<br />
69,5%<br />
66,4%<br />
66,0%<br />
82,5%<br />
84,2%<br />
84,8%<br />
86,5%
Unterwegs im Social Web ...<br />
Quelle:<br />
JIM-Studie 2010<br />
Angaben in %<br />
Basis: Internet-Nutzer<br />
(n = 1188)<br />
12- bis 19-Jährige<br />
Jugendliche, insbesondere Mädchen und junge Frauen,<br />
nutzen das Internet vor allem als Kommunikationsmedium.
Unterwegs im Social Web ...<br />
● Wer nutzt Soziale Netzwerke?<br />
Die Mehrheit der jungen Menschen nutzt Soziale Netzwerke.<br />
40% der Gesamtbevölkerung und ca. 80% der Gruppe der<br />
14- bis 19- Jährigen hat mindestens ein Profil<br />
Geschlecht, Alter, Bildungshintergrund und kulturelle<br />
Prägung scheinen auf den ersten Blick keine große<br />
Rolle zu spielen.<br />
Mit zunehmendem Alter und Bildung differenziert sich<br />
jedoch das Spektrum der Onlinenutzung.
Unterwegs im Social Web ...<br />
● Wie werden Soziale Netzwerke genutzt?<br />
Aktivität (aktiv-produzierend / passiv-rezipierend)<br />
Dauer (wie lang?)<br />
Häufigkeit (wie oft?)<br />
Intensität / Qualität (wie intensiv?)<br />
…<br />
Bei diesen Fragen scheinen neben dem Geschlecht und dem Alter<br />
vor allem bildungsspezifische Unterschiede ein zentrales<br />
Kriterium zu sein. So nutzen Jugendliche mit hoher<br />
und niedriger formaler Bildung selbst gleiche Angebote auf<br />
unterschiedliche Art und Weise.
Unterwegs im Social Web ...<br />
● Wie werden Soziale Netzwerke genutzt?<br />
Und wie stellen sich Jugendliche in Sozialen<br />
Netzwerken dar?<br />
Jugendliche eignen sich virtuelle Räume an, in dem sie<br />
sich darstellen, präsentieren und inszenieren. Die<br />
Darstellung erfolgt in der Regel durch die Erstellung eines<br />
Profils.<br />
● Die Erstellung eines Profils ist nicht unabhängig vom Alter,<br />
Geschlecht, Bildungshintergrund und sozialer Herkunft.
Anmeldung:<br />
E-Mail: meinName@hotmail.com<br />
Passwort: ••••••<br />
Das Nutzerprofil dient der Selbstdarstellung<br />
und -inszenierung.
Unterwegs im Social Web ...<br />
Unterwegs im Social Web …<br />
Leben in Verzeichnissen<br />
● Darstellungsformen und -möglichkeiten<br />
Die Selbstdarstellung und Präsentation erfolgt<br />
durch<br />
– Textbasierte Elemente<br />
wie Schrift, Wort und Zeichen<br />
– Symbolische Elemente<br />
wie Bilder, Photos und Videos<br />
(Ton und Bewegung)
Zur Bildkommunikation in<br />
Sozialen Netzwerken<br />
Ego-Bilder<br />
Beziehungsbilder<br />
Medienbilder<br />
Szene-Bilder<br />
Vgl. Reißmann (2010)
Photoalben<br />
Profil-Muster<br />
Präsentation<br />
durch ein<br />
Profilbild<br />
Darstellung<br />
durch Text<br />
Mitglied in<br />
Gruppen<br />
Je nach Portal und Forum bieten sich unterschiedliche<br />
Ausdrucks- & Gestaltungsmöglichkeiten.
Unterwegs im Social Web ...<br />
Die Selbstdarstellung ist ohne die<br />
Geschlechterdimension nicht denkbar!<br />
Die Präsentation des eigenen Selbst ist geprägt<br />
von bildungs- und milieuspezifischen<br />
Unterschieden, sowie der jeweiligen Lebenslage<br />
der Jugendlichen.
Anderen Nutzern private<br />
Nachricht schreiben<br />
Jungen Mädchen HS RS Gym. Gesamt<br />
61,1 69,2 66,7 65,3 64,3 65,1<br />
In anderen Profilen stöbern 54,5 58,5 59,7 59,7 53,8 56,5<br />
Auf Pinnwände und<br />
Gästebücher schreiben<br />
Unterwegs in Sozialen Netzwerken<br />
Aktivitäten auf Netzwerkplattformen in % (12- bis 24-Jährige)<br />
Suche nach Freunden und<br />
Bekannten<br />
49,1 58,2 48,2 54,7 54,5 53,5<br />
43,1 39,1 44,7 46,3 37,1 41,1<br />
Suche nach Informationen 27,4 23,0 27,2 25,7 24,6 25,2<br />
Aktualisierung des eigenen<br />
Profils<br />
23,8 21,7 27,2 20,9 22,3 22,8<br />
Eigene Fotos hochladen 12,3 15,7 16,7 16,3 11,8 14,0<br />
[Quelle: U. Hasebrink/ W. Rohde (2011):<br />
Heranwachsende im Social Web]
2. Zur Faszination von<br />
Selbstdarstellung & Präsentation
Zur Faszination der Präsentation<br />
● Motive und Gründe der Selbstdarstellung<br />
● Leute kennenlernen<br />
● Freundschaften pflegen<br />
● Sich ausprobieren und experimentieren<br />
● Rückmeldung bekommen<br />
● Entdeckt werden<br />
● Geliebt werden und beliebt sein<br />
● Sich abgrenzen von anderen<br />
● Grenzen austesten<br />
● <strong>Erfahrungen</strong> sammeln und im Austausch sein
Formen der Selbstdarstellung<br />
Teil der Identitätsarbeit?!<br />
● Manche Autoren beziehen sich auf die hohe Bedeutung<br />
des Experimentellen Selbst.<br />
● Misoch kam in ihrer Studie zu dem Ergebnis, dass die<br />
Mehrheit der Jugendlichen „ihre Identitätsdarstellung im<br />
Chat an ihrer Präsentation im realweltlichen Kontext<br />
orientiert“ (2009, S. 130). Auch Hasebrink (2011) spricht<br />
von einem hohen Anteil an authentischen<br />
Selbstdarstellungen (65% der 12- bis 24-Jährigen).<br />
● Burkart spricht hingegen bereits von einer Verlagerung<br />
von authentischer Selbstdarstellung hinzu einer visuell<br />
geprägten Inszenierung des Selbst (vgl. 2009).
Zur Faszination der Präsentation<br />
Es gibt einige Anhaltspunkte im Hinblick auf die<br />
Frage, was Jugendliche an diesen sozialen<br />
Netzwerken fasziniert.<br />
„Die Möglichkeit der (authentischen) Selbstdarstellung,<br />
des Beziehungsaufbaus bzw. der Beziehungspflege<br />
korrespondiert mit grundlegenden Entwicklungsaufgaben,<br />
mit denen sich Heranwachsende insbesondere im<br />
Rahmen ihrer Identitätsentwicklung auseinander setzen.“<br />
(Hasebrink/Lampert 2011, S. 9)<br />
Wer bin ich und in welcher Beziehung stehe ich zu meinen Freunden und Bekannten?
Chancen und Risiken der<br />
Selbstdarstellung<br />
● Neue Ausdrucks-,<br />
Gestaltungs- und<br />
Kommunikationsformen<br />
● Stärkung kommunikativer<br />
Fähigkeiten<br />
● Erweiterung des Handlungs-<br />
u. Interaktionsraums<br />
● Soziale Netzwerke auf- und<br />
ausbauen<br />
● Neue Möglichkeit der<br />
Identitätsarbeit und -bildung<br />
● Formen der Beteiligung und<br />
Mitbestimmung<br />
● Datenklau, -missbrauch<br />
● Abzocke und Betrug<br />
● Verlust der eigenen<br />
Identität (Internetsucht)<br />
● Cybermobbing<br />
● Sexuelle Anmache und<br />
Belästigungen<br />
● Pornographie<br />
● Gewalt (Happy Slapping,<br />
Verbreitung rassistischer<br />
oder extremistischer<br />
Inhalte)
Schlussbemerkung:<br />
Das Internet ist Teil der Lebenswelt<br />
junger Menschen!<br />
In virtuellen Räumen findet Kommunikation, Interaktion<br />
und soziales Handeln statt. Die virtuell gemachten und<br />
erlebten <strong>Erfahrungen</strong> und Erlebnisse sind unmittelbar an<br />
die 'reale' Lebenswelt gekoppelt und nehmen Einfluss auf<br />
die Identitätsbildung junger Menschen.<br />
Jugendliche brauchen Ansprechpartner und benötigen<br />
Unterstützung und Orientierungshilfe, um sie in die Lage<br />
zu versetzen, die Chancen, die ihnen das Internet und<br />
das Social Web bieten, zu nutzen und die Risiken<br />
möglichst gering zu halten.
Logout!<br />
Vielen Dank für Eure<br />
Aufmerksamkeit!
Tagungsdokumentation Jahrestagung <strong>LAG</strong> <strong>Mobile</strong> <strong>Jugendarbeit</strong> /<br />
<strong>Streetwork</strong> vom 21. bis 23. März 2011 im Tagungszentrum Herrenberg-<br />
Gülstein<br />
Workshop 3<br />
Jugendbanden und Gangs – Attraktivität für junge Menschen<br />
Kriminologieteil<br />
Einführung:<br />
- Vorstellung Vita<br />
- Hinweis auf den Begriff des „Policing“, Polizierens und alles, was darunter fällt.<br />
o „quasi-polizeiliche“ Aufgabe des <strong>Streetwork</strong><br />
o Gefahr des „Missbrauchs“ in Zeiten „knapper Kassen“<br />
o Gemeinsames und Trennendes von Sozialarbeit und Polizei<br />
- Brückenschlag zu Vortrag Hradil bezüglich Gruppenattraktivitäten<br />
o „Gemeinschaften werden in familiären, lokalen und regionalen Milieus<br />
gesucht…“<br />
o „Wandel des Wertewandels“ – Ich-Verwirklichung mit Gleichgesinnten<br />
o Ökologische Konsequenzen für die <strong>Jugendarbeit</strong> (Klare Bezüge zu Vortrag<br />
Pietsch):<br />
� Unterschiedliche Stadtquartiere zunehmend<br />
� Schichten und Milieus rücken auseinander<br />
� Mischungsstrategien werden schwieriger<br />
� Migrantenmilieus häufiger und unterschiedlicher<br />
� � Kenntnis der Kulturen notwendig!<br />
- Brückenschlag zu Vortrag Pietsch durch Aufzählung Auffälligkeiten im Vortrag<br />
o Identitätsstiftend<br />
o Viele loste Gruppierungen<br />
o Wenige Jugendliche – Mehrzahl von Straftaten (kriminologisch gesicherte<br />
Erkenntnis)<br />
o Mögliche Chapter-Orientierung<br />
o Web 2.0 / Mobilisierung / Moderne Kommunikationsmittel<br />
o Erkenntnisse zu Gruppenexklusion (Shariff, Muzaffer)<br />
Erfragung Attraktivitätsgründe von (deviante) Gruppen für junge Menschen<br />
� siehe von Tagungsleitung gefertigtes Foto eines gemeinsam erstellten Mindmap<br />
Darstellung und Diskussion möglich passender Kriminalitätstheorien:<br />
- Konflikt-Theorien:<br />
o Unterschiedliche Werte/Bräuche<br />
o Unterschiedliche Zugänge zu Macht<br />
o Unterscheidungsgedanke<br />
- Anomie-Theorie (Bezug zu Darstellung Pietsch über anomische Zustände bei Unruhen<br />
in Frankreich)<br />
o Durkheim<br />
� Gesetze fehlen<br />
� Notwendigkeit sozialen Zusammenhalts<br />
o Merton<br />
� Gesteckte Ziele nicht anders erreichbar<br />
� Unerfreuliche Lebenssituation
- Subkulturtheorie (Cohen)<br />
o Taft<br />
� Kultur-Konflikt-Theorie<br />
� Ungleichheit sozialer Systeme<br />
o Miller<br />
� Autonome Unterschicht-Kultur-Theorie<br />
o Becker<br />
� Theorie der rationalen Wahl (strittig!)<br />
- „Labeling“<br />
o Tannenbaum<br />
o Becker<br />
o Sack<br />
- Drucktheorie<br />
o Soziale Ungleichheit<br />
o Befriedigung Bedürfnisse<br />
o Gewinnung von Status<br />
- Lerntheorien<br />
- Theorie der differentiellen Assoziation (Sutherland)<br />
o Einstellung, Interaktion und Kommunikation<br />
o „Verbrechen will gelernt sein“<br />
� Normen<br />
� Werte<br />
� Rechtfertigungen<br />
- Ökologische Theorien<br />
o Shaw / McKay<br />
o Chicago-Schule<br />
o Geografische Erkenntnisse<br />
- Der Täter in seinen sozialen Bezügen (Göppinger)<br />
- Mehrfaktoren-Theorie<br />
Rüdiger Schilling M.A.<br />
(Kriminologe, Polizeiwissenschaftler)<br />
Hirsauer Str. 255<br />
75180 Pforzheim<br />
Tel. 07231 313133<br />
oder 0176 21901039<br />
Fax 03222 1156752<br />
ruediger.schilling@arcor.de<br />
schilling@behaupte-dich.de<br />
www.behaupte-dich.de
Jugendkriminalität<br />
2010/2011<br />
Willi Pietsch<br />
Polizeipräsidium Stuttgart
Stadtteilgruppen<br />
in Stuttgart<br />
Aktueller Stand und Entwicklung
Klassifizierung der Stadtteilgruppen<br />
� lose Zusammensetzung / Tendenz zur festen Struktur / feste<br />
Anzahl der Mitglieder und Struktur<br />
� Kulturelle Zusammensetzung<br />
� Äußere Erscheinung<br />
� Altersstruktur<br />
� Bisherige Gruppenstraftaten
Übersicht Stuttgart<br />
11 bekannte Stadtteilgruppen<br />
� überwiegend multikulturell<br />
� ca. 260 bekannte Mitglieder
Bereich Innenstadt<br />
1. ‚South Central‘ - Bohnenviertel<br />
� lose bis feste Gruppenstruktur<br />
� ca. 15 Mitglieder<br />
� multikulturell<br />
� Kleidung mit Aufschrift „South Central“<br />
� Alter: 16 bis 20 Jahre<br />
� Mitglieder zum Teil erheblich, zum Teil<br />
aber gar nicht polizeilich wegen<br />
Straftaten in Erscheinung getreten<br />
� 1/2009 Verdacht der Beteiligung an<br />
körperlicher Auseinandersetzung<br />
� 1/(2009 Farbschmierereien ‚South<br />
Central‘ im Wohnquartier<br />
� 11/2009 Verdacht auf Eigentumsdelikte<br />
(Einbruchsdiebstähle)
Bereich Stuttgart-West<br />
2. Gruppe S-West (namenlos)<br />
� lose Gruppe mit spontanen<br />
Kontaktmöglichkeiten<br />
� ca. 10 Mitglieder<br />
� multikulturell, hauptsächlich türkisch<br />
� Alter: 16 bis 24 Jahre<br />
� formiert sich anlassbezogen, um<br />
Konfrontationen mit anderen Gruppen<br />
zu begegnen<br />
� 11/2009 aktuell nicht präsent,<br />
mangels Gegenpart
Bereich Filder – Lauchhau<br />
3. ‚Kanaqs 79‘<br />
- früher: ‘LGC – Lauchau Ghetto<br />
Center‘<br />
� feste Gruppenstrukturen<br />
� ca. 20 Mitglieder<br />
� multikulturell<br />
� Alter: 14 bis 20 Jahre<br />
� Seit 2007 aktiv – im Jahr 2010<br />
eine Vielzahl von Straftaten<br />
� rivalisierendes Verhältnis zu<br />
„Fasi 70565“<br />
� Gruppe besteht, tritt nach<br />
außen nicht allzu oft<br />
geschlossen in Erscheinung<br />
� Engagiert sich musikalisch<br />
(LaucHHauRAP)
Bereich Filder - Fasanenhof<br />
4. ‚Fasi 70565‘<br />
� lose bis feste Gruppenstruktur<br />
� ca. 50 Mitglieder<br />
� multikulturell<br />
� T-Shirts mit Aufdruck des<br />
Gruppennamens<br />
� Definition über PLZ (neuerdings<br />
übergreifend Richtung S-Plieningen)<br />
� Alter: 14 bis 26 Jahre<br />
� einzelne Mitglieder oder Teile der<br />
Gruppe treten überwiegend wegen<br />
Eigentumsdelikten im Wohnbereich in<br />
Erscheinung<br />
� Auseinandersetzung in Gesamtstärke<br />
am Schelmenwasen mit Kurden aus S-<br />
Bad Cannstatt (Aki 47)
Bereich Stuttgart-Ost<br />
5. ‚Rio Boys‘ - Raitelsberg<br />
� lose Gruppe<br />
� ca. 15 Mitglieder<br />
� multikulturell<br />
� vereinzelt T-Shirts mit Aufdruck des<br />
Gruppennamens<br />
� Alter: 16 bis 18 Jahre<br />
� Relativ neue Gruppe, auffällig wegen<br />
leichterer Delinquenz, aber auch<br />
wegen gef. Körperverletzung
Bereich Stuttgart-Ost<br />
6. ‚Rio Crime‘ - Raitelsberg<br />
� lose Gruppe<br />
� ca. 15 Mitglieder<br />
� multikulturell<br />
� Oberbekleidung mit Aufschrift „RIO<br />
CRIME Raitelsberg 70190“ (für<br />
Postleitzahl S-Raitelsberg)<br />
� Alter: 14 bis 15 Jahre<br />
� die Gruppierung entstand Anfang 2010<br />
und hat lose Kontakte zur Gruppe „Rio<br />
Boys“ aus Raitelsberg<br />
� 02/2010 Gruppierung trat erstmals<br />
polizeilich in Erscheinung, wegen<br />
sexueller Nötigung, Körperverletzung,<br />
Widerstand<br />
� aktuell Brandstiftungsserie – 19 Taten,<br />
14 TV im Alter von 14 – 16 (3W/11M)
Bereich Stuttgart-Ost<br />
7. ‚Central East‘<br />
� lose Gruppe<br />
� ca. 25 Mitglieder<br />
� multikulturell, hauptsächlich türkisch<br />
� Alter: 14 bis 16 Jahre<br />
� erst seit 2009 aktenkundig<br />
� auffällig durch Konfrontationen mit<br />
anderen Stadtteilgruppen
Bereich Stuttgart-<br />
Untertürkheim<br />
8. Gruppe am Carl-Benz-Platz (namenlos)<br />
� lose Gruppe<br />
� ca. 30 Mitglieder<br />
� multikulturell<br />
� Alter: 15 bis 25 Jahre<br />
� Gegenpol zu einer Szene älterer<br />
Fußballanhänger am Carl-Benz-Platz<br />
� 11/2009 aktuell nicht präsent
Bereich Stuttgart-<br />
Hedelfingen<br />
9. Gruppe (namenlos) Treffpunkt:<br />
Stadtbahnendhaltestelle Hedelfingen<br />
� lose Gruppe<br />
� ca. 15 Mitglieder<br />
� multikulturell<br />
� Alter: 13 bis 17 Jahre<br />
� relativ neue Gruppierung mit<br />
rivalisierendem Verhältnis zu „Central<br />
East“
Bereich Stuttgart-Bad<br />
Cannstatt<br />
10. ‚KHG‘- Kanackenhofgang<br />
� lose Gruppe<br />
� 6 Mitglieder<br />
� multikulturell<br />
� Alter: 13 bis 18 Jahre<br />
� Gruppe definiert sich durch<br />
das Wohngebiet Kienbach<br />
� Farbschmierereien im<br />
Wohnbereich<br />
� 01/2010 massive tätliche<br />
Auseinandersetzung mit<br />
Gruppierung Untertürkheim im<br />
Wohngebiet Kienbach
Bereich Stuttgart-Bad<br />
Cannstatt<br />
11. ‚Black Jackets‘<br />
Chapter „South Central“ – Stuttgart<br />
– früher ‚GSG‘ (Gefährliche<br />
StraßenGang)<br />
� ca. 30-40 Personen<br />
� multikulturell<br />
� rockerähnliches Erscheinungsbild<br />
durch schwarze Lederwesten mit<br />
3teiligem „Coulor“<br />
� sonstige Kleidung mit Aufdruck<br />
„Black Jackets“ oder „210“ (2te u.<br />
10te Buchstabe des Alphabets)<br />
� feste, hierarchisch strukturierte<br />
Gruppe<br />
� Teil/Chapter der landesweit<br />
bestehenden Black Jackets<br />
� Alter: 17 bis 27 Jahre
Bereich Stuttgart-Bad<br />
Cannstatt 11. ‚Black Jackets‘<br />
- Fortsetzung -<br />
� Straftaten im Bereich der Gewaltund<br />
Eigentumskriminalität, hohes<br />
Gewalt- und Organisationspotential<br />
� 24 Mitglieder z. Z. u.a. wegen<br />
versuchtem Tötungsdelikt in U-Haft<br />
� keine Verflechtungen bei den<br />
Stuttgarter ‚BJ‘ zum Türsteher/-<br />
Rotlichtmilieu<br />
� Das Verfahren gegen 21 Mitglieder<br />
der BJ wegen vers. Mordes wird<br />
beim LG Stuttgart geführt<br />
� 07/2010 schwerer<br />
Landfriedensbruch in Leonberg,<br />
Haftbefehle gegen Präsiden und<br />
Kassier vollstreckt<br />
� Aktuelle landesweite<br />
Auseinandersetzungen mit den<br />
United Tribunes
Bewertung<br />
� wenig Zuwachs an polizeilich relevanten<br />
Gruppen<br />
� wenige Jugendliche begehen die Mehrzahl der<br />
Straftaten, in den Gruppen gibt es z.T.<br />
Intensivtäter<br />
� sie gelten als Vorbild und können einzelne<br />
Gruppen aus ihrem ubiquitären Verhalten<br />
herauszuführen, Umfeld ist wichtige<br />
Einflussgröße<br />
� Momentan leichter feststellbarer Zuwachs an<br />
Straftaten, die aus den Gruppen heraus<br />
begangen werden
aber …<br />
� hohe Präsenz des Phänomens durch<br />
Medienverbreitung (Presse, Web2.0, etc)<br />
� wachsende Mobilisierbarkeit innerhalb der Gruppen<br />
durch moderne Kommunikationsformen<br />
� deutlich gestiegenes Aggressionspotential im Falle<br />
‚BJ‘, das sich in Schwere der Tat und Wahl der Waffen<br />
ausdrückt<br />
� falsche Werteauslegung, z.B. Ehrbegriff<br />
� schwindender Respekt vor staatlicher Autorität
Strategie und Zielrichtung<br />
� Zeitnaher, intensiver Informationsaustausch<br />
zwischen Polizei und Kommune (Infomanagement<br />
und Netzwerkarbeit)<br />
ganz entscheidend: dezentraler Kontakt zu<br />
Jugendgruppen über Jugendsachbearbeiter (dort<br />
sind „Pappenheimer“ bekannt)<br />
� Schwerpunkt bei der außerpolizeilichen Jugendund<br />
Sozialarbeit<br />
Bei Sicherheitsstörungen und strafrechtlicher<br />
Relevanz erfolgt schnelle und konsequente<br />
Reaktion der Polizei – Zielrichtung z.B.<br />
Intensivtäter
Wie ist die grundsätzliche<br />
Entwicklung in diesem Bereich<br />
� immer mehr Gewaltdelikte rücken in das Hellfeld<br />
� Rahmenbedingungen für Jugend eher ungünstig: mangelnde<br />
öffentliche Gelder, Zunahme individueller Armut, Integrationsund<br />
Bildungsdefizite, Gruppe als Ersatzfamilie<br />
� Vielzahl an Gruppen erhöht Tatrisiko: Instrumentalisierung<br />
Stadtteilgruppen durch kriminelle Rockergruppen,<br />
Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Stadtteilgruppen,<br />
Abdriften in kriminelle Handlungen und Gewalt<br />
� Die Stadtteilentwickler haben in Stuttgart maßgeblichen<br />
Einfluss auf kriminogene Räume (neg. Beispiel Urban Violence)<br />
– Hierbei ist eine Beteiligung der Polizei in den Gremien<br />
erforderlich.<br />
� Fazit: Situation aufmerksam beobachten, Netzwerk-<br />
Prävention umsetzen, hinsichtlich Entwicklung strafrechtlicher<br />
Relevanz/Gewalt eher kritische Lageeinschätzung
Wir sind nicht vorbereitet<br />
� Jugendkrawalle in Frankreich
BEAMTER IN NOT !<br />
URBAN VIOLENCE
Aus einer Rede des Monsieur Jean Maillard, Vizepräsident des Gerichts in<br />
Orleans, Dozent für politische Wissenschaften an der Universität Paris:<br />
… eine Schule, eine Bücherei, ein Polizeirevier oder andere Gebäude<br />
anzuzünden ist fast zur Gewohnheit geworden.<br />
Trotzdem hat die zweite Nacht in Villiers le Bel eine neue Eskalation<br />
von Gewalt gebracht, die die Medien oder die Regierungen nicht gerne<br />
publizieren werden, die aber noch einen Schritt weitergeht, bis hin zur<br />
Anwendung von Schusswaffen.<br />
Anscheinend werden von Aufruhr zu Aufruhr die Taktiken brutaler, die<br />
Strategien werden zusehends professioneller und die Polizei wird sich<br />
zukünftig einer Art von Stadtguerilla-Experten gegenübersehen, die<br />
rücksichtslos von der Schusswaffe Gebrauch machen.
Im Oktober 2001 wurden vier Polizeibeamte<br />
beim selben Vorfall erschossen<br />
Als Konsequenz wurde eine individuelle<br />
Schutzrüstung für jeden Beamten bestellt.
Im November 2005 starben zwei Teenager in einer<br />
elektrischen Generatorzelle.<br />
Gerüchte kamen auf die besagten, dass sie<br />
umkamen, als sie vor der Polizei fliehen wollten.<br />
Dies hatte Ausschreitungen sowohl in ihrer<br />
Heimatstadt als auch in den Pariser Vororten zur<br />
Folge.<br />
Am Schluss war das ganze Land aufgewiegelt und es<br />
folgten zwei Wochen mit Ausschreitungen und<br />
Brandstiftungen.
Vom 27.10. bis zum 17.11.2005<br />
Bei den Ausschreitungen wurden 6065 Personen<br />
festgenommen, 4778 am Tatort, 1328 nach den Kämpfen,<br />
5643 wurden in Gewahrsam genommen und 1328 kamen<br />
in Haft.<br />
Die Versicherungen schätzen den Schaden dieser<br />
Gewaltausbrüche auf 250 Millionen Euro.
300 Gebäude, 28000 Fahrzeuge wurden angezündet<br />
11700 Beamte der Polizei und Gendarmerie waren im<br />
Einsatz, es wurden 126 Beamte verletzt, 224 der<br />
Aufrührer wurden verwundet oder starben.<br />
Das Notstandsgesetz (nächtliche Ausgangssperre)<br />
vom 03.04.1955 wurde am 08.11.2005 in Kraft gesetzt,<br />
um die Kräfte der Polizei zu unterstützen.
Um die Sicherheit der Polizeibeamten zu<br />
verbessern wurde beschlossen, den Bestand an<br />
nichttödlichen Waffen aufzustocken.
Im November 2007 kam es zu einem Verkehrsunfall<br />
zwischen einem Streifenfahrzeug der Polizei und<br />
zwei Teenagern, die illegal ein Minibike fuhren.<br />
Dabei kamen die beiden Jugendlichen ums Leben.<br />
Die Polizeibeamten wurden von den Verwandten<br />
angegriffen und mussten vom Unfallort fliehen.
Nach kurzer Zeit begaben sich organisierte<br />
Aufrührer zu Sammelplätzen, bewaffneten sich und<br />
legten Feuer an öffentlichen Orten. Personen der<br />
öffentlichen Ordnung wurden angegriffen<br />
(Feuerwehrleute, Sanitäter, Polizisten).<br />
Abgesehen von normalen Plünderungen wurde<br />
den Polizeikräften schnell klar, dass die Gegner<br />
auf Konfrontation aus waren.
Verstärkung, einschließlich Hubschraubern, musste<br />
angefordert werden, um die Stadt wieder unter<br />
Kontrolle zu bringen.<br />
Nach zwei Nächten des Kampfes brauchten die<br />
Einheiten für die Kontrolle ziviler Ordnung<br />
Unterstützung durch Spezialeinheiten.<br />
Über 1000 Leute wurden entsandt, um die Lage in<br />
der Stadt Villiers le Bel mit ihren 27300 Einwohnern<br />
wieder zu stabilisieren.
Von Beobachtern und durch Interviews kam man zu<br />
dem Schluss, dass der Wille, Polizisten zu töten,<br />
vorhanden war.<br />
Zusätzlich zu „normalen“ Angriffen durch<br />
Wurfgeschosse, Stöcke oder Stangen und dem<br />
werfen von Molotow-Cocktails, zeigten die Angreifer<br />
organisierte Methoden, einschließlich eines gut<br />
ausgewählten Arsenals:
1) Die Brandmittel wurden gegen Menschen<br />
benutzt und um Gebäude oder Autos anzuzünden<br />
(mit Insassen)<br />
Gasflaschen wurde vorher platziert, um Flaschen<br />
nachfüllen zu können.<br />
Benzin wurde ausgeschüttet, damit<br />
Tränengasgranaten nicht entzündet werden<br />
konnten (welche die Dämpfe sonst entzündet<br />
hätten)
2) Stumpfe Werkzeuge und Waffen wurden<br />
benutzt, aber auch scharfe Waffen<br />
(z.B. Japanische Samurai „Katana“-Schwerter,<br />
Metzgerbeile, Küchenmesser, angespitzte<br />
Schraubenzieher und Feilen).
3) Sehr wichtig war die Tatsache, dass die Aufrührer<br />
eine Menge Feuerwaffen auf Polizisten<br />
abgeschossen haben (z. B. Gewehre, Schrotflinten,<br />
Sportgewehre)<br />
Die Angreifer benutzten sogar Selbstlaborate und<br />
selbstgemachte Granatwerfer (Feuerwerkskörper,<br />
landwirtschaftliche Hagelbomben), um damit gegen<br />
Personen größere Explosionen herbeiführen zu können und<br />
Splitter zu erzeugen.<br />
Gasbehälter für den Haushaltsbedarf und Feuerlöscher<br />
waren mit Nägeln gefüllt und mit improvisierten Spreng-<br />
Vorrichtungen ausgestattet.
Beobachter waren schockiert, wie die<br />
„Jugendlichen“ sich vorbereitet hatten.<br />
Sie hatten sich mit Helmen und verschiedenen<br />
Schutzartikeln aus dem Sport geschützt<br />
(Hockeyschutzwesten, Fußball-Beinschoner,<br />
Kickbock-Weichteilschützer…)
Um gegen die erweiterte Reichweite der neuen<br />
Polizei-LTL-Waffen anzugehen, feuerten die<br />
Straftäter aus Luftgewehren und benutzten<br />
selbstgemachte Schilder (Mülleimerdeckel…)<br />
Sie zeigten Vorgehensweisen, die an<br />
mittelalterliche Taktiken erinnern.
Sie waren auch in der Lage, sogenannte moderne<br />
asymmetrische Stadtkämpfertechniken anzuwenden:<br />
Zum Beispiel:<br />
zuschlagen und wegrennen, Heckenschützen,<br />
Feuerbefehle, die Benutzung von Verstecken<br />
in einer gut bekannten Umgebung, die Benutzung von Handys<br />
und Internet-Netzwerken, vorausgeplante logistische<br />
Vorratslager<br />
Um damit<br />
Chaos zu erzeugen, um der Polizei größtmöglichen Stress<br />
zuzufügen, um Einheiten zu desorganisieren und um die<br />
Kommando- und Kommunikationsketten zu unterbrechen.
In drei Nächten des Kampfes:<br />
112 zivile Angestellte wurden<br />
verletzt<br />
89 Polizeibeamte wurden verwundet,<br />
davon 55 durch Feuerwaffen
KVJS-Jahrestagung 2011<br />
Programm<br />
„Integration durch Sport“<br />
Kai Nörrlinger<br />
Landessportverband <strong>Baden</strong>-Württemberg e.V.
Programm „Integration durch Sport“<br />
• Bundesweites DOSB-Programm<br />
• Besteht seit 1989<br />
• Umsetzung in den Landessportbünden/<br />
Landessportverbänden – in <strong>Baden</strong>-Württemberg<br />
durch den LSV<br />
• Förderung über BMI und BAMF
Ziele<br />
Integration in den Sport<br />
• Heranführen an den Sport<br />
• Einbindung in den organisierten Sport<br />
Integration durch Sport<br />
• Integrationsprozesse durch entsprechende<br />
Arrangements anstoßen<br />
• Soziale Integration
Herangehensweisen und Handlungskonzepte<br />
Netzwerke<br />
Teilhabe<br />
Qualifizierung<br />
Fremde Sportarten<br />
Sport + X
Netzwerke<br />
Kommunale Netzwerkprojekte<br />
Ansetzend an Sportvereinen<br />
Lösungsorientierte, an lokale<br />
Bedarfslage angepasste<br />
Gesamtkonzepte<br />
Bündelung vorhandener<br />
Ressourcen und Kompetenzen<br />
Begegnungsplattformen schaffen
Teilhabe<br />
Heranführung an Vereine über offene, niederschwellige<br />
Angebote<br />
Brückenpersonen aus dem eigenen Kulturkreis<br />
Migranten und Migrantinnen als aktive Mitgestalter<br />
Besetzung von Positionen auf allen Ebenen
Qualifizierung<br />
„Sport interkulturell“<br />
an Praxis ansetzen<br />
Interkulturelle Sensibilisierung<br />
Interkulturelles Lernen im Training<br />
„Starthelfer“<br />
Informationen über Strukturen, Fördermittel etc.<br />
Projektmanagement, Kommunikation etc.
Integration von fremden Sportarten<br />
Bewahrung der kulturellen Identität<br />
Interkulturelle Öffnung der Vereine<br />
Gleichberechtigte kulturelle Annäherung von<br />
beiden Seiten
Sport + X<br />
Ankopplung von Lern- und Bildungsprojekten<br />
an den Trainingsbetrieb<br />
Soziale Aspekte, die über das<br />
gemeinsame Training hinausgehen.<br />
Unterstützungsleistungen,<br />
wie z.B. Hilfe beim Ausfüllen von<br />
Formularen oder bei der Suche nach<br />
einem Ausbildungs- bzw.<br />
Arbeitsplatz
Lösung „Integrationsbeauftragter“<br />
Integrationsbeauftragte in den Vereinen<br />
Vertretung des Themas nach Innen und nach Außen<br />
Voranbringen der entsprechenden Maßnahmen im Verein<br />
Bewusstseinsarbeit auf allen Ebenen
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
JUMP – Junge Menschen mit Power<br />
Projektvorstellung zur Jahrestagung<br />
<strong>Mobile</strong> <strong>Jugendarbeit</strong> / <strong>Streetwork</strong><br />
Workshop: Niedrigschwellige Sportangebote
JUMP – TVR im Überblick<br />
• Mehrspartenverein mit 14 Abteilungen<br />
• 4.300 Mitglieder in allen Altersklassen<br />
• Breitensport, Gesundheitssport, Wettkampfsport<br />
• Volleyball Bundesliga: EnBW TV Rottenburg<br />
• TVR: 150 Jahre in Bewegung
JUMP – Ausgangspunkt<br />
• Stützpunktverein „Integration durch Sport“<br />
• Trendsportangebote beim Sportpark 18-61<br />
• Zielgruppe?! 120 Nationen in Rottenburg<br />
• Zielgruppe?! Junge Menschen in schwierigen Lebenslagen<br />
• Nachholbedarf und Öffnungsbedarf
ZIELE<br />
• Schaffung von neuen kind- und jugendgerechten Sportstätten<br />
• Niederschwellige und offene Sportangebote<br />
• Einrichtung eines sportbezogenen Treffpunktes und<br />
Begegnungsraumes für die Heranwachsenden<br />
• Öffnung des Vereins (inhaltlich & strukturell)<br />
• Engagementförderung und Qualifizierung
SPORTSTÄTTEN<br />
• Gelände für Bike-Trial und Parkour<br />
• Slackline-Park<br />
• Zoccer-Plätze<br />
• Beachvolleyball<br />
• Beachhandball und –soccer<br />
• Dirtbike-Strecke<br />
• Funpark für Skateboard und BMX<br />
• Kleinspielfeld für Streetball und Fußball<br />
• und der JUMP-Treff als sportbezogener Begegnungsraum
SPORTSTÄTTEN
SPORTSTÄTTEN
SPORTSTÄTTEN
SPORTSTÄTTEN
Spezielle Elemente von JUMP<br />
• Entwicklung von Spielideen, Regeln, Equipment gemeinsam mit<br />
den Jugendlichen - in Kooperation mit Betrieben vor Ort<br />
• Bewährte und neue Formen der Qualifizierung:<br />
Jugendleiter, Übungsleiter, Zoccer-Presenter, Event-Team<br />
• „JUMP will Wissen“ als Info- und Beratungsnetzwerk<br />
• Website „www.jump-jetst.de“
KOOPERATION & NETZWERK<br />
• Stadt Rottenburg (Abt. Jugend)<br />
• Polizei (Jugendsachbearbeiter)<br />
• Hauptschulen/Werkrealschulen<br />
• Realschule Kreuzerfeld<br />
• MOKKA e.V.<br />
• TVR Volleyball GmbH<br />
• Kommunalverband für Jugend &<br />
Soziales<br />
• Integrationsforum<br />
• Förderschule Weggentalschule<br />
• Jugendhaus Klause<br />
• Handels- und Gewerbeverein<br />
• Berufliche Schule Rottenburg<br />
• Fußballclub Rottenburg<br />
• Koordinationsstelle für<br />
Bürgerschaftliches Engagement
Zukunft & Ausblick<br />
• Begleitung der Kinder und Jugendlichen über Projektstelle<br />
• Brückenschlag in den Verein / in die Abteilungen<br />
• Gründung einer eigenständigen Abteilung „JUMP“<br />
• Jugendliche übernehmen Verantwortung im Verein<br />
• Entwicklung Trendsportflächen
<strong>Erfahrungen</strong><br />
• Neuland & neue Netzwerke<br />
• Konzeptioneller und personeller Aufwand<br />
• Sport = Fußball = FC Bayern & Co.<br />
• Sport = Männersache = Männerwelt<br />
• Konsumverhalten statt Engagement
JUMP – in Aktion
Workshop 5<br />
Kompetent in Parallelwelten:<br />
„Schattenwirtschaft“ als kreative Quelle für berufliche Perspektiven<br />
Impulsreferate, Moderation und Dokumentation:<br />
Uwe Buchholz, <strong>Mobile</strong> <strong>Jugendarbeit</strong> der Stadt Karlsruhe<br />
Volker Kugel, <strong>Mobile</strong> <strong>Jugendarbeit</strong> des Stadtjugendrings Weinheim<br />
Matthias Reuting, Diakonisches Werk Württemberg<br />
Zusammenfassung<br />
Die Zielgruppen <strong>Mobile</strong>r <strong>Jugendarbeit</strong> bevorzugen häufig den Aufenthalt auf der Straße, sie<br />
sind in Jugendszenen aktiv, sie beherrschen den Umgang mit neuesten Technologien und<br />
sind die Fachleute ihrer Generation schlechthin. Dies sind Quellen von Fähigkeiten junger<br />
Menschen, die häufig parallel zum klassischen, von der Gesellschaft genormten beruflichen<br />
Werdegang, im Schatten existieren. In diesem Workshop wurden diese Schatten beleuchtet.<br />
AdressatInnen <strong>Mobile</strong>r <strong>Jugendarbeit</strong> müssen häufig damit umgehen, dass sie keinen<br />
dauerhaften Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten. Einigen gelingt es, durch Aktivitäten im<br />
Bereich der „Schattenwirtschaft“ dennoch, Quellen für Gelderwerb und Selbstwirksamkeit zu<br />
finden. <strong>Mobile</strong> <strong>Jugendarbeit</strong> ist mit der Herausforderung konfrontiert, wie sie Formen solch<br />
„alternativer Beschäftigung“ fördern und dazu beitragen kann, dass sie dauerhaft und legal<br />
gelingen. Der Workshop verfolgte folgende Ziele:<br />
� Es werden Potenziale des „Lebensorts Straße“ sowie von Jugendszenen und Cliquen<br />
für Lernen und Kompetenzentwicklung entdeckt.<br />
� Es werden Möglichkeiten aufgezeigt, wie AdressatInnen <strong>Mobile</strong>r <strong>Jugendarbeit</strong> ihre<br />
Kompetenzen auch ohne Zugang zum Arbeitsmarkt produktiv nutzen können.<br />
� Es werden Ideen entwickelt, wie <strong>Mobile</strong> <strong>Jugendarbeit</strong> diese Prozesse fördern kann.<br />
Aufbauend auf Impulsreferate zu Konzepten von Empowerment und lokaler Ökonomie<br />
wurden im Workshop Praxiserfahrungen ausgetauscht und neue Ideen entwickelt, wie<br />
<strong>Mobile</strong> <strong>Jugendarbeit</strong> produktive Aktivitäten junger Menschen „im Schatten der Wirtschaft“<br />
unterstützen kann.<br />
Impuls 1: Empowerment<br />
„Ressourcencheck“<br />
Über welche (versteckten) Fähigkeiten, Kenntnisse und Talente verfügen unsere<br />
AdressatInnen?<br />
Regeln:<br />
- Es geht ausschließlich um positive Dinge!<br />
- Äußerungen werden nicht relativiert!<br />
- Es wird nicht „klein-kommentiert“!<br />
- Je mehr Stärken, desto besser!<br />
- An Äußerungen anderer anknüpfen und weiterspinnen erlaubt!<br />
(vgl. Früchtel, Frank / Budde, Wolfgang / Cyprian, Gudrun (2007): Sozialer Raum und Soziale Arbeit. Fieldbook:<br />
Methoden und Techniken. Wiesbaden (VS Verlag), S. 65)
1. Schrift: Fokus „Ausschnitte des Alltags“ (vgl. ebd., S. 69)<br />
Welche Fähigkeiten, Kenntnisse und Talente nehmen wir bei unseren AdressatInnen wahr in<br />
den Bereichen:<br />
� Sprachen<br />
� Umgang mit Menschen<br />
� Haushalt<br />
� Tiere/Planzen<br />
� Zwei- und Vierräder, Mobilität<br />
� Handwerk<br />
� Neue Medien<br />
� Verein und Freizeit<br />
� Sport<br />
� Musik<br />
� Essen/Trinken<br />
� Mode/Outfit<br />
2. Schritt: Fokus “Herz – Hirn – Hand” (vgl. ebd., S. 69)<br />
Welche weiteren Fähigkeiten, Kenntnisse und Talente unserer AdressatInnen werden uns<br />
deutlich, wenn wir an die Dimensionen der Persönlichkeit „Herz“, „Hirn“ und „Hand“ denken?<br />
3. Schritt: Reframing<br />
Darüber hinaus: Welche weiteren Fähigkeiten, Kenntnisse und Talente unserer<br />
AdressatInnen werden uns bewusst, wenn wir die Methode des „Reframing“ anwenden: Wir<br />
führen uns ungünstige/riskante Verhaltensweisen von ihnen vor Augen und bilden<br />
Hypothesen darüber, mit welchen Stärken diese verbunden sein könnten.<br />
Bei der Sammlung im Plenum entsteht anhand dieser drei Schritte eine lange Liste von<br />
Fähigkeiten, Kenntnisse und Talenten von AdressatInnen <strong>Mobile</strong>r <strong>Jugendarbeit</strong> (s.u.).<br />
4. Schritt: Konkretisierung<br />
An welchen Beispielen werden die Stärken sichtbar/nachvollziehbar?
Ergebnisse der Sammlung im Plenum<br />
Fähigkeiten, Kenntnisse, Talente<br />
Beispiele, an denen die Stärken<br />
der AdressatInnen <strong>Mobile</strong>r <strong>Jugendarbeit</strong> sichtbar/nachvollziehbar werden<br />
Schauspielerisches Talent Puppentheater, Auftreten bei<br />
Behörden/gegenüber Freundin<br />
Mehrsprachigkeit Dolmetschen, mehrere Muttersprachen<br />
Musikalität Tanzen, Rhythmus<br />
Sportlichkeit Selbst organisierte Fußballmatches<br />
Verantwortungsbewusstsein Hunde, Ehrenamt<br />
Organisiert Treffpunkte<br />
Empathisch Rücksicht<br />
Taktisch geschickt Illegale Geschäfte<br />
Beharrlich Kein Geld annehmen<br />
Risikobereit Autofahren<br />
Solidarität Bei Todesfällen<br />
Nicht verpfeifen<br />
Loyalität<br />
Rechtskunde Umgang Polizei<br />
Liebevoll Lovesong/Rap<br />
Handwerklich/technisch geschickt Dinge selbst reparieren<br />
Nähen<br />
Aufmerksam Spontan zupacken<br />
Dankbar Die letzte Zigarette teilen<br />
Spülmaschine im Büro ausräumen<br />
„Danke!“ sagen<br />
Familiär Auf Kinder aufpassen<br />
Weitere Fähigkeiten, Kenntnisse, Talente<br />
der AdressatInnen <strong>Mobile</strong>r <strong>Jugendarbeit</strong> (ohne Beispiele)<br />
Durchsetzungsfähigkeit Multimediabegabt<br />
Kreativität Stilsicher<br />
Kommunikationsfähigkeit Neugierig<br />
Hilfsbereitschaft Multitaskingfähig<br />
Durchhaltevermögen Höflich<br />
Menschenkenntnis Zielstrebig<br />
Offenheit Konfliktfähig<br />
Interessiert Fähig zu Psychohygiene<br />
Jung Loyal<br />
Witzig Autodidaktisch lernen<br />
Authentisch Charmant<br />
Spontan Direkt<br />
Flexibel Deutlich<br />
Geschäftstüchtig Beziehungsfähig<br />
Physisch und psychisch belastbar Comey-Talent<br />
Verhandlungsgeschick Vertraulich<br />
Experimentierfreude Experimentierfreude<br />
Expert/in im Gemeinwesen Mutig<br />
Zukunftswünsche haben An Grenzen gehen<br />
Klarer Wille Individualität<br />
Kritisch / kritikfähig Motivation<br />
Sozial verträglich Leidenschaft<br />
Netzwerke
5. Schritt: Ressourcen zur Geltung bringen<br />
Wir sammeln Ideen, wie unsere AdressatInnen diese Ressourcen (auch ohne Zugang zum<br />
Arbeitsmarkt) als Quelle für Gelderwerb und Selbstwirksamkeit nutzen können:<br />
Ergebnisse eines ersten Brainstormings im Plenum:<br />
� Babysitting<br />
� Stunt(wo)man<br />
� Hunde-/Tiersitting-Dienst<br />
� Autowerkstatt<br />
� Import/Export<br />
� Puppentheater<br />
� Lokales facebook betreiben<br />
� Homepagegestaltung<br />
� Multiplikator/in oder Mentor/in (z.B. an Schulen) für die Themen<br />
� „Umgang mit Polizei“<br />
� Tanz<br />
� Graffiti<br />
� Eventmanagement<br />
� Einkaufsservice<br />
� Flyer-Design<br />
Impuls 2: „Lokale Ökonomie“<br />
Der Ansatz „Lokale Ökonomie“<br />
Uwe Buchholz<br />
Grundlagen:<br />
Knabe, Judith (2003): Lokale Ökonomie.<br />
Online veröffentlicht unter<br />
http://www.stadtteilarbeit.de/theorie/86-lokaleoekonomie.html<br />
Technische Universität Berlin, Interdisziplinäres<br />
Forschungsprojekt „Lokale Ökonomie“ (Hg.)<br />
(1990/1993): Lokale Ökonomie. Band 1 und 3.
Lokale Ökonomie<br />
� Verbindung von sozialem und<br />
ökonomischem Handeln<br />
� Neue Formen des Wirtschaftens<br />
� Lokale Strategien der Selbsthilfe<br />
� Nutzung vorhandener Ressourcen<br />
� Vernetzung<br />
� Partizipation der Bevölkerung<br />
Ziele lokaler Ökonomie<br />
� Investition in die Fähigkeiten der<br />
Bevölkerung<br />
� Finanzierung von lokaler nützlicher Arbeit<br />
� Wiederbelebung lokaler<br />
Wirtschaftskreisläufe<br />
� Mobilisierung der lokalen Ressourcen<br />
Schattenökonomie<br />
„Produktion von Gütern und Dienstleistungen, die<br />
von der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung<br />
nicht erfasst werden“<br />
� Solidarische Ökonomie<br />
� Kriminelle Ökonomie<br />
� Individuelle Ökonomie
Solidarische Ökonomie<br />
� Gemeinwesenunternehmen<br />
� Neue Formen der Existenzsicherung fernab von<br />
klassischer Erwerbsarbeit<br />
� Ausgegrenzte Menschen übernehmen<br />
vernachlässigte Arbeit<br />
� Subkulturelle Netze<br />
z.B. Nachbarschaftshilfe, Tauschbörse, „Blaue Arbeit“,<br />
Vereine<br />
Kriminelle Ökonomie<br />
� Schwarzarbeit<br />
� Drogenökonomie<br />
� Schmuggel und Hehlerei<br />
� Steuerhinterziehung<br />
� Prostitution<br />
Individuelle Ökonomie<br />
� Hausarbeit<br />
� Heimwerkerarbeit<br />
� Selbstversorgung<br />
� Familienbetrieb
Ethnische Ökonomie<br />
„Onkel Ali“ statt „Tante Emma“<br />
Motive: Arbeitslosigkeit, sozialer Aufstieg<br />
Selbstverwirklichung, Unabhängigkeit<br />
Funktion: Nahversorgung der Stadtbevölkerung<br />
Szenenökonomie<br />
� Aktive Netzwerke<br />
� Spezifische Szenekenntnisse<br />
� Produktion und Vertrieb von Accessoires<br />
� Szene-Veranstaltungen<br />
� Hobby zum Beruf machen<br />
Zum Weiterlesen…<br />
Umfassende Informationen zum Ansatz<br />
„Lokale Ökonomie“ unter<br />
http://www.stadtteilarbeit.de/home-loe.html
Im Workshop berichten Kolleginnen und Kollegen Beispiele, in denen begleitete Jugendliche<br />
und junge Erwachsene alternative Ökonomien für sich nutzen konnten:<br />
Prozesse fördern – Möglichkeiten <strong>Mobile</strong>r <strong>Jugendarbeit</strong><br />
Wie kann <strong>Mobile</strong> <strong>Jugendarbeit</strong> Prozesse fördern, in denen Jugendliche und junge<br />
Erwachsene, die sich als perspektivlos erleben und vorübergehend oder dauerhaft keinen<br />
Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten ihre Stärken und alternative Ökonomien produktiv als<br />
Quelle für Gelderwerb und Selbstwirksamkeit nutzen können?<br />
Im Worldcafé wurden Ideen entwickelt…<br />
Möglichkeiten im Rahmen von Einzelhilfe:
Möglichkeiten im Rahmen von Gruppenarbeit<br />
Möglichkeiten im Rahmen von Gemeinwesenarbeit<br />
Möglichkeiten, die uns eher visionär vorkommen…
Workshop 6: Frank Dölker: Migration – Integration – Interkulturelle Kommunikation<br />
Stadien Interkultureller Lernprozess<br />
Wir projizieren unser eigenes Bezugssystem unbewusst auf andere.<br />
Wir sind im Stande, den relativen Charakter des Werte- und Bezugssystems der anderen zu<br />
erkennen, nicht aber den unseres eigenen.<br />
Wir besitzen die Fähigkeit die Relativität unser eigenes Werte- und Bezugssystem<br />
zu erkennen – und danach zu handeln.<br />
Quelle: C.E. Osgood (1962); Alternative to war or surrender, Urbana<br />
Wir müssen davon ausgehen, dass unser unbewusst bleiben des Werte - und Bezugssystem<br />
sehr stabil ist und jeder In-Frage-Stellung Widerstand entgegengesetzt. Daher bedarf es<br />
Trainings und der Teilziele: (nach Hans Niklas, 1998):<br />
• Offenheit für andere, das Fremde, das ungewohnte<br />
• Erweiterte Wahrnehmungsf<br />
• das andere als anders akzeptieren<br />
• Ambivalenz ertragen können<br />
• Fähigkeit zu experimentierendem Verhalten<br />
• Angstfreiheit vor dem Fremden<br />
• die Fähigkeit, unsere eigenen Normen infrage stellen zu können<br />
• an der Utopie des herrschaftsfreien Diskurses festhalten<br />
• die Fähigkeit Konflikte auszutragen<br />
• den eigenen Ethnozentrismus erkennen können<br />
• die Fähigkeit, übergreifende Loyalitäten und Identitäten zu entwickeln
Kulturmodelle (Hofstede Zwiebelmodell)<br />
wir nehmen über unsere Sinne Fakten wahr, die<br />
je nach Werteprägung angenehm oder unangenehmen empfunden werden<br />
Wie niemand<br />
(Persönlichkeit)<br />
Wie manche ( Region,<br />
Geschlecht, Religion,<br />
soziale Schicht, Milieu<br />
Wie alle<br />
(Grund-<br />
Bedürfnisse)<br />
Fakten<br />
Gefühle<br />
Werte<br />
Individuum<br />
Kultur<br />
Humane<br />
2
• „Ihr habt uns zu Türken gemacht!!!“<br />
Entwicklung von Identität<br />
• Entscheidung für kulturelle/ethnische Identität fällt in der frühen Kindheit.<br />
Ab 12 – 14 Jahren sichere Lebensentscheidung.<br />
• Faktoren zur Festigung der Identität<br />
• Erziehung in Familie<br />
• Soziale Umgebung<br />
• Fremdzuschreibung<br />
• Sprache<br />
„du spricht aber gut deutsch“<br />
• Quartier<br />
Türkenviertel, Klein Moskau, Ghetto…<br />
• Soziale Arbeit<br />
„Mädchenarbeit mit jungen Türkinnen“<br />
„Adressaten sind junge Migranten…“<br />
Identität als Prozess<br />
Wer bin ich � Kann neu definiert werden, durch:<br />
• Personen<br />
• mit Fremden<br />
• mit Andersartigen<br />
Auseinandersetzung Umwelt - Selbst<br />
Elemente der Identität<br />
Zugehörigkeit zu einer Gruppe:<br />
Objektive Merkmale Subjektive Merkmale<br />
Physisches Aussehen Einstellungen<br />
Muttersprache Werte<br />
Kleidung Überzeugungen<br />
Identitätsmarker<br />
3
�Hilfestellung für Personen und Umgebung, korrekt in „Identität“ einordnen<br />
�Sorgen für klare Zuordnung, aber PROBLEMATISCH<br />
Identität in multikultureller Gesellschaft:<br />
1. Einflüsse in der Familie mit Vorstellungen der Umwelt kollidieren:<br />
Kulturkreis<br />
Milieu<br />
Quartier<br />
Druck<br />
sich als<br />
Deutsche fühlen<br />
zu müssen<br />
besonders wenn Familie und Umgebungskultur stark voneinander abweichend empfunden<br />
werden.<br />
⇓ führt zu<br />
Identitätskonflikten<br />
äußern sich in Problemen in Familie, sozialer Umgebung oder zu Abgrenzung<br />
2. Kulturelle Identität wird nicht mehr verhandelt sondern von außen zugeschrieben:<br />
�Kulturelle Identitäten sind gefühlte Identitäten<br />
„Du als Türkin musst uns das erklären können“.<br />
„Du bis doch keine Türkin mehr..“<br />
Schule<br />
Peers<br />
Verein<br />
�Gewaltsame Zuschreibung einer national-kulturellen Identität, die sich an Stereotypen orientiert.<br />
4
Workshop 7: Fußball ist unser Leben!?<br />
Christian Schmidt, Fanbeauftragter VfB Stuttgart e.V.<br />
Literaturhinweis und Link zu weiterführenden Infos<br />
Führender Fanforscher ist Prof. Dr. phil., Dipl.-Soz. Gunter A. Pilz<br />
http://www.sportwiss.uni-hannover.de/gunter_a_pilz.html<br />
Unter diesem Link sind Literaturhinweise und Forschungsergebnisse eingestellt. Auch eine<br />
interessante Expertise über das Phänomen der Ultrakultur ist dort als Download verfügbar.
Workshop 8: „Bloß nicht Mainstream“ – Jugendkulturen stellen sich vor<br />
Moderation:<br />
Eva Gebauer, <strong>Mobile</strong> <strong>Jugendarbeit</strong> Karlsruhe, Christiane Hillig, <strong>LAG</strong>-Servicestelle<br />
Im Workshop standen die Sichtweisen junger Menschen auf ihre Jugendkultur im<br />
Mittelpunkt. Anwesend waren Jugendliche aus der Punkszene, der Hip Hop Szene<br />
und aus einer Clique, die sich selbst als Gang sieht. Nach einem lockeren<br />
„jugendkulturellen“ Einstieg mit „typischen“ Musikbeispielen unterschiedlicher Szenen<br />
kamen die anwesenden KollegInnen und die Jugendlichen als Experten gut ins<br />
Gespräch über Klischees und Realität. Unser herzlicher Dank gilt ausdrücklich den<br />
jungen Leuten, die in diesem Workshop sehr offen aus ihrer Lebenswelt berichtet<br />
haben.<br />
In Kleingruppen erarbeiteten die TeilnehmerInnen unter sachkundiger Beratung<br />
durch die jugendlichen Experten jeweils ein Portrait der Jugendkultur, das<br />
anschließend in der Großgruppe präsentiert wurde. Hierbei entstand eine sehr<br />
lebendige Diskussion über unterschiedliche Sichtweisen und Vorurteile, die auch von<br />
den Jugendlichen sehr engagiert geführt wurde.<br />
Arbeitsauftrag an die Arbeitsgruppen:<br />
Interviewt die Jugendlichen als Experten ihrer Lebenswelt. Natürlich dürfen auch eigene <strong>Erfahrungen</strong><br />
eingebracht werden.<br />
Wie bist du/seid ihr gerade in diese Jugendkultur gekommen? Warum hast du dich dafür entschieden?<br />
Wie hat es sich ergeben?<br />
Was macht deine Jugendkultur aus? Was gibt es wichtiges darüber zu wissen?<br />
Was bringt es dir/euch persönlich in dieser Jugendkultur zu sein? Was sind die Vorteile? Gibt es auch<br />
Nachteile?<br />
Frage an Jugendliche:<br />
Im Moment ist für mich wichtig …<br />
In 10 Jahren möchte ich …<br />
Leitend für die Abschlussdiskussion waren die Fragen nach den Bedürfnissen, die<br />
wir als Profis vermuten und diejenigen, die von den Jugendlichen selbst formuliert<br />
werden. Als zentrale Bedürfnisse konnten identifiziert werden: Respekt gegenüber<br />
den Sichtweisen und Ausdrucksformen Jugendlicher in ihren Szenen und Cliquen,<br />
Angebote der <strong>Jugendarbeit</strong> für Jugendliche gegen Langeweile und zur Erweiterung<br />
des „Horizonts“, im Gespräch sein, nicht alles besser wissen, unterstützen bei der<br />
Formulierung von Anliegen an die Gemeinde, Konflikte aushalten.