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186_StadtBILD_Januar_2019

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Landskron Bierkutsche 1967


Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />

Vorwort<br />

wir wünschen Ihnen für das neue Jahr alles<br />

erdenklich Gute, Gesundheit, Erfolg und Glück!<br />

Wie auch immer Ihre persönlichen Wünsche für<br />

das Jahr <strong>2019</strong> aussehen: Wir hoffen, dass sie in<br />

Erfüllung gehen.<br />

Das Neue Jahr wird in Görlitz ganz im Zeichen<br />

des Bieres stehen, wird doch unsere Landskron<br />

Brauerei 150 Jahre jung, wenn das nicht ein<br />

Grund zum Feiern ist.<br />

Einige unserer Leser werden sich vielleicht noch<br />

an die 100-Jahr-Feier 1969 mit großem Festumzug<br />

erinnern. Damals drohte die Brauerei schier<br />

aus allen Nähten zu platzen. In diesem Jahr<br />

wird das Braufest der Sinne und die Sommer-<br />

Open-Air-Konzerte erneut tausende Liebhaber<br />

aus aller Welt in die inzwischen unter Denkmalschutz<br />

stehende private Braumanufaktur in der<br />

östlichsten Stadt Deutschlands ziehen.<br />

In dieser Ausgabe finden Sie einen kleinen Auszug<br />

aus dem Buch des 33jährigen Martin Herda<br />

„Die Bierstadt Görlitz - über den Kampf um das<br />

Brauprivileg bis zur Entstehung der Görlitzer<br />

Brauereien“. Mit diesem Buch wurde der Autor<br />

mit dem Historiker-Literaturpreis „500 Jahre<br />

Deutsches Reinheitsgebot“ zum „Ur-Krostitzer<br />

Jahresring“ 2016 ausgezeichnet.<br />

Anknüpfend über unseren Artikel zu den Jugendjahren<br />

Jacob Böhmes, beleuchten wir in<br />

dieser Ausgabe das Schaffen, des wohl berühmtesten<br />

Sohnes der Neißestadt als Mystiker,<br />

Philosoph und christlicher Theosoph.<br />

Eine Ortsgeschichte von Hermsdorf finden<br />

Sie ebenfalls in der vorliegenden Ausgabe.<br />

Hermsdorf befindet sich im Osten der Oberlausitz.<br />

Es liegt 5 km südöstlich von Görlitz.<br />

Heute gehört die Gemeinde zu Zgorzelec in<br />

Polen und heißt seit 1946 Jerzmanki (polnisch<br />

Hermann).<br />

Zu guter Letzt finden Sie noch einen interessanten<br />

Artikel über Niederschlesiens schlesischen<br />

Schubert - Joseph Ignaz Schnabel von<br />

Dr. Wenske.<br />

An dieser Stelle wollen wir uns bei allen ehrenamtlichen<br />

Autoren unserer <strong>StadtBILD</strong>-<br />

Ausgaben für die vergangenen Jahre bedanken.<br />

Großer Dank gilt Dr. Ernst Kretzschmar, Bertram<br />

Oertel, Wolfgang Stiller, Ratsarchivar<br />

Siegfried Hoche, Dr. Bernhard Wolf, Dr. Jürgen<br />

Wenske, Wolfgang Liebehenschel, Andreas<br />

Riedel, Josefine Schmacht aus Ostritz,<br />

Uwe Kahl und Rolf Matthes aus Zittau.<br />

Besonderen Dank möchten wir dem Schlesischen<br />

Museum zu Görlitz, dem Kulturhistorischen<br />

Museum Görlitz, dem Senkenberg<br />

Museum, dem Schlesisch-Oberlausitzer Museumsverbund,<br />

dem Landratsamt Görlitz<br />

und dem Tierpark Görlitz für die redaktionellen<br />

Zuarbeiten, aussprechen.<br />

Die <strong>StadtBILD</strong> - Redaktion<br />

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Einleitung<br />

3


Die Bierstadt Görlitz –<br />

Görlitz<br />

Görlitz, gelegen an der Handelsstraße<br />

„Via Regia“, war eine aufstrebende Stadt<br />

an der Neiße, die immer mehr an Bedeutung<br />

für den Handel zwischen Ost und<br />

West gewinnen sollte.<br />

1071 erstmals urkundlich erwähnt, entwickelte<br />

sie sich zu einer reichen Stadt,<br />

dessen Bürger besondere Privilegien<br />

erhielten. Über kaum ein anderes Privileg,<br />

wie das Brau- & Schankrecht, gab<br />

es soviel Ärger, Streitigkeiten und Auseinandersetzungen.<br />

Nicht nur innerhalb<br />

der Stadt gegenüber anderen Bürgern,<br />

sondern auch zwischen den verbündeten<br />

„Sechsstädten“ der Oberlausitz.<br />

Görlitz nahm seit Gründung der Stadt<br />

für sich das Recht in Anspruch, Bier zu<br />

brauen und zu verkaufen. Dieses Recht<br />

lag auf bestimmten vornehmen bürgerlichen<br />

Häusern im ältesten Kern innerhalb<br />

der Altstadt um den heutigen Untermarkt,<br />

Peter-, Brüder- und Neißstraße<br />

sowie mit der westlichen Stadterweiterung<br />

Mitte des 13. Jahrhunderts auf dem<br />

Obermarkt und in der Langenstraße. Es<br />

konnte sowohl vererbt, als auch mit dem<br />

Haus verkauft werden. Die Anzahl der<br />

brauberechtigten Häuser sank im Laufe<br />

der Jahrhunderte jedoch stetig. 125 Häuser<br />

waren es um 1400, einhundert Jahre<br />

später 112, um 1600 noch 107 und bis<br />

1838 fiel die Anzahl derer auf 94 ab.<br />

Der Bierzwang<br />

1329 kam König Johannes nach Görlitz<br />

und bestätigte die Privilegien und Freiheiten<br />

der Stadt. Er befreite sie vom Zoll<br />

und „gab ihr die Zusage, dass unterhalb<br />

einer Meile um die Stadt herum keine<br />

neuen Wirtshäuser angelegt werden sollen.<br />

Auch dürfe Niemand einen Kretscham<br />

eine Meile um die Stadt haben“.<br />

Der König starb 1347 und sein ältester<br />

Sohn Carl der IV., römischer König und<br />

zuletzt Kaiser, erhielt nun das Königreich<br />

Böhmen. Er bestätigte 1347 ebenfalls die<br />

Privilegien der Stadt.<br />

Anfang August kam er nach Görlitz. Der<br />

Rat der Stadt nutzte die Gelegenheit und<br />

erklärte ihm den Nachteil der entstünde,<br />

wenn man das Bier innerhalb der Meilenzone<br />

von woanders hole, als aus Görlitz.<br />

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4<br />

Geschichte


Aus der Geschichte des Bieres in Görlitz<br />

Bierstadt Görlitz<br />

Ausgestellt wurde diese Urkunde 1465 in Prag<br />

Der Herzog von Gottes Gnaden, König zu Böhmen, Markgraf zu Mähren, Herzog zu Luxemburg und<br />

Schlesien sowie Markgraf zu Lausitz erteilte mit dieser Urkunde den Görlitzern das Recht weiterhin Bier<br />

zu brauen und auszuschänken. Quelle: Urkunde mit Siegel aus dem Bestand des Görlitzer Ratsarchives<br />

Am 8. August des Jahres erhielt Görlitz<br />

das Recht, dass kein Kretscham und<br />

keine andere Person in diesem Gebiet<br />

das Bier von außerhalb beziehen dürfe.<br />

Dieses Recht nannte man den „Görlitzer<br />

Bierzwang“.<br />

Die Handwerker, worunter auch die<br />

Tuchmacher zählten, hatten in fortwähr-<br />

enden Aufständen sich das Recht Bier zu<br />

Brauen während des 14. Jahrhunderts<br />

hart erkämpft. Der niedergeschlagene<br />

Aufstand im Jahre 1405 schloss die Innungen<br />

von diesem Recht für alle Zeit<br />

aus. Der früheren Meinung nach waren<br />

die Ausübung eines Handwerks und das<br />

Braurecht nicht miteinander verträglich.<br />

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Geschichte<br />

5


Die Bierstadt Görlitz –<br />

Görlitz<br />

So musste ein Innungsmitglied, welches<br />

einen Bierhof erwarb, binnen kurzer Zeit<br />

sein Handwerk aufgeben. Diese Forderung<br />

verlor sich nach und nach und wurde<br />

schließlich um 1800 aufgegeben.<br />

1462/63 erhob die Stadt unter dem<br />

Landesherrn Georg Podjebrad den Anspruch,<br />

dass auf ca. 90 Dörfern der Umgebung<br />

nur Görlitzer Bier geschenkt werden<br />

durfte.<br />

Dass dies ebenfalls zum Streit und Aufstand<br />

führen sollte, kann sich ein Jeder<br />

sicher gut vorstellen. Gegen Ende des<br />

15. Jahrhunderts hatte sich das Recht so<br />

herausgebildet, dass dieser sogenannte<br />

Bierzwang, außer für die Dörfer der<br />

Stadt, für alle Orte, die im Bereich von<br />

1,5 Meilen vor Görlitz lagen, bestand.<br />

Älteste Darstellung eines Bierbrauers um 1397<br />

Im 19. Jahrhundert zählte das für 60<br />

Ortschaften. Die Bewohner der Dörfer<br />

mussten ihren Bedarf an Bier aus Görlitz<br />

beziehen. Sie versuchten schon frühzeitig<br />

das sogenannte Bann- und Meilenrecht<br />

zu erwerben.<br />

Noch 1826 erinnerte die Brau-Corporati-<br />

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6<br />

Geschichte


Der Bierzwang<br />

Bierstadt Görlitz<br />

Der “Gambrinus” auf dem Bierzug, Ansichtskarte gel. 1899 aus der Sammlung Andreas Harda<br />

on Görlitz, dass das der Stadt zustehende<br />

Bierzwangsrecht unverändert fort bestehen<br />

würde.<br />

Jedem, der dagegen verstieß, drohte<br />

eine Anzeige mit Strafen und hohen<br />

Kosten. Eigentlich beanspruchte Görlitz<br />

innerhalb seines Gerichtsbezirkes, der<br />

inzwischen etwa 250 Dörfer umfasste,<br />

dass nur Görlitzer Bier getrunken werden<br />

durfte. Das gefiel dem ländlichen Adel<br />

überhaupt nicht.<br />

Erst mit dem Pönfall 1547 wurde die<br />

Neißstadt mit ihrer Macht so gewaltsam<br />

herabgedrückt, dass die Rittergutsbesitzer<br />

anfingen, selbst zu brauen und ihren<br />

Bauern das eigene Bier auf nötigten.<br />

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Geschichte<br />

7


Die Bierstadt Görlitz –<br />

Görlitz<br />

Bürgerliche Brauerei auf der Neißstraße, Ende des 18. Jahrhunderts<br />

Das hatte zur Folge, dass wegen mangelnder<br />

Abnahme ein 9-bieriger Brauhof<br />

in Görlitz neun Biere nicht in einem, sondern<br />

in zwei Jahren braute.<br />

Auch führte das Görlitzer Bann- und Meilenrecht<br />

zu erbittertsten Streitigkeiten<br />

mit den Nachbarstädten und vor allem<br />

den sechs Städten des Sechsstädtebundes.<br />

An diesem Recht sollte der Sechs-<br />

Städte-Bund fast zerbrechen. Ausschlag<br />

gebender Punkt hierfür war die „Ostritzer<br />

Bierpfütze“.<br />

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8<br />

Geschichte


Der Bierzwang<br />

Bierstadt Görlitz<br />

Heute ist dieses Ereignis als Bierkrieg<br />

zwischen Görlitz und Zittau bekannt.<br />

Der Bierzwang bestand nicht nur für die<br />

Dörfer innerhalb der Meile um Görlitz,<br />

sondern auch für Handwerksgesellen einiger<br />

Berufsgruppen.<br />

So heißt es in einer alten Schuhmacherordnung<br />

von 1540: „So ofte der<br />

Vater (der Herbergsvater) Bier schenkt,<br />

so ofte sind die Gesellen eine Oerte zu<br />

thun (ein Trinkgelag zu halten) schuldig.<br />

So aber der Vater nicht schenkt, so sind<br />

die Gesellen alle schuldig zu gehen vor<br />

das Wirtshaus mit den Altenknechten“.<br />

Ähnliche Ausführungen finden sich auch<br />

in der Schneiderordnung von 1540 und<br />

sicherlich auch in anderen Berufsordnungen.<br />

Den wohlhabenden Kaufleuten, darunter<br />

die 110 Biereigner, legte die Stadt aber<br />

auch besondere Belastungen auf. Sie<br />

mussten 1488 für die zu stellende Kriegsmannschaft<br />

für König Mathias gegen den<br />

Herzog Hans von Glogau 100 Mann Fußvolk<br />

stellen, sie ausrüsten sowie 13 Berittene<br />

mit Pferden ausstatten.<br />

Aus: Die Bierstadt Görlitz<br />

von Martin Herda | Eigenverlag | 2016<br />

232 Seiten DIN A4<br />

Hardcover gebunden | 29,99 EUR<br />

erhältlich im Besucherzentrum der<br />

Landskron Brauerei und unter:<br />

www.goerlitzer-sammlerseite.npage.de<br />

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Geschichte<br />

9


Jacob Böhme –<br />

Böhme<br />

Kirche in Alt-Seidenberg um 1751<br />

Jacob Böhme schreibt von <strong>Januar</strong> bis<br />

Pfingsten 1612 sein erstes Buch „Morgenröte<br />

im Aufgang“, als Frucht zwölfjährigen<br />

Nachdenkens und des Studiums<br />

„viel hoher Meister Schriften“ über Naturwissenschaften,<br />

Astronomie und Philosophie.<br />

Die geistige Beschäftigung lässt<br />

dem Erleuchteten immer weniger Zeit für<br />

sein Handwerk. Aus dem Görlitzer Kaufbuch<br />

geht unter dem Eintrag vom 12.<br />

März 1613 hervor: „Jacob Böhme hat<br />

erblich, recht und redlich, frei und unbeschwert<br />

verkauft seine Schuhbank George<br />

Süßenbachen und ihme solche gege-<br />

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10<br />

Geschichte


Mystiker, Philosoph und christlicher Theosoph<br />

Jacob Böhme<br />

Erstes Wohnhaus von Jacob Böhme, Pragerstr. 12, Görlitz<br />

ben um 470 Mark bares Geld.“ Zu jener<br />

Zeit nimmt das Tuchmachergewerbe und<br />

die schlesische Leinenweberei einen raschen<br />

Aufstieg. Man beginnt die bisher<br />

im Volk unbekannten Handschuhe zu<br />

erzeugen. Jacob und Catharina verlegen<br />

sich daher auf den Garnhandel. Böhmes<br />

„Morgenröte im Aufgang“, später lateinisch<br />

„Aurora“ genannt, wird ohne Böhmes<br />

Wissen über Abschriften Karl Enders<br />

von Sercha rasch verbreitet. Damit ändert<br />

sich Böhmes Leben grundlegend.<br />

Das Buch fällt dem Pastor Primarius von<br />

Görlitz, Gregor Richter, in die Hände. Er<br />

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Geschichte<br />

11


Jacob Böhme –<br />

Böhme<br />

Die Morgenröte im Aufgang (Aurora 1612)<br />

legt es dem Rat der Stadt vor und fordert,<br />

gegen den Schuster vorzugehen.<br />

Am 26. Juli 1613 wird Jacob Böhme vom<br />

Bürgermeister Bartholomäus Scultetus<br />

im Rathaus verhört. Scultetus lässt Böhme<br />

verhaften und wird für kurze Zeit<br />

„darüber in Stock eingesetzet“. Die Originalschrift<br />

lässt Scultetus aus Böhmes<br />

Haus holen, „darauf er wieder aus dem<br />

Gefängnisse entlassen und ermahnet<br />

worden, von solchen Sachen abzustehen“.<br />

Den Sonntag drauf, am 28. Juli, hält<br />

der streng orthodoxe Lutheraner Gregor<br />

Richter eine Straf- und Drohpredigt über<br />

den Schuster, in der er die Gemeinde von<br />

St. Peter und Paul vor falschen Propheten<br />

warnt. Böhme saß, als eifriger Kirchgänger,<br />

unter der Gemeinde. Dienstag drauf,<br />

am 30. Juli, lässt Richter Böhme durch<br />

seinen Prädikanten holen, examiniert ihn<br />

und verbietet Böhme bei Androhung ewiger<br />

Verdammnis, jemals noch seine Feder<br />

für ein religiöses Thema zu spitzen.<br />

1614 während der Zeit des Schreibverbotes<br />

erwirbt sich Jacob Böhme die Sympathie<br />

und Freundschaft besonders zweier<br />

Männer, die des Arztes Tobias Kober und<br />

die des weit gereisten Doktor Balthasar<br />

Walther. Durch die Verbindung mit Kober<br />

beschäftigt sich Böhme 1615 näher<br />

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12<br />

Geschichte


Mystiker, Philosoph und christlicher Theosoph<br />

Jacob Böhme<br />

Beschreibung der drei Prinzipien göttlichen Wesens<br />

(De tribus principiis 1619)<br />

Vom dreifachen Leben des Menschen<br />

(De triplici vita hominis 1620)<br />

mit Schriften von Paracelsus und Weigel.<br />

Über Balthasar Walther lernt Böhme kabbalistisches<br />

und alchemistisches Gedankengut<br />

kennen. Walther nennt Böhme<br />

„philosophus teutonicus“.<br />

Freunde und Anhänger drängen Böhme,<br />

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Geschichte<br />

13


Jacob Böhme –<br />

Böhme<br />

das Schreibverbot zu durchbrechen. Im<br />

Frühjahr 1618 sitzt Böhme wieder am<br />

Schreibtisch, im Haus an der Neißebrücke<br />

und in Schloß Leopoldshain bei Karl<br />

Ender von Sercha.<br />

Ende des Jahres stirbt Böhmes Vater.<br />

Böhme ist durch den Garnhandel, den<br />

seine Frau 1619 und er betreiben, geschäftlich<br />

viel unterwegs. Er schreibt sein<br />

zweites Werk: Die Beschreibung der drei<br />

Prinzipien göttlichen Wesens (De tribus<br />

principiis). Ein Angebot Karl Enders von<br />

Sercha, Böhme auf lange Sicht hin zu<br />

unterstützen, lehnt Böhme ab. Catharina<br />

müht sich, trotz zwischenzeitlicher Not<br />

und Geldentwertung, die sechsköpfige<br />

Familie ernähren zu helfen. Während einer<br />

Geschäftsreise erlebt Böhme in Prag<br />

den Einzug des „Winterkönigs“ Friedrich<br />

V. von der Pfalz.<br />

1620 ist Böhme erschöpft und krank. Er<br />

besucht trotzdem Abraham von Sommerfeld<br />

auf Wartha bei Bunzlau. Nun entstehen<br />

in dichter Folge neue Schriften,<br />

die von Freunden kopiert werden und<br />

wiederum rasche Verbreitung finden;<br />

u. a. Vom dreifachen Leben des Menschen<br />

(De triplici vita hominis); Vierzig<br />

Fragen von der Seelen (Psychologia<br />

vera).<br />

Um 1621 reist Böhme nach Striegau. Er<br />

führt viele Gespräche und Disputationen,<br />

u. a. mit Dr. Koschwitz, Dr. Staritz und<br />

von Tschesch.<br />

Böhme reist 1622 nach Weichau zu Rudolf<br />

von Gersdorff, nach Glogau und<br />

Breslau. Er trifft mit den Ärzten Freudenhammer<br />

und Göller zusammen. Böhmes<br />

Schriften verbreiten sich über Schlesien<br />

hinaus. In Schlesien entsteht ein Freundes-<br />

und Schülerkreis um Jacob Böhme,<br />

zu dem Adelige und Ärzte gehören, vor<br />

allem die Brüder von Schweinichen, Caspar<br />

von Fürstenau, Ender von Sercha, Dr.<br />

Rothe und Dr. Koschwitz. Um Weihnachten<br />

reist Böhme erneut zu Disputationen<br />

über Fragen der Seelenführung und des<br />

geistlichen Lebens nach Liegnitz und in<br />

das Striegauer Gebiet.<br />

Böhme reist 1623 nach Glogau und Breslau.<br />

Anfang des Jahres 1624 weilt Jacob<br />

Böhme in der Nähe von Striegau auf<br />

Schloss Schweinhaus bei Johann Siegismund<br />

von Schweinichen. Von Schweini-<br />

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14<br />

Geschichte


Mystiker, Philosoph und christlicher Theosoph<br />

Jacob Böhme<br />

chen ist es auch, der einige Schriften<br />

Böhmes unter dem Titel: Der Weg zu<br />

Christo bei Johann Rhambau in Görlitz<br />

drucken lässt. Da religiöse Drucke in<br />

Görlitz der Zensur des Primarius Gregor<br />

Richter unterliegen, sorgt er dafür, dass<br />

Böhme am 23. März abermals zu einer<br />

Verhandlung vor den Magistrat geladen<br />

wird. Die Görlitzer Ratsversammlung<br />

legt Böhme nahe, Görlitz zu verlassen,<br />

eine Zwangsausweisung unterbleibt allerdings.<br />

Davor hatte Gregor Richter am<br />

7. März bereits die Drohung gegen die<br />

Stadt gerichtet: „Wehe dem Orte, wo solche<br />

Gotteslästerungen ungestraft ausgestreut<br />

werde.“ In seiner Predigt vom 24.<br />

März greift er Jacob Böhme persönlich<br />

als „Ketzer, Schwärmer und Halunken“<br />

an. Da Richter wütend über den straffreien<br />

Ausgang der Vernehmung Böhmes<br />

vor dem Rat ist, verfasst er eine Schmähschrift<br />

– das „Judicium Gregorii Richteri“<br />

(Urteil des Gregor Richter) - gegen Jacob<br />

Böhme, die er in lateinischer Sprache<br />

bei Johann Rhambau in Görlitz drucken<br />

lässt. Böhme seinerseits beendet seine<br />

„Verantwortung an den Rat zu Görlitz“.<br />

Jacob Böhme, Gemälde von Christoph G. Glymann<br />

Der Rat weist Böhmes Schreiben zurück<br />

und auch das „Judicium Gregorii Richteri“<br />

bleibt vom Rat unbeachtet. Zunächst<br />

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Geschichte<br />

15


Jacob Böhme –<br />

Böhme<br />

harrt Böhme ruhig in Görlitz aus. Er und<br />

seine Familie werden auf offener Straße<br />

und vor ihrem Haus angepöbelt und bedroht.<br />

Am 9. Mai folgt Böhme einer Einladung<br />

des Dresdener Hofes und reist nach<br />

Dresden. Er ist dort bis etwa Mitte Juni<br />

Gast des Dresdener Hofchemikers Benedikt<br />

Hinckelmann. Neben einem Kreis<br />

von Offizieren und Beamten kommt er<br />

auch mit dem einflussreichen Minister<br />

Loß, kaiserlicher und kurfürstlicher Rat,<br />

dem Superintendenten Strauch und dem<br />

berühmten Hofprediger von Hoenegg<br />

zusammen. Es wird ihm viel Achtung<br />

und Höflichkeit entgegengebracht. Und<br />

so sieht sich Böhme fast am Ziel seines<br />

Wunsches, eine neue Reformation durchzusetzen<br />

– „Ich hoffe noch, es wird bald<br />

die Zeit der großen Reformation kommen,<br />

da man sie auch wird reformieren<br />

und heißen Christum…“ Die erhoffte Audienz<br />

beim Kurfürsten kommt aber nicht<br />

zustande. Somit gerät diese Reise für<br />

Jacob Böhme zur Enttäuschung.<br />

Anfang Juli ist Böhme wieder zu Hause.<br />

Er leidet unter Erschöpfungszuständen<br />

und weitere Anzeichen lassen auf eine<br />

ernsthafte Erkrankung schließen. Am 14.<br />

August stirbt Gregor Richter. Trotz Krankheit<br />

bricht Böhme Mitte Oktober erneut<br />

zu einer beschwerlichen Handelsreise<br />

auf und kehrt Anfang November sterbenskrank<br />

nach Görlitz zurück. Catharina<br />

befindet sich unterdessen noch auf einer<br />

Handelsreise in Dresden. Der Görlitzer<br />

Arzt Tobias Kober und weitere Freunde<br />

pflegen und versorgen den Todkranken.<br />

Der ans Sterbebett gerufene Archidiakonus<br />

Elias Dietrich unterzieht Böhme<br />

einem langen, quälenden Verhör, ehe er<br />

ihm die Absolution erteilt und dem Sterbenden<br />

die letzte Ölung spendet.<br />

Jacob Böhme stirbt in der Nacht vom 16.<br />

auf den 17. November in seinem Haus<br />

an der Neißebrücke. Doch auch im Tode<br />

schließt die Amtskirche mit Jacob Böhme<br />

keinen Frieden. Gregor Richters Nachfolger<br />

Nikolaus Thomas verweigert Böhme<br />

ein kirchliches Begräbnis. Catharinas<br />

Bittgänge bleiben vergebens. Erst ein<br />

durch Tobias Kober veranlasster Stadtratsbeschluss<br />

erzwingt die Durchführung<br />

eines Trauergottesdienstes. Der damit<br />

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16<br />

Geschichte


Mystiker, Philosoph und christlicher Theosoph<br />

Jacob Böhme<br />

Grab von Jacob Böhme von <strong>186</strong>9-1922<br />

„von Amts wegen zum Grabe befohlene“<br />

Archidiakon Elias Dietrich ändert eigenwillig<br />

das von Tobias Kober angegebene<br />

Thema der Leichenpredigt und leitet diese<br />

mit der Feststellung ein, dass er zu ihr<br />

gezwungen worden sei und dass er sich<br />

gegen Leben, Wort und Lehre des Verstorbenen<br />

verwahre. Ausschreitungen<br />

gegen die Familie und das Haus Böhmes<br />

sowie die Schändung seines Grabes werden<br />

gleichgültig mit angesehen.<br />

Quelle: Jacob Böhme und die Pest zu Görlitz<br />

Musiktheater Oberlausitz-Niederschlesien GmbH in<br />

Kooperation mit dem <strong>StadtBILD</strong>-Verlag, 2007<br />

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Geschichte<br />

17


Hermsdorf (Jerzmanki) –<br />

Eine Ortsgeschichte<br />

Hermsdorf befindet sich im Osten der<br />

Oberlausitz. Es liegt 5 km südöstlich von<br />

Görlitz. Heute gehört die Gemeinde zu<br />

Zgorzelec in Polen und heißt seit 1946<br />

Jerzmanki. (poln. Hermann)<br />

Besitzer der Gemeinde Hermsdorf<br />

bzw. des Rittergutes:<br />

1407 Bernhard Canitz<br />

1407-1409 Peter Swob und Peter Bartholomäus<br />

1446 Kristof Utmann und deren Nachkommen<br />

bis 1483<br />

1483 Georg Emmerich (1422-1507) 5<br />

mal Bürgermeister in Görlitz. Erbauer<br />

des Heiligen Grabes 1480-1504.<br />

1507 Mikolai Kohler und Gattin Barbara<br />

geb. Emmerich (Tochter des Georg Emmerich<br />

Bürgermeister in Görlitz)<br />

1535 Joachim Frenzel, Sohn des Hans<br />

Frenzel dem Reichen (1465-1526) Hans<br />

war der Stifter der Annenkapelle in Görlitz<br />

(1508-1512)<br />

Ausschnitt Gemeinde Hermsdorf<br />

1564-1762 – 198 Jahre im Besitz der<br />

Familie von Schachmann. (1725 wurde<br />

auf dem Gut Carl Adolph Gottlob<br />

von Schachmann, ein Mitbegründer der<br />

Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften<br />

geboren). Schachmann hat<br />

in die Familie Frenzel eingeheiratet.<br />

1762 kaufte der Görlitzer Kaufmann Carl<br />

Wenzel von Emmerich das Gut Hermsdorf<br />

mit dem Kirchlehn. Nach seinem<br />

Tod gelangte das Gut 1805 an die Familie<br />

von Ziegler und Klipphausen, dem<br />

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18<br />

Geschichte


Eine Ortsgeschichte<br />

Neues Schloss Hermsdorf um 1887 durch Emil Gall im Neugotischen Stil<br />

Stifter des Frauenstifts Joachimstein in<br />

Radmeritz. Dieser verkaufte es 1819 der<br />

Familie von Haugwitz.<br />

1839 erwarb es die Familie des Grafen<br />

zu Solms-Klitschdorf und 1854 die Familie<br />

von Steineacker (vermutlich hat es<br />

die Mutter des Bruno von Steinaecker<br />

Charlotte Friederike Steinaecker geb.<br />

Rüdiger für ihren Sohn gekauft. Der<br />

Sohn war erst 16 Jahre und der Vater<br />

Adolph von Steinaecker war 1852 in<br />

Dresden verstorben). In schneller Folge<br />

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Geschichte<br />

19


Hermsdorf (Jerzmanki) –<br />

Eine Ortsgeschichte<br />

wechselten zwischen 1856 und 1880 die<br />

Besitzer. Diese waren:<br />

Familie Maschke, Familie von Waldow,<br />

Familie Leutritz, dem Kammerherrn von<br />

Erdmannsdorff, der den 10 ha großen<br />

Schlosspark anlegen ließ.<br />

Im letztgenannten Jahr 1880 erwarb<br />

das Gut Hermsdorf Karl Muth. In dieser<br />

Zeit musste das alte Schloss unter dem<br />

Besitzer Karl Muth abgebrannt sein. Im<br />

Jahre 1887 erwarb das Schloss Emil Gall<br />

und erbaute das Neue Schloss im Neugotischen<br />

Stil.<br />

1895 erwarb das Schloss Frau Kommerzienrat<br />

Römer aus Hainsberg bei Freital,<br />

Inhaber einer Türkischrotfärberei<br />

für Wolle und einer Schmelztiegelfabrik.<br />

Im Jahre 1910 übergab sie das Schloss<br />

ihrer Tochter Elisabeth Römer. Elisabeth<br />

vermählte sich mit dem aus Böhmen<br />

stammenden Kurys. Sie hieß dann Kurys-Römer.<br />

Die Ehe blieb kinderlos. Elisabeth<br />

kaufte ihrem Gatten den Doktortitel,<br />

damit er als Herrschaft anerkannt<br />

wurde. Das Gut gelangte wahrscheinlich<br />

noch vor 1917 in den Besitz ihres Gatten<br />

Dr. Karl Kurys-Römer, der es lt. Güteradressbuch<br />

und des Einwohnerverzeichnis<br />

des Kreises Görlitz noch 1939 besaß.<br />

(Anmerkung Schlesisches Güteradressbuch<br />

und Einwohnerverzeichnis von<br />

1939). Besitzer von 1939 bis 1945 unbekannt<br />

vermutlich aber Kurys-Römer.<br />

Angaben aus dem Schlesischem Güteradressbuch<br />

1930 Hermsdorf Nr. 2389<br />

zum Rittergut: Rittergut mit Rustikalbesitz<br />

Besitzer: Dr. Karl Kurys-Römer; Familienbesitz<br />

seit 1895<br />

Inspektor: Karl Thiel, 1 Verwalter, 1<br />

Brennereiverwalter; 1 Forstverwalter, 1<br />

Gärtnerei-Verwalter<br />

Landwirtschaftliche Flächen: 527 ha,<br />

davon 292 ha Acker, 50 ha Wiesen,<br />

79 ha Weide, 160 ha Holz, 10 ha Park,<br />

2 ha Wasser, 1,5 ha Garten und 5 ha<br />

Hof; 18 ha verpachtet.<br />

Grundsteuer Reineinkommen: 10.277 M.<br />

Bewirtschaftung: Elektrische Anlage,<br />

Dampf-Brennerei, Schwarzbuntes Niederungsvieh<br />

(Herdbuch); Kaltblutzucht,<br />

Zucht des grauen deutschen Edelschweins,<br />

Karpfenteichwirtschaft, Saatgutwirtschaft<br />

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20<br />

Geschichte


Eine Ortsgeschichte<br />

Aus Adressbuch Landkreis Görlitz<br />

1926 Bewohner im Gutsbezirk<br />

Hermsdorf:<br />

Rittergutsbesitzer und Gutsvorsteher:<br />

Dr. Kurys-Römer, Karl<br />

Oberschweizer: Aebischer, Oskar; Förster:<br />

Holdinger, Josef; Obergärtner: Jäger,<br />

Alois; Betriebsleiter: Kühn, Paul;<br />

Diplomlandwirt: Rahn, Ernst; Brennereiverwalter:<br />

Runge, Josef; Diener: Seja,<br />

Friedrich; Herrschaftlicher Kutscher:<br />

Schmidt, Gustav; Schmiedemeister:<br />

Schulze, Paul; Wächter: Steinbach, Wilhelm;<br />

Verwalter: Vogt, Arthur; Ackervogt:<br />

Wolf, Wilhelm; Kreisbaumeister<br />

und Ziegeleibesitzer: Weiberg, Heinrich<br />

und weitere Hofarbeiter und Witwen.<br />

Im Jahre 1930 war als Gutsinspektor<br />

angestellt Karl Thiel. Des Weiteren ein<br />

Gutsverwalter, ein Brennereiverwalter,<br />

ein Förster und ein Gärtner. Im Ort gab<br />

es noch 3 Güter mit einer Fläche von 22<br />

ha bis 37 ha.<br />

Eine ehemalige Bewohnerin von<br />

Hermsdorf schreibt in ihren Erinnerungen<br />

Erna Grunert geb. Hentschel, geboren<br />

am 14.2.1896 verstorben 1983 wohnhaft<br />

in Hermsdorf im Grundstück 121a.<br />

Die Familie Kurys-Römer war sehr sozial<br />

eingestellt. Die Dame errichtete ein Kinderheim<br />

(Kindergarten mit Hort).<br />

„Frau Grunert erinnert sich an die Zeit<br />

auf dem Rittergut derer von Kurys-<br />

Römer. Und es existiert noch ein Bild<br />

aus der Zeit um 1902/03. Es stellt das<br />

Kinderheim vom Rittergut Hermsdorf<br />

dar, und sie schreibt das dieses von der<br />

Dame (Elisabeth Kurys-Römer) eingerichtet<br />

wurde der es auch gehörte. Und<br />

so heißt es weiter: die Kleinkinder wurden<br />

mit allem versorgt, Baden, Wäsche,<br />

Essen und Trinken. Die Mütter holten<br />

die Kinder, wenn sie mit ihrer Arbeit<br />

fertig waren, ab. Auch Mittagessen und<br />

am Nachmittag Milch und Brot wurden<br />

gereicht. Die Schularbeiten wurden von<br />

einer ausgebildeten Lehrerin beaufsichtigt.<br />

Eine Stunde wurden Mädchen und<br />

Jungen damit beschäftigt, dass sie sich<br />

die Strümpfe selber stricken und stopfen<br />

konnten. Die Wolle lieferte die Dame<br />

dazu. Die Schlussstunde war ausgefüllt<br />

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Geschichte<br />

21


Hermsdorf (Jerzmanki) –<br />

Eine Ortsgeschichte<br />

mit Sport, Kreisspielen und Bändertanz.<br />

Weihnachten so schreibt sie weiter wurden<br />

die Kinder sämtlich eingekleidet,<br />

die Einheitlichkeit sieht man zum Teil<br />

auf dem Foto. Selber war Frau Kurys-<br />

Römer kinderlos. Jedes Kind durfte sich<br />

extra etwas wünschen, und einen Tag<br />

vor dem Heiligen Abend war im Schloss<br />

die Einbescherung sämtlicher Angestellten<br />

des Gutes, vom Pferdegespannführer<br />

bis zum einfachen Arbeiter. Vor jeder<br />

Familie stand ein Christbaum, und die<br />

Männer erhielten ihren Monatslohn als<br />

Weihnachtsgeschenk extra (also einen<br />

13. Monatslohn). Die Frauen wünschten<br />

sich je nachdem Bettwäsche, Gardinen<br />

oder Kleidung. In dem Brief heißt es<br />

weiter, dass die Dame sehr reich war<br />

und einen unvermögenden Mann liebte<br />

der aus Böhmen stammte. Damit er geachtet<br />

wird kaufte sie ihm einen Doktortitel.<br />

Somit war das herrschaftliche Paar<br />

gut angesehen und freundlich gesinnt.<br />

Wir haben alle nur Gutes empfangen<br />

von dieser Herrschaft. Jeder Angestellte<br />

des Gutes erhielt eine Wohnung, egal<br />

welchen Standes mit 2 Stuben und einer<br />

Wohnküche, Kohle, zum heizen, sowie<br />

Kartoffeln und Milch. Alle Angestellten<br />

waren gleichgestellt. Als wir Kinder in<br />

die Lehre gingen hat die Dame meinen<br />

Vater gebeten das Elektrohandwerk zu<br />

erlernen, des Schlosses halber, weil das<br />

elektrische ins Dorf kam. Zu dieser Zeit<br />

war die Petroleumlampe unsere Beleuchtung.<br />

Der Vater erlernte auf Wunsch von<br />

Frau Kurys-Römer diesen Beruf in Görlitz<br />

auf dem Obermarkt. Mein Vater war<br />

nicht nur dienlich dem Schloss sondern<br />

den ganzen auf dem Gut arbeitenden<br />

Menschen und der Dorfgemeinde.<br />

Das ist meine Aussage von der überlebenden<br />

Tochter des Stellmacher und<br />

Elektromeister Bruno Hentschel der ein<br />

Leben lang auf dem Gut in Arbeit stand,<br />

und im Rentenalter sich auf dem Gelände<br />

des Großvaters (Hermsdorf 121a) ein<br />

Häuschen baute.<br />

Nachsatz: Die Güter und Strukturen<br />

wurden aufgelöst, geblieben waren die<br />

guten Erinnerungen einer alten Frau.<br />

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22<br />

Geschichte


Eine Ortsgeschichte<br />

Kinderheim des Gutes Hermsdorf um 1902/03 (in der zweiten Reihe von oben, zweite von rechts Erna Hentschel)<br />

Über das Gut und deren Ländereien<br />

nach 1945 gibt es nur vage Angaben.<br />

Das Gut war nach 1945 ein staatlicher<br />

Landwirtschaftsbetrieb/Staatsgut). Das<br />

Schloss wurde 1950 durch den Polen<br />

Josef Dymny verwaltet, der selbiges<br />

bis 1960/65 bewirtschaftet hatte. Das<br />

Schloss befand sich nach dem Krieg in<br />

einem sehr gutem Zustand. Während<br />

des Umbaus der Schule in Hermsdorf<br />

dient das Schloss in den Jahren 1955-<br />

1957 als Schule.<br />

Nach 1965 verfiel es, das Dach stürzte<br />

ein, niemand kümmerte sich, sodass<br />

das Schloss in den 1970 Jahren abgebrochen<br />

wurde. An dieser Stelle befindet<br />

sich eine große Wiese.<br />

Einwohner der Gemeinde<br />

1941 = 1031 EW; Die Deportation der<br />

Deutschen erfolgte am 21. Juni 1945<br />

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Geschichte<br />

23


Hermsdorf (Jerzmanki) –<br />

Eine Ortsgeschichte<br />

Teile der erhaltenen Wirtschaftsgebäude der Schlossanlage Hermsdorf im Jahre 2014<br />

1947 = 471 EW davon 461 Polen und 10<br />

Tschechen<br />

2000 = 913 EW, 2006 = 912 EW, und<br />

2014 = 879 Einwohner.<br />

Zum Bergwerk Hermsdorf<br />

Die Kohleablagerungen bei Hermsdorf<br />

erstrecken sich auf dem Höhenzug welcher<br />

sich vom Moys (Ujazd) bis nach Heidersdorf<br />

(Włosień) erstreckt und durch<br />

Tonschiefer, Granit- und Basaltkuppen<br />

gebildet wird. Die Kohleablagerungen<br />

bei Hermsdorf erstreckten sich auf eine<br />

Breite von etwa 1 km die in nordöstlicher<br />

Richtung an Breite und Mächtigkeit<br />

zunimmt. Dieses Flöz ist durch die<br />

Grube „Gottes Segen“ in den Jahren<br />

zwischen 1840-<strong>186</strong>1 (genaue Angaben<br />

ließen sich nicht ermitteln) erschlossen<br />

worden. Inhaber des Bergwerkes<br />

war Franz Koppen. Das Bergwerk hatte<br />

eine Dampfmaschine zum Sümpfen der<br />

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24<br />

Geschichte


Eine Ortsgeschichte<br />

Wohnhaus an der Gutsanlage Hermsdorf. Erbaut 1895 durch die Besitzerin Römer<br />

Grubenwässer. In den letzten Jahren ihres<br />

Betriebes wurden nur noch jährlich<br />

10-12 t Braunkohle gefördert und selbiges<br />

ist zu Beginn des 20. Jahrhundert<br />

wegen Erschöpfung der Lagerstätte geschlossen<br />

worden. Von der Braunkohlengrube<br />

„Anna“ in Moys gab es eine<br />

Drahtseilbahn zur Kohleverladung zum<br />

Bahnhof Hermsdorf.<br />

Die Schlesische Gebirgsbahn Görlitz –<br />

Lauban wurde <strong>186</strong>5 eröffnet und der<br />

Bahnhof Hermsdorf ging 1878 in Betrieb.<br />

Im Jahre 1923 wurde die Strecke<br />

elektrifiziert.<br />

Ziegelproduktion:<br />

In Hermsdorf gab es zwei Ziegeleien.<br />

Eine davon gehörte zum Gutsbezirk.<br />

Wann diese eingegangen ist, ist nicht<br />

bekannt. Die zweite Ziegelei (eröffnet<br />

1870) gehörte dem Weiberg, Heinrich<br />

(Ziegeleibesitzer und Kreisbaumeister<br />

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Geschichte<br />

25


Hermsdorf (Jerzmanki) –<br />

Eine Ortsgeschichte<br />

Dorfirche in Hermsdorf<br />

a. D. lt. Adressbuch 1939 Wohnung<br />

Hermsdorf Nr. 88) Selbige wurde von<br />

den Polen noch bis in die 1980 Jahre<br />

betrieben und danach abgebrochen. Es<br />

steht nur noch der Schornstein.<br />

Kirche in Hermsdorf<br />

Die Kirche in Hermsdorf zählt neben<br />

Jauernick zu den ältesten Kirchenbauten<br />

in der Region. Bereits im Jahre 1300<br />

wurde eine Kapelle gebaut. Im Jahre<br />

1346 wurde sie zur Pfarrkirche ernannt<br />

und dem heiligem Laurenzius geweiht.<br />

Im Jahre 1432 erfolgte die Reformation<br />

in Hermsdorf und die Kirche wurde<br />

Protestantisch, die es bis zum Ende des<br />

2. Weltkrieges blieb. Das Gotteshaus ist<br />

jetzt eine katholische Kirche. Sein imposanter<br />

Turm misst 30 Meter. Das Geläut<br />

hatte 3 Glocken die in den Jahren 1470,<br />

1479 und 1508 gegossen wurden. Besonders<br />

sehenswert sind das Portal, der<br />

Altaraufbau und die Kanzel. Die Neugotische<br />

Orgel stammt aus dem Jahre<br />

1879.<br />

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26<br />

Geschichte


Eine Ortsgeschichte<br />

Vorderansicht der Öl- und Fettwarenfabrik der Fa. Vogt & Co in Hermsdorf<br />

Firma Voigt & Co. am Bahnhof<br />

Hermsdorf<br />

Der Firmensitz Voigt & Co. befand sich<br />

in Görlitz Bahnhofstraße 6 wo auch der<br />

Verkauf stattfand. In Hermsdorf am<br />

Bahnhof befand sich die Fabrik. In dieser<br />

erfolgte die Herstellung von Kraftstoffen<br />

sowie von technischen Schmierstoffen<br />

und Ölen. Die Firma hatte auch<br />

ein Netz von Tankstellen unter anderem<br />

in Görlitz, Sagan, Hoyerswerder und<br />

Krauschwitz. Nach dem Krieg wurde auf<br />

diesem Firmengelände in Hermsdorf ein<br />

CPN Brennstofflager errichtet. Im Jahre<br />

2015 begann der Abriss dieser Anlagen,<br />

so dass sich der bisherige Standort nicht<br />

mehr erahnen läßt.<br />

Wolfgang Stiller<br />

Görlitz<br />

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Geschichte<br />

27


Niederschlesiens schlesischer Schubert –<br />

Joseph Ignaz Schnabel<br />

Transeamus usque Bethlehem,<br />

frei übersetzt: „Lasst uns nach<br />

Bethlehem hinübergehen“, dieses<br />

kirchenmusikalische Werk, komponiert<br />

vom namhaften Kirchenmusiker,<br />

Joseph Ignaz Schnabel,<br />

erklingt in den Weihnachtskonzerten,<br />

insbesondere in den Gottesdiensten<br />

der katholischen Kirchen<br />

innerhalb des Lebensraumes<br />

zwischen Hoyerswerda, Wittichenau,<br />

Bad Muskau und Görlitz im<br />

schlesischen Teil innerhalb des<br />

Freistaates Sachsens und des<br />

Bistums Görlitz. Es ist ein Werk<br />

aus der Weihnachtspastorale von<br />

Joseph Ignaz Schnabel das er der<br />

Nachwelt für die Weihnachtszeit<br />

hinterließ. Geboren wurde dieser<br />

Kirchenmusiker am 24. Mai. 1767<br />

in Schlesien östlich der Neiße in<br />

Naumburg am Queis (Kwisa). Er<br />

stammt aus einer Musikerfamilie.<br />

Sein Vater, ein Kantor, erteilte ihm<br />

den ersten Unterricht. Zunächst<br />

hatte er die Absicht katholischer<br />

Geistlicher zu werden. Darum<br />

Joseph Ignaz Schnabel<br />

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28<br />

Geschichte


Joseph Ignaz Schnabel<br />

Ignaz Schnabel<br />

besuchte er ab dem 12. Lebensjahr das<br />

Matthias-Gymnasium in Breslau. Ein<br />

chronisches Ohrenleiden war der Grund<br />

der es ihm unmöglich machte, sich seinen<br />

Berufwunsch zu erfüllen um als katholischer<br />

Geistlicher für die Seelsorge<br />

zur Verfügung zu stehen. So verließ er<br />

mit der 6. Klasse das Matthias Gymnasium<br />

in Breslau, danach war er ab 1790<br />

als Dorfschulmeister in Paritz tätig. Dort<br />

gründete er mit begabten Kindern die<br />

Paritzer Kapelle. Durch ihn wurde sie<br />

allerorts in Schlesien bekannt. Ab 1797<br />

wirkte er zunächst als Violinist in Breslau<br />

an der St. Vinzenzkirche in Breslau.<br />

Danach war er in dieser Hauptstadt<br />

Schlesiens als Organist an der Kirche<br />

St. Klara tätig. Von 1797 bis 1804 war<br />

er im musikalischen Bereich als Violinist<br />

und Konzertmeister am Theater Breslau<br />

tätig. Während dieses Zeitraumes übernahm<br />

er gelegentlich das Dirigat dieses<br />

Orchesters. 1805 wurde er Domkapellmeister.<br />

In dieser Position machte er<br />

sich verdient um die Neuorganisation<br />

des Chores und des Orchesters dieses<br />

Gotteshauses. Zugleich brachte er sich<br />

als Dirigent in die damals in Breslau sehr<br />

bekannten Richterschen Winterkonzerte<br />

ein. Ebenfalls erfolgte eine Tätigkeit als<br />

Universitätsmusikdirektor und die eines<br />

Direktors des Königlichen Instituts für<br />

Kirchenmusik, zu dessen Gründern er<br />

gehörte. Als Komponist wurde er vor allem<br />

durch das Schaffen von instrumental<br />

begleiteten Werken bekannt. Durch<br />

sie entstand eine schlesische Tradition<br />

innerhalb des musikalischen Bereichs,<br />

sie wird als Breslauer Schule in der Musikgeschichte<br />

beschrieben. Joseph Ignaz<br />

Schnabel schenkte den Aufführungen<br />

der Musikliteratur von Schubert und<br />

Mozart eine besondere Aufmerksamkeit.<br />

Infolge seiner großen Verdienste<br />

um diese Aufführungen der Werke von<br />

Mozart und Schubert innerhalb des Musiklebens<br />

Schlesiens ging er als schlesischer<br />

Schubert in die Musikgeschichte<br />

ein. 1823 wurde ihm die Ehrendoktorwürde<br />

verliehen. Sein Leben vollendete<br />

sich am 16.6.1831. Die letzte Ruhestätte<br />

erhielt er in der Kreuzkirche in Breslau.<br />

Er hinterließ der Nachwelt 212 Werke.<br />

Zu ihnen gehören im kirchenmusikali-<br />

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Geschichte<br />

29


Niederschlesiens schlesischer Schubert<br />

Joseph Ignaz Schnabel<br />

schen Bereich Hymnen, Offertorien<br />

und 5 lateinische Messen.<br />

Die bekanntesten Kompositionen<br />

unter ihnen sind das Transeamus<br />

usque Bethlehem mit Rezitativ<br />

aus der Weihnachtspastorale und<br />

Missa As - Dur auch Krönungsmesse<br />

genannt. Hinzukommen<br />

u.a. Militärmusiken, ein Klarinettenkonzert,<br />

Lieder, ein Männerquartett<br />

und ein Quartett für<br />

Streicher und Gitarre. Um die<br />

großen Verdienste von Joseph<br />

Ignaz Schnabel wissend befindet<br />

sich an seinem Geburtshaus<br />

in Dolny Śląsk (Niederschlesien)<br />

östlich der Neiße in Nowogrodzie<br />

nad Kwisa (Naumburg am Queis)<br />

eine Gedenktafel an ihn in polnischer<br />

und deutscher Sprache.<br />

Zudem finden in seinem Geburtsort<br />

jährlich die Ignaz Schnabel<br />

Festtage statt.<br />

Portal des Geburtshauses in Naumburg/Queis<br />

Dr. med. Jürgen Wenske<br />

Görlitz<br />

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Redaktion:<br />

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Anzeigenschluss für die Februar-<br />

Ausgabe: 15. <strong>Januar</strong> <strong>2019</strong><br />

Redaktionsschluss:<br />

20. <strong>Januar</strong> <strong>2019</strong><br />

30<br />

Geschichte

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