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50 Jahre Kraftwerk Frimmersdorf - RWE

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<strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Kraftwerk</strong> <strong>Frimmersdorf</strong><br />

Ein Standort mit Power<br />

<strong>RWE</strong> Power


Der Standort Grevenbroich <strong>Frimmersdorf</strong> I<br />

Grevenbroich ist laut Stadtmarketing die „Bundeshauptstadt<br />

der Energie“. Sie verdient diesen<br />

Titel aus drei Gründen:<br />

Die Stadt ist ein Energie-Standort mit Zukunft.<br />

<strong>RWE</strong> plant in Neurath den Bau zweier Blöcke des<br />

zurzeit effizientesten und klimaschonendsten <strong>Kraftwerk</strong>typs<br />

auf Basis Braunkohle: des Braunkohlenkraftwerks<br />

mit optimierter Anlagentechnik (BoA).<br />

Grevenbroich spielt eine wichtige Rolle in der<br />

Stromerzeugung der Gegenwart. Schon heute<br />

stehen – besser – laufen dort zwei bedeutende<br />

<strong>Kraftwerk</strong>e: das <strong>Kraftwerk</strong> Neurath mit mehr als<br />

2.200 Megawatt und das <strong>Kraftwerk</strong> <strong>Frimmersdorf</strong><br />

mit einer Kapazität von rund 2.400 Megawatt.<br />

Beide Anlagen zusammen können mehr als 20<br />

Millionen Menschen mit Strom versorgen.<br />

Darüber hinaus hat Grevenbroich eine lange und<br />

gute Vergangenheit in der Energiewirtschaft: Das<br />

<strong>Kraftwerk</strong> <strong>Frimmersdorf</strong> wird in diesem Jahr <strong>50</strong>.<br />

Vorsicht! Die älteren Grevenbroicher und die<br />

Regionalhistoriker werden jetzt den Zeigefinger<br />

erheben: Der <strong>Kraftwerk</strong>sstandort <strong>Frimmersdorf</strong><br />

existiert doch schon viel länger, nämlich seit<br />

1926. In der Tat wurde der Vorgänger der heutigen<br />

Anlage schon vor bald 80 <strong>Jahre</strong>n errichtet.<br />

Deshalb will diese Chronik die Vorgeschichte des<br />

heutigen <strong>Kraftwerk</strong>s <strong>Frimmersdorf</strong> nicht auslassen<br />

– back to the roots, zurück zu den Wurzeln.<br />

1917, noch während des Ersten Weltkriegs, gab<br />

es bereits Planungen für eine Verstromung der<br />

im Raum Grevenbroich lagernden Braunkohle.<br />

In jenem Jahr erwarb die in Rheydt ansässige<br />

Niederrheinische Licht- und <strong>Kraftwerk</strong>e AG mit<br />

der Deutschen Continental-Gas-Gesellschaft<br />

(DCGG) aus Dessau und der Stadt Rheydt sieben<br />

Braunkohlefelder im Raum Grevenbroich, die<br />

<strong>Frimmersdorf</strong> I, 1930<br />

das bereits bestehende <strong>Kraftwerk</strong> in Rheydt mit<br />

Brennstoff versorgen sollten.<br />

Schon damals wurde jedoch ein vollkommen<br />

neues <strong>Kraftwerk</strong> in Grevenbroich geplant, das im<br />

Gegensatz zu den meisten anderen <strong>Kraftwerk</strong>en<br />

der Zeit direkt auf die Braunkohlenlagerstätte<br />

gebaut werden sollte. Der Grund: Wegen ihres<br />

hohen Wassergehalts von ca. 55 Prozent ist es<br />

unwirtschaftlich, grubenfeuchte Rohbraunkohle<br />

über größere Entfernungen zu transportieren.<br />

Die ebenso einfache wie bahnbrechende Idee,<br />

ein <strong>Kraftwerk</strong> direkt auf die Braunkohlenlagerstätte<br />

zu bauen, war bereits 1912 mit dem <strong>Kraftwerk</strong><br />

Fortuna bei Bergheim und 1914 mit dem Goldenbergwerk<br />

(damals noch als Vorgebirgszentrale<br />

bekannt) bei Hürth verwirklicht worden. Durch<br />

den Bau des Goldenbergwerks und die darauf<br />

einsetzende Stromproduktion wurde in der wirtschaftlich<br />

eher schwachen Region ein Strukturwandel<br />

bis dahin unbekannten Ausmaßes angestoßen.<br />

Arbeitsplätze wurden nicht nur durch<br />

den Bau des <strong>Kraftwerk</strong>s geschaffen, sondern<br />

auch durch die Ansiedlung energieintensiver<br />

Industriebetriebe vor allem aus der Chemie. Den<br />

gleichen Effekt erwarteten die Planer des <strong>Kraftwerk</strong>s<br />

im Norden des rheinischen Braunkohlenreviers<br />

– zu Recht, wie sich erweisen sollte.<br />

Im Juni 1921 wurde die Niederrheinische Braunkohlenwerke<br />

AG von der Stadt Rheydt und der<br />

DCGG zu dem Zweck gegründet, bei der Grube<br />

Walther in <strong>Frimmersdorf</strong> das neue <strong>Kraftwerk</strong> zu<br />

bauen. Im Mai 1925 begannen die Bauarbeiten,<br />

schon im Mai 1926 standen ein Kesselhaus<br />

mit vier Kesseln, ein Maschinenhaus mit einer<br />

10-Megawatt-Turbine sowie ein 55.000-Volt-<br />

und ein 6.000-Volt-Schalthaus zur Verfügung.<br />

Im Juni 1936 erwarb das <strong>RWE</strong> die Aktien der<br />

Niederrheinischen Braunkohlenwerke AG, der<br />

Verkauf an das Unternehmen erfolgte aber erst<br />

2 3


am 31. Dezember 1938. Dieser Schritt war Teil<br />

der langfristigen <strong>RWE</strong>-Strategie zum Ausbau<br />

der Braunkohlenförderung und -verstromung im<br />

Rheinland, die bereits mit dem Bau des Goldenbergwerks<br />

begonnen hatte. Dahinter stand der<br />

Gedanke einer Verbundwirtschaft der verschiedenen<br />

<strong>Kraftwerk</strong>stypen (Braunkohle, Steinkohle,<br />

Wasser) und eines ganz Deutschland umspannenden<br />

Leitungsnetzes. Den Braunkohlenkraftwerken<br />

kam dabei die Aufgabe der Grundlastversorgung<br />

zu, für die sie auf Grund ihrer Nähe<br />

zu den Förderstätten und dem günstigen Kosten-<br />

Nutzen-Verhältnis am besten geeignet waren.<br />

<strong>Kraftwerk</strong>e, die Steinkohle verfeuerten, konnten<br />

in einem solchen Verbundnetz nachts sogar<br />

abgeschaltet werden, um den höherwertigen<br />

Brennstoff für die Spitzenbedarfszeiten am Tag<br />

zu sparen.<br />

Der Zweite Weltkrieg stellte hohe Stromanforderungen<br />

an das <strong>Kraftwerk</strong>, denen es bis zum<br />

Februar 1945 unbeschadet nachkommen konnte.<br />

Am 24. Februar 1945 erlitt der mittlerweile 125<br />

Meter hohe Schornstein einen Bombentreffer<br />

und stürzte ein. Die Trümmer beschädigten das<br />

Kesselhaus so schwer, dass der <strong>Kraftwerk</strong>sbetrieb<br />

eingestellt werden musste. Erst Ende 1946 konnte<br />

das <strong>Kraftwerk</strong> <strong>Frimmersdorf</strong> die Stromerzeugung<br />

wieder aufnehmen.<br />

Mit der bloßen Wiederherstellung des Vorkriegsstandards<br />

war es jedoch nicht getan. Die wirtschaftliche<br />

Gesundung der jungen Bundesrepublik<br />

Deutschland verlangte nach sehr viel Strom für<br />

alte und neue Industriebetriebe und die Haushalte.<br />

Für <strong>Frimmersdorf</strong> bedeutete das: Ausbau,<br />

Nachrüstung, Modernisierung.<br />

An der Westseite des bestehenden Kesselhauses<br />

begannen 1949 die Arbeiten für einen neuen<br />

Block, dessen 30-MW-Turbinensatz, anders als<br />

bei den älteren Mitteldruckblöcken, mit zwei<br />

Hochdruckkesseln arbeitete und der vorhandenen<br />

Anlage vorgeschaltet wurde. Die so erzielbaren<br />

höheren Drücke (Dampfzustand 110 Bar bei<br />

<strong>50</strong>0 Grad statt 14 Bar und 3<strong>50</strong> Grad) ermöglichten<br />

einen höheren Wirkungsgrad. Außerdem wurde<br />

das Maschinenhaus nach Westen verlängert, ein<br />

zweiter Schornstein und eine Wasseraufbereitungsanlage<br />

entstanden. Die bis dahin ausreichende<br />

Wasserkühlung durch die Erft war nicht mehr<br />

leistungsfähig genug. Daher wurde ein Naturzug-<br />

Kühlturm gebaut, der die Flusskühlung ersetzte.<br />

Der neue Kühlturm trug ebenfalls zur Wirkungsgradsteigerung<br />

bei und reduzierte die Wärmebelastung<br />

der Erft – eine Umweltschutzmaßnahme<br />

zu einer Zeit, als der Umweltschutz noch<br />

kein Thema des öffentlichen Interesses war.<br />

Im Januar 1951 war der Ausbau des <strong>Kraftwerk</strong>s<br />

abgeschlossen, die installierte Leistung lag nun<br />

bei 90 Megawatt.<br />

<strong>Frimmersdorf</strong> I Baugrube, 1948<br />

Schon bald wurde jedoch klar, dass auch diese<br />

gesteigerte Leistung längerfristig nicht ausreichen<br />

würde, um den ständig wachsenden<br />

Strombedarf in der Region zu decken. Es war<br />

abzusehen, dass modernisierte Altanlagen wie<br />

<strong>Frimmersdorf</strong> den Herausforderungen der Nachkriegszeit<br />

nicht gewachsen waren. Die Antwort<br />

waren vielmehr neue große <strong>Kraftwerk</strong>e bisher<br />

unbekannter Leistungsfähigkeit. Eines der ersten<br />

davon wurde in den fünfziger <strong>Jahre</strong>n in Angriff<br />

genommen: <strong>Frimmersdorf</strong> II.<br />

Das <strong>Kraftwerk</strong> <strong>Frimmersdorf</strong> I hingegen wurde<br />

1964 abgeschaltet und 1968/69 abgerissen, da<br />

es den wirtschaftlichen und umwelttechnischen<br />

Anforderungen der Zeit nicht mehr entsprach.<br />

<strong>Frimmersdorf</strong> Tagebau, November 1952<br />

4 5


Das neue <strong>Kraftwerk</strong><br />

Mit dem zunächst auf 1.200 Megawatt ausgelegten<br />

<strong>Kraftwerk</strong> <strong>Frimmersdorf</strong> II stieß das <strong>RWE</strong><br />

als technologisch führender Stromerzeuger in<br />

Deutschland in ganz neue Dimensionen vor.<br />

Dazu kam: Das Unternehmen baute parallel zu<br />

<strong>Frimmersdorf</strong> bei Weisweiler im Westrevier ein<br />

zweites Großkraftwerk, und auch dieses wurde<br />

direkt an der Braunkohlenlagerstätte errichtet.<br />

Die Blockbauweise entsprach dem neuesten<br />

Stand der Technik. Dabei bilden Kessel, Turbine<br />

und Generator sowie die gesamte Abgasführung<br />

eine in sich geschlossene Einheit; jeder Block<br />

hat seinen eigenen Schornstein und Elektrofilter.<br />

Die im Laufe der <strong>Jahre</strong> mit Bau und Ausbau des<br />

<strong>Kraftwerk</strong>s und seiner Anlagen beauftragten Firmen,<br />

wie BBC, AEG, Krupp, Siemens, EVT, Babcock<br />

und Hochtief, erlangten durch ihre Arbeit für<br />

<strong>RWE</strong> eine Reputation, die ihnen eine bedeutende<br />

Stellung auf dem Weltmarkt verschaffte.<br />

1953 begannen die Planungen für den ersten<br />

Bauabschnitt, wobei ein späterer Ausbau in<br />

mehreren Stufen bis 1960 bereits vorgesehen war.<br />

In der ersten Ausbaustufe sollte ein Krafthaus<br />

mit zwei Blöcken von je 100 Megawatt errichtet<br />

werden, das über eine Bekohlungsanlage von<br />

einem Grabenbunker aus mit Kohle versorgt<br />

werden würde.<br />

Die Bauarbeiten an Block A und B begannen am<br />

1. April 1954. Bereits im Sommer 1955 konnte das<br />

<strong>Kraftwerk</strong> <strong>Frimmersdorf</strong> II mit der Stromerzeugung<br />

beginnen. Am 9. Juli 1955 ging Block A, am 26.<br />

August Block B ans Netz. Jeder Maschine waren<br />

zwei Kessel zur Erzeugung von jeweils 200 Tonnen<br />

Dampf pro Stunde zugeordnet.<br />

Im September und November 1957 nahmen die<br />

Blöcke C und D mit jeweils 1<strong>50</strong> Megawatt Leistung<br />

ihren Betrieb auf. Ihre größer dimensionierten<br />

Kessel lieferten bereits 455 Tonnen Dampf pro<br />

Stunde. Die 1<strong>50</strong>-Megawatt-Blöcke E und F nahmen<br />

im August und November 1959 ihren Betrieb auf,<br />

ebenso die dazugehörigen Kühltürme 7-13. Im<br />

Herbst 1960 folgten die Blöcke G, H und J, eben-<br />

<strong>Frimmersdorf</strong> Baustelle, 1954 Frimmersorf Block A-D, 1958<br />

falls mit je 1<strong>50</strong> Megawatt Leistung, sowie die<br />

Kühltürme 14-20 und ein Kompressorenhaus mit<br />

Wasserwarte.<br />

Mit dem Block J war die ursprüngliche Planung<br />

zum Ausbau des <strong>Kraftwerk</strong>s <strong>Frimmersdorf</strong> II<br />

erfüllt, das nun wie vorgesehen über eine installierte<br />

Leistung von 1.200 Megawatt verfügte.<br />

Die wirtschaftliche Entwicklung in der Bundesrepublik<br />

im Allgemeinen und im rheinischen<br />

Braunkohlenrevier im Besonderen machte jedoch<br />

schon während der ersten Bauphasen deutlich,<br />

dass eine weitere Vergrößerung der <strong>Kraftwerk</strong>skapazität<br />

erforderlich war.<br />

Das günstige Energieangebot des <strong>Kraftwerk</strong>s<br />

und der wirtschaftliche Aufschwung der Region<br />

standen in einer Wechselbeziehung zueinander.<br />

Erst Braunkohlenkraftwerke wie <strong>Frimmersdorf</strong> I<br />

und II sowie das damit verbundene Stromangebot<br />

ermöglichten die Neuansiedlung oder den Ausbau<br />

von Industriebetrieben im Umfeld der <strong>Kraftwerk</strong>e,<br />

auch als Auftragnehmer beim <strong>Kraftwerk</strong>sausbau.<br />

Betriebe und Privathaushalte wiederum<br />

fragten immer mehr Strom nach und förderten<br />

dadurch die Erhöhung der Stromproduktion und<br />

die <strong>Kraftwerk</strong>serweiterung.<br />

Beispiele hierfür sind das Erftwerk (Leichtmetallherstellung)<br />

und die nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

aus Magdeburg übergesiedelte Maschinenfabrik<br />

Buckau R. Wolf AG. Das blieb nicht ohne Wirkung<br />

auf die Wirtschaftskraft der Region, vor allem<br />

der Stadt Grevenbroich. Die Einwohnerzahl Grevenbroichs<br />

stieg von 3.410 im <strong>Jahre</strong> 1900 auf 63.000<br />

im <strong>Jahre</strong> 1995, wobei vor allem die <strong>Jahre</strong> zwischen<br />

19<strong>50</strong> und 1970 starke Wachstumsraten verzeichneten.<br />

Die Gemeinden Neurath und <strong>Frimmersdorf</strong><br />

zählten dank des Wirtschaftsfaktors Braunkohlenverstromung<br />

zeitweilig sogar zu den wohlhabendsten<br />

Kommunen der alten Bundesrepublik.<br />

In einer fünften Ausbaustufe errichtete das <strong>RWE</strong><br />

ab 1960 die Blöcke K, L und M, die im Sommer<br />

1962 wiederum mit jeweils 1<strong>50</strong> Megawatt – und<br />

mit sieben weiteren Kühltürmen – ans Netz gingen.<br />

Bis 1964 folgten schließlich die Blöcke N und O<br />

6 7


als letzte 1<strong>50</strong>-MW-Einheiten vor Ort, sowie die<br />

dazugehörigen Kühler 28-31.<br />

Zu jenem Zeitpunkt hatten die Bauarbeiten an<br />

einem weiteren <strong>Kraftwerk</strong>sblock begonnen, der<br />

offiziell mit dem Buchstaben P und im Jargon<br />

der <strong>Kraftwerk</strong>er als „Paula“ bezeichnet werden<br />

sollte. Mit 300 Megawatt Leistung übertraf er die<br />

älteren Blöcke um das Doppelte – die logische<br />

Fortsetzung der von Anfang an erkennbaren<br />

Tendenz zu immer größeren und stärkeren Einheiten<br />

im <strong>Kraftwerk</strong>sbau. Die Mehrleistung war<br />

kein Selbstzweck, sondern ein Erfordernis der<br />

immer noch steigenden Stromnachfrage.<br />

Anders als die bisherigen Blöcke, die technisch<br />

zwar als Einzelblöcke funktionierten, aber gewisser-<br />

<strong>Frimmersdorf</strong> Baustelle Block P, 1965<br />

maßen im Tandem bzw. im Quartett konzipiert<br />

worden waren, war Block P von Anfang an als<br />

Monoblock gedacht und entsprach auch in dieser<br />

Hinsicht moderner <strong>Kraftwerk</strong>stechnik; das Gleiche<br />

traf auch auf seinen leistungsstarken Kessel mit<br />

dessen Dampfleistung von 872 Tonnen pro Stunde<br />

zu. Der 108 Meter hohe Turmkessel (inklusive<br />

Wärmeschutzverkleidung) war eine Premiere in<br />

der Kesselbautechnik weltweit. Bei einem Turm-<br />

kessel werden die Rauchgasströme übereinander<br />

anstatt wie früher quer oder U-förmig geführt<br />

– eine Auslegung, die seither bei Neubauten<br />

Standard ist.<br />

Das Maschinen- und Kesselhaus von Block P wurde<br />

nicht an das bestehende <strong>Kraftwerk</strong> angebaut,<br />

sondern entstand als freistehende Baueinheit<br />

nördlich der älteren Anlagen, ebenso wie die<br />

drei dazugehörigen Kühltürme und eine eigene<br />

Bekohlungsanlage. Block P nahm 1966 seinen<br />

Betrieb auf.<br />

Noch ein weiteres Mal sollte die <strong>Kraftwerk</strong>skapazität<br />

erhöht werden: Von 1967 bis 1970<br />

wurde Block Q direkt neben „Paula“ als zweiter<br />

300-MW-Monoblock errichtet. Bei gleicher<br />

Leistung hatte „Quelle“ einen noch stärkeren<br />

Dampferzeuger: Er lieferte 972 Tonnen Dampf<br />

pro Stunde und war der größte Kessel der Welt<br />

mit ungeteiltem Feuerraum. Eine weitere<br />

Besonderheit war der für Block Q errichtete Kühlturm,<br />

der nicht wie alle anderen Kühler im Werk<br />

mit einem Ventilator zur Luftbewegung arbeitet,<br />

sondern mit dem natürlichen Luftzug. Um diesen<br />

physikalischen Effekt nutzen zu können, muss<br />

8 9


10 11


ein Naturzug-Kühlturm allerdings bedeutend<br />

höher sein als eine Einheit mit Ventilator: im<br />

Falle des Kühlturms für Block Q bemerkenswerte<br />

116 Meter. Damit genug Kohle für Block Q vor<br />

Ort gelagert werden konnte, wurde der Grabenbunker<br />

2 entlang der Erft verlängert und damit<br />

vergrößert. Auf Grund der Nähe zum Tagebau<br />

Garzweiler (früher: Tagebaue <strong>Frimmersdorf</strong>-Süd<br />

und -West) wird das <strong>Kraftwerk</strong> <strong>Frimmersdorf</strong> II<br />

übrigens von dort seit Ende der 1960er <strong>Jahre</strong> per<br />

Förderband mit Kohle versorgt, ist natürlich aber<br />

auch an die Nord-Süd-Bahn angeschlossen.<br />

Im <strong>Jahre</strong> 1970 verfügte <strong>Frimmersdorf</strong> über eine<br />

installierte Leistung von 2.600 Megawatt und war<br />

damit das größte Wärmekraftwerk der Welt. Nicht<br />

nur die Leistung, auch die elektrischen Wirkungsgrade<br />

des <strong>Kraftwerk</strong>s hatten beständig zugenommen.<br />

Arbeiteten die 100-MW-Blöcke noch mit 25<br />

bis 26 Prozent, so brachten es die 1<strong>50</strong>-MW-Einheiten<br />

bereits auf 30 bis 32 Prozent und die 300-<br />

MW-Blöcke auf 33 bis 34 Prozent. Zum Vergleich:<br />

Das alte <strong>Kraftwerk</strong> hatte im Endausbau 20 Prozent<br />

Wirkungsgrad.<br />

In dieser Konfiguration versah das <strong>Kraftwerk</strong> 15<br />

<strong>Jahre</strong> lang im Wesentlichen unverändert seinen<br />

Dienst. Erst in den 1980er <strong>Jahre</strong>n sollte sich<br />

daran etwas ändern.<br />

Die 13. Verordnung zum Bundesimmissionsschutzgesetz,<br />

die die Schadstoffabgabe von<br />

Großfeuerungsanlagen regelte, legte unter<br />

anderem strenge Grenzwerte für den Ausstoß<br />

von Schwefeldioxid fest. Die neue Richtlinie<br />

machte es erforderlich, <strong>Frimmersdorf</strong> II (und<br />

andere <strong>Kraftwerk</strong>e) mit moderner Technik zur<br />

Rauchgasentschwefelung auszustatten. Umfangreiche<br />

Neu- und Umbauten zwischen 1985 und<br />

1988 waren die Folge. Fast alle Blöcke waren<br />

betroffen. Ausgenommen waren die ältesten Ein-<br />

Kohleband Eimerkettenbagger im Grabenbunker 2<br />

heiten, die 100-MW-Blöcke A und B, denn für sie<br />

wäre eine Nachrüstung technisch und betriebswirtschaftlich<br />

nicht sinnvoll gewesen. Am 30. Juni<br />

1988 gingen beide Anlagen vom Netz.<br />

Alle anderen Blöcke wurden bis 1988 an die<br />

neue Rauchgas-Entschwefelungs-Anlage (REA)<br />

angeschlossen, die an der Stelle der Kühltürme<br />

7, 9, 11, 13, 28 und 30 errichtet wurde. In der<br />

REA wird das so genannte Nasswaschverfahren<br />

angewandt, bei dem die schwefeldioxidhaltigen<br />

Rauchgase mit Kalkmilch besprüht werden. Die<br />

verbindet sich mit dem Schwefel im Abgas zu<br />

Gips, der umweltfreundlich deponiert oder an die<br />

Bauwirtschaft weiterveräußert werden kann.<br />

Mit der Forschung und Entwicklung an den Verfahren<br />

zur Rauchgasentschwefelung betraten<br />

die Ingenieure und Techniker Neuland. Dazu<br />

kam: Was in der Theorie funktionierte, musste<br />

auch bei einem <strong>Kraftwerk</strong> von der Größe <strong>Frimmersdorf</strong>s<br />

klappen. Allein der Bau der REA bei<br />

laufendem <strong>Kraftwerk</strong>sbetrieb war eine bis dahin<br />

12 13


<strong>Frimmersdorf</strong> REA Baustelle, Juni 1986 Gips – er entsteht bei der Rauchgasentschwefelung<br />

unbekannte technische Herausforderung. Erst<br />

nach milliardenschweren Investitionen und<br />

jahrelanger Erprobung wurde die heute für<br />

selbstverständlich gehaltene Leistungsfähigkeit<br />

erreicht. Der hier erstmals realisierte Spitzenstandard<br />

bei der Rauchgasentschwefelung<br />

bescherte <strong>RWE</strong> die weltweit größte Erfahrung<br />

auf diesem Gebiet und sorgte für eine weltweite<br />

Nachfrage nach dieser Technik.<br />

Der Bau der REA machte sämtliche 16 Schornsteine<br />

des <strong>Kraftwerk</strong>s <strong>Frimmersdorf</strong> überflüssig;<br />

sie wurden zwischen 1988 und 1992 abgerissen.<br />

Heute verfügt das <strong>Kraftwerk</strong> <strong>Frimmersdorf</strong> über<br />

14 Anlagen, die eine elektrische Gesamtleistung<br />

von 2.413 Megawatt aufbieten können. In <strong>Frimmersdorf</strong><br />

werden pro Jahr 22 Millionen Tonnen<br />

Braunkohle aus den Tagebauen Garzweiler und<br />

Hambach eingesetzt und 17 Milliarden Kilowattstunden<br />

Strom erzeugt.<br />

<strong>Frimmersdorf</strong> ist in die umfangreichen Planungen<br />

zur Erneuerung der <strong>RWE</strong>-Braunkohlenkraftwerke<br />

in der Region einbezogen. Die meisten heutigen<br />

Blöcke sollen nach und nach modernen Anlagen<br />

mit der richtungweisenden BoA-Technologie<br />

weichen. BoA steht für „Braunkohlenkraftwerk<br />

mit optimierter Anlagentechnik“ und zeichnet<br />

sich durch eine bedeutend effizientere Nutzung<br />

der Braunkohle aus. Ein BoA-Block verstromt<br />

die Braunkohle mit einem Wirkungsgrad von<br />

43 Prozent gegenüber einem Mittelwert von<br />

rund 31 Prozent bei den 1<strong>50</strong>-MW-Altanlagen.<br />

BoA schont damit kostbare Ressourcen und senkt<br />

den Kohlendioxidausstoß beträchtlich – ein<br />

aktiver Beitrag zur umweltverträglichen Nutzung<br />

des auch in Zukunft wichtigen Energieträgers<br />

Braunkohle. Ihre Premiere feierte die BoA-Linie<br />

im Jahr 2003 mit dem Niederaußemer Neubaublock.<br />

Zwei weitere Blöcke dieses fortschrittlichen<br />

Typs sind jetzt in Sichtweite des <strong>Kraftwerk</strong>s<br />

<strong>Frimmersdorf</strong> am Standort Neurath vorgesehen.<br />

Auch in Grevenbroich hat die Zukunft damit<br />

schon begonnen. Auf Basis Braunkohle.<br />

14 15


<strong>RWE</strong> Power<br />

Essen • Köln<br />

www.rwe.com<br />

www.derspringendepunkt.info 06/2005

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